Die VSt schrieb die Verwertung von organischen Abfällen (Bioabfall

Vergabekammer Nordbayern
Regierung von Mittelfranken
Beschluss vom 23.06.2015
Az.:
21.VK - 3194 – 08/15
Nachprüfungsantrag:
…
Bevollmächtigte:
…
( Antragstellerin - ASt )
Vergabestelle:
…
( Vergabestelle - VSt )
Bevollmächtigte:
…
Beigeladene:
…
Vergabeverfahren:
…klinik … – Umstrukturierung der Funktionsbereiche OP/Intensiv u.a.
Gewerk Medizinische Gase
Vergabeverfahren:
Offenes Verfahren nach § 3 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A
Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt auf die mündliche
Verhandlung vom 23.06.2015 durch die Vorsitzende …, den hauptamtlichen Beisitzer … und
den ehrenamtlichen Beisitzer … folgenden
Beschluss:
1. Es wird festgestellt, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens
die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Die Vergabestelle wird
verpflichtet, bei Festhalten an der Vergabeabsicht das Verfahren
unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer
beginnend mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Antragstellerin und die Vergabestelle tragen die Kosten des
Verfahrens je zur Hälfte.
-2-
4. Die Antragstellerin und die Vergabestelle tragen ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin
und die Vergabestelle war notwendig.
6. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.
7. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,-- €.
Auslagen sind nicht angefallen.
Sachverhalt:
1.
Die VSt schrieb die Umstrukturierung der Funktionsbereiche OP/Intensiv u.a. der …klinik
…, hier das Gewerk Medizinische Gase, im Offenen Verfahren aus. Das Verfahren wurde
im Supplement zum Amtsblatt der EU am xx.xx.xxxx veröffentlicht.
Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis.
Die Angebotsfrist endete laut Bekanntmachung am xx.xx.xxxx.
Im Leistungsverzeichnis ist unter „Vorbemerkung bzgl. MPG“ formuliert:
Narkose Abgase-Absaugung
-
DIN EN 737-2
-
DIN EN 737-4
Im Leistungsverzeichnis ist unter „Allgemeine Beschreibung“ formuliert:
Entnahmestellen
Es muss eine Gasentnahmestelle für Medizinische Gase entsprechend der
DIN EN 737-2 den Abmessungen nach DIN 13260, Teil 2 für die Montage in
festen Wänden und Trockenbauwänden für die Gasart Sauerstoff geliefert und
montiert werden.
In Position 04…001 ist formuliert:
-3Entnahmestelle-Schienen, DVE- Sauerstoff nach DIN EN 737-2/ DIN 13260 T
2 zur Bereitstellung für die Medienschiene und Deckenversorgungseinrichtungen.
2.
Am Wettbewerb haben sich u.a. die ASt und die BGl beteiligt. Die BGl hat das günstigste
Angebot mit xxx.xxx,xx € brutto abgegeben, die ASt liegt nach der Wertung der VSt mit
xxx.xxx,xx € brutto auf Rang 4. Der Eröffnungstermin fand am xx.xx.xxxx statt.
3.
Am 16.03.2015 teilte die VSt der ASt mit, dass sie beabsichtige, der BGl den Auftrag zu
erteilen. Die BGl habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
4.
Mit Schreiben vom 18.03.2015 rügte die ASt die beabsichtigte Bezuschlagung auf das
Angebot der BGl. Das Angebot der BGl sei zwingend auszuschließen. Das Angebot entspreche nicht den Vergabeunterlagen. Die von der BGl angebotene Entnahmestelle entspreche nicht der DIN EN 737. Diese Entnahmestelle habe weder ein Sicherheitsventil
noch sei von außen erkennbar, ob sich das nach dem Absperrkasten stromabwärts liegende Ventil in geöffnetem oder in geschlossenem Zustand befindet. Beide Eigenschaften seien nach der genannten DIN laut LV erforderlich.
5.
Mit Schreiben vom 23.03.2015 teilte die VSt der ASt mit, dass sie der Rüge nicht abhelfe.
Einschlägig sei nicht die DIN EN 737-2, sondern die neue DIN EN ISO 9170-1. Diese sei
mit dem Angebot der BGl erfüllt.
6.
