Wo treibt uns der CO -Wahnsinn hin?

CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Wo treibt uns der CO2-Wahnsinn hin?
– Ist eine CO2-Abscheidung hinter
Abfallverbrennungsanlagen wirklich zielführend? –
1.
Verfahrensübersicht zur gasseitigen CO2-Abtrennung ..........................413
2.
Auswahl eines geeigneten Verfahrens für die CO2-Abscheidung
hinter Abfallverbrennungsanlagen ...........................................................416
3.
Bilanzierung .................................................................................................424
3.1.
Massenbilanz der CO2-Abscheidung........................................................424
3.2.
Energie- und Massenbilanzen für die Abfallverbrennungsanlage .......425
3.3.
Energie- und Massenbilanzen für die CO2-Abscheideverfahren .........427
3.4.
CO2-Emissionsbilanz ..................................................................................432
4.
Relevanz der CO2-Abscheidung für die Abfallverbrennung .................434
5.
Zusammenfassung ......................................................................................436
6.
Literatur ........................................................................................................437
Wegen der Zunahme des Treibhauseffektes durch ansteigende CO2-Emissionen und den
damit in Verbindung gebrachten Auswirkungen auf den Klimawandel wird eine globale
Reduzierung des Ausstoßes an CO2-Emissionen angestrebt. Neben den Abgasen aus
der Verbrennung fossiler Brennstoffe – Erdgas, Erdöl und Kohle – sowie Abgasen aus
dem Personen- und Güterverkehr – Straßen-, Schienen-, Schiffs- und Luftverkehr –
sind u.a. auch die Abgase aus der Abfallverbrennung als grundsätzliche Quelle für
anthropogene CO2-Emissionen zu nennen.
Vor diesem Hintergrund werden mögliche Verfahren für eine Abscheidung bzw.
Minderung von CO2-Emissionen aus dem Abgas einer Abfallverbrennungsanlage
aufgezeigt sowie die damit verbundenen Kosten ermittelt und eine ökonomische und
ökologische Bewertung vorgenommen.
1. Verfahrensübersicht zur gasseitigen CO2-Abtrennung
Die Problematik der CO2-Abtrennung aus Abgasen betrifft nicht nur den Prozess der
CO2-Abscheidung an sich. Vielmehr stellt sich auch die Frage, was passiert mit dem
abgeschiedenen CO2 (Speicherung oder Nutzung), und wie wird das abgeschiedene CO2
413
Abgasbehandlung
Rudi H. Karpf und Volker Dütge
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
vom Standort der Erzeugung (z.B. Kohlekraftwerk) zum Zielort befördert (Transport).
Unter dem Begriff CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) versteht man daher
die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 als dreiteiligen Prozess
(Bild 1).
Bild 1:
Darstellung der CCS-Prozesskette Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2
Abgasbehandlung
Quelle: IZ Klima – Informationszentrum für CO2-Technologien e.V. (Hrsg.): CCS Carbon Capture and Storage – CO2Abscheidung und -Speicherung als Beitrag zum weltweiten Klimaschutz, 5. Aufl., August 2013
Der ebenfalls dreiteilige Prozess der CCU-Technologie (Carbon Capture and Utilization) unterscheidet sich von der CCS-Technologie lediglich durch das letzte Glied der
Prozesskette (Bild 2). Anstelle der Speicherung ist hier die Nutzung des abgeschiedenen
CO2 vorgesehen.
Bild 2:
Prozessketten der CCS- und CCU-Technologie
Es gibt prinzipiell drei verschiedene Verfahrenswege für die CO2-Abscheidung (vgl.
Bild 3):
1. Pre-Combustion-Verfahren:
CO2-Abtrennung aus Synthesegasen vor der Verbrennung mit Luft.
414
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
2. Oxyfuel-Verfahren:
CO2-Abtrennung aus Abgasen nach der Verbrennung mit Sauerstoff.
3. Post-Combustion-Verfahren:
CO2-Abtrennung aus Abgasen nach der Verbrennung mit Luft.
Bild 3:
Schematische Darstellung der drei Verfahrenswege für die CO2-Abtrennung
Abgasbehandlung
Quelle: Maun, A.: Optimierung von Verfahren zur Kohlenstoffdioxid-Absorption aus Kraftwerksrauchgasen mithilfe alkalischer
Carbonatlösungen. Dissertation an der Universität Duisburg-Essen, 2013
Bild 4:
Übersicht der verschiedenen Verfahren zur CO2-Abtrennung
Quelle: Görner, K.: Post-Combustion Carbon Capture PCC – CO2-Abtrennung als Nachrüstvariante. Kompetenz-Netzwerk
Kraftwerkstechnik NRW; AP3 CO2-arme Kraftwerkskonzepte; 19. März 2009
415
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Die drei Verfahrenswege unterscheiden sich hauptsächlich durch die Art des eingesetzten Brennstoffs (Erdgas oder Kohle), die Art des verwendeten Oxidationsmittels
(Luft oder Sauerstoff) und die Stelle der CO2-Abtrennung im Verfahrensprozess (vor
oder nach der Verbrennung).
Der eigentliche Prozess der CO2-Abtrennung ist jedoch nur ein Schritt in der gesamten
Verfahrenskette. Eine weitere Differenzierung bietet die Einteilung nach Prozessfamilien (vgl. Bild 4):
Verfahren zur CO2-Abtrennung mit Brennstoffzellen sind z.Z. noch im F&E-Stadium.
2. Auswahl eines geeigneten Verfahrens für die CO2-Abscheidung
hinter Abfallverbrennungsanlagen
Abgasbehandlung
Betrachtet man die Prozessketten der CCS- und CCU-Technologien (Bild 2), dann
sind die drei Teilprozesse Transport, Speicherung und Nutzung von dem Teilprozess der
Abscheidung unabhängig, sodass alle Verfahren, die diesen Teilprozessen zugeordnet
werden können, bei der Auswahl eines geeigneten Verfahrens für die CO2-Abscheidung
nicht weiter berücksichtigt werden.
Werden zusätzlich die Einsatzprofile der drei verschiedenen Verfahrenswege PreCombustion-, Oxyfuel- und Post-Combustion-Verfahren betrachtet, dann sind für die
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen hauptsächlich die Post-Combustion-Verfahren geeignet, da diese Verfahren von dem Verbrennungsprozess unabhängig
sind. Das Oxyfuel-Verfahren ist bisher nur bei Kohlekraftwerken mit Staubfeuerung
eingesetzt worden. Erfahrungen mit einem Oxyfuel-Verfahren mit Rostfeuerung und
heterogenen Brennstoffen wie Müll liegen dagegen noch nicht vor. Aufgrund der vergleichbaren Verhältnisse bei der Wärmeübertragung und dem Stoffaustausch ist der
Einsatz bei Wirbelschichtfeuerungen denkbar. Das Oxyfuel-Verfahren wird bisher
nur bei Neuanlagen eingesetzt. Eine Nachrüstung von Abfallverbrennungsanlagen ist
jedoch keine Option.
Adsorptionsverfahren werden kommerziell zur CO2-Abtrennung bei der Synthesegasund Wasserstofferzeugung sowie für die Biogasaufbereitung eingesetzt. Die Anwendung
von Adsorptionsverfahren zur CO2-Abtrennung im großen Maßstab ist aufgrund der
Nachteile durch eine geringe CO2-Selektivität, eine geringe Beladungskapazität für
CO2, die niedrigen Adsorptionsgeschwindigkeiten, den hohen Druckverlust bei der
Durchströmung eines Festbetts sowie durch den erheblichen Energiebedarf für den
Regenerationsprozess derzeit wenig attraktiv. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass
durch die Entwicklung von neuen Adsorbentien ein Potenzial zur Reduzierung des
Energiebedarfs für den Regenerationsprozess vorhanden ist [6].
Im Vergleicht der physikalischen und chemischen Absorptionsverfahren ist zu erkennen, dass eine physikalische Absorption lediglich bei hohen Partialdrücken Vorteile
aufweist (vgl. Bild 5). Für die CO2-Abtrennung aus Abgasen von Kraftwerksprozessen
ist daher nur eine chemische Absorption sinnvoll.
