2 FREIBURG INTERVIEW Samstag, 6. Februar 2016 Samstag, 6. Febru Gefrotzel unter Männern Ausgabe 195 am 6. Febr Marc Hofmann hat seinen zweiten Roman veröffentlicht, einen Roadtrip. In „Alles kann warten“ lässt der Gymnasiallehrer dialogische Funken zwischen drei Freunden sprühen. Ein Interview. F ZaS: Ihr Buch bringt mich dazu die Frage zu stellen, die ich eigentlich nie stellen möchte: Wie autobiografisch ist ihr Roman? Marc Hofmann: Es ist vermischt und an Stellen autobiografisch, die nicht ganz ersichtlich sind. Es gibt Anekdoten, die tatsächlich so passiert sind und es gibt Referenzen zu meinem Beruf. Und auch dieses Nerdige, dieses Popmusikwissen ist ein Teil von mir. Aber es passieren in dem Buch eine Menge Dinge, die nichts mit mir zu tun haben. ZaS: Diese Reise hat also nie in echt stattgefunden? Hofmann: Nee, die ist komplett erfunden. Und auch das mit den Eltern – das sind nicht meine Eltern. ZaS: Haben Sie denn mal in Berlin gewohnt? Hofmann: Nein. Da muss man dann halt sehen, dass das trotzdem glaubwürdig ist. Und mit Google Maps schauen, wo die Romanfiguren entlang fahren. ZaS: Wie wichtig ist es Ihnen denn, Ihre Lebenserfahrung und Ihr Lebensumfeld mit hinein zu nehmen in ein Buch? Hofmann: Es ist schon naheliegend, dass die Handlung etwas mit mir zu tun hat. In meinem ersten Buch, „Der Klassenfeind“, beschreibe ich ja den Schulalltag mit einem zynischen Blick aus der Sicht von jemandem, der das schon ein paar Jahre macht. Dennoch hat auch dort die Hauptfigur nichts mit mir zu tun. ZaS: Wie lange haben Sie an Ihrem Roman „Alles kann warten“ letztlich geschrieben? Hofmann: Ich habe im Sommer 2012 damit begonnen. Ich habe es aber auch immer mal wieder liegen Fotos: Barbara Breitsprecher ast hätten wir uns verpasst, aber dann stolpern wir doch ineinander, an der Türe zum überfüllten Café in der Salzstraße, und über einem einzigen Capuccino führen wir ein langes Gespräch übers Schreiben. Der 43-jährige Marc Hofmann ist Gymnasiallehrer für Englisch und Deutsch in Stegen und hat gerade nach „Der Klassenfeind“ (Klett-Cotta-Verlag) seinen zweiten Roman „Alles kann warten“ (Conbook-Verlag) herausgebracht. In diesem Roadtrip begeben sich drei Jugendfreunde um die 40 auf den Weg von Berlin in die alte Heimat im Schwarzwald, um Familienangelegenheiten ins Reine zu bringen. Die Fahrt wird zu einer Odyssee voll schräger Sprüche, vieler Songtexte und durchgeknallter Begegnungen. gelassen. Ich mache das ja nebenberuflich. Und dann habe ich ja auch noch ein Live-Programm mit „Der Klassenfeind“ entwickelt, mit dem ich ziemlich oft aufgetreten bin. ZaS: Sie verbinden dabei Lesung mit Kabarett. Sie machen aber auch Musik… Hofmann: Ich spiele Gitarre und bin Singer-Songwriter. Ich schreibe gerne satirische Lieder. Teilweise trete ich alleine auf, teilweise mit der Band Die Ständige Vertretung. Das Komponieren, deutsche Lieder schreiben und singen, auf der Bühne stehen, Kabarett machen, Lesungen abhalten – bis vor vier Jahren gab es das alles noch gar nicht, auch wenn ich immer schon in Bands als Gitarrist dabei war. Ich weiß nicht, wo das alles plötzlich herkam. ZaS: Man sagt, bei nahezu jedem Journalisten liegt in der Schublade ein angefangenes Buch. Ist das bei Lehrern auch so? Hofmann: Bei Lehrern ist das wahrscheinlich auch so. Aber ich kenne niemanden, der sich da geoutet hätte. ZaS: Sind Sie schon an einem neuen Buch? Hofmann: Ja, aber ich merke, ich bräuchte einfach mehr Zeit. Das episodische Schreiben über Jahre hinweg ist möglich, aber am Stück aus einer Idee einen Roman zu machen, dafür müsste man sich mal zurückziehen. Ohne diese Zeit tue ich mich schon schwer. Aber mich treibt die Idee um, das Gefühl zu beschreiben, das man als Jugendlicher hatte und danach nie mehr. Wenn alles offen steht, man unbeschwert ist, wenn Musik eine riesige Rolle spielt, dieses Gefühl, unbesiegbar zu sein. Als Jugendlicher reflektiert man das ja nicht, es braucht also die Ebene des Erwachsenen, der zurückschaut. ZaS: Könnten Sie sich vorstellen beruflich kürzer zu treten, um sich mehr dem Schreiben zu widmen? Hofmann: Vorstellen könnte ich mir das schon, aber es gibt halt ein