Mit Fax vom 27.03.2015 stellte die ASt Nachprüfungsantrag und ließ von ihren Verfahrensbevollmächtigten beantragen:
1. Ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten,
2. die VSt anzuweisen, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückzuversetzen und unter Ausschluss der BGl die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt
gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu treffen,
-4-
3. der ASt Einsicht in die Vergabeunterlagen zu gewähren,
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt gem. § 128
Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,
5. der VSt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der ASt aufzuerlegen.
Der Antrag sei zulässig und begründet.
Die ASt sei in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt.
Das Angebot der BGl sei auszuschließen, da es nicht den Bestimmungen der Leistungsbeschreibung entspreche. Nach der Leistungsbeschreibung seien Kontroll- Absperr- und Ventilkästen gem. DIN EN 7396-1 anzubieten. Das von der BGl angebotene Produkt erfülle die
Anforderungen dieser DIN nicht.
7.
Die Vergabekammer Nordbayern hat den Nachprüfungsantrag am 27.03.2015 der VSt
übermittelt und um Zusendung der Vergabeakten und Äußerung gebeten.
8.
Mit Schreiben vom 30.03.2015 teilte die ASt mit, dass die VSt in der Ausschreibung die
DIN EN 737-2 geforderte habe. Auf die die DIN EN ISO 9170-1 komme es nicht an.
Diese DIN sei nicht Wertungsmaßstab. Jede Entnahmestelle müsse ein Kontrollventil
enthalten, das die Gasversorgung im Einführen des Steckers öffnet und beim Herausziehen des Steckers selbständig schließt. Das Kontrollventil müsse ein vom Wartungsventil
getrenntes Bauteil sein. Bei allen Absperrventilen müsse zudem erkennbar sein, ob das
Ventil offen oder geschlossen ist.
Bei dem Produkt der BGl seien Rückschlag– und Wartungsventil eines.
9.
Mit Schreiben vom 10.04.2015 teilte die ASt mit, dass im Submissionsprotokoll von den
Angebotssummen der Bieter erhebliche Abzüge vorgenommen worden seien. Es sei
nicht nachvollziehbar wodurch sich die geänderten Angebotssummen erklären.
10.
Mit Schreiben vom 21.04.2015 beantragte die VSt,
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
-52. Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zum Zweck
entsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der
VSt.
Der Antrag sei unbegründet.
Ausschlussgründe lägen hinsichtlich des Angebotes der BGl nicht vor.
Sie habe den Vergabeunterlagen entsprechend angeboten.
Das Angebot der ASt sei nur auf dem vierten Rang, so dass die ASt keine Chance auf
den Zuschlag habe.
Mit der Rüge, dass die DIN 737-2 nicht einschlägig sei, bzw. die Vergabeunterlagen diesbezüglich unklar seien, sei die ASt präkludiert. Dies sei bereits aus den Bewerbungsbedingungen hervorgegangen.
Die DIN 727-2 sei keine Regelung zu Entnahmestellen und daher vorliegend nicht einschlägig. Auch die Folgenorm DIN EN ISO 7396-2 sei nicht einschlägig für Entnahmestellen. Es handle sich hier um einen Schreibfehler der VSt.
Einschlägig sei für Entnahmestellen die DIN 737-1, bzw. in deren Folge die DIN EN ISO
9170-1.
Das Leistungsverzeichnis fordere in Position 01.005 und 01.006 Etagen-Absperrkästen.
Mehr sei auch in der DIN EN ISO 7396-1 nicht gefordert. Diese sei jedoch nicht einschlägig.
Das Angebot der BGl erfülle jedoch sowohl diese Anforderungen, als auch die Anforderungen der DIN EN 737-1, als auch aktuell der DIN EN ISO 9170-1.
Insbesondere lasse die DIN EN 737-1 in Ziffer 5.2 R alternative Konstruktionen zu, die
gleichwertige Sicherheit erreichen. So erkläre sich das gutachterlich geäußerte Fehlen
der „getrennten Komponente“ bei dem Produkt der BGl.
Ein Kontrollventil, das selbständig öffnet und schließt im Sinne der DIN 737-2 sei für Entnahmestellen gerade nicht erforderlich.
Im Rahmen der Wertung habe die VSt die DIN EN 737-1 berücksichtigt.
Die Korrektur der Submissionsergebnisse basiere auf einer versehentlichen doppelten
Ausschreibung der Positionen 5.01 (Medienschienen) und 5.02 (Konsole und Schublade).
Diese habe die VSt bei vorliegendem Gewerk sodann herausgerechnet und die Angebotssummen entsprechend berichtigt.
