Rede von Prof. Dr. em. Helmut Heinze zur Ausstellungseröffnung „präsenzdresden“ am 14. Februar 2016 im Städtischen Museum Schloss Salder in Salzgitter-Salder Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kunstfreunde und Künstler aus Salzgitter und Dresden! Bereits im Juni 2015 schrieb uns Dresdner Künstlern Frau Dr. Jördis Lademann in einem Brief von einer glücklichen Begegnung mit Dr. Jörg Leuschner, damals Leiter des Fachdienstes Kultur in Salzgitter. Mit Frau Britta Kayser und Frau Dr. Lademann wurde bereits damals der 14. Februar 2016, der heutige Tag, als Termin für die Ausstellungseröffnung geplant. Es sollte Kunst aus Dresden und Umgebung sein, aus dem Kunstraum Dresden und der Termin wurde in Erinnerung an den 13. Februar 1945, dem Luftangriff auf Dresden, klug gewählt. Wir haben uns aufrichtig gefreut, dass die Verantwortlichen der Stadt Salzgitter „über den Tellerrand“ geschaut und geplant haben und – wie ich gestern mit Freude sah – eine richtig gute und anregende Ausstellung in den so interessanten Räumen dieser Kunsthalle, Schloss Salder – es war wohl der ehemalige Kuhstall – zustande gekommen ist. Dafür Dank allen Beteiligten, die daran mitwirkten! Zuerst Dank besonders den Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Werke für die Ausstellung zur Verfügung stellten, aber auch Dank für die vielen Vorarbeiten für eine solche Ausstellung, Planung, für den Transport, den Aufbau, das Fotografieren der Arbeiten und den Katalog. Besonders bedanken möchten wir uns bei Frau Dr. Jördis Lademann als Kuratorin der Ausstellung und Frau Britta Kayser als umsichtige und immer ansprechbare Kollegin und Mitarbeiterin der Kuratorin – vielen Dank! Die Ausstellung findet einen Tag nach dem 71. Jahrestag des Luftangriffs auf Dresden statt. MEMORARE PACEM – Frieden erinnern – „Gesellschaft für Friedenskultur“ ist der neue Name seit vorigem Jahr der „Interessengemeinschaft 13. Februar 1945“, die über drei Jahrzehnte wirkte.1 Friedenskultur bedeutet auch die Bewahrung der Künste in einer Stadt, auch der Baukunst und der Bild-Kunst. Bereits 1955 erschien das Buch „Das alte Dresden – Geschichte seiner Bauten“ von Fritz Löffler.2 Der Autor schrieb 1967: „Ich habe das Buch als ein Bekenntnis für Dresden geschrieben, als mich das Entsetzen packte, dass Dresdens Baudenkmale für die Welt verloren seien, ohne dass man den Verlust überhaupt zur Kenntnis nehmen kann und zur Tagesordnung übergeht.“3 In einem Aufsatz über Fritz Löffler von Heinrich Magirius, auch ein hervorragender Kunstwissenschaftler in Dresden, 1 2 3 Brief an den Autor vom 26. 1. 2016 von Matthias Nentzner im Auftrag von MEMORARE PACEM – Gesellschaft für Friedenskultur. Fritz Löffler, Das alte Dresden, Dresden 1955. Fritz Löffler, Dresden. Vision einer Stadt, Dresden 1995, S. 270. fand ich Sätze, in denen er auf die Bedeutung der künstlerischen Grundlagen bei dem Denkmalpfleger Fritz Löffler hingewiesen hat. Magirius schrieb: „Der Kunsthistoriker Fritz Löffler hatte sie“ – gemeint sind die künstlerischen Grundlagen – „schon eh und je im einzelnen Werk der Kunst als einen Schatz fortwährender Strahlkraft erkannt.“ Und weiter: „Sein Glaube an die geistige Wirkmächtigkeit des künstlerisch Geschaffenen ist ein Schlüssel für das Verständnis seiner schriftstellerischen und praktischen Tätigkeit auch in der Denkmalpflege.