Liebe auf den zweiten Blick

REISEN
Freitag, 15. Januar 2016
WOCHENENDE 67
TIPP DER WOCHE
NAH UND FERN
Liebe auf den zweiten Blick
Nicht weit von den Skipisten des Berner Oberlandes lädt Spiez zu ruhigen Tagen ein.
Natur und Genuss kommen dabei nicht zu kurz. VON DOMINIQUE BURCKHARDT
Es wird gerne mit Superlativen aufgetrumpft, gerade in einer touristischen
Region wie dem Berner Oberland. Die
Höchste, das Erste, der Bekannteste.
Spiez kann da nicht ganz vorne mithalten – will das auch gar nicht. Der Ort am
Thunersee, zwischen der Zähringerstadt
Thun und dem Touristenzentrum Interlaken gelegen, lockt mit Ruhe und
Natur. Ganz bewusst wird ein Kontrapunkt gesetzt zum Rummel in den bekannten Ausflugszielen der Jungfrauregion und des Saanenlands, die alle in
Reichweite eines Tagesausflugs liegen.
Spiez pflegt seinen dörflichen Charakter, lehnt sich in die umliegenden Hügel
zurück – und gibt Blicke frei auf eine
imposante Kulisse. Lauteraar- und
Schreckhorn, Eiger, das BlüemlisalpMassiv, um nur einige Alpengipfel zu
nennen, schmücken den Horizont.
Vor einem derartigen Panorama
schlendert man gerne durch die Strassen
und Strässchen. Das Auge freut sich an
immer neuen Blicken auf historische
Häuser aus dem 18., 19. und frühen
20. Jahrhundert. Auf die im Heimatstil
erbaute, gut 100-jährige Kirche mit unerwarteten Jugendstileinflüssen. Auf das
die Bucht überragende Schloss (erbaut
1200 bis 1600) samt Schlosskirche aus
dem 11. Jahrhundert.
Von der Schlossterrasse sind es
wenige Schritte in die Rebberge. Am
Südhang des Spiezbergs reifen im Sommer «Riesling × Sylvaner»- und Blauburgunder-Trauben. Sie zeugen von
dem milden, meist nebelverschonten
Klima, das Spiez auch im Winter auszeichnet. Jetzt weiden Schafe zwischen
Thun
Thunersee
Spiez
Faulensee
Brienzersee
Interlaken
Niesen
Lauterbrunnen
Frutigen
10 Kilometer
NZZ/ekl.
Rscannzz-EjDV1
den Rebstöcken. Der mit Informationen
versehene Spazierweg durch die Reben
kann jeweils am Mittwoch in einer
Degustation der Spiezer Weine enden.
Der «Geist von Spiez»
Eher eine ernste Angelegenheit war
1954 die Fussball-Weltmeisterschaft, die
für Deutschland im «Wunder von Bern»
Der Niesen (2362 Meter) überragt den Thunersee und die Spiezer Bucht.
einen unerwartet positiven Ausgang
nahm. Massgeblich zum Titelgewinn beigetragen hat laut Fritz Walter, dem
legendären Kapitän der deutschen Nationalelf, der «Geist von Spiez». Die
Mannschaft logierte 1954 im Spiezer
Hotel Belvédère. An all dies erinnert
derzeit eine in einem alten Schiffscontainer untergebrachte Ausstellung neben
dem Informationsbüro am Bahnhof
Spiez. In Zusammenarbeit mit dem
deutschen Museum der Weltmeisterschaft sind unter anderem originale, angeblich matchentscheidende Drehstollenschuhe ausgestellt, Autogrammkarten, Trikots, Fotos und ein Modell des damaligen Wankdorfstadions. Auch ein
Video des Finalspiels gegen die Ungarn
wird gezeigt. Die Spieltaktik der Deutschen, erzählt Stefan Seger von Spiez
Marketing, soll Trainer Sepp Herberger
auf dem Uferweg ausgetüftelt und den
Spielern auch dort eröffnet haben. Das
erklärt die Holzstatuen von Herberger,
Fritz Walter und Siegestorschütze Helmut Rahn, die den Weg zieren.
Aber auch für weniger Fussballbegeisterte ist der dreiviertelstündige
Strandweg zwischen Spiez und Faulensee einen Spaziergang wert. Zum besonderen Erlebnis wird er in Kombination
mit einer Schifffahrt auf dem Thunersee.
Erholung bietet danach das Vier-SterneBoutique- und -Seminarhotel Eden.
Gastgeber und Direktor Jürgen Kögler
lässt auch Alleinreisenden grösste Aufmerksamkeit zukommen. Fast alle Zimmer verfügen über einen Balkon mit
Blick vom Hafen über den See in die
Alpen. Aussichten, die den einen oder
anderen Gast für intensive Arbeit in
einem der modern ausgestatteten Seminarräume belohnen mögen. Dass das
Hotel seit vergangenem Herbst auf die
Kochkünste des international ausgezeichneten Südtirolers Fabian Raffeiner
setzt, zeugt von den Ambitionen, die das
«Eden» verfolgt. Raffeiner kocht «wo
immer möglich mit regionalen Produkten» und verbindet «Alpines mit Mediterranem». Ein bisschen wie Spiez, ist
man versucht zu sagen, wo Palmen vor
der Schneekulisse grüssen.
Kalorien verbrennen
Dumm nur, denken beim Zubettgehen
Besucher, die sich von ihren guten Vorsätzen noch nicht ganz verabschiedet
haben, dumm nur, dass einem im Winter
die Wanderung auf den Hausberg Niesen verwehrt bleibt. Wenn Sie allerdings
MARTIN RUETSCHI / KEYSTONE
im Herbst hier sind – erlauben Sie den
Exkurs –, ist ein Ausflug auf den Niesen
Pflicht. Der Rundblick von den Vogesen
über Jura-Ketten und das Mittelland in
die Berner, Walliser und Waadtländer
Alpen ist fast so spektakulär wie die
messerscharf geschnittene Pyramide, die
der Schatten des Niesen über Spiez und
den Thunersee wirft.