Eine Änderung der Bieterreihenfolge sei hierdurch nicht erfolgt, so dass eine Rechtverletzung der Bieter ausscheide.
11.
Am 21.04.2015 hat die Vergabekammer die Fa. … zum Verfahren beigeladen.
-612.
Mit Schreiben vom 28.04.2015 beantragte die BGl
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. die dem Verfahren zu Grunde liegende Vergabeakte beizuziehen und
der BGl Akteneinsicht gem. § 111 Abs. 1 GWB zu gestatten;
3. der ASt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten der BGl aufzuerlegen.
Der Antrag sei unzulässig und unbegründet.
Die ASt habe aufgrund ihrer Platzierung auf dem vierten Rang schon keine Antragsbefugnis. Hinsichtlich der Rüge der normativen Anforderungen sei die ASt präkludiert,
da sie in Kenntnis der Anforderungen im LV ein Angebot abgegeben habe, ohne
rechtzeitig zu rügen oder Klärung herbeizuführen.
Die angebotene Leistung der BGl stimme mit den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses überein.
Das von der BGl angebotene Produkt erfülle alle Anforderungen nach der DIN EN
ISO 7396-1. Diese fordere in Punkt 8 Absperrventile, welche die BGl mit den angebotenen Etagenabsperrkästen erfüllt. Insbesondere seien auch die Anforderungen
nach Ziffer 9 und die dort verwiesenen Anforderungen der DIN EN ISO 9170-1 erfüllt.
Die BGl liefere eine alternative Konstruktion, welche nach der DIN EN 9170-1 zulässig
sei. Die erforderliche Konformitätserklärung des Herstellers sowie ein CE-Kennzeichen liege für das Produkt vor.
Auch § 7 EG VOB/A erlaube das Anbieten gleichwertiger Produkte.
13.
Die Vorsitzende hat die Fünf-Wochen-Frist bis zuletzt 30.06.2015 verlängert.
14.
Mit Schreiben vom 28.04.2015 vertieft die ASt ihren Vortrag aus dem Nachprüfungsantrag. Die ASt sei davon ausgegangen, dass die DIN 737-1 bei den Entnahmestellen anzuwenden sei. Der Schreibfehler könne nicht zu Lasten der ASt gehen.
Das Angebot der BGl erfülle die Voraussetzungen der DIN 737-1 unstreitig nicht.
Auch die Anforderungen der jetzt gültigen Norm seien bzgl. der Konformitätserklärung
nicht erfüllt. „Gleiches Sicherheitsniveau“ - so die Konformitätserklärung - sei nicht mit
„eine gleichwertige Sicherheit“ – so die Forderung der DIN - gleichzusetzen.
Die Herausnahme von Positionen aus dem LV verstoße gegen einen fairen Wettbewerb.
Die ASt hätte anders kalkuliert, hätte sie von dem Wegfall der Teilleistung vor Abgabe des
Angebotes gewusst. Auf die Bieterreihenfolge käme es hier nicht an. Die Ausschreibung
-7dürfe daher weder mit den angebotenen noch mit den herunter gerechneten Positionen
vergeben werden.
15.
In der Stellungnahme vom 07.05.2015 trug die VSt vor, dass der Vortrag der ASt hinsichtlich der Konformitätserklärung zu dem Produkt der BGl unsubstantiiert sei. Es sei nicht
ersichtlich, weshalb die Entnahmestelle der BGl nicht entsprechend der DIN
geprüft worden sei.
Die Herausnahme der doppelten Positionen sei nicht vergaberechtswidrig. Eine Fehlerkorrektur des LV sei möglich nach Submission. Die Korrektur sei vorliegend nicht kalkulations- bzw. wertungsrelevant. Der Vortrag der ASt sei hierzu unsubstantiiert. Eine
Darlegung zur Beeinflussung der Preisbildung fehle.
16.
Mit Schreiben der BGl vom 06.05.2015 teilte diese mit, dass die Ast nicht substantiiert
vorgetragen habe, wie ihr ein Schaden entstehen könnte. Auf das Schreiben wird verwiesen.
17.
Mit Schreiben der ASt vom 07.05.2015 teilte diese mit, dass sie antragsbefugt sei. Die
Rüge richte sich nicht gegen die Ausschreibung als solche, sondern gegen die Wertung
des Angebots der BGl, welches LV und DIN nicht entspreche, und die Wertung aufgrund
der im LV nicht genannten DIN. Hinsichtlich des geltend zu machenden Schadens komme
es auf eine “echte Chance“ der ASt nicht an. Nach § 107 GWB genüge, dass die Chancen
der ASt zumindest verschlechtert worden sind. Zudem seien durch den Wegfall der benannten Positionen im LV die Grundfesten der Kalkulation betroffen. Dies ist eine reale
Beeinträchtigung der Zuschlagschancen, so dass der Antrag jedenfalls nachträglich zulässig geworden sei.
