Nordstadt-(W)Irren Drehbuch von Holgi Hammermann © [05/07] Version 2.2 Grund-Idee: Film-/Theater-Gruppe KLuW e.V. www.kluw-ev.de www.geier-wg.de 1. PSYCHIATERIE-KLINIK-APLERBECK AUßEN Eine psychiatrische Anstalt wird von außen gezeigt. Psychiatrisches KlinikumDortmund-Aplerbeck. -- Seite 2 -- 2. FLUR IN DER KLINIK INNEN/TAG Eine KRANKENSCHWESTER geht mit flinken Schritten den Flur entlang. In ihrer linken Hand hält sie ein Rezept. Sie stoppt vor der Tür mit dem Namenszug: Prof. Dr. Heinz Mühsaal - Klinikleitung. -- Seite 3 -- 3. IM BÜRO VON PROF. HEINZ MÜHSAAL INNEN/TAG Schwester AGATHE betritt das Büro von Prof. Dr. Heinz Mühsaal. Das Büro macht einen sauberen und geordneten Eindruck. Einige Bilder und Photos zieren die Wände. Pflanzen stehen auf der Fensterbank. - Der PROFESSOR, gut gekleidet, Anzug und Krawatte, sitzt an seinem Schreibtisch und telefoniert. PROFESSOR Guten Tag Schwester Agathe. Nehmen sie einen Moment Platz. (Der Professor weißt der Schwester einen Stuhl in der Ecke zu. Er spricht mit ruhiger Stimme in die Hörmuschel seines Telefons.) Ja, Herr Grünspecht. Bei diesen Menschen sieht man eindeutig, dass sie die Kriterien eines Alkoholmissbrauchs erfüllen. Man kann sie in die Kategorie F44 „Missbrauch von Substanzen, die eine Abhängigkeit hervorrufen“ einordnen. Eine mögliche Therapie wäre das seit 1996 zugelassene Medikament Acromprosat, das zur Reduzierung des Alkoholverlangens beitragen soll und damit eine Rückfallgefährdung nach erfolgter körperlicher Entgiftung herabsetzen könnte. Diese Substanz wird als sogenannte Adjuvans begleitend zu psycho- und soziotherapeutischer Behandlung empfohlen. - Was? Herr Grünspecht, sie fragen, was das mit Drogenmissbrauch zu tun hat?? - Wenn man diesem Medikament einen bestimmten Wirkstoff beimischt, dann kann man es auch zur Therapie von Drogensüchtigen anwenden.—Ich muss leider das Gespräch jetzt beenden. Ja, Herr Grünspecht, wir werden alles Weitere besprechen, wenn ich sie nachher besuche. --- Also es bleibt dabei: Heute um 15.00 Uhr in der Nadelklinik.—Ok, Tschüss! Bis heute Nachmittag. (Der Professor wendet sich zu Schwester Agathe.) Schwester Agathe, und nun zu ihnen. Was gibt’s? AGATHE Herr Professor, ich habe hier ein Rezept, das sie noch unterschreiben müssen. -- Seite 4 -- Der Professor unterschreibt das Rezept. PROFESSOR Schwester Agathe. Ich muss gleich zur Nadelklinik in der Dortmunder Nordstadt. Ich muss mich beeilen, damit ich nicht zu spät komme. Schwester, bitte richten sie meiner Sekretärin aus, dass ich unterwegs bin. Ich muss leider jetzt schon weg. Ich werde etwas länger brauchen, weil mein Auto kaputt ist. Ich werde erst mit der U-Bahn fahren und den Rest des Weges zu Fuß. Ich hoffe, dass ich die Nadelklinik schnell finden werde, denn ich kenne mich nicht so in der Dortmunder Nordstadt aus. Prof. Mühsaal und Schwester Agathe verlassen das Büro. -- Seite 5 -- 4. KLINIK-GELÄNDE-PARKANLAGE AUßEN/TAG Professor Mühsaal durchquert die Parkanlage des