2. Thessalonicher 2,13-17

ST. ANNA-GEMEINDE ZÜRICH
Getröstet und gestärkt von Gott, unserem Vater
Predigt von Pfarrer Luzi Candrian
gehalten am 10. Mai 2015
Schriftlesung: 2. Korinther 1,3-11
Predigttext:
2. Thessalonicher 2,13-17
„Wir aber sind es Gott schuldig, ihm allezeit zu danken für euch,
liebe Brüder und Schwestern, die ihr vom Herrn geliebt seid; denn
euch hat Gott von Anfang an erwählt zur Rettung, die durch die
Heiligung im Geist und durch den Glauben an die Wahrheit geschieht. Dazu hat er euch auch berufen durch unser Evangelium:
Ihr sollt die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus erlangen.
Liebe Brüder und Schwestern, seid standhaft und haltet fest an den
Überlieferungen, in denen ihr von uns unterwiesen worden seid,
sei es mündlich oder schriftlich. Er aber, unser Herr, Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns liebt und uns durch seine Gnade ewigen Trost und gute Hoffnung gibt, ermutige eure Herzen
und stärke euch zu jedem guten Werk und Wort.“
Liebe Gemeinde
Rogate – Betet! Zum Thema Gebet gibt es sehr viel gute Literatur.
Ich habe zwei meiner Lieblingsbücher zu diesem Thema mitgebracht. Und ich wäre nicht überrascht, wenn ich nach dem Gottesdienst von Ihnen hören würde: „Diese Bücher stehen auch in meinem Bücherregal!“ Es sind zwei geistliche Klassiker, zum einen
von Ole Hallesby „Vom Beten“, zum andern „Das Gebet, das die
Welt umspannt“ von Helmuth Thielicke, eine Predigt-Reihe zum
Unser Vater. Dass wir beten können ist ein Geschenk Gottes und
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es lohnt sich, bei geübten Betern in die Schule zu gehen. In den
Briefen des Apostels Paulus stossen wir immer wieder auf Gebete.
Auch unser heutiger Predigttext ist solch ein Gebet für die JesusNachfolger in Thessalonich (Lesung Predigttext 2. Thessalonicher
2,13-17).
Trösten und stärken. Diese Worte bringen eine Saite in unserem
Herzen zum Klingen. Oder wer von uns könnte sagen: Das ist nur
etwas für schwache Leute. Trösten und stärken, das hab ich nicht
nötig! Sicher erleben wir Zeiten, wo wir uns stark und voller Tatendrang fühlen. Aber wie schnell kann sich das ändern! Wir erleben eine Enttäuschung oder es ist uns etwas misslungen oder die
anderen waren nicht so nett zu uns, wie wir es erwartet haben.
Oder wir werden von einer grossen Not überrascht und unsere
Batterien sind plötzlich leer, wir fühlen uns schwach und elend. In
solchen Situationen müssen wir zugeben: Trost und Stärkung können wir alle gebrauchen. Aber woher kommt uns Trost und Stärkung? Gibt es in unserem Dorf oder in unserer Stadt ein Büro oder
eine Amtsstelle, wo wir Trost und Stärkung holen können? Vielleicht versuchen wir es bei einem Menschen, der uns nahe steht.
Wir haben es schon erlebt, dass dies funktioniert. Der Andere hat
uns aufgefangen, er hat uns wenigstens zugehört, vielleicht hat er
uns gezeigt, dass man die Sache auch etwas anders sehen könnte
und er hat uns spüren lassen, dass wir nicht allein sind. In solchen
Augenblicken schätzen wir unseren Ehepartner oder einen guten
Freund oder eine gute Freundin ganz besonders!
Vielleicht haben wir es auch ganz anders erlebt. Wir erwarteten
Trost, Ermutigung und Stärkung und der Andere hat uns gar nicht
richtig zugehört. Er hatte keine Zeit. Er war von seiner eigenen
Situation so in Beschlag genommen, dass er keine Kapazitäten frei
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hatte, um sich noch mit meinem Frust zu beschäftigen. Und dann
gibt es noch andere Methoden, mit Frust und Enttäuschung umzugehen: Manch einer oder eine stürzt sich in die Arbeit oder ins
Vergnügen. Man sucht im Alkohol oder in einer anderen Sucht
Ablenkung und Vergessen, um sich anschliessend noch elender zu
fühlen. Jeder Mensch hat seinen ganz persönlichen Weg, wenn er
auf der Suche ist nach Trost und Stärkung.
Paulus zeigt uns einen ganz anderen Weg, den wir bis jetzt noch
gar nicht beachtet haben. Wie wäre es, wenn wir uns in einer
schwierigen Situation Gott zuwenden würden? Paulus weiss, dass
wir auch als Christen Ermutigung und Stärkung nötig haben. Es
geht nicht darum, so zu tun als hätten nur die anderen von Zeit zu
Zeit eine Ermutigung nötig. Christen haben ein Privileg, das sie
viel zu wenig schätzen und in Anspruch nehmen. Auch wenn wir
viel Bibelkenntnis im Kopf haben, möchte ich fragen: Wie oft sind
wir in der letzten Woche zu Jesus und zu unserem himmlischen
Vater gekommen, um bei ihm Trost und Stärkung zu holen? In der
Schriftlesung aus dem 2. Korinther-Brief hat Paulus Gott gelobt.