416
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Bild 5:
Abhängigkeit des Partialdrucks
vom Stoffmengenanteil in der
flüssigen Phase für unterschiedlich wirkende Absorptionsmittel (bei t = konstant)
Quelle: Ohle, A.: CO 2-Abtrennung
aus Gasströmen durch Absorption in
Poly(methyldiglykol)-amin. Dissertation
an der Technischen Universität Dresden,
2009
Eine Komprimierung des kompletten Abgasstroms ist bei der Abgasreinigung von
Abfallverbrennungsanlagen aus Kostengründen nicht möglich, so dass die CO2-Abtrennung bei dem Betriebsdruck der Abgasreinigung – d.h. bei Atmosphärendruck –
erfolgt. Daher muss auch die CO2-Wäsche auf einen Betriebsdruck von 1 atm ausgelegt
werden. Aufgrund des hohen Betriebsdrucks bei der CO2-Absorption von etwa 20 bis
70 bar ist die Kaliumcarbonat-Wäsche – Benfield-Prozess – somit für die Absorption
von CO2 bei Atmosphärendruck ungeeignet.
Im Rahmen der Eignungsprüfung verbleiben für einen direkten Verfahrensvergleich
• dieAmin-Wäsche (Referenz-Absorptionsmittel: Monoethanolamin, MEA),
• derCarbonate Looping Prozess (direkt und indirekt beheizter Prozess).
Neben den Vor- und Nachteilen werden nachfolgend auch verfügbare Leistungsdaten
der geeigneten CO2-Abscheideverfahren in einem direkten Verfahrensvergleich gegenübergestellt (vgl. Tabelle 1). Diese Daten basieren auf Angaben aus der Fachliteratur,
die aufgrund der Vielzahl der durch den Bund, die EU oder andere Institutionen geförderten F&E-Projekte, den dazu publizierten Fachbeiträgen sowie projektbezogenen
Arbeiten und Berichten sehr umfangreich ist. Für den Verfahrensvergleich sind vor
allem die Arbeiten von Ohle [15], Notz [14], Galloy [6] und Qu [17] sowie der Beitrag
von Darde [4] als Referenzen zu nennen.
Von den betrachteten CO2-Abscheideverfahren hat in Bezug auf den Entwicklungsstand bisher lediglich die Amin-Wäsche die Marktreife erlangen können. Beispiele für
kommerziell verfügbare Prozesse enthält die Tabelle 2. Während man bei dem Chilled
Ammonia Prozess bereits über Erfahrungen mit dem Betrieb von Demonstrations- und
Pilotanlagen (z.B. We Energies Pleasent Prairie Power Plant, Wisconsin (USA): 5 MWth;
E.ON Karlshamn Power Plant, Karlshamn (S): 5 MWth; AEP Mountaineer Power Plant,
West Virginia (USA): 58 MWth) verfügt, liegen bei dem Carbonate Looping Prozess
derzeit nur Erfahrungen mit dem Betrieb einer Pilotanlage (TU Darmstadt: 1 MWth) vor.
417
Abgasbehandlung
• dieAmmoniak-Wäsche (Chilled Ammonia Prozess, CAP) und
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Tabelle 1:
Leistungsdaten sowie Vor- und Nachteile geeigneter CO2-Abscheideverfahren
Verfahren Amin-Wäsche
Parameter
Sorbens (Gehalt der MEA (30 Ma.-%ig)
Lösung)
Druck (Abs. / Des.)
Abs.: 1-3 atm
Des.: 1-2,5 bar
Chilled Ammonia
Prozess
NH3 (28 Ma.-%ig)
Abs.: 40-60 °C
Des.: 50-120 °C
Abs.: ≈ 1 atm
Des.: 2-136 atm
(i.d.R. 20-40 bar)
Abs.: 0-10 °C
Des.: 100-150 °C
CO2-Beladung
(Absorber) in
[mol CO2/mol
Sorbens]
CO2-Abscheiderate
ein: 0,24-0,32
aus: 0,4-0,5
ein: 0,25 (0,33)-0,67
aus: 0,5 (0,67)-1,0
90 %
90 %
spez. Wärmebedarf
für die Regeneration
in [MJ/kg CO2]
Galloy: 1,5
Notz: 3,8-4,2
Galloy: 3
Temperatur
(Abs. / Des.)
Galloy: 25-45
spez. CO2Vermeidungskosten
Orth: 14-36
in [EUR/t CO2]
Wirkungsgradverluste Galloy: 11-12 (7-8)
in [%]*
kommerziell
verfügbares
Verfahren
Nachteile
gesundheitsgefährliches Sorbens
hohe Kosten durch
Regeneration und
Degradation
ggf. Vorwäscher
für Toleranzgrenzwert von SO2 < 10
ppm erforderlich
Abgasbehandlung
Vorteile
418
Galloy: 11-23
Carbonate Looping Prozess
direkt beheizt
indirekt beheizt
CaO / CaCO3
Carbonator: ≈ 1 atm
Calcinator: ≈ 1 atm
Carbonator: ≈ 1 atm
Calcinator: ≈ 0,4 atm
Carbonator: 65-70 °C (Eintritt), Erwärmung
durch exotherme Reaktion (Kühlung erforderlich) auf 650 °C (Austritt); Calcinator: 900 °C
Die CO2-Beladung erfolgt im Carbonator und ist
von der Reaktivität des eingesetzten Kalks
abhängig, die sich mit steigender Anzahl der
Regenerationszyklen verschlechtert.
70-80 % (max. 90 %) reduziert sich durch
die Regenerationszyklen bis auf etwa 15-20 %
Die Regeneration des Kalks erfolgt bei 900 °C
im Calcinator. Die zugeführte Wärme für die
Calcinierung kann wieder ausgekoppelt und z.B.
für die Dampferzeugung genutzt werden.
Galloy: 8-37
Qu: 14,5
Galloy: 6-11
Galloy: 6,5-7,5 (2,5-3,5)
IGF: 5-8
Qu: (1,5-2,0)
potenziell effizientestes Verfahren
geringe Sorbenskosten
Komponenten für
die Lagerung und
Dosierung von NH3
sind eine DeNOx mit
SCR-Verfahren bereits
vorhanden
keine Vorabscheidung
erforderlich, da die
Reaktionsprodukte (in
Form von NH4+-Salzen)
als Düngemittel
verwertbar sind
keine Degradation bei
der Absorption und
Regeneration
Nutzung des NH3Schlupfs für einen
nachgeschalteten
SCR-Prozess
gesundheitsgefährliches Sorbens
Wirkungsgradverluste
durch Abgasabkühlung
Verfahren ist noch im
F&E-Stadium
gut verfügbares
Sorbens
keine Vorabscheidung
erforderlich, da SO2Einbindung mit Kalk
verbrauchtes
Sorbens kann für die
Entschwefelung von
Abgasen (z.B. in der
REA von Kraftwerken)
genutzt werden
die zugeführte Wärme
für die Calcinierung
kann wieder ausgekoppelt und z.B. für
die Dampferzeugung
genutzt werden
gut verfügbares
Sorbens
keine Vorabscheidung
erforderlich, da SO2Einbindung mit Kalk
verbrauchtes Sorbens
kann für die Entschwefelung von Abgasen
(z.B. in der REA von
Kraftwerken) genutzt
werden
die zugeführte Wärme
für die Calcinierung
kann wieder ausgekoppelt und z.B. für
die Dampferzeugung
genutzt werden
durch die Trennung
von Brennkammer
und Calcinator ist eine
Verbrennung mit Luft
möglich
aufwendiges Feststoffhandling
abnehmende CO2Abscheiderate mit
steigender Anzahl der
Regenerationszyklen
des Sorbens
aufwendiges Feststoffhandling
abnehmende CO2Abscheiderate mit
steigender Anzahl der
Regenerationszyklen
des Sorbens
Verfahren ist noch im
F&E-Stadium
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CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Tabelle 1:
Leistungsdaten sowie Vor- und Nachteile geeigneter CO 2-Abscheideverfahren
– Fortsetzung –
Verfahren
Parameter
Amin-Wäsche
Chilled Ammonia
Prozess
ggf. Nachwäscher
für Emissionsgrenzwert von
MEA < 20 mg/
m³N erforderlich
(TA Luft)
Nachteile
Carbonate Looping Prozess
direkt beheizt
indirekt beheizt
die Calcinierung mit
Oxyfuel-Feuerung
erfordert die Zufuhr
von Sauerstoff aus
einer kostenintensiven
Luftzerlegung
Verfahren ist noch im
F&E-Stadium
* (%-Pkte der Kraftwerksleistung) mit (ohne) CO2-Kompression
Quellen: Darde, V.; et al.: Chilled ammonia process for CO2 Capture. Energy Procedia 1 (2009), pp. 1035-1042
Galloy, A.: Experimentelle Untersuchungen an einer Carbonate Looping Versuchsanlage mit 1 MW thermischer Leistung. Dissertation an der Technischen Universität Darmstadt, 2014
IGF-Vorhaben 361 ZN der AiF-Forschungsvereinigung „Deutsche Vereinigung für Verbrennungsforschung e.V.“, gefördert vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; Entwicklung eines Konzepts zur CO2-Abscheidung durch Carbonate Looping
mit Verwertung der Adsorbentien in der Zementindustrie; Schlussbericht des Instituts für Energiesysteme und Energietechnik
der TU Darmstadt und des Forschungsinstituts der Zementindustrie; 2013
Notz, R. J.: CO2-Abtrennung aus Kraftwerksabgasen mittels Reaktivabsorption. Dissertation an der Universität Stuttgart, 2009.