Klinikgeländes. -- Seite 6 -- 5. U-BAHNHALTESTELLE-KLINIK-APLERBECK AUßEN/TAG Mühsaal will am Fahrkartenautomaten eine Fahrkarte lösen. Er hat noch nie in seinem geordneten Leben eine Fahrkarte am Automaten lösen müssen. Doch heute muss er. Er begreift nicht, wie das geht. Da sieht er an der UBahnhaltestelle eine ÄLTERE DAME. Mühsaal wendet sich zu ihr. PROFESSOR (unwissend, hilfesuchend) Entschuldigen sie. Wissen sie, wie das mit dem Fahrkartenautomaten funktioniert? ÄLTERE DAME Haben sie noch nie eine Fahrkarte am Automaten lösen müssen? Gut, ich mach das für sie. Innerhalb weniger Sekunden hat die ältere Dame für Herrn Mühsaal eine Fahrkarte gelöst und gestempelt. PROFESSOR Vielen Dank. Die U-Bahn fährt ein. Alle steigen ein. Die Türen der U-Bahn schließen sich wieder und sie fährt ab. -- Seite 7 -- 6. U-BAHNHALTESTELLE-GLÜCKAUFSTRAßE AUßEN/TAG Die U-Bahn fährt ein. Prof. Mühsaal steigt aus der U-Bahn aus. Er lässt sich viel Zeit. Beinahe wäre er mit seinem Fuß in der U-Bahn-Tür hängen geblieben. - Er sucht nach seinem Stadtplan. PROFESSOR Wo habe ich bloß diesen verdammten Stadtplan von Dortmund. (Er schaut in seinen Taschen nach, aber er kann seinen Stadtplan nicht finden.) Verdammter Mist, ich dachte ich hätte ihn eingesteckt. Aber falsch gedacht. Dann muss ich mich eben so durch die Dortmunder Nordstadt schlagen. Mühsaal verlässt die U-Bahnhaltestelle. -- Seite 8 -- 7. BORNSTRAßE AUßEN/TAG Mühsaal geht die Bornstraße entlang. Er macht einen verwirrten und unsicheren Eindruck. Er kennt sich nicht in Dortmund aus. So verhält er sich auch. -- Seite 9 -- 8. HORNBACH AUßEN/TAG Mühsaal erreicht Baumarkt Hornbach. Da begegnen ihm zwei junge PROSTITUIERTE, welche spärlich bekleidet sind. Sie sind sehr sexy angezogen und geben eine attraktive Figur ab. PROFESSOR Entschuldigen sie. Ich habe meinen Stadtplan von Dortmund verloren. Können sie mir … 1. PROSTITUIERTE Hallo Süßer. Du suchst deinen Stadtplan? Weißt du, was ich im Moment suche? 2. PROSTITUIERTE Ja, mein Kleiner. Wir suchen einen starken kräftigen Mann mit einem knackigen Hinterteil. PROFESSOR (verunsichert über die forsche Art der Ladys) Ich bin nicht der für den ihr mich haltet. Ich, Ich, Ich suche die Nadelklinik, die soll hier nämlich in der Nähe sein. Die beiden Prostituierten beginnen den ahnungslosen und unwissenden Professor zu begrabschen. 1. PROSTITUIERTE Wie lange hat man es dir nicht richtig besorgt. 2. PROSTITUIERTE Wir sind echt scharf, nicht wahr? PROFESSOR Hört auf, mich anzufassen. Die 2. Prostituierte steckt plötzlich ihre Hand in die Innentasche von dem Jarcket des Professors, während die 1. Prostituierte mit ihren Händen Herrn Mühsaal befummelt. Auf einmal wenden sich die beiden Nutten vom Professor ab und wollen gehen. PROFESSOR Wissen sie nun, wo die Nadelklinik ist. Ja oder Nein? 1. PROSTITUIERTE (Sie hält die Brieftasche vom Prof. in ihren Händen.) Vielen Dank Süßer. Für deine Brieftasche. 