Die Konformitätserklärung bestätige lediglich dass „keine sicherheitstechnischen Bedenken gegen den Betrieb“ bestehen. Dies genüge weder der DIN EN 737-1 noch der
DIN 9170. Sie sei daher nicht ausreichend zur Erfüllung der DIN-Normen.
18.
Mit Schreiben vom 22.05.2015 teilte die ASt mit, dass ihre Antragsbefugnis deshalb
gegeben sei, da durch die Herausnahme der zwei wesentlichen Positionen aus dem LV
der Kern der Ausschreibung und dadurch die Kalkulation der ASt verändert worden sei.
Eine Änderung des Leistungsverzeichnisses in erheblichen Positionen durch die VSt nach
Submission sei nur im Zuge einer erneuten Angebotsabgabe zulässig. Eine Veränderung
-8wesentlicher Positionen wirke sich auf die gesamte Kalkulation des Angebots aus. Da die
VSt vorliegend eine solche Nachkalkulation trotz kalkulationserheblicher Änderungen des
LV nicht ermöglicht habe, habe sie gegen rechtswidrig gehandelt.
19.
Auf den Schriftsatz der VSt vom 03.06.2015 und den Schriftsatz der ASt vom 10.06.2015
wird verwiesen.
20.
In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2015 hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern. Auf das diesbezügliche Protokoll wird verwiesen.
Die ASt wiederholt ihre Anträge aus dem Nachprüfungsantrag vom 27.03.201 mit folgender
Ergänzung zu Ziffer 2:
„mit der Maßgabe, im Fall der Unbegründetheit die VSt anzuweisen, das
Vergabeverfahren aufzuheben.“
Die VSt bekräftigt ihre Anträge aus dem Schriftsatz vom 21.04.2015.
Die BGl zieht ihre Anträge zurück.
B e g r ü n d u n g:
1.
Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig.
a)
Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2
und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b)
Bei dem ausgeschriebenen Vertrag handelt es sich um einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne von § 99 Abs. 3 GWB.
c)
Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB.
d)
Die Kosten für die Umstrukturierung der Funktionsbereiche OP/Intensiv u.a. der
…klinik … übersteigen den Schwellenwert von 5,186 Mio. € nach § 2 Abs. 1 VgV
i.V.m. der Verordnung der EU-Kommission zur Änderung der Schwellenwerte für
EU-weite Vergabeverfahren. Das hier streitgegenständliche Gewerk Medizinisch
Gase mit einem Auftragswert von unter 1 Mio € ist ein Fachlos dieser Gesamtmaß-
-9nahme. Die VSt ordnet das Los dem 80 %-Kontingent zu (§ 3 Nr. 7 VgV). Dementsprechend hat sie die Ausschreibung als Offenes Verfahren im Amtsblatt der EU
bekannt gemacht. Damit ist der rechtliche Rahmen für eine Nachprüfung nach §§
102 ff GWB festgelegt.
e)
Die ASt hat am 18.03.2015 die beabsichtigte Vergabe an die BGl unverzüglich
gerügt, nachdem ihr das Absageschreiben vom 16.03.2015 zugegangen war. Die
Rüge der Wertung der Angebote unter Abzug der Positionen 5.01 und 5.02
brauchte nicht gesondert zu erfolgen, da die VSt von der Wertung unter Ausschluss dieser Positionen erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens erfahren hat.
f)
Die ASt ist nicht antragsbefugt hinsichtlich der Rüge, dass das Angebot der BGl
zwingend auszuschließen sei, da es nicht den Vergabeunterlagen entspreche.
Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages genügt der schlüssige Vortrag
bzw. die konkrete Behauptung des Antragstellers, dass sein Angebot wertbar sei,
und er bei zutreffendem Vorgehen der Vergabestelle den Zuschlag erhalten
müsse. Zwar sind an die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens
im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz GWB keine hohen Anforderungen zu stellen,
aber ein Schadenseintritt darf nicht offensichtlich ausgeschlossen sein. Für einen
schlecht platzierten Bieter bedeutet dies, dass er seine Antragsbefugnis nicht
darzulegen vermag, sofern er nicht gegen die in der Rangfolge ihm vorgehenden
Angebote konkrete Einwendungen vorzubringen hat. Ein Schaden muss schlüssig dargelegt und jedenfalls denkbar sein (VK Hessen, Beschluss vom
13.12.2013, 69d-VK-32/2013).