Berlin, Logos Verlag Berlin GmbH, 2. Aufl. 2013
Ohle, A.: CO2-Abtrennung aus Gasströmen durch Absorption in Poly(methyldiglykol)-amin. Dissertation an der Technischen
Universität Dresden, 2009
Orth, M.: Experimentelle Untersuchung des Chemical Looping Verfahrens an einer 1 MW Versuchsanlage. Dissertation an der
Technischen Universität Darmstadt, 2014
Qu, Z: Beitrag zur Umsetzung eines indirekt beheizten Carbonate Looping Prozesses. Dissertation an der Technischen Universität
Darmstadt, 2014
Übersicht über kommerziell verfügbare Prozesse zur CO2-Abtrennung mit wässrigen
Aminlösungen
Parameter
Einheit
Lizenzgeber
–
Absorptionsmittel
maximal realisierte
Kapazität
CO2-Trenngrad Ψ
spezifischer Absorptionsmittelstrom
spezifischer Heizdampfbedarf 1)
spez. elektrischer
Energiebedarf 2)
spez. Absorptionsmittelverbrauch
Toleranzgrenze für SO2
Kerr-McGee/ ABB
Lummus Crest Prozess
ABB Lummus
Econamine
FG Prozess
Fluor
Mitsubishi
KS-1/KS-2
Kansai Electric Power
und Mitsubishi Heavy
Industries Ltd.
KS-1, KS-2
–
15-20 Ma.-%ige
MEA-Lösung
30 Ma.-%ige
MEA-Lösung + Inhibitoren
t CO2/d
800
1.000
200
%
90
85-95
90
m³/t CO2
25
17
11
GJ/t CO2
5-6,5
< 4,2
3,2
GJ/t CO2
0,36-1,08
0,144-0,396
≈ 0,47
kg/t CO2
0,45
0,5-2,0
0,35
ppm
< 100
10
10
1) Abweichende Angaben für Heizdampfbedarf: ≈ 3,77 GJ/t CO2 für Prozess mit 30 Ma.-%iger MEA-Lösung und ≈ 2,93 GJ/t CO2 für Prozess mit
KS-1, KS-2 (sterisch gehinderte Amine, deren Zusammensetzung bisher noch nicht veröffentlicht worden ist)
2) Enthält Energiebedarf für Saugzuggebläse zur Rauchgasförderung, Lösungsmittelpumpen und Kompressor zur Verdichtung von CO2. Abweichende
Angaben für elektrischen Energiebedarf: 0,51-0,61 GJ/t CO2 für Kohlekraftwerk und 0,71-1,07 GJ/t. CO2 für GuD-Kraftwerk, beidesmal 0,4 GJ/t CO2
für die Kompression.
Quelle: Notz, R. J.: CO2-Abtrennung aus Kraftwerksabgasen mittels Reaktivabsorption. Dissertation an der Universität Stuttgart,
2009. Berlin, Logos Verlag Berlin GmbH, 2. Aufl. 2013
421
Abgasbehandlung
Tabelle 2:
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Nach Berücksichtigung der Vor- und Nachteile (Tabelle 1) sowie des aktuellen Entwicklungsstandes (F&E-Stadium) wird der Chilled Ammonia Prozess als geeignetes
Verfahren für die CO2-Abtrennung hinter Abfallverbennungsanlagen favorisiert.
Ammoniak-Wäsche (Chilled Ammonia Prozess)
Die Abscheidung von CO2 (und H2S) ist auch mit einer wässrigen Ammoniaklösung
möglich. Der hohe Dampfdruck des Ammoniaks erfordert eine niedrige Absorptionstemperatur und Nachwäscher für den Absorber und den Desorber, um die Waschmittelverluste zu begrenzen. Die Absorption von CO2 läuft außerdem nur langsam ab
und es ist nicht möglich, CO2 bis auf sehr geringe Restkonzentrationen im Reingas zu
entfernen [15]. Daher wird die Ammoniak-Wäsche – in ihrer konventionellen Form –
kaum noch angewendet (z.B. für die Reinigung von Kokereigasen).
Inzwischen wird ein neues Verfahren der Ammoniak-Wäsche (Patent: Eli Gal, 2006;
Lizenz: Fa. Alstom) getestet, das als Chilled Ammonia Prozess bezeichnet wird (Bild 6).
Austritt Reingas
Zurückgewonnenes
Ammoniak
AmmoniakAbsorber
Ammoniak/
Wasser-Dampf
Kühler
Oberer Kreislauf
Ammoniakreiche
Lösung
kaltes
Wasser
Ventil
Wärmeübertrager
Kühler
AmmoniakNasswäscher
Zurückgewonnenes
Wasser
AmmoniakRegenerator
Wiederaufheizung
Pumpe
Ammoniak-arme
Lösung
Abgasbehandlung
Austritt Gas
Reines CO2
Ventil
Kühler
CO2Absorber
Zurückgewonnene
CO2-reiche
Lösung
WärmeGas aus der
übertrager
Kühler
Gasbehandlung
Kühler
Schlamm
mit hohem
FeststoffAbgeschiedenes
CO2-reiche
gehalt
Wasser
Lösung
Schlammpumpe
Interne
RezirkulaDirekter
tion
KontaktKühler
Kühles Wasser
Hydrozyklon
Unterer Kreislauf
Bild 6:
Kontaminiertes
CO2
CO2Nasswäscher
kaltes
Wasser
Zurückgewonnenes
wässriges
Ammoniak
CO2Regenerator
CO2-arme
Lösung
Wiederaufheizung
HochdruckSchlammpumpe
Verfahrensschema für einen Chilled Ammonia Prozess (CAP) mit NH3-Rezirkulation
Quelle: Aronsson, J.; Björk, H.: Process Integration and Performance of Chilled Ammonia CO2 Capture Technology – Post
combustion technology in a novel aluminium manufacturing process. Technical report no. 2011-355, Department of Energy and
Environment; Chalmers University of Technology; Gothenburg, 2011
422
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Das Abgas wird hierbei zunächst durch einen direkten Kontakt mit kaltem Wasser abgekühlt, wobei ggf. vorhandene Restkonzentrationen an sauren Schadgasen
(z.B. SO2) und Staubpartikeln mit ausgewaschen werden. Vor dem Eintritt in den Absorber wird das Rohgas weiter auf 0 bis 10 °C abgekühlt. Im Absorber wird das CO2 durch
eine gekühlte wässrige NH3-Lösung (CO2-armer Waschmittelstrom) mit etwa 28 Ma.-%
NH3 absorbiert. Das Reingas tritt am Kopf des Absorbers aus und kann zwecks Rückgewinnung des NH3-Schlupfs in einer nachgeschalteten Waschstufe gereinigt werden.
Der am Absorberboden austretende CO2-reiche Waschmittelstrom enthält infolge von
Übersättigung einen Teil der Reaktionsprodukte als Feststoffe in suspendierter Form.
Der CO2-reiche Waschmittelstrom wird zunächst mithilfe einer Hochdruckpumpe auf
einen Druck von 2 bis 136 atm verdichtet und anschließend in einem Wärmeübertrager
auf eine Temperatur von 100 bis 150 °C erhitzt, bevor er in den Desorber – Regenerator –
eintritt. Unter diesen Bedingungen werden das Ammoniak und das Wasser in der
Waschmittellösung zurückgehalten bzw. an der Verdampfung gehindert, während das
CO2 desorbieren kann. Bei der Regeneration des Waschmittels im Desorber erfolgt die
Abtrennung bzw. Desorption von CO2, das am Kopf des Desorbers austritt, während
der CO2-arme Waschmittelstrom am Desorber-Boden abgepumpt wird. Der CO2-arme
Waschmittelstrom wird schließlich abgekühlt und auf Atmosphärendruck entspannt,
bevor er wieder in den Absorber geleitet wird [4].