2. PROSTITUIERTE Machs gut, mein Lieber. -- Seite 10 -- Die beiden Nutten wollen verschwinden. PROFESSOR (schreit hilflos und verlassen) Bleibt stehen! Anhalten, sofort! Der Professor nimmt die Verfolgung auf. Doch plötzlich kommt an der nächsten Ecke der ZUHÄLTER auf ihm zu. Die beiden Prostituierten stellen sich schutzsuchend hinter WERNER. 1. PROSTITUIERTE Du, Werner, gut, dass du da bist. Dieser Kunde hat sich an uns bedient. Und jetzt will er sein Geld wieder haben, weil er angeblich nicht auf seine Kosten gekommen ist. 2. PROSTITUIERTE Werner, mach, dass er verschwindet. ZUHÄLTER WERNER (streng und autoritär zum Professor lässt sein Springmesser zum Vorschein kommen) Wenn sie jetzt nicht sofort verschwinden, dann werde ich sie mir vorknüpfen. PROFESSOR (sieht das Messer, ist verunsichert, ängstlich und sagt mit schwacher, zitternder Stimme) Bitte tun sie mir nichts. Es ist nur ein Missverständnis. Ich wollte doch von diesen beiden edlen Damen hier nur den Weg zur Nadelklinik wissen, weil ich doch meinen Stadtplan verloren habe. Aber dann haben die mir einfach meine Brieftasche geklaut. WERNER Das interessiert mich einen Scheiß. Machen sie, dass sie hier wegkommen, oder ich verpass ihnen Rasterlocken. Der Professor schielt auf das Springmesser vom Zuhälter Werner und bekommt es weiter mit der Angst zu tun. WERNER Na los Opa, mach die Biege, oder ich mach aus dir Konfetti! Mühsaal will eigentlich jede Konfrontation meiden und verschwindet total verunsichert. Währendessen wendet sich der Zuhälter den Prostituierten zu. WERNER Na, Luise, wieviel habt ihr diesmal kassiert? -- Seite 11 -- 1. PROSTITUIERTE (schaut in die Brieftasche vom Mühsaal und zählt die Geld-Scheine.) Exakt 890,-Euro in kleinkarierten Scheinen. Und… 3,34,-Euro in Münzen. 2. PROSTITUIERTE Hey Werner, dann können wir ja heute mal früh Feierabend machen. Oder? WERNER Na gut seht zu, dass ihr wegkommt. Aber nicht vergessen. 40 Prozent der Beute geht an mich. Die beiden Prostituierten verschwinden mit Werner. - ABBLENDE. -- Seite 12 -- 9. BORNSTRAßE AUßEN/TAG Auf der Bornstraße herrscht reger Verkehr. Professor Mühsaal greift in seine Hosentasche und sucht nach seinem Handy. Sein Nokia 3100 hat ihm bisher immer gute Dienste geleistet. Er schaut aufs Handy-Display. PROFESSOR Mist. Jetzt ist auch noch der Akku vom Handy leer. Ich muss unbedingt zur nächsten Polizeistation und den Diebstahl melden. Aber was soll ich tun? Wo ist die nächste Polizei? Verdammt. Ich kenne mich hier einfach nicht aus. Und den Termin mit der Nadelklinik? (Er schaut auf seine goldene Rolex) Schon 14.30 Uhr und so ein Chaos. -- Seite 13 -- 10. U-BAHNHALTESTELLE-BRUNNENSTRAßE AUßEN/TAG Viele Menschen bewegen sich an diesem Platz hin und her. Man sieht es manchen an Leuten an den Gesichtern an, dass sie drogensüchtig sind. Der verwirrte Professor sucht verzweifelt nach der Polizei. Plötzlich nähern sich dem Professor zwei JUNKIES. Der eine Junkie hat sich erst mal einen Schuss gesetzt. PROFESSOR Hallo sie! Können sie mir helfen? 