Ist Gott ein Sadist?

Predigt vom 17. Januar 2016, Pfr. Ivan Walther-Tschudi, Urdorf
Liebe Gemeinde
Das Cover der Jubiläumsausgabe von Charlie Hebdo:
Es tut einem gläubigen Christen, einer gläubigen Christin weh, so etwas zu sehen. Kann man sich über Religion und Gott lustig machen? Ist
das keine Blasphemie, Gotteslästerung? Papst Franziskus äusserte sich
anlässlich eines Besuchs auf den Philippinen kurz nach den Anschlägen, man dürfe sich nicht über den Glauben der anderen lustig machen. Es mag zwar schwierig, es zu ertragen, trotzdem wollen wir uns
der Herausforderung einer solchen Karikatur Gottes stellen, nicht wegschauen, sondern genau hinschauen! Nicht zuletzt, weil wir in Christus
keine Angst haben sollen (vgl. dazu Paulus als Vorbild).
Was auffällt: In der Jubiläumsausgabe vom vergangenen 6. Januar gibt
es keine Mohammed-Karikaturen. Der Redaktionsleiter und Zeichner
der Karikatur auf der Frontseite, Laurent Sourisseau alias «Riss», hat
bereits letzten Sommer angekündigt, er werde keine Karikaturen mit
dem Propheten Mohammed mehr zeichnen. Seine Zeitschrift habe
jahrelang mit solchen Zeichnungen das Prinzip der Meinungsfreiheit
verteidigt, aber nun seien andere Publikationen an der Reihe (<NZZ
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Predigt vom 17. Januar 2016, Pfr. Ivan Walther-Tschudi, Urdorf
4.1.2016). Tatsächlich: Schaut man genauer hin und studiert diese Karikatur, so erkennt man zwar eine Kalaschnikow, die an die Islamisten
vom Anschlag erinnert, aber Gott ist hier mit typischen christlichen
Symbolen dargestellt. Erstens: als bärtiger, alter Mann, - ein an sich
problematisches Bild, aber im Abendland bekannt; Zweitens: mit dem
allsehenden Auge Gottes als eine Art Kopfschmuck. Das Dreieck deutet
auf die Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Hl. Geist hin.
Zwar möchte der Urheber der Karikatur, der den Anschlag verletzt
überlebte, anscheinend sagen, dass Laizismus und Atheismus besser
sind als jede Religion. Dennoch stellt sich die Frage, warum er Gott
christlich darstellt, wenn es um einen Jahrestag geht, an dem muslimische (und nicht christliche!) Fanatiker ein Blutbad anrichteten. Wahrscheinlich muss er sich dann weniger fürchten…
Angemessene und unangemessene Reaktionen
Auch wenn Verärgerung als Reaktion verständlich ist, sollten wir nicht
anfangen vor Wut zu kochen, sondern vielmehr versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Nicht zufälligerweise habe ich heute den Abschnitt in der Bergpredigt lesen lassen, in dem es um die Haltung Jesu
der Gewalt und dem Hass gegenüber geht.1 Jesus mit Kalaschnikow
und blutverschmiert als Terrorist darzustellen, hätte keine vergleichbare Wirkung gehabt. Im Gegenteil, es wäre völlig lächerlich gewesen.
Das entspricht nicht dem, was Jesus verkörpert. Und er, Jesus Christus,
ist letztlich das angemessenere, wahrere Bild für den christlichen
Gott.2
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Aus Mt 5, 38-48: «Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Auge um Auge und Zahn um Zahn. Ich aber sage euch:
Leistet dem, der Böses tut, keinen Widerstand! Nein! Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dann halte
ihm auch die andere hin. […] Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen
Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, so werdet ihr Söhne
und Töchter eures Vaters im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen
über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr da erwarten?
Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüsst, was tut ihr da Besonderes? Tun das nicht
auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.»
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Kolosserbrief 1,15: Er [= Christus] ist das Ebenbild [gr. eikon, vgl. Ikone] des unsichtbaren Gottes.
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Predigt vom 17. Januar 2016, Pfr. Ivan Walther-Tschudi, Urdorf
Erst recht können wir uns jetzt fragen, ob die Karikatur von «Riss» zum
Jahrestag des Terroranschlags auf die Redaktion von Charlie Hebdo
trotzdem irgendetwas mit Gott zu tun hat. Und wenn nicht, dann
müsste doch gesagt werden können, womit diese Darstellung dann zu
tun hat, bzw. wo der Fehler liegt.
