Aldrovandis De animalibus insectis: Ein besonderes Buch im

Pressemitteilung
Oldenburg, 16. Dezember 2015
Aldrovandis De animalibus insectis: Ein besonderes Buch im
Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
Das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg beherbergt seit 2013 die
Erstausgabe eines wissenschaftlich bedeutenden Buches: De animalibus
insectis (1602) von Ulysse Aldrovandi. Der Autor gilt als Begründer der
modernen Systematik und Entomologie. Das nun restaurierte Buch umfasst
eine der frühesten wissenschaftlichen Bearbeitungen der Insekten und ist ab
sofort für Wissenschaftler zugänglich. Das Landesmuseum Natur und Mensch
lädt insbesondere Wissenschaftshistoriker und Entomologen ein, in Oldenburg
mit diesem seltenen und historisch wertvollen Buch zu arbeiten.
Mit seinen genauen Beobachtungen und umfassenden naturwissenschaftlichen
Publikationen gilt Ulysse Aldrovandi (1522-1605) als ein Begründer der modernen
Zoologie. Als Naturalist widmete sich der italienische Kaufmann dem Studium der
Rechtswissenschaften, Philosophie, Medizin und Biologie. Er gründete und leitete
einen der ersten Botanischen Gärten Europas, baute eine umfangreiche Bibliothek
auf, legte wissenschaftliche Sammlungen wie Herbarien und Naturalienkabinette an
und machte sich dadurch verdient um die naturwissenschaftliche Bildung.
Seine eigenen scharfsinnigen Beobachtungen fanden Eingang in insgesamt elf
umfangreiche enzyklopädische Werke über die damals bekannte Tierwelt. Einige
seiner Bücher wurden post mortem von seinen Schüler veröffentlicht. Eine frühe,
noch zu Lebzeiten erschienene Abhandlung, ist De animalibus insectis (1602). Sie
befasst sich u.a. mit einer bis dahin eher vernachlässigten Tiergruppe, den Insekten.
Aldrovandi trug dazu nicht nur bereits Bekanntes zusammen, sondern sammelte
selbst Tiere, analysierte und bewertete das, was ihm in die Hände fiel. Detailgetreue
Abbildungen, ausführliche Beschreibungen, Synonyme und etymologische
Informationen der aufgeführten Arten ließen De animalibus insectis libri septem
schließlich auf fast 800 Seiten anwachsen. In einigen der insgesamt sieben Bücher
werden allerdings auch Tiergruppen behandelt, die man heute nicht mehr unter der
Bezeichnung „Insekt“ im Stammbaum findet. Nach Aldrovandis Definition der
Insekten als kleine, segmentierte Tiere war es allerding konsequent, auch
Regenwürmer, Nacktschnecken und Seesterne in sein Buch aufzunehmen. Sogar
wenn man sich auf die heute als Insekten bezeichneten Tiere bezieht, bleibt das
1602 veröffentlichte De animalibus insectis ein bis dahin beispielloses,
enzyklopädisches Werk mit Fokus auf Insekten. Bemerkenswert ist es auch insofern,
als Aldrovandi einen dichotomen Bestimmungsschlüssel einsetzte, um die
besprochenen Tiergruppen voneinander abzugrenzen. Diese Vorgehensweise ist bei
der taxonomischen Bestimmung bis heute Grundlage der meisten
Bestimmungsbücher in Zoologie und Botanik. Obwohl dichotome Schlüssel bereits in
früheren Arbeiten des Schweizer Arztes Conrad Gessner auftauchen, ist der in De
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Oldenburg, 16. Dezember 2015
animalibus insectis Abgebildete wohl der erste dichotome Bestimmungsschlüssel für
Insekten.
Aldrovandi erkannte und beschrieb nicht nur Metamorphosen sowie die
Fortpflanzung und machte sich Gedanken zur Bekämpfung von schädlichen
Insekten, sondern auch philosophische Ideen sind Gegenstand des Buches: So fragt
er sich u.a., ob die(se) Tiere eine Seele besitzen.
Laut Bodenheimer (1928) ist Aldrovandi „…der Begründer der […] systematischen
Entomologie […]“ und Bodenheimer hoffte „…, daß […]dieser hochverdiente
Forscher der Gegenwart erschlossen werden kann.“ (S. 276). Diesem Ziel können
Wissenschaftshistoriker nun in Oldenburg einen Schritt näher kommen. Das
mittlerweile restaurierte Buch stammt aus dem Familienbesitz eines Ehepaares aus
Aurich (Ostfriesland) und wurde dem Museum als Dauerleihgabe anvertraut. Die
Leihgeber betonen, dass es ihr ausdrücklicher Wunsch ist, dass das Buch für die
Forschung zugänglich ist. Als eines von wenigen noch erhaltenen Exemplaren der
Erstausgabe ist De animalibus insectis sowohl für das Museum als auch für die
Wissenschaft von unschätzbarem Wert.
Literatur:
Bodenheimer, F.S. 1928: Die zweite aristotelische Renaissance und die Begründung
der modernen Systematik und Morphologie. Anfänge einer Beobachtung: Ulysse
Aldrovandi. In: Materialien zur Geschichte der Entomologie bis Linné; S. 247-276.
Ogilvie, B.W. 2008: Nature`s bible: insects in seventeenth-century European Art and
science. Tidsskrift for kulturforskning: 7(3), S. 5-21.
Kontakt:
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