1. JUNKIE Was gibt’s denn für ein Problem, Alter?? PROFESSOR (total verwirrt, verunsichert, in Rage und verängstigt) Ich wurde gerade überfallen. Man hat mir mein ganzes Geld gestohlen. Meine Brieftasche, einfach geklaut. Welche Banausen. 2. JUNKIE Das ist ja schlimm. Aber, Alter, was hast du denn da für eine hübsche goldene Uhr an deinem Handgelenk. PROFESSOR Aber was. Sie hören mir ja gar nicht zu. Ich wollte die Polizei rufen. Aber der Akku von meinem Handy ist leer. - Könnt ihr mir nicht sagen, wo die nächste Polizeistation ist?? 1. JUNKIE Alter, klar können wir das. Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du uns deine Uhr zeigst, dann sage ich dir, wo die nächste Polizeistation ist. PROFESSOR Was soll das bedeuten? 2. JUNKIE Das soll bedeuten, dass du mich einmal deine goldene Uhr… Ach, ist das eine echte Rolex? Also Alter, du lässt mich einmal deine echte, goldene Rolex tragen und ich zeig dir den direkten Weg zu den Bullen. -- Seite 14 -- PROFESSOR (nimmt ungläubig und leicht verwirrt seine goldene Rolex vom Arm ab und gibt sie dem Junkie) Ok. Hier hast du sie. Aber behandele sie vorsichtig. 1. JUNKIE (nimmt gierig die goldene Rolex) Hey Alter, danke schön. Das ist aber eine coole Uhr. Die hat bestimmt ein halbes Vermögen gekostet. PROFESSOR Und wo ist nun die nächste Polizeistation? 2. JUNKIE (bereitet hinterlistig in Gedanken eine Lüge vor, eine falsche Wegbeschreibung) Ok Alter, ich helfe dir. Erst einmal musst du geradeaus. Und an der nächsten großen Kreuzung, da gehst du links, Alter. Dann zwei Ampeln weiter und dann rechts rein. Weiter immer geradeaus und dann kannst du die Bullenstation schon sehen. Alles klar Alter? 1. JUNKIE (lacht sich halb kaputt, weil er genau weiß, dass sein Kumpel den Prof. auf sarkastische Art und Weise hinters Licht führt.) Ok Alter. Mein Kollege hat dir alles erklärt. Tschüss und mach's gut. PROFESSOR (völlig ahnungslos) Vielen Dank. Das war wirklich nett von euch Jungs. Und was ist mit meiner Rolex? 2. JUNKIE Die behalten wir. Sozusagen als nette Geste von dir. Die beiden Junkies fangen an zu rennen und suchen das Weite. Mühsaal will die Verfolgung aufnehmen, aber er verliert sie schon nach wenigen Metern aus den Augen, da er sich überhaupt nicht in der Dortmunder Nordstadt auskennt. -- Seite 15 -- 11. BÜRGERSTEIG-BRAUNSCHWEIGER-STR. AUßEN/TAG Professor Mühsaal geht nach der Wegbeschreibung, die ihm der Junkie übermittelt hat. Aber er irrt nur durch die Dortmunder Nordstadt und kommt zu keinem Ziel. Er weiß nicht mehr, was er machen soll. Erst hat man ihm seine Brieftasche auf hinterhältige Art und Weise geklaut. Dann funktioniert sein Handy nicht. Und jetzt auch noch das. Seine goldene Rolex, die 10.000,-Euro gekostet hat, ist auch noch weg. PROFESSOR (mit dem Nerven nahe dem Ende) Was soll ich nur machen? Erst meine Brieftasche mit meinem ganzen Bargeld, einfach weg. Dann auch noch mein Handy, funktioniert einfach nicht. Und jetzt auch noch meine goldene Rolex im Wert von 10.000,Euro. Und