Monster aus 1.000 Tonnen Stahl

Monster aus 1.000 Tonnen Stahl
Siegener Unternehmen baut Großmaschinen für die metallurgische Industrie
Es sind wahre Giganten der Stahlverarbeitung. Die riesigen Schmiedemanipulatoren
von Dango & Dienenthal sind weltweit die größten ihrer Art. Das Siegener
Familienunternehmen baut seit 150 Jahren Maschinen und Anlagen für die
metallurgische Industrie und hat immer wieder technologische Standards gesetzt.
Siegen. Die Maschine wirkt wie ein gigantisches Urzeit-Monster. Aus einem
kompakten, massigen Stahlkörper, auf dem der Bediener wie eine Ameise wirkt, ragt,
gleich einem gefräßigen Maul, eine gewaltige Zange heraus. Geöffnet hat die eine
Spannweite von mehr als zwei Metern. Diese Zange packt jetzt einen am Boden
liegenden großen rotglühenden Stahlzylinder. Fast spielerisch hebt die Maschine den
rund 150 Tonnen schweren Klotz an und schiebt ihn auf den Tisch einer ebenfalls
gigantischen Presse. Nach jedem Hub der Presse dreht der sogenannte
Schmiedemanipulator das glühende Metall um einige Grad. Auf diese Weise entsteht
Hub für Hub, Drehung für Drehung, die riesige Welle eines Generators. Dabei lässt
die Zange nicht einmal los.
Was den Besucher allein schon wegen der schieren Größe und der unbändigen Kraft
ganz andächtig werden lässt, ist für Rainer Dango im Prinzip nichts Besonderes. „Wir
können noch wesentlich größer“, sagt der Geschäftsführer der Dango & Dienenthal
GmbH in Siegen (DDS). Mit einer Traglast von mehr als 250 Tonnen baue das
Unternehmen seit einigen Jahren die stärksten Schmiedemanipulatoren der Welt. Die
fahren auf Schienen und wiegen selbst an die 1.000 Tonnen. Und der Bedarf an
solchen Giganten sei weiterhin vorhanden, da vor allem bei der
Energieerzeugungsindustrie die Nachfrage nach immer schwereren Schmiedeteilen
mit großen Abmessungen wachse. Dabei handelt es sich beispielsweise um
Dampfturbinen-Wellen, Rotoren, Kurbelwellen für Hochleistungs-Dieselmotoren, aber
auch Antriebswellen für Schiffe und Druckbehälter für Kernkraftwerke.
Millimeter-Präzision bei 150 Tonnen
Dass solch große Schmiedemanipulatoren keine Serienprodukte sind, versteht sich
fast von selbst. „Die Manipulatoren werden von Auftrag zu Auftrag weiterentwickelt“,
sagt Dango. Mitgeschäftsführer Arno Dienenthal ergänzt: „Unsere Kunden kommen
hier mit klaren anwenderspezifischen Anforderungen auf uns zu. Daraus entstehen
dann die individuellen Maschinen.“ Bei denen geht es vor allem um Schnelligkeit und
Präzision. „Millimeter-Präzision“, wie die beiden Geschäftsführer betonen. Schließlich
würden für die Kunden enorme Kosten entstehen, wenn beispielsweise ein
glühender Metallblock von 150 Tonnen ungeplant wieder in den Ofen müsse, weil bei
der Handhabung zu viel Zeit vergangen ist. Allein die zusätzlichen Arbeits- und
Energiekosten würden so Wettbewerbsvorteile verschlingen.
Doch auf die Siegener Schmiedemanipulatoren ist Verlass. Schließlich ist das
Unternehmen nicht von ungefähr Weltmarktführer in diesem Segment. Es geht bei
DDS aber auch einige Nummern kleiner. Manipulatoren bis zwei Tonnen Traglast
sind weniger individuell und können deshalb schon mal in Kleinserien hergestellt
werden. Darüber hinaus entwickelt und produziert die Firma unterschiedlichste
Maschinen und Anlagen, die vor allem in Stahlwerken, Schmieden und
Hammerwerken zum Einsatz kommen.