Ist Gott ein Sadist und unser Feind?
Wer am letzten Mittwoch bei meinem Vortrag über Hiob im Rahmen
der Reihe «Rund um ein erfülltes Leben» anwesend war, weiss, dass
dieser Karikaturist nicht der erste ist, der behauptet, Gott selbst sei für
das Leid verantwortlich, das wir Menschen erleiden müssen. Vielleicht
hat sich auch mal in unserem Leben die Frage gestellt, ob Gott unser
Feind ist (statt unser Freund). Zum Beispiel wenn jemand erkrankt und
viel leiden muss. Oder wenn ein Kind sterben muss. Und überhaupt:
Warum lässt Gott so viel Leid zu?
«Es ist alles eins! Darum sage ich:
Den Schuldlosen wie den Schuldigen bringt er [d.h. Gott] um.
Wenn die Geissel plötzlich tötet,
lacht er [d.h. Gott] über die Verzweiflung der Unschuldigen.»
Hiob 9, 22-23 (Hiob antwortet auf die erste Rede des Bildads)
Solche Verse legen tatsächlich die Frage nahe, ob Gott ein Sadist ist,
ob Gott sich über das Leid freut. Auch wenn solche Fragen selten in der
Kirche gestellt werden, so zeigt gerade dieses Wort Hiobs zunächst einmal, dass es auch gläubigen Menschen erlaubt ist, darüber nachzudenken und dies in Betracht zu ziehen (vor allem und erst recht, wenn man
selbst von einer Leiderfahrung heimgesucht wird oder wurde). Umso
mehr könnte das jemand tun, wenn er das Schicksal Jesu bedenkt, den
Leidensweg und die Kreuzigung. Wenn die Bibel erzählt, Jesus Christus
sei wie ein Lamm geopfert worden, ohne Schuld. Jemand könnte die
Frage stellen: Hat Gott dies zu seiner Freude zugelassen oder gewollt?
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Predigt vom 17. Januar 2016, Pfr. Ivan Walther-Tschudi, Urdorf
In Christo sein
Wer als Christ/in so etwas behauptete, wäre auf dem Holzweg. Wir
hätten etwas falsch verstanden, wenn wir das glauben würden. An Jesus Christus zu glauben bedeutet etwas ganz anderes. Das Blut Jesu ist
für uns vergossen worden, wie der Heiligen Schrift zu entnehmen ist.
Gemäss unserem Glauben ist Jesus ja Gott selbst. ER geht diesen Weg.
ER trägt das Leid der Welt. ER ist der Unschuldige, der geopfert wird,
damit wir das Heil erlangen. Wenn schon, dann hat das Leid mit unserer Freude zu tun, weil es nicht anders ging/geht. Das Leid hat nicht
damit zu tun, dass sich Gott darüber freut, - ganz im Gegenteil, er leidet ja in Christus mit (und wir mit ihm). Gott ist immer auf der Seite
der Unschuldigen, die Leid zu ertragen haben. Am Schluss vom Buch
Hiob wird es auch schon deutlich. Gott ist auf der Seite Hiobs. Obwohl
Hiob in einer dunklen Stunde seines Leidens sogar geglaubt hat, Gott
lache über sein unschuldiges Leiden, und behauptet hat, ER wäre sein
Feind, letztlich vergibt ihm Gott und erweist sich als sein Freund (vgl.
Wiederherstellung Hiobs: Hiob erhält alles zurück, sogar doppelt so
viel, wie er zuvor hatte).
Wenn ein Karikaturist Gott die Schuld gibt, für das Blutbad verantwortlich zu sein, das er am eigenen Leib selbst erlebt hat, - «Riss» hat den
Anschlag mit Verletzungen überlebt, - so dürfen wir als Christen damit
rechnen, erstens, dass Gott diese Schuld auf sich nehmen kann, und
zweitens, dass ER es dem Karikaturisten verzeihen kann, derart falsch
dargestellt worden zu sein. Weil «Riss» nicht zu befürchten hat, dass
Christen sich an ihm rächen werden, habe ich auch ein gewisses Verständnis, wenn er sich nun lieber christlicher Ikonographie bedient,
statt z.B. Mohammed mit dem Koran zu zeichnen.