dann haben mir diese bekloppten Junkies auch noch eine falsche Wegbeschreibung gegeben. Ich sollte lieber zurück nach Hause. Aber ich kenne mich hier einfach nicht aus. Also Heinz, ruhig bleiben. Nachdenken. Ich muss unbedingt diese dumme Polizei finden. Plötzlich fährt ein Polizeiwagen auf der Braunschweiger-Straße an dem Professor vorbei. Mühsaal schaltet zu spät. Erst als der Streifenwagen schon fast nicht mehr in Sichtweite ist, winkt er eifrig. Aber keine Chance für den Professor. PROFESSOR (verärgert) Immer wenn man die Polizei braucht, ist sie nicht da! Verdammt! -- Seite 16 -- 12. NORDMARKT AUßEN/TAG Es ist ca. 15.15 Uhr. Im Nordstadt-Markt-Park ist nicht viel los. Hier und da auf den Parkbänken sitzen einige Penner und betrinken sich mit Bier oder härteren Sachen. Der Professor läuft zum Eingang des Parks. Er spürt Gefühle wie Hilflosigkeit und gleichzeitig auch Wut. PROFESSOR (ruft) Hilfe! Hilfe! Polizei! Hilfe! Polizei! Mühsaal setzt sich, mit den Nerven völlig am Ende, auf eine Parkbank. Er bemerkt jedoch nicht, dass sich ein PENNER hinter ihm anschleicht. Der Penner nimmt direkt neben Mühsaal auf der Bank platz. PENNER Hallo, wie geht's. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Frank. PROFESSOR (verwirrt, er weiß nicht, was der Penner von ihm will.) Polizei! Wo ist bloß diese verdammte Polizei? FRANK Sie haben aber einen schönen Mantel. Der Penner Frank begrabscht den hilflosen und verwirrten Mühsaal, der mit den Nerven völlig am Ende ist. PROFESSOR Was wollen sie von mir? Ich suche die Polizei. Lassen sie die Finger von meinem Mantel. Was soll das? Polizei! Frank zieht dem Professor, langsam aber sicher, mit einer wahren Geschicklichkeit und Gewandtheit, wie es noch nie jemand gesehen hat, aus. Der Professor, der immer noch verwirrt und hilflos ist, bekommt das überhaupt nicht so richtig mit. Er ist zu sehr in Gedanken, als das er bemerkt, dass er plötzlich ohne Mantel auf der Parkbank sitzt. FRANK (freut sich wie ein kleines Kind, weil es sehr leicht war, diesen tollen Mantel zu ergattern.) Endlich hab ich mal wieder etwas Vernünftiges zum Anziehen. Ich muss schnell machen, dass ich wegkomme. Der Penner verschwindet. Und Mühsaal sitzt nun ohne Mantel da. Erst als der Penner Frank weg ist, realisiert der Professor, was gerade in nur wenigen Sekunden vor sich gegangen ist. -- Seite 17 -- PROFESSOR (entsetzt) Erst passiert mir diese verdammte Sache. Und nun ist auch noch mein teurer Mantel weg. - Ich wollte doch eigentlich nur in die Nadelklinik. Und dann werde ich so misshandelt. Eins weiß ich genau: Ich werde nie wieder in die Dortmunder Nordstadt gehen. - Ich muss die Polizeistation finden, und das möglichst schnell. -- Seite 18 -- 13. SCHÜTZENSTRAßE AUßEN/TAG Der Professor irrt weiter durch die Dortmunder Nordstadt. Er bewegt sich zügig durch die Schützenstraße. Plötzlich begegnet ihm ein Ausländer, ein TÜRCKE. TÜRCKE Hallo Sie?! Ich suchen Bornstraße. Sie mir können Weg zu Bornstraße