Die grundsätzlichen Hauptreaktionsmechanismen für die Reaktionen zwischen H2O,
CO2 und NH3 lauten wie folgt:
2 H2O n H3O+(aq) + OH-(aq)
+ HCO3 (aq) (erste Protolysestufe der Kohlensäure) (R2)
-
(aq)
CO2 (aq) + OH (aq) n HCO3 (aq)
-
HCO3 (aq) + H2O n H3O
+
-
(aq)
HCO3 (aq) + OH (aq) n CO3
-
(Hydrogencarbonat-Bildung) (R3)
-
-
2-
+ CO3
(aq)
2-
(aq)
(zweite Protolysestufe der Kohlensäure) (R4)
+ H2O
(Carbonat-Bildung) (R5)
CO2 (g) n CO2 (aq)
(VLE-Reaktion von Kohlendioxid)1) (R6)
NH3 (g) n NH3 (aq)
(VLE-Reaktion von Ammoniak)1) (R7)
NH3 (aq) + H2O n NH4+(aq) + OH-(aq)
(Protolyse von Ammoniak) (R8)
Reaktionen von Ammoniumhydrogencarbonat:
NH3 (aq) + CO2 (aq) + H2O n NH4+(aq) + HCO3-(aq) (Hydrogencarbonat-Bildung) (R9)
NH4+(aq) + HCO3-(aq) n NH4HCO3 (aq) n NH4HCO3 (s)
(SLE-Reaktion)2) (R10)
Reaktionen von Ammoniumcarbonat:
2 NH3 (aq) + CO2 (aq) + H2O n 2 NH4+(aq)+ CO32-(aq)
2 NH4+(aq)+ CO32-(aq) n (NH4)2CO3 (aq)n (NH4)2CO3 (s)
(Carbonat-Bildung) (R11)
(SLE-Reaktion)2) (R12)
(NH4)2CO3 (aq)+ CO2 (aq)+ H2O n 2 NH4HCO3 (aq) (Hydrogencarbonat-Bildung) (R13)
Reaktionen von Ammoniumcarbamat:
2 NH3 (aq) + CO2 (aq) n NH4+(aq) + NH2COO-(aq)
(Carbamat-Bildung) (R14)
423
Abgasbehandlung
CO2 (aq) + 2 H2O n H3O
(Autoprotolyse von Wasser) (R1)
+
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
NH4+(aq)+ NH2COO-(aq)n NH2COONH4 (aq)n NH2COONH4 (s) (SLE-Reaktion)2)(R15)
NH2COONH4 (aq) + H2O n (NH4)2CO3 (aq)
1)
VLE = Vapor-Liquid Equilibrium (Dampf-Flüssig-Gleichgewicht)
2)
SLE = Solid-Liquid-Equilibrium (Fest-Flüssig-Gleichgewicht)
(Carbamat-Hydrolyse) (R16)
Abgasbehandlung
Bild 7:
Abhängigkeit des Energiebedarfs
für die Waschmittelregenerierung
im Desorber von der CO2-Beladung
des CO 2 -reichen Waschmittelstroms bei einem konstanten NH3Gehalt von 28 Ma.-%
Quelle: Darde, V.; et al.: Chilled ammonia process for CO2
Capture. Energy Procedia 1 (2009), pp. 1035-1042
40
38
0,
36
0,
34
0,
32
0,
30
0,
28
0,
0,
24
1.500
0,47 0,52 0,57 0,62 0,67 0,72 0,77 0,82
CO2-reiche Beladung
0,
1.700
0,
1.900
0,
2.100
0,
2.300
0,
2.500
0,
2.700
22
2.500
2.400
2.300
2.200
2.100
2.000
1.900
1.800
1.700
1.600
1.500
20
3.100
2.900
18
Energiebedarf
kJ/kg CO2,gebunden
16
Energiebedarf
kJ/kg CO2,gebunden
26
Der Energiebedarf für die Regenerierung des Waschmittels im Desorber ist von der
CO2-Beladung des aus dem Absorber austretenden CO2-reichen Waschmittelstroms
und von dem NH3-Gehalt des in den Absorber eintretenden CO2-armen Waschmittelstroms abhängig (vgl. Bild 7 und Bild 8).
Anfänglicher Massenanteil Ammoniak
Bild 8:
Abhängigkeit des Energiebedarfs
für die Waschmittelregenerierung
im Desorber von dem NH3-Gehalt
des CO2-armen Waschmittelstroms
bei einer konstanten CO2-Beladung
von 0,67
Quelle: Darde, V.; et al.: Chilled ammonia process for CO2
Capture. Energy Procedia 1 (2009), pp. 1035-1042
3. Bilanzierung
3.1. Massenbilanz der CO2-Abscheidung
Die Massenbilanzierung erfolgt beispielhaft für eine Abfallverbrennungsanlage mit
folgendem Aufbau.
WT
AK-Filte
DeNOx
Saug- DaGaVo
zug
Kessel
Gewebefilter
Sprühtrockner
Saugzug
Abgaswäscher
Bild 9:
424
Schema der Abfallverbrennungsanlage
Kamin
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Es wurden folgende Prozessdaten für die Bilanzierung zugrunde gelegt.
Einheit
Wert
Abgasmenge (trocken)
m³/h (i.N., tr.)
83.678
Abgasmenge (feucht)
m³/h (i.N., f.)
102.046
°C
235
Betriebstemperatur
Betriebsdruck (als pe)
mbar
-6
Wasserdampf (H2O)
Vol.-% (f.)
18,0
8,0
Sauerstoff (O2)
Vol.-% (tr.)
Kohlendioxid (CO2)
Vol.-% (f.)
9,8
Stickstoff (N2)
Vol.-% (f.)
65,6
Flugasche/Gesamtstaub
mg/m³ (i.N., tr.)
3.600
Chlorwasserstoff (HCl)
mg/m³ (i.N., tr.)
2.200
Fluorwasserstoff (HF)
mg/m³ (i.N., tr.)
20
Schwefeloxide (SOx),
als SO2
mg/m³ (i.N., tr.)
550
Schadstoffkonzentrationen
Tabelle 3:
Rohgasdaten nach Kesselaustritt
Einheit
Grenzwerte
Emissionswerte
Flugasche/Gesamtstaub
mg/m³ (i.N., tr.)
10
<1
Chlorwasserstoff (HCl)
mg/m³ (i.N., tr.)
10
<1
Fluorwasserstoff (HF)
mg/m³ (i.N., tr.)
1
0,1
Stickoxide (NOx), als NO2
mg/m³ (i.N., tr.)
200
< 150
Schwefeloxide (SOx),
als SO2
mg/m³ (i.N., tr.)
50
<1
µg/m³ (i.N., tr.)
30
<3
Quecksilber (Hg), als Hg
0
Tabelle 4:
Reingasdaten (Tagesmittelwerte)
am Kamin
Für die Massenbilanz der CO2-Abscheidung muss der abzuscheidende CO2-Massenstrom bestimmt werden. Die CO2-Abscheiderate soll Y = 90 Prozent betragen.
Aus Tabelle 3 und 4 ergeben sich folgende Abgaswerte nach Kessel:
.
CO2 (roh) = 9,8 Vol.-% (f.) = 0,098 m³N CO2/m³N f.AG; Vi.N. (AG)f. = 102.046 m³N f.AG/h
Der abzuscheidende CO2-Massenstrom errechnet sich wie folgt:
.
.
m(CO
) = Vi.N.(AG)f. · CO2 (roh) · ρi.N.(CO2)
2 roh
= 102.046
.
m3 CO2
m3N f. AG
kgCO2
= 19.771 kg CO2/h
· 0,098 3 N
· 1,977 3
h
m N f.AG
m N CO2
.
m(CO2)ab = ψ · m(CO2)roh = 0,9 · 19.771 kg CO2/h = 17.794 kg CO2/h
(1)
(2)
AG = Abgas
3.2. Energie- und Massenbilanzen für die Abfallverbrennungsanlage
Für die beispielhaft beschriebene Abfallverbrennungsanlage wird im Folgenden die
Energie- und Massenbilanz aufgestellt.