Nicht irgendeinen Gott, sondern den Vater unseres Herrn Jesus
Christus. Und er bezeichnet Gott noch präziser: Er lobt Gott als
den Vater der Barmherzigkeit und als den Gott allen Trostes!
Nehmen wir das ernst für unser Leben oder lesen wir einfach darüber hinweg? Vielleicht begegnet uns diese schöne Formulierung
am Morgen in unserer Bibellese, aber mitten am Tag, wenn alles
drunter und drüber geht, haben wir es schon wieder vergessen,
dass unser Gott ein Gott allen Trostes ist!
Für Paulus war dies weit mehr als eine schöne, fromme Floskel.
Er, der selbst viel Grund hatte auf seinem Weg Trost und Stärkung
zu suchen, er lebte in dieser starken Gewissheit: Ich darf durch
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Jesus Christus Zugang haben zum Vater der Barmherzigkeit und
Gott allen Trostes. Ist dies sein Geheimnis, weshalb er selbst so
gut trösten konnte? Aber was heisst das konkret, sich von Gott
trösten lassen? Wir haben schon so viel billigen Trost erfahren,
dass wir etwas vorsichtig sind, wenn einer vom Trösten redet. Wie
sieht denn der Trost aus, der in unserem Alltag wirklich hält und
trägt?
Als ich den ganzen Abschnitt gelesen habe, ist mir etwas aufgefallen. Man könnte es das „K-Prinzip“ nennen. Sie wissen nicht was
das ist? Das ist ganz einfach, es geht so: lang, kurz, lang. Wenn
Sie in jungen Jahren bei der Pfadi oder bei der Jungschar waren,
dann haben Sie bestimmt auch das Morse-Alphabet kennen gelernt. Vielleicht haben Sie es in einer Gehirnwindung aufbewahrt,
wie man einen Hilferuf, ein SOS morst: dreimal kurz, dreimal
lang, dreimal kurz. Und der Buchstabe K geht so: lang, kurz, lang.
Darum nenne ich dies das „K-Prinzip“. Aber was hat das mit unserem Text und dem Trösten zu tun? Echter Trost hat ganz fest mit
diesem „K-Prinzip“ zu tun. Paulus macht es uns in diesem Text
vor: Lang auf Gott schauen, kurz auf uns schauen und wieder lang
auf Gott schauen.
Im ersten Teil unseres Textes (Verse 13-14) wendet Paulus unseren Blick auf Gott selbst: Wer an Jesus glaubt, darf dies deutlich
hören: Ihr seid vom Herrn geliebte Brüder, vom Herrn geliebte
Schwestern! Aber schon bei diesem Satz stehen wir in Gefahr sofort wieder den Blick zu wechseln und auf uns zu sehen. Warum
sollte Gott gerade mich lieben...? Aber beim „K-Prinzip“ ist der
erste Teil lang. Wir müssen, nein wir dürfen lange bei Gott bleiben. Der Gott, der uns heute liebt, hat schon längst an uns gedacht.
Wörtlich heisst es hier: Er hat uns von Anfang an zum Heil er-
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wählt und er ist an der Arbeit an uns in der Heiligung durch den
Heiligen Geist und durch den Glauben an die Wahrheit. Jesus hat
nicht nur gesagt: Ich bringe euch die Wahrheit, sondern ich bin die
Wahrheit.
Wie sind die Briefleser damals zum Glauben an Jesus gekommen?
Genauso wie es heute geschieht: Sie hörten das Evangelium und
sie haben Gottes Wort persönlich angenommen. Paulus kann
schreiben: „... wozu er euch auch berufen hat durch unser Evangelium, damit ihr die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus
erlangt.“ Unser Vater im Himmel hat nicht nur in der Vergangenheit an uns gedacht, er denkt nicht nur heute an uns, er hat bereits
an unsere Zukunft gedacht. Es ist sein Wille, dass unsere Zukunft
geprägt ist von der Herrlichkeit Jesu. Das ist tröstlich zu wissen,
das trägt uns über manche Passage hinweg, die wir jetzt gerade als
mühsam empfinden.
Und jetzt kommt der Punkt beim Morse-Buchstaben K. Jetzt
kommt das kurze Schauen auf uns selbst. Aber wäre es nicht
frömmer, wenn wir nur auf Gott schauen würden? Paulus wusste,
dass wir im Moment noch nicht im Himmel sind. Und so gibt er
seinen Freunden zwei ganz praktische Ratschläge in Vers 15:
„Steht nun fest und haltet fest!“ Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass wir in Krisenzeiten dazu neigen, alles fahren zu lassen,
zu resignieren, zu sagen: es hat doch alles keinen Sinn! Deshalb ist
der kurze Blick auf uns selbst so wichtig. Die Frage ist: Lasse ich
mich von den Umständen aus dem Gleichgewicht bringen oder
stehe ich auf dem festen Grund, welcher Christus heisst? Bin ich
in Gefahr alles fahren zu lassen, oder halte ich fest am Evangelium
wie ich es schon so oft gelesen und gehört habe?
