Medienmitteilung vom 11. November 2015 Fünfte Ostschweizer Gemeindetagung der FHS St.Gallen Der Lebensqualität auf der Spur Die Lebensqualität in ihrer Gemeinde interessiert Einwohnerinnen und Einwohner stärker als deren «Standortattraktivität». An der fünften Ostschweizer Gemeindetagung der Fachhochschule St.Gallen diskutierten die Teilnehmenden Möglichkeiten, wie Gemeinden die Lebensbedingungen und das Wohlbefinden gemeinsam mit der Bevölkerung beeinflussen können. Standortattraktivität ist derzeit in aller Munde – in zahlreichen Rankings werden Gemeinden darauf hin bewertet. Aber wie aussagekräftig sind diese Bewertungen? Kann aus einer hohen Standortattraktivität geschlossen werden, dass auch die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner hoch ist? Diese und weitere Fragen haben rund 60 Gemeindeexekutivmitglieder an der fünften Ostschweizer Gemeindetagung diskutiert. Dazu eingeladen hatte das Ostschweizer Zentrum für Gemeinden der Fachhochschule St.Gallen (FHS) unter der Leitung von Politologin Sara Kurmann. Bildung und Begegnung fördern Das subjektive Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger sei ein grosses Thema in Deutschland und in der Schweiz, sagte Karl Heinz Ruckriegel im Einstiegsreferat. Der Glücksforscher und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Nürnberg betonte, dass der Wertewechsel vom reinen Wirtschaftswachstum hin zu einer «Politik für ein besseres Leben» auch in Gemeinden eine immer bedeutendere Rolle spiele. Er verwies auf Erkenntnisse aus der Glücksforschung, die belegen, dass eine gute Bildung und gelingende soziale Beziehungen mitunter am meisten Einfluss auf die Lebensqualität haben. «Hier können Gemeinden ansetzen, in Bildung investieren und Begegnungsmöglichkeiten schaffen.» Nicht nur harte Kennzahlen Doch ist die persönliche Lebensqualität tatsächlich ein Standortfaktor? «Bewohnerinnen und Bewohner sollen zumindest über die Standortattraktivität ihrer Gemeinden mitbestimmen können», sagte Lukas Schmid, Co-Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering IDEE-FHS, im zweiten Inputreferat. Zusammen mit Martin Müller, Leiter des Instituts für Soziale Arbeit IFSA-FHS, stellte er das interdisziplinäre Projekt «Lebensqualitätsindex Schweiz» vor. Ziel war es, eine Ergänzung zu «klassischen» Gemeinderankings zu schaffen, die sich ausschliesslich auf harte Kennzahlen konzentrieren. Entstanden ist die interaktive Plattform www.solebtdieschweiz.ch: Bürgerinnen und Bürger können anhand von 27 Fragen die Lebensqualität in ihren Gemeinden beurteilen und Noten vergeben. Diese Einschätzungen führen kombiniert mit objektiven Kennzahlen zu einer Rangliste der Schweizer Gemeinden. Diese ist aber nicht absolut, weil die Nutzerinnen und Nutzer die Themen individuell gewichten können. In den ersten drei Monaten wurden mit insgesamt 3434 Bewertungen 429 Gemeinden benotet. Erste Erkenntnisse zeigen, dass die Schweizerinnen und Schweizer die Themenfelder Sicherheit, Wohnen und Zusammenleben in Bezug auf die Lebensqualität am stärksten gewichten und auch am besten benoten. Im Moment seien die meisten Noten für einzelne Gemeinden aber noch beschränkt aussagekräftig, sagte Lukas Schmid. Dazu wären pro Gemeinde etwa 200 bis 300 Bewertungen nötig. In Gemeinden wie Uzwil, die ihre Bewohnerinnen und Bewohner aktiv auf die Plattform aufmerksam gemacht haben, könnten aber bereits provisorische Analysen erstellt und erste Hinweise gegeben werden. In Zusammenarbeit mit der FHS St.Gallen lanciert die Verwaltungsrechenzentrum AG St.Gallen (VRSG) auf anfangs 2016 ein Führungscockpit, mit welchen Gemeinden selbständig Analysen durchführen, Massnahmen ableiten und Entwicklungen überwachen können. «Ziel ist, dass Gemeinden ihre Erfolgsreserven entdecken und sich verbessern können», so Schmid. Inputs aus der Bevölkerung Im dritten Impulsreferat zeigte Christian Spoerlé, Gemeindepräsident von Ebnat-Kappel, in einem Praxisbeispiel auf, wie Gemeinden die Lebensqualität durch den Einbezug der Bevölkerung zu fördern versuchen. Ansporn gegeben habe das Weltwoche-Gemeinderanking, in welchem Ebnat-Kappel weit hinten rangierte, erzählt Spoerlé. Für ihn war das Ergebnis nicht nachvollziehbar, da sich Einwohnerinnen und Einwohner im Gespräch mit ihm sehr zufrieden zeigten mit der Gemeinde. Der Gemeinderat beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und lud die Bevölkerung zu Zukunfts-Workshops ein. Erst beteiligten sich 80 Bürgerinnen und Bürger, nach einem halben Jahr war noch die Hälfte dabei. «Wir haben zwar nicht die gewünschte Beteiligung erreicht, dafür aber sehr wertvolle Inputs erhalten», zieht Spoerlé Zwischenbilanz. Es lohne sich, genau hinzuhören: «Wer als Gemeinde attraktiv sein möchte, braucht dafür auch die Überzeugung der Bürgerinnen und Bürger.» Anschliessend tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ihre Erfahrungen mit dem Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern aus. Vielerorts finden Workshops statt – mit mehr oder weniger grossem Echo. Die Plattform www.solebtdieschweiz.ch biete eine interessante Ergänzung zu den Daten aus Workshops, hielt ein Teilnehmer fest. Fazit der Tagung: Um der Lebensqualität in Gemeinden auf die Spur zu kommen, braucht es Zeit und Gelassenheit. Oder wie es einer der Teilnehmer formulierte: «Wir müssen über unsere Legislaturziele hinaus denken. Eine Gemeinde zu führen ist kein Sprint, sondern ein Marathon.» ((ca. 5300 Zeichen inkl. Leerschläge)) Weitere Informationen für die Redaktionen: FHS St.Gallen Lea Müller Kommunikationsbeauftragte Rosenbergstrasse 59 CH-9001 St.Gallen Tel. +41 71 226 16 04 Mail: [email protected]
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