Zwei Familien, ein Unternehmen
Der Erfolg des Unternehmens basiert zu einem großen Teil auf der 150-jährigen
Geschichte und dem damit über viele Jahrzehnte gewachsenen Know-how. Im Jahre
1865 wurde die Firma von August Dango und Louis Dienenthal als Gießerei
gegründet. Sie legten den Grundstein für ein Familienunternehmen, das heute von
Rainer Dango und Arno Dienenthal in fünfter Generation weitergeführt wird. Zunächst
produzierte man damals Armaturen für Hochöfen. Bereits 1901 bauten die
Spezialisten aus dem Siegerland die erste sogenannte Stichlochstopfmaschine. Mit
der wird bei einem Hochofen das Ausflussloch für die glühende Metallschmelze
wieder sicher verschlossen. Auch bei diesem Produkt sind die Siegener Marktführer.
Seit Mitte der 1950er Jahre kamen dann auch Stichlochbohrmaschinen zum Öffnen
der Hochöfen hinzu sowie Flüssigkeitsfilter und Messeinrichtungen zur
Temperaturermittlung, Füllstandskontrolle und Gasanalyse in Hochöfen sowie
anderen metallurgischen Einrichtungen. „Wir haben unser Produktspektrum stetig
ausgeweitet und schauen auch heute noch“, sagt Arno Dienenthal, „welche Produkte
in unser Portfolio passen.“ So gehören zum Programm von DDS unter anderem auch
Schwerlastroboter und Wasserfilter, die sich automatisch selbst reinigen und in fast
allen Industriebereichen zum Einsatz kommen. „Die sind hoch flexibel“, sagt Rainer
Dango, „und eignen sich für alle offenen Wasserkreisläufe, in denen Schmutz ist, der
raus muss.“
Aus dem Einzelunternehmen ist heute eine Gruppe mit 430 Mitarbeitern geworden,
die Niederlassungen in den USA, Indien, Japan, China und Südafrika betreibt.
Entwickelt und konstruiert werden die Spezialausrüstungen für Hochofenbetriebe
übrigens von TMT – Tapping Measuring Technology, einem 2003 von Dango
& Dienenthal in Siegen und Paul Wurth in Luxemburg gegründeten
Gemeinschaftsunternehmen. Verantwortlichkeiten habe man dadurch nicht
abgegeben, versichert Arno Dienenthal. Im Gegenteil: Alle bisher gegründeten
Töchter und Joint Venture dienten vor allem auch der Sicherung des Standortes
Siegen mit seinen 250 Mitarbeitern. Wie wichtig den Verantwortlichen das
Stammwerk ist, belegt allein schon die Tatsache, dass hier in den letzten Jahren ein
höherer, zweistelliger Millionenbetrag in neue Hallen und Anlagen investiert wurde.
Überdurchschnittliche Ausbildungsquote
Investieren würden die Inhaber-Familien auch in die Mitarbeiter. Die sollen möglichst
lange im Unternehmen bleiben, um nötige Qualifikationen aufzubauen und das
Firmen-Know-how weiter zu entwickeln. Auch das scheint den Siegenern zu
gelingen. „Firmenzugehörigkeiten von 45 Jahren“, sagt Rainer Dango, „sind bei uns
keine Seltenheit.“ Einen besonderen Wert legen die Verantwortlichen zudem auf die
eigene und überbetriebliche Ausbildung. Mit Ausbildungsquoten von über zehn
Prozent liegt DDS dabei weit über dem Branchendurchschnitt.
Sorgen, genügend Auszubildende zu finden, meint Arno Dienenthal, habe man nicht.
Das Unternehmen sei in der Region bekannt und habe bei den Jugendlichen einen
guten Ruf. Nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass jeder Auszubildende, bei
entsprechenden Leistungen, für vier Wochen in eine der Auslandsniederlassungen
gehen könne. Aber auch die Produkte an sich seien schließlich mehr als spannend.
Wo sonst könne man Maschinen bauen, die an gigantische Urzeit-Monster erinnern.
Ansprechpartner:
Dango & Dienenthal GmbH
Rainer Dango
Tel: 0271 – 401 0
[email protected]
Fotos zum Artikel
Der größte Schmiedemanipulator der
Welt kann bis zu 250 Tonnen in der
Zange tragen
Zwei Familien, ein Unternehmen: die
Geschäftsführer Rainer Dango (links)
und Arno Dienenthal
Blick in die Montagehalle
Große Bauteile erfordern großen
Krafteinsatz bei der Montage
Schweißarbeiten an der Düse einer
Stichlochstopfmaschine
Das Unternehmen produziert auch
kleinere Maschinen
Fotos: Gesamtmetall/Pit Junker, Dango & Dienenthal
Die Bilder können Sie auf unserer Internet-Seite
https://www.gesamtmetall.de/branche/portrait/unternehmensreportagen herunterladen.