425
Abgasbehandlung
Parameter
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Tabelle 5:
Ermittlung der Leistungsdaten
Parameter
Einheit
Abfallmenge
t Abf/h
16,8
MJ/t Abf
10.800
Heizwert des Abfalls
Feuerungswärmeleistung
MWth
50,4
Dampfmenge, Kessel
t D/h
63,8
t D/t Abf
3,80 (30 bar/315 °C)
t D/h
60,0
spezifische Dampfmenge, Kessel
Dampfmenge, Turbine
spezifische Dampfmenge, Turbine
t D/t Abf
3,57
MWel
11,88
elektrischer Eigenbedarf
MWel
2,35
elektrische Nennleistung
MWel
9,53
elektrischer Wirkungsgrad (Brutto)
%
23,58
elektrischer Eigenbedarfsanteil
%
19,80
elektrischer Wirkungsgrad (Netto)
%
18,91
m³N f.RG/h
102.046
elektrische Leistung (inkl. Eigenbedarf)
Abgasmenge, feucht
Abgasmenge, trocken
m³N tr.RG/h
83.678
spezifische Rauchgasmenge, feucht
m³N f.RG/t Abf
6.075,1
spezifische Rauchgasmenge, trocken
m³N tr.RG/t Abf
4.981,6
emittierte Kohlendioxidmenge
spezifische Kohlendioxidemission
kg CO2/h
19.771
kg CO2/t Abf
1.177,0
kg CO2/MWhth
392,3
kg CO2/h
17.794
kg CO2/t Abf
1.059,3
kg CO2/MWhth
353,1
abzuscheidende Kohlendioxidmenge
spezifische Kohlendioxidabscheidung
Abgasbehandlung
Auslegungsdaten
Durch die Sprühtrocknung, die zweistufige Abgaswäsche, die Abgaskühlung, die Wasserdampfkondensation und die CO2-Absorption ändern sich die Abgaseigenschaften
während des Abgasreinigungsprozesses (Tabelle 6).
Tabelle 6:
Änderung der Abgaseigenschaften während des Abgasreinigungsprozesses (bei Vernachlässigung der Falschluft-, Druckluft- und Schadgasmengen)
Parameter
Prozessschritt
Temperatur
Druck
AG-Feuchte
tAG
pabs,AG
H2O
CO2 (tr.)
CO2-Gehalt
CO2 (f.)
°C
mbar
Vol.-%
Vol.-%
Vol.-%
AG-Menge
Vi.N.(AG)tr.
Vi.N.(AG)f.
m³N tr.AG/h m³N f.AG/h
Sprühtrockner
175
988
21,15
11,95
9,42
83.678
106.130
WT, rohgasseitig
111
966
21,15
11,95
9,42
83.678
106.130
2-stufige AG-Wäsche
62
956
22,73
11,95
9,23
83.678
108.293
WT, reingasseitig
120
951
22,73
11,95
9,23
83.678
108.293
Saugzug n. AK-Filter
127,8
1.016
22,73
11,95
9,23
83.678
108.293
AG-Kühlung (VDK)
ca. 66,2
1.010
25,96
11,95
8,85
83.678
113.017
AG-Kühlung 1) mit
H2O-Kondensation
40
10
1.005
1.005
7,34
1,22
11,95
11,95
11,07
11,81
83.678
83.678
90.305
84.712
CO2-Absorption 1)
40
10
1.000
1.000
7,34
1,22
1,34
1,34
1,23
1,32
74.677
74.677
81.304
75.711
1)
AG-Kühlung auf Absorptionstemperatur, bei Amin-Wäsche mit MEA: t = 40 °C, bei Chilled Ammonia Prozess: t = 10 °C
426
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
3.3. Energie- und Massenbilanzen für die CO2-Abscheideverfahren
Um eine Vergleichsmöglichkeit für die Bilanzierung des Chilled Ammonia Prozesses zu erhalten, dient eine Amin-Wäsche mit einer 30 Ma.-%igen MEA-Lösung als
Referenzverfahren für die CO2-Abscheidung. Die Betriebskostenbilanzierung für die
CO2-Abscheideverfahren erfolgt auf der Basis verfügbarer Literaturdaten (Tabelle 7).
Umfangreiche Ergebnisse aus Versuchen zur CO2-Abtrennung aus Kraftwerksabgasen
mit MEA-Lösung an einer Technikumsanlage liefert die Arbeit von Notz [14]. Hierin
sind neben zahlreichen Parameterstudien und Degradationsuntersuchungen auch
Energie- und Massenbilanzen für die CO2-Abscheidung mit MEA-Lösung dargestellt.
Weitere Informationen über die Degradation enthält u.a. auch die Arbeit von Kemper
[11]. Daten zum Chilled Ammonia Prozess findet man z.B. bei Aronsson [1], Darde
[4], Galloy [6], Yeh [21], Resnik [19] oder Black [2].
Zu den Kosten für die CO2-Abscheidung kommen zusätzlich die Kosten für die Kompression, den Transport und die Speicherung hinzu (Bild 10). In Bild 11 werden die
vier möglichen Transportarten – Pipeline, Schiff, Bahn und LKW – dargestellt. Die
Transportkosten sind aber nicht nur von der Art des Transports, sondern auch von
der Förderkapazität und der Reichweite abhängig.
Mittlere Kosten
EUR/t
60
Kosten
EUR/t CO2
25
50
33,8
(σ = 24,5)
30
Eisenbahn
5
20
8,2
(σ = 3,1)
10
5,5
(σ = 4,5)
6,6
(σ = 8,1)
Abgasbehandlung
40
LKW
Pipeline
1
0
Schiff
Trennung
KomTransport Speichepression
rung
1
Kapazität
Auswertung 17 europäischer Fallstudien
mit Angabe der Standardabweichung σ
Bild 10:
Mittlere Kosten für die Trennung,
die Kompression, den Transport
und die Speicherung von CO 2
(GESTCO-Projekt)
Quelle: Fischedik, M.; et al.: RECCS – Strukturellökonomisch-ökologischer Vergleich regenerativer Energietechnologien (RE) mit Carbon Capture and Storage (CCS).
Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU); 2007
10
Bild 11:
100
log Mt/a
Kosten des CO2-Transportes über
250 km
Quelle: Radgen, P.; et al.: Bewertung von Verfahren zur
CO2-Abscheidung und -Deponierung. Abschlussbericht an das
Umweltbundesamt Berlin, UBA-FB 000938; F&E-Vorhaben Nr.
203 41 110; 2005
427
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Abgasbehandlung
Tabelle 7:
Betriebskostenbilanzierung für die CO2-Abscheideverfahren Amin-Wäsche mit MEALösung als Referenzverfahren und Chilled Ammonia Prozess
Parameter
Einheit
Amin-Wäsche
Absorptionsmittel (Lsg in H2O)
–
30 Ma.-%ige MEA-Lösung
Molmasse Absorptionsmittel
kg/kmol
61,09
Absorptionstemperatur
°C
40 bis 70
Absorptionsdruck
bar
1 bis 3
Desorptionstemperatur
°C
110 bis 130
Desorptionsdruck
bar
1 bis 1,5
praktische CO2-Beladung
kg CO2/kg Lsg
0,05
spez. Wärmebedarf für die Regeneration 1) GJ/t CO2
3,8 bis 4,2
spez. elektrischer Energiebedarf 2)
GJ/t CO2
0,5 bis 1,5
spez. Absorptionsmittelverbrauch 3)
kg/t CO2
1,6 bis 2,0
spez. Absorptionsmittelkosten 3)
EUR/kg
0,82 4)
9)
spez. CO2-Vermeidungskosten
EUR/t CO2
25 bis 45
CO2-Abscheiderate
%
90
t CO2/h
17,8
5)
abzuscheidende CO2-Menge
t CO2/a
142.352
MWh
/h
18,8
bis 20,8
th
Wärmebedarf für die Regeneration 1) 5)
MWhth/a
150.260 bis 166.077
t D/h
32,0 bis 35,4
Dampfbedarf für die Regeneration 5) 6)
t D/a
256.170 bis 283.422
EUR/h
200,1 bis 211,4
Dampfverbrauchskosten 5) 6) 7)
EUR/a
1.601.063 bis 1.771.389
MWhel/h
2,471 bis 7,414
elektrischer Energiebedarf 2) 5)
MWhel/a
19.771 bis 59.313
EUR/h
15,45 bis 46,34
elektrische Energiekosten 2) 5) 8)
EUR/a
123.569 bis 370.708
kg/h
28,5 bis 35,6
Absorptionsmittelverbrauch 3) 5)
kg/a
227.763 bis 284.704
EUR/h
23,35 bis 29,18
Absorptionsmittelkosten 3) 5)
EUR/a
186.766 bis 233.457
EUR/h
444,85 bis 800,73
CO2-Vermeidungskosten 9)
EUR/a
3.558.800 bis 6.405.840
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
8)
9)
Chilled Ammonia Prozess
28 Ma.-%ige NH3-Lösung
17,03
0 bis 10
etwa 1
110 bis 130
20 bis 40
0,1 bis 0,2
1,5
k.A.