Vorliegend hat die ASt lediglich dargelegt ,warum das Angebot der BGl, welches
auf dem ersten Rang in der Wertung liegt, aus dem Verfahren auszuschließen
sei. Da sich das Angebot der ASt jedoch nicht auf dem zweiten Rang der Wertung befindet, sondern auf einem schlechteren Rang platziert ist, hat der beantragte Ausschluss des Angebots der BGl nicht den Zuschlag an die ASt zur
Folge. Eine konkrete und schlüssige Darlegung weshalb das Angebot der ASt
auf seiner Rangposition den Zuschlag erhalten müsse hat die ASt nicht beigebracht. Insbesondere hat die ASt nicht dargelegt, dass auch das Angebot des in
der Wertung der VSt zweitplatzierten Bieters hinter dem Angebot der BGl auszuschließen sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens im Nachprüfungverfahren, dass die Wertung
der Angebote unter Abzug der Positionen 5.01 und 5.02 rechtswidrig erfolgt sei,
ist die ASt antragsbefugt.
- 10 Sie hat als beteiligte Bieterin ein Interesse am Auftrag und schlüssig dargetan,
dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entsteht bzw. zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 GWB).
Greift ein Bieter das gesamte Verfahren an und trägt Gründe für eine erneute Angebotseinholung vor, so dass die Möglichkeit der Zuschlagserteilung an den Bieter
fortbesteht oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, so ist der Bieter zu
diesem Vortrag antragsbefugt (ibr-online Kommentar, Vergaberecht, Weyand, §
107 GWB, Rn 187). Vorliegend hat die ASt vorgetragen, dass die VSt durch die
Streichung zweier erheblicher Positionen aus dem LV nach Submission einen Verfahrensfehler begangen habe. Diese Änderung des Beschaffungsgegenstandes
habe zur Folge, dass die VSt den Bietern eine Neukalkulation ermöglichen müsse.
Damit ist es nicht ausgeschlossen, dass die ASt mit einer neuen Angebotsabgabe
auf den Zuschlagsrang rutscht.
g)
Die ASt hat den Nachprüfungsantrag am 27.03.2015 innerhalb von 15 Kalendertagen nach der Rügerückweisung vom 23.03.2015 gestellt (§ 107 Abs. 3
Nr. 4 GWB).
h)
Der Zuschlag an die BGl wurde noch nicht erteilt (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB).
2.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet soweit er zulässig ist.
Die ASt ist in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt, soweit die VSt eine Wertung
unter Herausnahme der Positionen 5.01 und 5.02 durchgeführt hat.
a)
Ein Ausschluss des Angebots der BGl ist nicht mehr Prüfungsgegenstand des
Nachprüfungsverfahrens, da die ASt diesbezüglich nicht antragsbefugt ist.
b)
Die VSt ist nicht berechtigt, das Leistungsverzeichnis durch die Herausnahme der
Positionen 5.01 und 5.02 nach Submission zu ändern und die Wertung ohne diese
Positionen durchzuführen.
Stellt sich nach der Angebotsabgabe heraus, dass in einem Leistungsverzeichnis
Positionen für den Bauauftrag nicht erforderlich sind, ist die VSt nicht berechtigt
diese Positionen aus dem Leistungsverzeichnis herauszunehmen (Bauer in Heiermann, Riedl, Rusam, Handkommentar zur VOB, Auflage 2012, § 16 EG VOB/A, Rn
- 11 251). Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn die wegfallende Position mangels Erheblichkeit die Kalkulation nicht in einer die Angebotsreihenfolge ändernden
Weise hätte beeinflussen können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.01.2011,
Verg 46/10).
Vorliegend hat die VSt nach Abgabe der Angebote entschieden, dass sie die Positionen 5.01 und 5.02 nicht in dem streitgegenständlichen Gewerk Medizinische Gase,
sondern technisch zugehörig im Rahmen eines anderen Gewerks ausschreiben
möchte. In der mündlichen Verhandlung bekräftigte die VSt dies und teilte mit, dass
die Positionen nicht mehr im Rahmen des Auftrags beschafft werden sollen.