Beim Verbrennen von Kalorien hilft
auch der Vitaparcours am Spiezberg. Er
ist mit seinem Auf und Ab einer der anspruchsvolleren und mit seinen Ausblicken – nun folgt doch noch ein kleiner
Superlativ – sicher einer der schönsten
Vitaparcours der Schweiz. An einem
sonnigen Wintervormittag, wenn der
Thunersee ruhig daliegt, die kahlen Äste
der hohen Buchen Muster in den Himmel zeichnen, in der Ferne weisse Gipfel
leuchten, wenn ein Schiff hornt, das
Herz pocht und der Atem dampft, dann
weiss man: Er hat sich gelohnt, der Stopp
in Spiez, wo man sonst nur durchfährt.
Informationen: www.spiez.ch oder vor Ort
im Info-Center am Bahnhof, +41 33 655 90 00.
Das Schloss Spiez samt romanischer
Schlosskirche ist erst wieder ab dem 25. März
2016 geöffnet, die Bahn auf den Niesen
beendet ihre Winterpause am 16. April 2016.
Bekenntnis eines
E-Book-Lesers
URS BÜHLER
So manche Lektüre brennt sich dem Gedächtnis mit dem Ort zusammen ein, an
dem man sie sich zu Gemüte geführt hat.
So habe ich noch genau den Strand vor
Augen, an dem ich einst «Liebe in Zeiten der Cholera» verschlang. Und denke
ich an «The Catcher in the Rye», kommt
mir das novemberliche Venedig in den
Sinn: Auf endlosen Vaporetto-Schlaufen
durch den Nebel versank ich einst als
frischgebackener Student regungs- und
rettungslos in die Aufzeichnungen des
Holden Caulfield. Das Taschenbuch war
am Ende zerlesen und geschunden, doch
gerade das machte es zu einer Trophäe,
die ich danach jahrzehntelang hortete.
Heutzutage aber reise ich, nun ja, äh,
lassen Sie es mich frei heraus sagen: Ich
reise mit E-Books. Das gibt man nur hinter vorgehaltener Hand zu und schiebt
ein paar entschuldigende Worte nach, als
wäre man gerade beim Entsorgen eines
defekten Kühlschranks im Wald ertappt
worden. Also: Es ist der Rücken. Nicht
der des Buchs, sondern meiner. Schon
vor bald sieben Jahren beklagte ich in
einer der ersten Ausgaben dieser Kolumne, wie chronische Entscheidungsschwäche mein Reisegepäck belaste und damit
mein Kreuz: Die Wahl der Ferienlektüre
war mir daheim so eine Qual, dass ich
schliesslich eine halbe Bibliothek mitnahm, um für jede Stimmungs- und Wetterlage passenden Stoff dabei zu haben.
Zwar zeigte ich bereits damals ein gewisses Interesse für Geräte, die laut
Fachartikeln endlich marktreif schienen:
Sie wogen zwar noch mehrere hundert
Gramm, doch was war das schon bei
einer Kapazität von Abertausenden Seiten? Nur etwas liess mich zögern: Wer
wollte dereinst noch in Zeitungen wie
dieser rascheln, wenn das Blättern in
Büchern ausser Mode kommen sollte?
So schleppte ich lieber weiterhin schwer.
Ja, damals hatte ich noch Rückgrat,
trotz Rückenbeschwerden. Jetzt aber, da
es diese Zeitung längst als E-Paper gibt,
bin ich eingeknickt. In die Ferien begleitet mich höchstens ein schmales Lyrikbändchen, dessen Poesie um Papier bettelt – im Taschenbuchformat, das manche Bibliophile einst fast so missbilligten
wie heute das E-Book. Die übrigen
Bücher führe ich in elektronischer Form
mit. Allerdings plagt mich seither ein
neues Problem: Die Qual der Wahl verlagert sich einfach von daheim ins
Feriendomizil. Dort kann ich mich selten entscheiden, welche der fünfzig geladenen Schinken ich lesen möchte.
Manchmal lasse ich es dann bleiben und
löse eine Woche lang Kreuzworträtsel.
Nein, nein, ich klage nicht. Der
Rücken freut sich sehr. Wären die Seiten
meines patenten Readers bloss nicht so
vermaledeit makellos. Ich möchte so
gern wieder einmal ein richtig zerfleddertes Buch heimbringen, das noch Jahrzehnte später an den Leseort erinnert.
BUSINESS-EINSICHT MIT AUSSICHT
Das Hotel Eden Spiez besticht durch seine zauberhafte Komposition aus
Geschichte und Moderne. Mit seiner einzigartigen Lage im Herzen der
Schweiz und seinem hohen Qualitätsstandard ist das Hotel Eden Spiez ein
idealer Veranstaltungsort. Insgesamt stehen Ihnen 9 Räumlichkeiten von
5 bis 165 Personen zur Verfügung.
Von den Räumen aus eröffnet sich ein einmaliger Ausblick auf den Thuner­
see und die Bergwelt des Berner Oberlands. Die Weite inspiriert das ge­
meinsame Denken; die Ruhe des Sees fördert die Konzentration. Liebhaber
der guten Küche werden über die kulinarischen Entdeckungen überrascht
sein. Mit seinem Raumangebot eignet sich das Hotel Eden Spiez auch, um
exklusiv für Veranstaltungen gebucht zu werden.
Seestrasse 58
3700 Spiez
T +41 33 655 99 00
welcome@eden­spiez.ch
www.eden­spiez.ch