Der «Vogel» muss schon richtig sitzen

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Der «Vogel» muss schon richtig sitzen
OBWALDEN Nackte Beine
zur Tracht, der «Vogel» (die
Krawatte) zur Bluse sitzt schief
oder fehlt ganz: Das geht gar
nicht, finden Pia Enz und Kurt
Hess. Sie setzen sich ein für
korrektes Trachtentragen.
MARION WANNEMACHER
[email protected]
Die vier Trachtenschneiderinnen im
Kanton sind ausgebucht. «Um eine
Tracht zu bestellen, ist es jetzt definitiv
zu spät», weiss Regula Odermatt. Sie
führt in Giswil seit 2007 den Verkaufsladen Trachtägwand Obwaldä. Zu allen
Brauchtumsfesten wie dem bevorstehenden Jodlerfest spüre man die Nach-
frage nach den edlen Gewändern. «Zum
Teil kommen die Anfragen auch von
Obwaldnern, die jetzt woanders leben,
aus Uznach, Malters, in anderen Jahren
auch schon aus Deutschland. Jetzt in
letzter Minute werden vor allem Accessoires wie Socken, Strumpfhosen, Hüte
oder Krawatten gekauft.
Handarbeit hat ihren Preis
Trachten haben ihren Preis: Frau muss
für ihre Werktagstracht ohne Schuhe
und Strumpfhosen 1300 Franken hinblättern, eine Sonntagstracht kostet mit
Schürze 2000 Franken, ein Trachtenkleid
aus Wolle oder Seide gar zwischen 2900
und 4200 Franken. Die Stoffe sind handgewoben, Stickereien auf den Trachtenblusen sind ebenfalls kostbare Hand-
arbeit. «Eine Tracht wird oft ein ganzes
Leben lang getragen und vielleicht an
Kinder oder Enkel weitergegeben. So
rechtfertigt sich auch der Preis», gibt
Regula Odermatt zu bedenken. Und
wenn jemand bis zum Zentralschweizer
Jodlerfest noch eine Tracht braucht?
«Dann am besten im Bekanntenkreis
herumfragen», rät die Expertin.
Für die Fertigung einer Tracht braucht
es exaktes Wissen über Material und
Herstellung. Pia Enz (unsere Trachtenvorzeigefrau im Bild) ist Präsidentin der
Obwaldner Trachtenberatungskommission, in der von jeder Gemeinde ein
Delegierter vertreten ist.
«Gemeinsam schauen wir, dass das
Material vorhanden und im Laden
Trachtägwand das Sortiment vollständig
Die weisse Spitzenhaube
(Schinhuibä) wird von
verheirateten Frauen getragen
(links). Ledige tragen ein
weisses Band, eingeflochten
in Haarzöpfe.
Das Mieder aus
schwarzem Samt
auf Baumwoll­
futter ist mit dem
Rock zusammengenäht. Sieben
Ösen mit schwarzer Seidenkordel
werden v-förmig
verschnürt.
Als Schmuck dienen
eine Filigranbrosche
und ein zwei- bis
vierreihiges
Granathalsbätti.
ist.» Das ist nicht immer einfach. Pia
Enz nennt als Beispiel die Produktion
von Wollgarn, die der ehemalige Hersteller irgendwann eingestellt habe. «Das
Problem war nun, sie woanders zu beziehen. Jetzt stimmten aber die Farben
nicht mehr. «Wir mussten für die grüne
und die braune Werktagstracht je 20 Kilo
Wollgarn einfärben, das war mäinäid
viel», erzählt sie.
hose tragen, erklärt Pia Enz. Verpönt
selbst bei Hitze sind nackte Beine bei
Trachtenfrauen. Das Bändeli, die Schleife, gehört nach rechts. Wenn Pia Enz
jemanden sieht, der die Tracht nicht
korrekt trägt, spricht sie ihn an. «Ich
frage nach dem Grund. Vielfach ist es
Unkenntnis, und jemand bedankt sich
für die Information», sagt sie.
Nackte Beine sind verpönt
Auch Kurt Hess (unser Trachtenmann
im Bild) legt gesteigerten Wert auf Korrektheit. Als Vorstandsmitglied des Jodlerklubs Sarnen legt er sicher etwa 20mal im Jahr seine Tracht an und weiss,
auch die Details müssen stimmen. Kurz
vor dem Auftritt braucht es einen prüfenden Blick. «Man schaut schnell auf
die Details: dass der ‹Vogel› (die Krawatte) und der Hut richtig sitzen», nennt
er zwei Beispiele. «Einmal bei einem
Auftritt in Davos waren wir vorher auf
schmutzigem Gelände. Wir haben uns
dann aber kurz vorher noch Schuhputzzeug besorgt und die Schuhe geputzt»,
erinnert er sich schmunzelnd.
Das korrekte Tragen der Tracht ist ihr
ein besonderes Anliegen. «Wichtig ist,
das Kulturgut weiterzutragen, sonst wäre
es Fantasie», sagt die Trachtenexpertin.
Was kann man denn falsch machen
beim Tragen? «Ledige Frauen müssen
auf dem Kopf eine ‹Zipfe›, verheiratete
eine Haube tragen. Diejenigen, die das
nicht möchten, sollen eine Werktagstracht anziehen, sonst sind sie nicht
korrekt angezogen», so Pia Enz. Auch
was Frauen unter ihrem Rock tragen,
ist keinesfalls Privatsache: Korrekt ist
ein Unterrock. Wer Socken anstelle einer
Strumpfhose trägt, sollte eine Unterrock-
Spontaner Schuhputz in Davos
Schwarze
Trachtenkrawatte.
Schwarzer Tellerhut, 7
bis 8 Zentimeter hoch,
mit schwarzem Band
und schwarzem Rand.
Weisses Hemd mit Kragen,
ohne Muster, lange Ärmel.
Bluse aus dunkelbraunem Wollstoff
(Burgunderschnitt).
Die Ärmel haben
vorne elf Falten nach
hinten gelegt, die
zwei Zentimeter
hinter der Manschette abgesteppt sind.
Die Bluse reicht über
die Hosentaschen.
Die weisse Voile-Schürze ist mit
Kettenstich bestickt. Dazu gehört
das auf der rechten Seite mit einer
Masche gebundene Seidenband,
das farblich zum Rock passt.
Trachtenrock aus handgewobenem,
kariertem Halbwollstoff. Die weisse
Halbleinenbluse hat halblange, weite
Ärmel, die mit fein gehäkelten
Spitzen versehen sind. Über den
Ärmeln schwarze Samtbändel.
Vorderteil, Achselpatten und
Ärmelpriesli sind mit Alpenblumen
in Wollstickerei bestickt. Das Garn
ist mit Naturfarben gefärbt.
Tasche aus
schwarzem
Samt.
Dunkelbraune Hose ohne Aufschlag,
mittlere Fussweite.
60. Zentralschweizerisches
Pia Enz, Mitglied der Trachtengruppe
Giswil, und Kurt Hess, Alpnach, Mitglied
des Jodlerklubs Sarnen (1. Bass), zeigen die
Obwaldner Trachten für
Frauen und Männer.
26. bis 28. Juni 2015
Bilder Corinne Glanzmann
Jodlerfest
Sarnen
Schwarze, lederne Trachtenschuhe mit Schnalle.
Schwarze, lederne
Schuhe ohne Schnalle.
Schwarze oder dunkelbraune Socken.