“4 Fritz Löffler schrieb Biographien über Otto Dix, Bernhard Kretzschmar, Joseph Hegenbarth, Hans Jüchser und hat ständig in der Kunstausstellung Kühl in Dresden Einführungen zu Ausstellungseröffnungen für Künstler, mutig, auch in der DDR-Zeit gehalten. Auch die Werke, die wir heute hier ausstellen, zeugen von der „geistigen Wirkmächtigkeit des künstlerisch geschaffenen“ und von der „fortwährenden Strahlkraft“ in den einzelnen Werken der Künstler. „präsenzdresden“ ist der Titel der Ausstellung. Präsenz bedeutet Anwesenheit. Dresden ist anwesend durch die Künstlerinnen und Künstler. Unsere sprachlichen Bilder für die feine Chemie des künstlerischen Schaffens sind oft zu einseitig und geben diese Spannung nicht wieder, in der subjektive und objektive Aspekte sich gegenüberstehen und ineinandergreifen. Hans von Marees schrieb in einem Brief an Konrad Fiedler kurz und bündig: „Um das Wesen der Kunst zu verstehen, halte ich es für unablässig notwendig, dass man vor allen Dingen den Künstler verstehe, denn ohne diesen gibt es keine Kunst.“5 Auch wenn die Bilder und Skulpturen dieser Ausstellung aus Dresden und Umgebung kommen, geht es immer wieder um einzelne Künstlerinnen und Künstler und um ihre bildnerische Botschaft. Und diese Botschaft entzieht sich fast den Worten und Reden. Bei Wilhelm Pinder las ich: „Alle sichtbare Form wäre gar nicht gebaut, gebildet, gezeichnet oder gemalt, wenn sie das Gleiche, was sie ausdrückt, ebenso gut mit der Sprache der Zunge sagen könnte … Dasjenige an ihnen, um dessen Willen sie nicht gesprochen sind, das gerade ist ihr wesentliches als bildende Kunst. Die Sprache kann es nur einkreisen.“6 Der Künstler entdeckt entsprechend seiner Erlebnisse und seiner Individualität die Motive und die ihm gemäße Arbeitsweise. Es heißt nicht „abbildende“ Kunst, sondern „bildende“ Kunst. Emil Nolde schrieb: „Die Kunst eines Künstlers muss seine Kunst sein. Sie ist im innerlichen ganz die seine. Im Äußerlichen, glaube ich, ist sie jedem eine fortlaufende Kette kleiner Erfindungen, kleiner technischer Eigenerfindungen, in seinem Verhältnis zum Werkzeug, dem Material und der Farbe. Was er lernt, gilt nur wenig, was er selbst findet, hat für ihn wirklichen Wert und gibt ihm die Steigerung 4 5 6 Heinrich Magirius, Fritz Löffler als Denkmalpfleger, in: Fritz Löffler 1899‐1988. Ein Leben für Kunst und Denkmalpflege in Dresden, hg. V. Sigrid Walther, Dresden 1999, S. 17. Helmut Heinze, Subjektive und objektive Aspekte im künstlerischen Schaffensprozess. Plastik‐Kollo quium 1977, Magdeburg 1977, S. 21. Wilhelm Pinder, Von den Künsten und der Kunst, Berlin; München 1948, S. 13. der Lust zur Arbeit am Werk.“7 Schopenhauer soll gesagt haben, „man müsse sich einem Kunstwerk gegenüber verhalten, wie man sich einer hochgestellten Persönlichkeit gegenüber verhält. Das heißt, man hat abzuwarten, bis das Werk sich einem mitzuteilen beginnt.“8 Auch wenn mir dieses „hochgestellt“ nicht so recht gefällt, so ist „mir doch der Hinweis auf dieses abwartende Sehen, besser auf dieses abwartende Schauen – sehr wertvoll. „Die Kunst ist lange bildend, ehe sie schön ist“, las ich bei Goethe.9 Die Künstlerinnen und Künstler wünschen den Besuchern dieser Ausstellung glückliche Begegnungen bei der Betrachtung der Werke. 7 9 8 Lothar‐Günther Buchheim, Die Künstlergemeinschaft Brücke, Dresden 1957, S. 317. Willi Baumeister, Das Unbekannt ein der Kunst, Köln 1960,S. 24. Johann Wolfgang v. Goethe, Von Deutscher Baukunst, 1773, in: Bd. 12, Meyers Klassiker Ausgaben. Literatur und Kunst, S. 197. Der Satz lautet vollständig: „Die Kunst ist lange bildend, eh sie schön ist, und doch so wahre, große Kunst, ja oft wahrer und größer als die schöne selbst.“ (Zusammenhang mit Straßburger Münster).
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