0,2
1,39
11 bis 23
90
17,8
142.352
7,4
59.313
12,6
100.833
78,8
630.206
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
3,6
28.470
4,95
39.574
195,73 bis 409,26
1.565.872 bis 3.274.096
davon Strippdampfbedarf: 35 %, Desorption: 40 % und Waschmittelaufheizung: 25 %
inkl. Energiebedarf für Saugzuggebläse zur Abgasförderung, Waschmittelpumpen und Kompressor zur CO2-Verdichtung
Verluste durch Degradation und Schlupf; bei einer NH3-Schlupf-Nutzung für den SCR-Prozess entstehen keine NH3-Verluste
nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2002), zitiert in Fischedik
bei 8.000 Betriebsstunden pro Jahr
Dampfparameter (angenommen) = 150 °C/4,76 bar: Δh = h‘‘ – h‘ = 2.113,6 kJ/kg = 0,5871 MWhth/t
spezifische Dampfverbrauchskosten = 6,25 EUR/t
spezifische elektrische Energiekosten = 35 EUR/MWhel
in der Literatur findet man im Vergleich zu den o.g. Werten auch abweichende Angaben für die spez. CO2-Vermeidungskosten der Amin-Wäsche
oder z.B. für Post-Combustion-Verfahren bzw. CCS allgemein
Quellen: Black, S.: Chilled Ammonia Scrubber for CO2 Capture. In: Alstom Firmenschrift, 2006
Fischedik, M.; et al.: RECCS – Strukturell-ökonomisch-ökologischer Vergleich regenerativer Energietechnologien (RE) mit Carbon Capture and Storage (CCS). Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU); 2007
Galloy, A.: Experimentelle Untersuchungen an einer Carbonate Looping Versuchsanlage mit 1 MW thermischer Leistung. Dissertation an der Technischen Universität Darmstadt, 2014
Notz, R. J.: CO2-Abtrennung aus Kraftwerksabgasen mittels Reaktivabsorption. Dissertation an der Universität Stuttgart, 2009.
Berlin, Logos Verlag Berlin GmbH, 2. Aufl. 2013
428
Erneuerbare Energien
Erneuerbare Energien, Band 1
Herausgeber:
Karl J. Thomé-Kozmiensky
ISBN:
Erscheinung:
Gebundene Ausgabe:
Preis:
978-3-935317-44-3
2009
329 Seiten
mit farbigen Abbildungen
24.00 EUR
Erneuerbare Energien, Band 4
Herausgeber:
Karl J. Thomé-Kozmiensky
Michael Beckmann
ISBN:
978-3-935317-55-9
Erscheinung:
2010
Gebundene Ausgabe:
393 Seiten
mit farbigen Abbildungen
Preis:
24.00 EUR
Erneuerbare Energien, Band 2
Herausgeber:
Karl J. Thomé-Kozmiensky
Michael Beckmann
ISBN:
978-3-935317-43-6
Erscheinung:
2009
Gebundene Ausgabe:
713 Seiten
mit farbigen Abbildungen
Preis:
24.00 EUR
Erneuerbare Energien, Band 3
Herausgeber:
Karl J. Thomé-Kozmiensky
Erneuerbare Energien, Band 5
Herausgeber:
Karl J. Thomé-Kozmiensky
Erneuerbare Energien, Band 6
Herausgeber:
Karl J. Thomé-Kozmiensky
Michael Beckmann
ISBN:
978-3-935317-65-8
Erscheinung:
2011
Gebundene Ausgabe:
417 Seiten
mit farbigen Abbildungen
Preis:
24.00 EUR
ISBN:
Erscheinung:
Gebundene Ausgabe:
Preis:
978-3-935317-64-1
2011
353 Seiten
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Erscheinung:
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CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Der CO2-Transport via Pipeline kann im Vergleich zu den anderen Transportarten die
größte Kapazität und günstige Kosten vorweisen (vgl. Bild 11). Für die Kompression
(Verflüssigung) von CO2 (d.h. eine mehrstufige Verdichtung von 1 auf 110 bar mit
Zwischenkühlung auf 30 °C) ist nach Angaben von Fischedik [5] ein spezifischer Energieaufwand von 110 kWhel/t CO2 erforderlich. Das entspricht unter Berücksichtigung
der spezifischen elektrischen Energiekosten von 35 EUR/MWhel (vgl. Tabelle 7) einem
spezifischen Kostenaufwand von 3,85 EUR/t CO2 für die Kompression, abweichend
von dem Wert in Bild 10.
Elektrische Leistung
MWhel,äq/h
14
12,8133
12
10
9,3425
8
7,3567
4,8862
5,4006
4,3999
4
1,9275
2
0
MEA-Wäsche 1)
1,9275
CAP 1)
MEA-Wäsche
Max-Wert
Min-Wert
1)
2)
Bild 12:
CAP 2)
äquivalente elektrische Leistung für die
Regeneration mit Berücksichtigung
der elektrischen Verbraucher
äquivalente elektrische Leistung für die
Regeneration ohne Berücksichtigung
der elektrischen Verbraucher
ohne Berücksichtigung des spezifischen elektrischen Energiebedarfs für Saugzuggebläse, Pumpen,
Verdichter usw.
inklusive Anteil eines gleich hohen spezifischen elektrischen Energiebedarfs wie bei der MEA-Wäsche
(Annahme)
Äquivalenter elektrischer Energiebedarf der CO2-Abscheideverfahren im Vergleich
Infolge des Wärmebedarfs für die Regeneration des Absorptionsmittels bei der CO2Wäsche und dem daraus resultierenden Dampfbedarf reduziert sich die Leistung der
Abfallverbrennungsanlage. Der Wärme- bzw. Dampfbedarf kann über den Kesselwirkungsgrad in die Brennstoffleistung rückgerechnet und mithilfe des elektrischen Bruttowirkungsgrades in den äquivalenten elektrischen Energiebedarf umgerechnet werden:
.
Pel,CO ,äq = m(Abf) · µ(CO2)ab,Abf · qReg,el,äq
2
(3)
.
m(CO2)ab
µ(CO2)ab,Abf = .
m(Abf)
∆hD,Ke
·q
= ηel,Brutto · ∆hD,Ke · µ(D)Reg,CO
qReg,el,äq = ηel,Brutto ·
2
∆hD,Reg Reg,CO2
(4)
(5)
431
Abgasbehandlung
6
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
ηKe · Hu,Abf
µ(D)Abf
.
m(D)Ke
µ(D)Abf = .
m(Abf)
qReg,CO
2
µ(D)Reg,CO =
2
∆hD,Reg
∆hD,Ke =
(6)
(7)
(8)
Hierin ist Pel,CO2,äq die äquivalente el. Leistung für die CO2-Abscheidung in MWhel,äq/h,
.
m der Massenstrom in t/h, µ das Massenverhältnis in t/t, qReg,el,äq der spezifische äquivalente el. Energiebedarf für die Regeneration in MWhel,äq/t CO2, ηel,Brutto der el. Bruttowirkungsgrad (ηel,Brutto = 0,2358), hKe der Kesselwirkungsgrad (hKe = 0,82) und ∆hD die
Dampfenthalpiedifferenz in MWhth/t.
3.4. CO2-Emissionsbilanz
Im Gegensatz zu der Verbrennung von fossilen Energieträgern – Kohle, Öl und Gas –
verursacht die Verbrennung von Siedlungsabfällen nicht nur klimarelevantes Kohlendioxid. Wegen des Biomasseanteils im Abfall entsteht bei dessen Verbrennung auch
klimaneutrales CO2 (etwa 40 bis 60 Prozent der gesamten CO2-Emissionen). Deshalb
zählt der Siedlungsabfall auch zu den erneuerbaren bzw. regenerativen Energieträgern.