Von der ASt ist in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden, dass die Kalkulation der Angebote insgesamt betroffen sei, wenn zwei Positionen, welche zusammen ca. 10-25 % der Angebotssumme ausmachen, herausgenommen würden.
Betroffen sei der Kern der Ausschreibung. Diese Veränderung wirke sich auch auf
die anderen Positionen kalkulatorisch aus.
Bei den benannten Positionen handelt es sich um einen Teil des Auftragswertes, der
einen erheblichen Teil der Leistung ausmacht. Es ist vorliegend nicht auszuschließen, dass die Bieter in Kenntnis des neuen Leistungsumfangs anders kalkuliert hätten und die Bieterreihenfolge beeinflusst worden wäre. Die VSt ist daher nicht berechtigt die Wertung unter Herausrechnung der genannten Positionen durchzuführen.
c)
Das Verfahren ist beginnend mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen.
Bei einer Änderung des Beschaffungsbedarfs des öffentlichen Auftraggebers , die
zu einer kalkulationserheblichen Reduzierung des ausgeschriebenen Leistungsumfangs führt, hat der Auftraggeber den Bietern in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zu geben, auf diese Korrektur zu reagieren (a.a.O.). Das Transparenzgebot verlangt, dass alle für die Zuschlagsentscheidung maßgeblichen Umstände den Bietern
so bekannt gemacht werden, dass sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren
genaue Bedeutung verstehen und in gleicher Weise auslegen können und der Auftraggeber prüfen kann, ob die Angebote der Bieter die geltenden Kriterien erfüllen
(a.a.O.).
Der grundsätzlich gebotenen Wiederholung der Angebotsabgabe bei einer Änderung des Leistungsumfangs steht auch eine bereits erfolgte Submission nicht entge-
- 12 gen. Insbesondere steht es nicht im Belieben des Auftraggebers, vor oder nach Submission den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Angebote einzuräumen.
Notwendige Voraussetzung für eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens vor
Angebotsabgabe ist ein sachlicher Grund, so dass eine Diskriminierung einzelner
Bieter ausgeschlossen und die Entscheidung der VSt nicht willkürlich ist oder nur
zum Schein erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015, Verg 29/14). Dieser sachliche Grund ist vorliegend gegeben, da die VSt glaubhaft gemacht hat, dass
es sich um eine ungewollte Doppelausschreibung dieser Positionen handelt.
Die VSt ist vorliegend somit verpflichtet, den Bietern erneut die Gelegenheit zu geben die Angebote mit dem reduzierten Leistungsverzeichnis neu zu kalkulieren.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 GWB.
a)
Die ASt und die VSt haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen, weil
sie beide teilweise unterlegen sind (§ 128 Abs. 3 Satz 1 GWB). Das Begehren der
ASt auf Neuwertung der Angebote war nicht erfolgreich. Das hilfsweise Begehren
der ASt auf erneute Einholung der Angebote war erfolgreich. Eine hälftige Kostenteilung entspricht vorliegend dem Anteil des Unterliegens der beiden Beteiligten.
b)
Die Antragstellerin und die Vergabestelle tragen ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst. Es wäre vorliegend unzweckmäßig, jede Partei mit der Hälfte der
Aufwendungen zu belasten, weil die außergerichtlichen Kosten bei den Parteien
durchaus unterschiedlich hoch sein können. Interessengerecht ist daher in Anlehnung an § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dass beide Parteien bei hälftigem Obsiegen
ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst tragen.
c)
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die ASt und die VSt notwendig (§
128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.).
Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach
gelagerten Fall, so dass es der ASt und der VSt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
d)
Die BGl trägt ihre Aufwendungen selbst. Sie hat keine Sachanträge gestellt und
damit kein Kostenrisiko auf sich genommen. Eine Kostenerstattung durch andere
Beteiligte kommt daher im Umkehrschluss ebenfalls nicht in Betracht.
- 13 -
e)
Die Gebühr war nach § 128 Abs. 2 GWB festzusetzen.
Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer
errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in
Höhe von x.xxx,- €.
f)
Soweit der geleistete Kostenvorschuss von 2.500,-- € die Kostentragungspflicht
der ASt in Höhe von x.xxx,--€ übersteigt, wird der Betrag nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die ASt zurücküberwiesen.
Die Kostenrechnung für die VSt in Höhe von x.xxx,--€ wird nachgereicht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:
……….
……….
……….