«Ich schrieb und schrieb wie ein Tiger aus dem Busch!»

bei den Proben
«Ich schrieb und schrieb
wie ein Tiger
aus dem Busch!»
So beginnt dieses Buch:
«Ein langgezogener Ton kommt über den
Wald. Immer ganz gleich bleibt der Ton.
Blass, eisig, schneidend. Von einem Weltende scheint er zu kommen, zum anderen Weltende scheint er zu gehen. Und
der Ton streckt eine lange, lange Hand
aus, und an der langen Hand einen langen, langen Finger. Und der Ton drückt
aufs Herz, ja, er sticht zuletzt das Herz
durch, so lang ist er, so blass, so schneidend. Der Ton ruft zwar zum Essen, aber
es kommt nicht darauf an, wozu er ruft:
es kommt nur darauf an, wie er spricht.
Ein Ungeheuer ist es, das diesen Ton
ausspeit. Und das Ungeheuer schreit mit
seiner kalten, nassen, eindringlichen
Stimme, die zugleich Fluch ist und Hohn
und Qual: «Du bist kein freier Mensch,
sondern du musst tun, was ich dir befehle. Ich rufe dich am Morgen aus dem
Bett, nicht weil es mir Freude macht,
dich zu sehen, sondern weil ich dich für
meine Dienste brauche. Ich rufe dich
zum Essen, nicht weil ich dich ernähren
will, sondern damit du Kraft behältst,
für mich zu arbeiten. Ich strecke dich am
Abend auf dein Lager, nicht weil ich dir
Schlaf gönne, sondern damit du Stärke
sammelst, mir weiter zu dienen. Ich bin
der Ton der Selbstsucht. Ich bin der Ton,
der die Welt regiert.»
Die Schweizer Autorin
Cécile Ines Loos
und ihr Romandebüt
«Matka Boska» von 1929
Die Sensation des Jahres 1929
war «Matka Boska», der in
Polen angesiedelte Erstling der
Baslerin Cécile Ines Loos. «Endlich wieder ein grosser Wurf»,
frohlockte der «Bund». «Wie ein
Tiger aus dem Busch» habe
sie sich aus ihren Erlebnissen
herausgearbeitet, gab die Autorin selbst zu Protokoll.
86 Jahre nach der bisher einzigen Ausgabe legt Charles
Linsmayer das spektakuläre
Debüt einer grossen Autorin
in einer kommentierten Neuausgabe wieder vor.
Eine Performance mit
Texten und Bildern
anlässlich der Neuausgabe des Romans in
der Edition «Reprinted
by Huber»
Präsentiert von
Charles Linsmayer und
Vanessa Brandestini
Sonntag, 18. Okt. 2015, 17:00 Uhr
Theater an der Effingerstrasse, 3011 Bern
Donnerstag, 26. Nov. 2015, 19:00 Uhr
Literaturhaus Basel, Barfüssergasse 3, 4051 Basel
Donnerstag, 21. Jan. 2016, 19:30 Uhr
Kantonsbibliothek Thurgau, Promenadenstr. 12, 8510 Frauenfeld
Donnerstag, 4. Feb. 2016, 19:30 Uhr
Literaturhaus Zürich, Limmatquai 62, 8001 Zürich
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Die Schriftstellerin Cécile Ines Loos
kam 1883 in Basel zur Welt, wo sie 1959 auch starb. Nach einer
Waisenhauskindheit und einer unglücklich-abenteuerlichen
Lebensphase lebte die vielseitig begabte Autorin unter prekären
sozialen Bedingungen in ihrer Heimatstadt und fand nach
dem sensationellen Debüt mit «Matka Boska» für ihr weiteres
Werk trotz der Anerkennung etwa durch Max Frisch (siehe
unten) nur noch wenig Echo. Charles Linsmayer hat bereits
auch ihre Romane «Hinter dem Mond» (1942) und «Der Tod und
das Püppchen» (1939) neu herausgebracht.
Bilder aus dem Anhangteil der Neuausgabe von Cécile
Ines Loos’ Roman «Matka Boska»
Max Frisch über die Autorin:
«Was Cécile Ines Loos schreibt, die Folge ihrer Sätze, ist Spiegel
einer überzeugenden Unwillkürlichkeit; sie braucht ihren Verstand, der beträchtlich ist, nicht zu unterdrücken, um poetisch
zu wirken. Sie träumt noch bei lichterlohem Verstand.»
Die Neuausgabe:
«Matka Boska». Roman. Neu herausgegeben und mit einem
biographischen Nachwort versehen von Charles Linsmayer.
1886: mit der Pflegemutter Charlotte Langlois
in Burgdorf
1901: An der Neuen Mädchenschule, Bern
1911 in Mailand mit Sohn Leonardo Loos
1933 an ihrem Schreibtisch in Basel
Reprinted by Huber Nr. 32 | 352 Seiten, zahlreiche Fotos
gebunden mit Schutzumschlag | 13 × 21cm | Fr. 42.– | 3 [D] 45.–
ISBN 978-3-7193-1594-8
Die Mitwirkenden:
Vanessa Brandestini absolvierte die Schauspielschule Bern
und war Schauspielerin und Regisseurin, ehe sie an der Universität Zürich Psychologie studierte und sich anschliessend zur Psychotherapeutin ausbilden liess. Sie arbeitet heute in einer Klinik,
ist dem Theater aber zum Glück nicht ganz abhanden gekommen.
Charles Linsmayer ist Literatur- und Theaterkritiker und war
lange Jahre Literaturredaktor beim «Bund». Seit 1979 hat er in 117
Fällen Bücher von Schweizer Autorinnen und Autoren kommentiert neu herausgegeben. 2015 erscheinen beim Verlag elfundzehn,
Eglisau, seine «Gesichter der Schweizer Literatur».
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