Die ganze Wahrheit hinter der Karikatur
Doch genau dies wäre ehrlicher gewesen. Es vergeht ja fast kein Tag
mehr, an dem nicht berichtet wird, dass islamistische Terroristen sich
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Predigt vom 17. Januar 2016, Pfr. Ivan Walther-Tschudi, Urdorf
irgendwo in die Luft jagen und Unschuldige töten. Sagen wir es doch
wie es ist: Diese Terroristen lesen nicht die Bibel, sondern den Koran.
Sie orientieren sich nicht am Beispiel Jesu, sondern Mohammed ist ihr
Vorbild. Das müssen Sie nämlich wissen: Mohammed hat unzählige
Kriege geführt. Zunächst war er friedlich eingestellt, doch dann änderte sich dies und auf einen Krieg folgte der nächste. Allein in den
letzten 8 Jahren seines Lebens führte Mohammed um die 80 Kriege!
Stellen Sie sich das vor: Das sind um die 10 pro Jahr! Das steht diametral zu dem, was Jesus gemacht hat. Christen haben auch unzählige
Kriege geführt, aber nicht Jesus.
Mohammed hat Menschen umbringen lassen, Jesus hat Menschen vor
dem Tod bewahrt. Sie erinnern sich, was er bei der Ehebrecherin, die
hätte gesteinigt werden sollte, sagte: «Wer ohne Sünde ist, werfe den
ersten Stein!» Wir müssen diese Dinge nicht verschweigen und vertuschen. Ich sage indes nicht, Christen seien besser als Muslime. Alle
Menschen sind unabhängig von ihrer Religion mehr oder weniger mitschuldig, wenn es auf dieser Welt so viel Gewalt und so viele Kriege
gibt. Und doch gibt es einen himmelsweiten Unterschied zwischen Jesus und Mohammed, zwischen dem Weg Christi und dem Weg des Propheten des Korans. Das müssen alle sehen und anerkennen.
Verfolgt um seinetwillen
Kürzlich stand erneut in der Zeitung, dass die Christen, - obwohl sie
weltweit zahlenmässig (noch) in der Mehrheit sind, - die am meisten
verfolgte Religionsgemeinschaft ist. Das kommt nicht von ungefähr:
Christ zu sein, bedeutete von Anfang an, verfolgt und verschmäht zu
werden. Nicht nur wurden die Menschen in der Nachfolge Christi im
römischen Reich verfolgt. Sondern schon Jesus selbst wurde ja gefangen genommen und hingerichtet. Nicht Gott hat ihn (bzw. sich selbst)
verurteilt und gekreuzigt, sondern die Menschen.
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Predigt vom 17. Januar 2016, Pfr. Ivan Walther-Tschudi, Urdorf
Dass Gott auf der Seite der Verfolgten, der Unschuldigen und der Gewaltlosen ist, gilt unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Aber als
Christ/in musst du damit rechnen, verfolgt zu werden, wenn du den
Weg Jesu gehst. Das wird vermutlich noch zunehmen in der nächsten
Zukunft. Doch darin gibt es dennoch Hoffnung. Jesus selbst hat am Anfang der Bergpredigt gesagt:
Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen
und das Ärgste nachsagen um meinetwillen und dabei lügen.
Freut euch und frohlockt, denn euer Lohn im Himmel ist gross.
Denn so haben sie auch die Propheten vor euch verfolgt.
Mt 5, 11f
Eine Karikatur wie jene von der Jubiläumsausgabe von Charlie Hebdo
ein Jahr danach ist eigentlich eine Beleidigung. Sie stellt Gott mit
christlichen Attributen dar, statt das, was angebracht gewesen wäre,
nämlich das verehrte Vorbild der Attentäter.
Doch im Geiste unseres Herrn reagieren wir Christen nicht mit Gewalt,
ausser der des Wortes, sondern indem wir es ertragen und erdulden,
indem wir genau hinschauen, und vor allem indem wir versuchen, unsere Feinde zu lieben und für unsere Verfolger zu beten.
Amen.
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