Abgasbehandlung
Man unterscheidet zwischen dem CO2-Emissionsfaktor bezogen auf den Brennstoffeinsatz und dem CO2-Emissionsfaktor bezogen auf den Stromverbrauch, bei dem der
Brennstoffausnutzungsgrad bezogen auf den Stromverbrauch – das entspricht dem
elektrischen Wirkungsgrad – mitberücksichtigt wird.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) [8] beträgt der CO2-Emissionsfaktor
des fossilen Anteils im Hausmüll/Siedlungsabfall bezogen auf den Brennstoffeinsatz (für
das Jahr 2011) 91,510 kg CO2/GJ bzw. 0,32944 t CO2/MWhth. Da kein Emissionsfaktor
oder Brennstoffausnutzungsgrad bezogen auf den Stromverbrauch angegeben wird,
wird für die Umrechnung der gemittelte Wert für den Brennstoffmix übernommen
(nach [8] gilt für sämtliche Energieträger ein Mittelwert von 43 Prozent). Hiermit errechnet sich für den CO2-Emissionsfaktor bezogen auf den Stromverbrauch ein Wert
von 0,76613 t CO2/MWhel.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes [13] ergibt sich für den biogenen Anteil im
Hausmüll/Siedlungsabfall ein CO2-Vermeidungsfaktor (Netto) von 0,75335 t CO2/
MWhel. Durch die Verbrennung des biogenen Anteils kann eine entsprechende Menge des fossilen Anteils substituiert werden. Die hierbei vermiedene CO2-Menge des
biogenen Anteils im Hausmüll/Siedlungsabfall ist von der emittierten CO2-Menge des
fossilen Anteils abzuziehen. Dadurch erhält man bereits ab einem biogenen Anteil
von etwa 50,4 Prozent klimaneutrale CO2-Emissionen. In Bild 13 sind die Grenzfälle
des Bereiches des biogenen Anteils der CO2-Emissionen dargestellt. Hierin bedeuten
negativen CO2-Emissionen eine CO2-Vermeidung.
432
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
CO2-Emissionen
CO2/MWhel
0,2000
0,1500
0,1000
0,0500
0,0000
-0,0500
-0,1000
-0,1500
-0,2000
0,1583
0,0000
-0,1456
40,00
60,00
50,42
biogener Anteil der CO2-Emissionen %
Bild 13:
Effektive CO2-Emissionen in Abhängigkeit vom biogenen Anteil der CO2-Emissionen
aus der Verbrennung von Hausmüll/Siedlungsabfall für den betrachteten Bereich von
40 bis 60 Prozent
Unter Berücksichtigung des CO2-Emissionsfaktors für den deutschen Strommix von
0,559 t CO2/MWhel (nach [8] für das Jahr 2013) ergeben sich für die Amin-Wäsche
und den Chilled Ammonia Prozess durch den äquivalenten elektrischen Energiebedarf
für die CO2-Abscheidung (Bild 12) folgende CO2-Emissionswerte:
40
0,
24
0,4500
42
63
CO2-Emissionen
t CO2, äq/ t CO2 bzw. t CO2, äq/ t Abfall
0,0500
MEAWäsche 1)
CAP 1)
spezifische
CO2-Emissionen
ohne Berücksichtigung
der elektrischen
Verbraucher
t CO2, äq/ t CO2
Min-Wert
Abgasbehandlung
0,
13
8
2
0,
14
64
0,
24
48
0,
29
0,
23
0,
06
4
0, 1
06
41
06
0
0, 5
06
05
0,
0,1000
0
0,
16
2
0, 5
17
96
0,
1
53
0, 4
16
9
5
0,2500
0,1500
0,
10
0,3000
0,2000
31
35
0,3500
09
0,
0,4000
MEAWäsche 1)
CAP 1)
spezifische
CO2-Emissionen
ohne Berücksichtigung
der elektrischen
Verbraucher
t CO2, äq/ t Abfall
MEAWäsche
CAP 2)
spezifische
CO2-Emissionen
mit Berücksichtigung
der elektrischen
Verbraucher
t CO2, äq/ t CO2
MEAWäsche
CAP 2)
spezifische
CO2-Emissionen
mit Berücksichtigung
der elektrischen
Verbraucher
t CO2, äq/ t Abfall
Max-Wert
1) ohne Berücksichtigung des elektrischen Energiebedarfs für Saugzuggebläse, Pumpen, Verdichter usw.
2) inklusive Anteil eines gleich hohen elektrischen Energiebedarfs wie bei der MEA-Wäsche (Annahme)
Bild 14:
CO2-Emissionswerte für die Amin-Wäsche und den Chilled Ammonia Prozess
433
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Aus Bild 14 lässt sich ableiten, dass durch den Energieaufwand für die CO2-Abtrennung bei der MEA-Wäsche zwischen etwa 23 und 40 Prozent der abgeschiedenen
CO2-Menge wieder erzeugt bzw. emittiert werden (bezogen auf die CO2-Emissionen
des deutschen Strommix). Bei dem Chilled Ammonia Prozess liegt die erzeugte bzw.
emittierte CO2-Menge mit etwa 14 bis 29 Prozent der abgeschiedenen CO2-Menge
deutlich niedriger. Dabei ist der Aufwand für den Transport und die Speicherung noch
nicht berücksichtigt worden.
4. Relevanz der CO2-Abscheidung für die Abfallverbrennung
Die Abfallverbrennung hat nur einen geringen Anteil an dem Primärenergieverbrauch
und der Bruttostromerzeugung (Bild 15 und 16). Daraus resultiert ein ebenfalls geringer
Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen (Bild 17).
Wegen des geringen Anteils an den gesamten Treibhausgasemissionen kann die Abfallverbrennung durch eine zusätzliche CO2-Abscheidung nur entsprechend wenig
für eine Reduzierung dieser Emissionen beitragen. Die Abfallverbrennung leistet
aber schon bereits einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz, indem sie folgende
Aufgaben erfüllt (vgl. Bild 18):
Abgasbehandlung
• VermeidungvonklimaschädlichenEmissionen(CO2 und CH4) infolge biologischer
und chemischer Zersetzungsreaktionen von deponierten Abfällen
• VolumenreduzierungdesAbfalls
• ZerstörunggesundheitsschädlicherBakterien,VirenundKeimeusw.
• Immobilisierung/InertisierungvonSchwermetallenundSchadstoffen
• RecyclingvonFE-undNE-Metallen
• Abtrennungumwelt-undklimaschädlicherSchadstoffe(Schadstoffsenke).
Primärenergieverbrauch in Deutschland 2014
Steinkohle
13,1 %
(13.132 PJ*)
Braunkohle
12,0 %
1.574
1.724
Kernenergie
8,1 %
1.059
85
1.489
Erdgas 2.688
20,5 %
Andere
0,6 %
Biokraftstoffe
0,8 %
116
Erneuerbare
11,3 %
766
132
26
7
126
35
71
207
Biomasse fest/gasförmig Windkraft
5,8 % 1,6 %
Mineralöl
34,4 %
Bild 15:
Abfälle +
Deponiegas
1,0 %
Solarthermie
0,2 %
Geothermie
0,055 %
Fotovoltaik
1,0 %
Wärmepumpe
0,3 %
Wasserkraft
0,5 %
4.516
* vorläufig
Anteile der Energieträger am Primärenergieverbrauch in Deutschland 2014
Quellen: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat)
zitiert in: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Hrsg.): Energiedaten: Gesamtausgabe; Stand: Oktober 2015
434
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Bruttostromerzeugung in Deutschland 20141) : insgesamt: 625 TWh
Erdgas
9,6 % Mineralöl
Steinkohle
1,0 %
18,9 %
60
Sonstige
6
4,3 %
118
27
Windkraft
9,2 %
57
Kernenergie
15,5 %
97
43
Erneuerbare
25,7 %
161
20
156
Bild 16:
Quelle:
Wasserkraft
3,1 %
1) Vorläufig
Braunkohle
24,9 %
Biomasse
6,8 %
2) Regenerativer
35
6
Hausmüll
1,0 %
2)
Fotovoltaik
5,6 %
Anteil
Anteile der Energieträger an der Bruttostromerzeugung in Deutschland 2014
Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), Stand: August 2015
zitiert in: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Hrsg.): Energiedaten: Gesamtausgabe; Stand: Oktober 2015
Mt CO 2 -Äquivalent
1.400
Abgasbehandlung
1.200
1.000
800
600
400
200
Energie
05
06
20
Industrieprozesse
20
03
04
20
02
20
01
20
00
20
20
98
99
19
97
19
96
Landnutzungsänderung
und Forstwirtschaft
19
95
19
19
93
94
19
92
19
91
19
19
19
90
-200
20
07
20
08
20
09
20
10
20
11
20
12
20
13
*
0
Landwirtschaft
Müll
* vorläufig
Bild 17:
Quelle:
Treibhausgasemissionen in Deutschland von 1990 bis 2012 nach Quellkategorien
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Hrsg.): Energiedaten: Gesamtausgabe; Stand: Oktober 2015
435
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
Abfallwirtschaft entlastet CO2-Bilanz deutlich
Belastungen
Mio. t CO2-Äquivalente
30
25,5
25
20
15
10
5
-0,4
0
-5
-10
-15
Entlastungen
-7,8
1990
2004
2020
Emissionen von Klimagasen (netto)
Bild 18:
Beitrag der Abfallwirtschaft zur CO2-Reduzierung
Quelle: Stäblein, C.: Thermische Abfallbehandlung im Spannungsfeld zwischen Energie- und Entsorgungsmarkt. In: ThoméKozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 4. Neuruppin: TK Verlag Thomé-Kozmiensky, 2008, S. 101-114
Abgasbehandlung
5. Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der ansteigenden CO2-Emissionen und den damit verbundenen
Auswirkungen auf den Klimawandel wird eine globale Reduzierung der anthropogenen
CO2-Emissionen angestrebt. In diesem Zusammenhang wird auch ein möglicher Beitrag
der Abfallverbrennung bei der Anwendung der CCS- bzw. CCU-Technologie (CCS =
Carbon Capture and Storage; CCU = Carbon Capture and Utilization) diskutiert.
