Samstag, 20. Juni 2015 / Nr. 140 Neue Luzerner Zeitung Neue Zuger Zeitung Neue Nidwaldner Zeitung Neue Obwaldner Zeitung Neue Urner Zeitung Obwalden/Nidwalden 27 Der «Vogel» muss schon richtig sitzen OBWALDEN Nackte Beine zur Tracht, der «Vogel» (die Krawatte) zur Bluse sitzt schief oder fehlt ganz: Das geht gar nicht, finden Pia Enz und Kurt Hess. Sie setzen sich ein für korrektes Trachtentragen. MARION WANNEMACHER [email protected] Die vier Trachtenschneiderinnen im Kanton sind ausgebucht. «Um eine Tracht zu bestellen, ist es jetzt definitiv zu spät», weiss Regula Odermatt. Sie führt in Giswil seit 2007 den Verkaufsladen Trachtägwand Obwaldä. Zu allen Brauchtumsfesten wie dem bevorstehenden Jodlerfest spüre man die Nach- frage nach den edlen Gewändern. «Zum Teil kommen die Anfragen auch von Obwaldnern, die jetzt woanders leben, aus Uznach, Malters, in anderen Jahren auch schon aus Deutschland. Jetzt in letzter Minute werden vor allem Accessoires wie Socken, Strumpfhosen, Hüte oder Krawatten gekauft. Handarbeit hat ihren Preis Trachten haben ihren Preis: Frau muss für ihre Werktagstracht ohne Schuhe und Strumpfhosen 1300 Franken hinblättern, eine Sonntagstracht kostet mit Schürze 2000 Franken, ein Trachtenkleid aus Wolle oder Seide gar zwischen 2900 und 4200 Franken. Die Stoffe sind handgewoben, Stickereien auf den Trachtenblusen sind ebenfalls kostbare Hand- arbeit. «Eine Tracht wird oft ein ganzes Leben lang getragen und vielleicht an Kinder oder Enkel weitergegeben. So rechtfertigt sich auch der Preis», gibt Regula Odermatt zu bedenken. Und wenn jemand bis zum Zentralschweizer Jodlerfest noch eine Tracht braucht? «Dann am besten im Bekanntenkreis herumfragen», rät die Expertin. Für die Fertigung einer Tracht braucht es exaktes Wissen über Material und Herstellung. Pia Enz (unsere Trachtenvorzeigefrau im Bild) ist Präsidentin der Obwaldner Trachtenberatungskommission, in der von jeder Gemeinde ein Delegierter vertreten ist. «Gemeinsam schauen wir, dass das Material vorhanden und im Laden Trachtägwand das Sortiment vollständig Die weisse Spitzenhaube (Schinhuibä) wird von verheirateten Frauen getragen (links). Ledige tragen ein weisses Band, eingeflochten in Haarzöpfe. Das Mieder aus schwarzem Samt auf Baumwoll futter ist mit dem Rock zusammengenäht. Sieben Ösen mit schwarzer Seidenkordel werden v-förmig verschnürt. Als Schmuck dienen eine Filigranbrosche und ein zwei- bis vierreihiges Granathalsbätti. ist.» Das ist nicht immer einfach. Pia Enz nennt als Beispiel die Produktion von Wollgarn, die der ehemalige Hersteller irgendwann eingestellt habe. «Das Problem war nun, sie woanders zu beziehen. Jetzt stimmten aber die Farben nicht mehr. «Wir mussten für die grüne und die braune Werktagstracht je 20 Kilo Wollgarn einfärben, das war mäinäid viel», erzählt sie. hose tragen, erklärt Pia Enz. Verpönt selbst bei Hitze sind nackte Beine bei Trachtenfrauen. Das Bändeli, die Schleife, gehört nach rechts. Wenn Pia Enz jemanden sieht, der die Tracht nicht korrekt trägt, spricht sie ihn an. «Ich frage nach dem Grund. Vielfach ist es Unkenntnis, und jemand bedankt sich für die Information», sagt sie. Nackte Beine sind verpönt Auch Kurt Hess (unser Trachtenmann im Bild) legt gesteigerten Wert auf Korrektheit. Als Vorstandsmitglied des Jodlerklubs Sarnen legt er sicher etwa 20mal im Jahr seine Tracht an und weiss, auch die Details müssen stimmen. Kurz vor dem Auftritt braucht es einen prüfenden Blick. «Man schaut schnell auf die Details: dass der ‹Vogel› (die Krawatte) und der Hut richtig sitzen», nennt er zwei Beispiele. «Einmal bei einem Auftritt in Davos waren wir vorher auf schmutzigem Gelände. Wir haben uns dann aber kurz vorher noch Schuhputzzeug besorgt und die Schuhe geputzt», erinnert er sich schmunzelnd. Das korrekte Tragen der Tracht ist ihr ein besonderes Anliegen. «Wichtig ist, das Kulturgut weiterzutragen, sonst wäre es Fantasie», sagt die Trachtenexpertin. Was kann man denn falsch machen beim Tragen? «Ledige Frauen müssen auf dem Kopf eine ‹Zipfe›, verheiratete eine Haube tragen. Diejenigen, die das nicht möchten, sollen eine Werktagstracht anziehen, sonst sind sie nicht korrekt angezogen», so Pia Enz. Auch was Frauen unter ihrem Rock tragen, ist keinesfalls Privatsache: Korrekt ist ein Unterrock. Wer Socken anstelle einer Strumpfhose trägt, sollte eine Unterrock- Spontaner Schuhputz in Davos Schwarze Trachtenkrawatte. Schwarzer Tellerhut, 7 bis 8 Zentimeter hoch, mit schwarzem Band und schwarzem Rand. Weisses Hemd mit Kragen, ohne Muster, lange Ärmel. Bluse aus dunkelbraunem Wollstoff (Burgunderschnitt). Die Ärmel haben vorne elf Falten nach hinten gelegt, die zwei Zentimeter hinter der Manschette abgesteppt sind. Die Bluse reicht über die Hosentaschen. Die weisse Voile-Schürze ist mit Kettenstich bestickt. Dazu gehört das auf der rechten Seite mit einer Masche gebundene Seidenband, das farblich zum Rock passt. Trachtenrock aus handgewobenem, kariertem Halbwollstoff. Die weisse Halbleinenbluse hat halblange, weite Ärmel, die mit fein gehäkelten Spitzen versehen sind. Über den Ärmeln schwarze Samtbändel. Vorderteil, Achselpatten und Ärmelpriesli sind mit Alpenblumen in Wollstickerei bestickt. Das Garn ist mit Naturfarben gefärbt. Tasche aus schwarzem Samt. Dunkelbraune Hose ohne Aufschlag, mittlere Fussweite. 60. Zentralschweizerisches Pia Enz, Mitglied der Trachtengruppe Giswil, und Kurt Hess, Alpnach, Mitglied des Jodlerklubs Sarnen (1. Bass), zeigen die Obwaldner Trachten für Frauen und Männer. 26. bis 28. Juni 2015 Bilder Corinne Glanzmann Jodlerfest Sarnen Schwarze, lederne Trachtenschuhe mit Schnalle. Schwarze, lederne Schuhe ohne Schnalle. Schwarze oder dunkelbraune Socken.
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