gewisses Korsett an Fixkosten. Entweder man muss da radikal umschwenken oder das Geld muss halt irgendwo anders herkommen. ZaS: Nun denkt man aber doch, gerade als Lehrer müsste das gut möglich sein, Schreiben und Unterrichten zu verbinden… Hofmann: Ein Vorteil als Lehrer ist natürlich, dass man seine berufliche Tätigkeit reduzieren kann. Dass man als Gymnasiallehrer aber mehr Zeit hätte als in anderen Berufen, halte ich für eine falsche Annahme. Mit einem vollen Deputat kommt ein Gymnasiallehrer locker auf eine 50-Stunden-Woche. ZaS: Immerhin kann die Zeit aber eher eingeteilt werden, zumindest am Nachmittag. Hofmann: Das stimmt und das ist eine Freiheit, die ich auch sehr schätze. ZaS: Beeindruckend ist auch die Lebendigkeit Ihrer Dialoge. Machen Sie sich ständig Notizen? Hofmann: Ich habe ein Notizbuch, wenn ich es nicht gerade verlegt habe (lacht) oder ich nutze die Sprachmemos bei Autofahrten. Es sind aber gar nicht so sehr Dialoge, die ich da festhalte, sondern Ideen für Themen oder einfach nur ein guter Spruch, ein Zitat oder ein Lied. ZaS: Die Dialoge haben einen bestimmten Sound. Wie real ist der? Hofmann: Es ist so ein post-pubertäres Geschwätz unter Männern. Ich weiß nicht, ob Frauen das auch in der Art machen. Dieses Gefrotzel, dieses bescheuerte aneinander Hochgehen, im Spaß, aber dann auch wieder ernst werdend. So rede ich auch selber gerne mit meinen Freunden. Das empfinde ich immer als Qualitätsmerkmal für eine gute Beziehung, wenn man so miteinander reden kann. ZaS: Haben Sie da auch noch andere Vorbilder? Hofmann: Es gibt diese amerikanische Serie „Entourage“, da geht es um vier Freunde. Einer ist ein Filmstar in Hollywood, die anderen sind seine Jugendfreunde, die er einfach mitgenommen hat und jetzt aushält. Und die reden auch nur so miteinander. Das ist so lustig, politisch völlig unkorrekt und immer wieder unter der Gürtellinie. Das war auch eine Inspiration. ZaS: Wie viele Menschen in Ihrer Umgebung schocken Sie, wenn in Ihrem Roman auch mal gekokst wird? Hofmann: Noch ist das Buch zu neu, ich habe erst wenig Rückmeldungen aus meinem Bekanntenkreis. Bei meinem Buch „Der Klassenfeind“ war der zynische Ton und der fiese Blick für manche schon ein Problem. Es gibt Lehrer, die können das nachvollziehen oder sehen den Schulalltag insgeheim vielleicht ähnlich, es gibt aber auch welche, die diese Art Humor überhaupt nicht haben und die ihren Beruf nur ganz positiv sehen möchten. Denen geht mein zynischer Blick dann zu weit. ZaS: Und beim literarischen Drogenkonsum ist es dann vielleicht ähnlich? Hofmann: Ja, vielleicht. Aber die Handlung ist ja ein surreales Konstrukt, von dem man gar nicht weiß, wie realistisch das alles ist. ZaS: Kann man beim Schreiben die Frage ausblenden, wie die Kollegen reagieren werden, die Freunde, die Familie? Hofmann: „Der Klassenfeind“ hat einen Twist am Ende, weil ich nicht wollte, dass das Buch so böse aufhört. Da denke ich schon als Lehrer, dass das Buch vielleicht auch Schüler, Eltern und Schulleiter lesen. Das fanden viele nicht gut, aber mir war damit wohler. Beim neuen Buch „Alles kann warten“ ist mir aber tatsächlich erst hinterher aufgefallen, dass beispielsweise meine Mutter das doof finden könnte. ZaS: Aber wenn man sich nicht frei machen würde von solchen Vorsichtsmaßnahmen, wäre das nicht wie eine eingebaute Bremse beim Schreiben? Hofmann: Ich habe darüber viel nachgedacht. Man nimmt ja immer Rücksicht, auf Beziehungen, Partner, Kollegen… Ich glaube es gibt nicht allzu viele Schriftsteller, die wirklich den ganzen Weg gehen. Knausgard ist vielleicht so einer. Er wird ja dafür gefeiert, dass er Tabus bricht und Dinge aus Männersicht beschreibt, wie es noch nie ein Mann getan hat. Ich denke, ich könnte da noch weiter gehen, nur dann hat man da halt ein Problem. Im Grunde ist das Schreiben ein antisozialer Beruf. Interview: Barbara Breitsprecher Auftritte Marc Hofmann: 29. 4. Freiburg, Buchhandlung Rombach - Der Klassenfeind, 17. 6. Kirchzarten, Buchladen in der Rainhofscheune - Alles kann warten, Lesung und Livemusik (mit Band: Die Ständige Vertretung)
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