Die beiden dreiteiligen Prozesse unterscheiden sich nur in ihrem letzten Kettenglied.
Während bei der CCS-Technologie außer der Abtrennung und dem Transport die
Speicherung von CO2 im Vordergrund steht, erfolgt bei der CCU-Technologie die
Nutzung des abgeschiedenen CO2. Im Rahmen zahlreicher geförderter F&E-Projekte
sind einige Verfahren entwickelt worden, die ein großes Potenzial in Bezug auf die
CO2-Abscheidung besitzen. Die meisten Verfahren befinden sich aber noch im F&EStadium. Bisher hat lediglich die CO2-Wäsche mit Alkanolaminen (insbesondere mit
Monoethanolamin, MEA) einen kommerziellen Entwicklungsstand erreichen können.
Im Rahmen dieser Studie ist die CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
mit einer auf MEA basierenden Amin-Wäsche als Referenzverfahren sowie mit dem
auf Ammoniak basierenden Chilled Ammonia Prozess untersucht worden. Die Bilanzierung der Verfahren erfolgtemit bekannten Daten und Werten aus der Literatur.
Das Ergebnis der Bilanzierung zeigt, dass der Energieaufwand für die Abscheideverfahren
(vor allem bei der Amin-Wäsche) so hoch ist, dass die damit verbundenen CO2-Emissionen im Vergleich zu den abgeschiedenen CO2-Emissionen unverhältnismäßig hoch sind.
436
CO2-Abscheidung hinter Abfallverbrennungsanlagen
Bisher ist eine Anwendung der CCS- bzw. CCU-Technologien überwiegend für den
Einsatz in Kohle- und Gaskraftwerken konzipiert worden. Bei einem Einsatz in Abfallverbrennungsanlagen erhöhen sich aber infolge der höheren Schadstofffrachten auch
die Anforderungen an die Abgasreinigung.
Der Hauptunterschied besteht aber in den unterschiedlichen Nettowirkungsgraden
der Kraftwerksanlagen. Während die Kohle- und Gaskraftwerke Nettowirkungsgrade
von über 40 bis 50 Prozent vorweisen können, erreichen Abfallverbrennungsanlagen
häufig nur Nettowirkungsgrade von etwa 20 Prozent und darunter. Dadurch besteht
praktisch keine Reserve bei der Kraftwerksleistung für den Energieaufwand, der für
eine CO2-Abscheidung erforderlich ist, sodass die verursachten Einbußen bei der
Kraftwerksleistung unverhältnismäßig groß sind.
Hinzu kommt, dass bei der Abfallverbrennung infolge des biogenen Anteils nicht nur
klimarelevantes, sondern auch klimaneutrales CO2 emittiert wird. Dieser Anteil liegt
i.d.R. zwischen 40 und 60 Prozent. Sobald der biogene Anteil mehr als 50 Prozent
einnimmt, sind die emittierten CO2-Mengen klimaneutral. Daher zählt der Siedlungsabfall auch zu den erneuerbaren bzw. regenerativen Energieträgern. Die Abtrennung
der CO2-Emissionen ist in diesem Fall unzweckmäßig.
Bei einer Berücksichtigung der dargestellten Ergebnisse aus der Bilanzierung kann die
Installation einer CO2-Abscheideanlage hinter Abfallverbrennungsanlagen sowohl aus
ökonomischen als auch aus ökologischen Gründen nicht empfohlen werden.
[1] Aronsson, J.; Björk, H.: Process Integration and Performance of Chilled Ammonia CO2 Capture Technology – Post combustion technology in a novel aluminium manufacturing process.
Technical report no. 2011-355, Department of Energy and Environment; Chalmers University
of Technology; Gothenburg, 2011
[2] Black, S.: Chilled Ammonia Scrubber for CO2 Capture. In: Alstom Firmenschrift, 2006
[3] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Hrsg.): Energiedaten: Gesamtausgabe;
Stand: Oktober 2015
[4] Darde, V.; et al.: Chilled ammonia process for CO2 Capture. Energy Procedia 1 (2009), pp. 10351042
[5] Fischedik, M.; et al.: RECCS – Strukturell-ökonomisch-ökologischer Vergleich regenerativer
Energietechnologien (RE) mit Carbon Capture and Storage (CCS). Forschungsvorhaben des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU); 2007
[6] Galloy, A.: Experimentelle Untersuchungen an einer Carbonate Looping Versuchsanlage mit 1
MW thermischer Leistung. Dissertation an der Technischen Universität Darmstadt, 2014
[7] Görner, K.: Post-Combustion Carbon Capture PCC – CO2-Abtrennung als Nachrüstvariante.
Kompetenz-Netzwerk Kraftwerkstechnik NRW; AP3 CO2-arme Kraftwerkskonzepte; 19. März
2009
[8] Icha, P.: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den
Jahren 1990 bis 2013. Climate Change 23/2014. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt, Juli 2014
437
Abgasbehandlung
6. Literatur
Rudi H. Karpf, Volker Dütge
[9] IGF-Vorhaben 361 ZN der AiF-Forschungsvereinigung „Deutsche Vereinigung für Verbrennungsforschung e.V.“, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie;
Entwicklung eines Konzepts zur CO2-Abscheidung durch Carbonate Looping mit Verwertung
der Adsorbentien in der Zementindustrie; Schlussbericht des Instituts für Energiesysteme und
Energietechnik der TU Darmstadt und des Forschungsinstituts der Zementindustrie; 2013
[10] IZ Klima – Informationszentrum für CO2-Technologien e.V. (Hrsg.): CCS Carbon Capture and
Storage – CO2-Abscheidung und -Speicherung als Beitrag zum weltweiten Klimaschutz, 5. Aufl.,
August 2013
[11] Kemper, J.: Kinetik und Stoffübertragung bei der reaktivenCO2-Absorption/Desorption in speziellen Amin-Blends. Dissertation an der Ruhr-Universität Bochum, 2012
[12] Maun, A.: Optimierung von Verfahren zur Kohlenstoffdioxid-Absorption aus Kraftwerksrauchgasen mithilfe alkalischer Carbonatlösungen. Dissertation an der Universität Duisburg-Essen,
2013
[13] Memmler, M.; et al.: Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger – Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2013. Climate Change 29/2014; Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt,
November 2014
[14] Notz, R. J.: CO2-Abtrennung aus Kraftwerksabgasen mittels Reaktivabsorption. Dissertation an
der Universität Stuttgart, 2009. Berlin, Logos Verlag Berlin GmbH, 2. Aufl. 2013
[15] Ohle, A.: CO2-Abtrennung aus Gasströmen durch Absorption in Poly(methyldiglykol)-amin.
Dissertation an der Technischen Universität Dresden, 2009
[16] Orth, M.: Experimentelle Untersuchung des Chemical Looping Verfahrens an einer 1 MW
Versuchsanlage. Dissertation an der Technischen Universität Darmstadt, 2014
[17] Qu, Z: Beitrag zur Umsetzung eines indirekt beheizten Carbonate Looping Prozesses. Dissertation an der Technischen Universität Darmstadt, 2014
[18] Radgen, P.; et al.: Bewertung von Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Deponierung. Abschlussbericht an das Umweltbundesamt Berlin, UBA-FB 000938; F&E-Vorhaben Nr. 203 41
110; 2005
Abgasbehandlung
[19] Resnik, K. P.; et al.: Aqua ammonia process for simultaneous removal of CO2, SO2 and NOx. Int.
J. Environmental Technology and Management, Vol. 4, Nos. 1/2, 2004
[20] Stäblein, C.: Thermische Abfallbehandlung im Spannungsfeld zwischen Energie- und Entsorgungsmarkt. In: Thomé-Kozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 4.
Neuruppin: TK Verlag Thomé-Kozmiensky, 2008, S. 101-114
[21] Yeh, J. T.; et al.: Absorption and Regeneration Studies for CO2 Capture by Aqueous Ammonia.
3rd Annual Conference on Carbon Capture & Sequestration; Alexandria, 2004
438