sagen?? MÜHSAAL Ich glaube da bin ich vorhin vorbeigekommen. Aber sicher bin ich mir da nicht. Ich bin vor einer guten viertel Stunde beklaut worden. Sie sind nicht zufällig bei der Polizei vorbeigekommen?? TÜRCKE Ich nix verstehen. Sie nix wissen wo Bornstraße sein? MÜHSAAL (gereizt, genervt und schreit) NEIN! Ich weiß nicht genau, wo die Bornstraße ist. TÜRCKE Sie nix wissen wo Bornstraße? MÜHSAAL Sie können mich mal. Mühsaal wendet sich ab und setzt seine Irrfahrt durch die Dortmunder Nordstadt fort. -- Seite 19 -- 14. BLÜCHERPARK AUßEN/TAG VIER JUGENDLICHE, MICHAEL, SEBASTIAN, FREDERIK und KURT spielen Zuwerfen mit einem Ball. Sie sehen, auf guter Distanz, den Professor, beenden ihr Ballspiel und tuscheln. MICHAEL (zeigt auf den verwirrten Professor) Hey Jungs, schaut euch mal den an. SEBASTIAN Jau, das ist ja ein echter Krawattenständer. FREDERIK Der arbeitet bestimmt bei einer Bank. So wie der aussieht KURT Oder der malocht bei der Behörde. SEBASTIAN Jungs, wisst ihr was? Ich schlage euch eine Wette vor. Braucht jemand von euch neue Schuhe? MICHAEL Sebastian, was willst du damit sagen? SEBASTIAN Ich habe nur gefragt, ob jemand von euch neue Schuhe braucht. FREDERIK Neue Schuhe? Ja, ich könnte neue Schuhe gebrauchen. KURT Nein, Sebastian. Ne. Das meinst du doch nicht im ernst. SEBASTIAN Ich wette folgendes mit euch: Derjenige, der diesem komischen Krawattenständer dahinten als erster seine beiden Schuhe auszieht, bekommt von mir 10,-Euro und ne Schachtel WEST. MICHAEL Sebastian, du bist doch verrückt. (denkt nach) Aber Ok, ich bin dabei. -- Seite 20 -- FREDERIK Das wird ein Mordspass. Ich bin dabei. KURT Ihr seid doch alle verrückt. Ihr könnt doch nicht so nen armseligen Typen, nur weil er fein angezogen ist, seine Schuhe klauen. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto interessanter wird es. (überlegt einige Zeit) Ok, ich bin dabei. SEBASTIAN Also los. Top, die Wette gilt! Die vier Jugendliche schleichen sich an Professor Mühsaal heran. PROFESSOR (bestürzt, verwirrt, verunsichert) Hallo Jungs. Wisst ihr, wo hier in der Nähe eine Polizeistation ist? SEBASTIAN (scheinheilig zum Prof.) Guten Tag. Wissen sie was? Sie haben schöne Schuhe. Aber nicht mehr lange. Michael, Frederik und Kurt rennen auf dem Professor zu. Sie stürzen ihn zu Boden. Frederik und Michael halten den Mühsaal fest und Kurt macht sich an Mühsaals Schuhe ran. KURT (siegessicher) In der Tat, sie haben schöne Schuhe. In Windeseile zieht Kurt die Schuhe des Profs. aus und rennt mit denen davon. Die anderen Jugendlichen lassen vom Prof. ab und folgen Kurt. KURT Die 10,-Euro und die Schachtel WEST gehören mir. Die Jugendlichen verschwinden. Zurück bleibt der Professor ohne seine Schuhe. Er steht vom Boden auf und hält inne. Wieder einmal realisiert er erst zu spät, was gerade vor sich gegangen war. PROFESSOR Das gibt’s doch gar nicht. Die Jugendlichen haben einfach meine Schuhe geklaut. Heute geht aber auch alles schief, was nur schief -- Seite 21 -- gehen kann. Was wird mir wohl noch alles Schlimmes passieren? Langsam aber sicher und vorsichtig seiner Schritte bewegt sich der Professor weiter. -- Seite 22 -- 15. MALLINCKRODTSTRAßE AUßEN/TAG Langsam tastet sich der Professor die Mallinckrodtstraße entlang. PROFESSOR Warum muss mir das bloß alles passieren. Und das ausgerechnet auch noch heute. Ich muss weiter. Ich muss unbedingt die Polizeistation finden. Aber wo ist sie nur? -- Seite 23 -- 16. AM HAFEN-HAFENBRÜCKE AUßEN/TAG Der Professor geht am Hafen entlang. Auf der Hafenbrücke bleibt er stehen. Dort sind so gut wie gar keine Menschen zu sehen. Aber es fährt ein kleines Schiff im Hafen ein. Er beugt sich über den Zaun der Brücke. PROFESSOR (ruft in Richtung des Schiffes) Hallo! Hilfe! Ich bin beraubt worden. Hilfe! Hilfe! Polizei! Plötzlich fällt ihm seine Brille von der Brücke ins Wasser. Ohne seine Brille ist er fast blind. PROFESSOR (völlig hilflos, wie ein kleines Kind, orientierungslos, wimmert, jammernd) Hilfe! Hilfe! Polizei! Hilfe! Auf einmal tauchen ZWEI BEAMTE vom Ordnungsamt auf. 1. BEAMTE Na nun, schau dir mal den an. 2. BEAMTE Ja, wo ist der den ausgebrochen? Die beiden Beamten vom Ordnungsamt gehen zu Mühsaal PROFESSOR Hallo! Sind sie von der Polizei? 1. BEAMTE Ja, so etwas ähnliches. Wir sind vom Ordnungsamt. 2. BEAMTE Sie sehen ja völlig wild aus. So, als kämen sie aus dem Dschungel. Und wo haben sie ihre Schuhe? Sie sind doch nicht etwa aus der Irrenanstalt ausgebrochen? PROFESSOR NEIN! Ich glaube ihnen nicht, dass sie vom Ordnungsamt sind. Sie wollen mich nur berauben. Was wollen sie von mir? Vielleicht wollen sie mir noch meinen Anzug stehlen? Nein, ich muss hier weg. Der halbblinde Professor Mühsaal versucht, halbbarfuss, auf Strümpfen, einfach irgendwohin wegzulaufen, aber die Beamten vom Ordnungsamt sind schneller und fangen ihn schließlich ein. -- Seite 24 -- 1. BEAMTE Wir müssen ihn in eine Nervenklinik bringen, der ist ja völlig durch den Wind. 2. BEAMTE Korrekt. Wir fahren ihn am Besten zur psychiaterischen Klinik nach Aplerbeck. Der 2. Beamte nimmt sein Handy und ruft die Klinik an. Die beiden Beamten nehmen Professor Mühsaal mit. -- Seite 25 -- 17. PSYCHIATERIE-KLINIK-APLERBECK AUßEN/TAG Ein roter VW-Golf fährt vor die Ambulanz von der Klinik. Die beiden Beamten vom Ordnungsamt, mit dem Professor im Schlepptau, steigen aus. Und betreten das Gebäude. -- Seite 26 -- 18. IM BÜRO VON DR. STREBEL INNEN/TAG Die Beamten vom Ordnungsamt betreten gemeinsam mit Professor Mühsaal das Büro von DR. STREBEL. 1. BEAMTE Guten Tag, Herr Strebel. Wir haben diesen Mann am Dortmunder Hafen aufgegriffen. Er hatte keine Schuhe an und er behauptet, er sei Professor Heinz Mühsaal und er würde die Klinik in Aplerbeck leiten. STREBEL (zu Mühsaal) Also mein lieber Herr. Setzen sie sich und erzählen sie mal. Mühsaal setzt sich vor Strebel auf dem Stuhl. Mühsaal ist fast gar nicht wiederzuerkennen. Sein Jarcket ist total zerknittert und hat Falten und Löcher. Seine