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Und nun ist es ganz wichtig, dass der Buchstabe K noch nicht fertig ist. Inzwischen wissen wir, wie das „K-Prinzip“ funktioniert:
Lang, kurz, lang! Nachdem wir kurz auf uns geschaut haben, geht
der Blick wieder zurück zu Jesus und zu unserem Vater im Himmel (Verse 16 und 17). Paulus betont es nochmals: „Wir sind von
Gott Geliebte.“ Gerade in notvollen Zeiten muss man uns das immer wieder sagen: Vergiss es nicht, Gott liebt nicht nur die ganze
Menschheit, er liebt dich und weiss um deine gegenwärtige Situation. Und wieder redet Paulus von dem, was Gott für uns getan
hat. Er hat uns einen ewigen Trost gegeben. Das ist ein grosses
Wort! Nur der Ewige kann uns einen ewigen Trost geben. Aber er
kann das.
Warum sollten wir denn unseren Trost an anderen Stellen suchen,
wo wir enttäuscht werden, weil alles, was wir dort finden so
schnell verfliegt? Gott will uns noch mehr schenken: Eine gute
Hoffnung durch Gnade. Was ist kostbarer als eine gute Hoffnung,
wenn wir am Boden sind? Aber was soll dieser Zusatz „durch
Gnade“? Alles Wesentliche in unserem Leben ist Gnade. Nicht
das, was wir mühsam erarbeitet haben, macht unser Leben reich,
sondern was uns der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen
Trostes ohne Verdienst, aus lauter Gnade schenkt. Dies, und dies
allein werden wir in der Ewigkeit rühmen. Und noch etwas: Unsere Mitmenschen werden es merken, wenn wir als von Gott Getröstete unseren Weg weitergehen. Sie spüren es: wir sind von Gott
gestärkt „in allem guten Werk und Wort“!
Vielleicht geht es nicht allzu lange und Sie geraten in eine Situation, in der Sie eine Ermutigung, in der Sie Trost nötig haben. Bitte
erinnern Sie sich ans „K-Prinzip“: Lang, lang auf Gott schauen.
Kurz fragen, stehe ich fest, halte ich fest an Gottes Verheissun-
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gen? Und dann wieder lang auf Jesus und den Vater schauen. Mit
einem Zitat von Horst Zentgraf möchte ich schliessen: „Gott hält
es mit uns aus − und das ist nicht zu begreifen, sondern nur anzubeten −, darum halten wir es nun auch mit uns aus. Wir sollen und
können als Getröstete leben. Und wer getröstet ist, gewinnt neue
geistliche Kraft.“ Amen.
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Gebet mit Psalm 27
Der Herr ist mein Licht und meine Rettung, vor wem sollte ich
mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Zuflucht, vor wem
sollte ich erschrecken? Dringen Übeltäter auf mich ein, mich zu
zerfleischen, meine Gegner und meine Feinde, sie müssen straucheln und fallen. Mag ein Heer mich belagern, mein Herz fürchtet
sich nicht; mag Krieg sich gegen mich erheben, bleibe ich doch
voll Zuversicht. Eines nur habe ich vom Herrn erbeten, dies eine
begehre ich: zu wohnen im Hause des Herrn alle meine Tage, zu
schauen die Freundlichkeit des Herrn und nachzusinnen in seinem
Tempel. Denn er birgt mich in seiner Hütte am Tage des Unheils,
er beschirmt mich im Schutz seines Zeltes, hebt mich empor auf
einen Felsen. Nun kann mein Haupt sich erheben über meine
Feinde rings um mich her. Ich will Opfer darbringen in seinem
Zelt, Opfer des Jubels, will singen und spielen dem Herrn. Höre,
Herr, mein lautes Rufen, sei mir gnädig und erhöre mich. An dein
Wort denkt mein Herz: Sucht mein Angesicht. Dein Angesicht,
Herr, will ich suchen. Verbirg dein Angesicht nicht vor mir. Weise
deinen Diener nicht ab im Zorn. Du bist meine Hilfe. Verstosse
mich nicht und verlass mich nicht, du Gott meiner Rettung. Wenn
auch Vater und Mutter mich verlassen, nimmt der Herr mich auf.
Weise mir, Herr, deinen Weg, und leite mich auf ebener Bahn um
meiner Feinde willen. Gib mich nicht preis der Gier meiner Gegner, denn falsche Zeugen stehen auf gegen mich und ruchlose Ankläger. Hätte ich doch die Gewissheit, die Güte des Herrn zu
schauen im Land der Lebenden. Hoffe auf den Herrn. Sei stark,
dein Herz sei unverzagt. Hoffe auf den Herrn.
ST. ANNA-GEMEINDE ZÜRICH
St. Anna-Kapelle, St. Annagasse 11, 8001 Zürich
Gottesdienste: Sonntag 10.00 Uhr, Bibelstunden: Mittwoch 15.00 Uhr
Sekretariat St. Anna, Grundstrasse 11c, 8934 Knonau, Telefon 044 776 83 75