Fastenserie

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FASTENSERIE – TEIL I
14.02.2016 - Sonntagsblatt Nr. 7
FASTENSERIE – TEIL I
14.02.2016 - Sonntagsblatt Nr. 7
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ANREGUNGEN
Wo sind Menschen in
deiner Umgebung in die Irre
gegangen, wo haben sie sich
selbst verirrt?
Die geistigen
Werke der
Barmherzigkeit
Im Mittelalter hat man die sieben Werke der Barmherzigkeit,
die auf die Gerichtspredigt
Jesu in Mt 25,31–46 zurückgehen, um sieben geistige Werke
der Barmherzigkeit erweitert.
Papst Franziskus hat das Jahr
2016 zum Jahr der Barmherzigkeit erklärt. Vor einigen Jahren
habe ich in der Fastenzeit die
sieben leiblichen Werke der
Barmherzigkeit meditiert. So
sollen in dieser Fastenzeit die
sieben geistigen Werke der
Barmherzigkeit
dargestellt
werden. Parallel zu den 14
Kreuzwegstationen hat man
im Mittelalter 14 Werke der
Barmherzigkeit
betrachtet.
Thomas von Aquin nennt sie 14
Tugenden, die den Menschen
mehr und mehr in den Geist
Jesu einführen und ihn verwandeln in einen christusförmigen
Menschen.
„Seid Sand
im Getriebe
der Welt“
ohne dich über sie zu stellen?
Wie kannst du sie begleiten?
Auf wen möchtest du einmal
zugehen, um mit ihm über sein
Leben und seinen Weg
zu sprechen?
Wo spürst du, dass in der Gesellschaft etwas falsch läuft?
Welchen Beitrag zu mehr
Barmherzigkeit in der Gesellschaft kannst du leisten?
„Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise
ihn unter vier Augen zurecht.“ Auf dieser Aussage Jesu
beruht das erste geistige Werk der Barmherzigkeit.
Labyrinth auf dem Fußboden der Kathedrale von Chartres. Jesus fordert dazu auf, in der Gesellschaft auf
Foto: WIKIMEDIA COMMONS
Wege hinzuweisen, die in die Irre führen.
GEBET
Barmherziger und guter Gott.
Wir alle verirren uns oft in der
Unübersichtlichkeit unseres
rüher hieß dieses erste geistige Werk
F
tanein“, das meint: den Weg verfehlen,
wenn sich der Irrende oder der Sünder als
„Wacht auf, denn eure Träume
der Barmherzigkeit „Sünder zurecht-
sich verirren. Wer seinen Weg verfehlt,
Gewinner fühlt, wenn ihm die Augen auf-
sind schlecht!
weisen“. Mit den Begriffen „Sünder“ und
der braucht einen, der ihm den Weg zeigt.
gehen und er sein Leben neu anzuschauen
Bleibt wach, weil das Entsetzliche
Wir gehen Wege, die nicht
„Irrende“ tun wir uns schwer. Denn wir
Im Griechischen steht hier: „Hört er dich,
vermag, wenn er sich aufrichtet und ge-
näher kommt!
weiterführen.
geben ja damit vor, dass wir selber auf dem
hast du deinen Bruder gewonnen.“
stärkt und zuversichtlich seinen Weg ge-
Wacht darüber, dass eure Herzen
rechten Weg sind. Was für ein Recht neh-
Es geht nicht um ein Gefälle: Ich weiß den
hen kann.
nicht leer sind,
men wir uns heraus, andere, die wir für
Weg und du nicht. Vielmehr spreche ich
verirrt halten, zurechtzuweisen? Doch je-
mit dem anderen. Wenn er mich als seinen
des Werk ist ein heilsames Werk, das den
Bruder hört, wenn er offen ist für einen,
Menschen gut tun soll. Wenn sich jemand
der ihm helfen will, dann tut es ihm gut.
Irrende zurechtweisen hat auch eine poli-
singt die Lieder,
verirrt hat, wenn er den Weg nicht mehr
Dann gewinne ich ihn als Bruder. Er wird
tische Dimension. Es ist unsere Aufgabe,
die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Wir bitten dich, lass auch uns
fi ndet und ziellos herumirrt, dann braucht
mir Bruder oder Schwester. Es entsteht
auf Tendenzen in unserer Gesellschaft
Seid unbequem,
erkennen, wo wir selbst und
er einen Wegweiser, der ihm wieder den
eine gute Beziehung. Ich bin nicht der Bes-
aufmerksam zu machen, die uns in eine
seid Sand, nicht das Öl im Getriebe
wo die Menschen in unserer
rechten Weg zeigt. Der Wegweiser stellt
serwisser und auch nicht der Tugendsa-
falsche Richtung treiben. Da ist die Ten-
der Welt!“
Umgebung sich verloren
sich nicht über den andern. Er begleitet
me. Ich bin genauso auf dem Weg wie der
denz, alles nur nach fi nanziellen Gesichts-
ihn ein Stück, damit er den Weg zu dem
Irrende. Und auch ich kann mich auf mei-
punkten zu sehen oder unser Miteinander
Ziel fi ndet, auf das hin er unterwegs ist.
nem Weg verirren. Dann brauche auch ich
immer mehr zu verrechtlichen. Dabei geht
Menschen, die mir den Weg zeigen.
es nicht darum, andere an den Pranger zu
In der Bibel waren es die Propheten, die
stellen und sie anzuklagen. Vielmehr ist es
das Volk aufrüttelten und auf falsche Wege
unsere Aufgabe, unser eigenes Bewusst-
aufmerksam machten.
und dich in uns
sein und das Bewusstsein der Menschen
Wir können uns selbst nicht zum Pro-
finden. Amen.
Den Weg zeigen
Kein Sieger, kein Verlierer
Teil I
Wie kannst du sie ansprechen,
Das erste Werk der Barmherzigkeit geht
wenn mit der Leere eurer Herzen
Die politische Dimension
Lebens.
Dein Sohn Jesus Christus ist
gekommen, um die, die sich
gerechnet wird!
verloren haben, wieder zu
Tut das Unnütze,
finden.
Heilsame Wege
haben.
Und schenke uns deinen Geist,
auf das Wort Jesu zurück, das Matthäus
In der Psychologie spricht man davon,
zu schärfen für Wege, die in die Irre füh-
pheten ernennen, sonst würden wir uns
in der sogenannten „Gemeinderegel“ über-
dass es nach einem Gespräch nie einen
ren. Dichter haben diese Aufgabe immer
leicht für unfehlbar hinstellen. Aber Jesus
liefert: „Wenn dein Bruder sündigt, dann
Sieger oder Verlierer geben darf. Vielmehr
wieder übernommen.
fordert uns dazu auf, in der Gesellschaft
geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen
spricht man von einer Win-win-Situation,
Berühmt ist das Gedicht von Günter Eich,
auf Wege hinzuweisen, die in die Irre
zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen
in der beide sich als Gewinner fühlen.
das niemanden anklagt, aber doch alle
führen, und gemeinsam nach Wegen zu
Bruder zurückgewonnen“ (Mt 18,15).
Nur dann ist die Zurechtweisung des Ir-
aufrütteln will, nicht jeden Irrweg mit-
suchen, die heilsam für uns Menschen
Sündigen heißt im Griechischen „hamar-
renden ein Werk der Barmherzigkeit,
zugehen:
sind.
damit wir uns selbst
In der nächste Ausgabe:
Das zweite Werk:
„Unwissende lehren“