Haare hängen ihm wild über dem Kopf bis ins Gesicht. Seine Hose sitzt ihm auf halbacht. Kurz: Er sieht aus wie ein Penner. Niemand würde auch nur ansatzweise denken oder erkennen können, dass es sich hier um den wirklichen Klinikdirektor handeln würde. MÜHSAAL (versucht sich zusammenzureißen und klare Gedanken zu fassen) Also mein Name ist Professor Dr. Heinz Mühsaal und ich leite diese Klinik hier. Ich wollte heute in die Nadelklinik. Aber auf dem Weg dorthin wurde ich vier mal überfallen. Zuerst stahl man mir meine Brieftasche, dann meine Rolex, als drittes klaute man mir meinen Mantel und zu guter Letzt auch noch meine Schuhe. Ich suchte eine Polizeistation. Aber ich kenne mich im Dortmunder Norden überhaupt nicht aus. Und schließlich habe ich auch noch meine Brille verloren, ohne die ich fast total blind bin. Strebel nimmt eine Mini-Taschenlampe und leuchtet Mühsaal damit in die Augen. STREBEL Dieser Mann ist total psychotisch. Er ist manisch und muss sofort fixiert werden. Liebe Beamte vom Ordnungsamt, seien sie doch so lieb und bringen sie ihn ins Zimmer 211. Ich werde gleich mitkommen. Die Beamten verlassen mit Mühsaal und Strebel das Büro. -- Seite 27 -- 19. ZIMMER 211 INNEN/TAG Dr. Strebel und Mühsaal betreten zusammen mit den Beamten das Zimmer. Im Zentrum des Zimmers steht nur ein Fixier-Bett. STREBEL (zu Mühsaal) Würden sie sich bitte auf das Bett legen MÜHSAAL Was wollen sie von mir. Das können sie doch nicht mit mir machen. Die beiden Beamten packen den Professor und legen ihn aufs Bett. Sie fesseln den Professor ans Bett. Zwei Schnallen für die Hände, zwei für die Füße. Nun kann sich der Professor nicht mehr bewegen. Er ist fixiert. PROFESSOR (schreit) Das können sie nicht mit mir machen! Hilfe! Hilfe! Polizei! Hilfe! Hilfe! Der Professor wehrt sich aus Leibeskräften. Aber er kann sich nicht bewegen. Dr. Strebel greift in seine Kitteltasche und holt eine Spritze mit dem Wirkstoff Haldol hervor. Er nimmt die Schutzkappe von der Nadel ab und sticht sie dem Professor in den Arm. BRAKE -- Seite 28 -- 20. IM BÜRO VON PROF. HEINZ MÜHSAAL INNEN/TAG Rück-Sprung zu Szene 3. Der Professor sitzt, in Gedanken versunken, an seinem Schreibtisch in seinem Büro und plötzlich zuckt er in sich zusammen. PROFESSOR Gott sei Dank, es war alles nur ein Traum. Schwester Agathe sitzt immer noch auf ihrem Stuhl und wartet darauf, dass der Professor das Rezept unterschreibt. Mühsaal unterschreibt. PROFESSOR Schwester Agathe, bitte richten sie meiner Sekretärin aus, dass sie für mich den Termin mit der Nadelklinik für heute absagen soll. Danke. Der Professor holt noch einmal tief Luft und verlässt mit der Schwester sein Büro. -- Seite 29 -- 21. IM PARK DES KLINIKUMS-APLERBECK AUßEN/TAG Der Professor durchquert den Park und streckt alle Viere von sich. Er spürt die Energie die durch seinen Körper strahlt und fühlt innere Freiheit. PROFESSOR Ja, ich bin frei und glücklich. -- Seite 30 --
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