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COVERSTORY
ZURÜCK
ZUR NATUR
Entschleunigung. Trotz schwieriger ökonomischer Rahmenbedingungen
steigen immer mehr Oberösterreicher aus ihrem Brotberuf aus und wechseln in die
Landwirtschaft. CHEFINFO zeigt einige von ihnen im Porträt.
FOTO: ISTOCKPHOTO
Text: Petra Danhofer, Ullrich Kapl, Jürgen Philipp, Klaus Schobesberger
58 | CHEF INFO | 7/2015
COVERSTORY
D
er eine fand nach 37 Jahren als Geschäftsführer
der Industriellenvereinigung zur Schweinezucht. Der andere ist
Entwicklungsingenieur
in der Automobilbranche und betreibt
nebenbei eine Landwirtschaft mit Saatgutvermehrung. Ein Unternehmensberater betätigt sich erfolgreich als Imker. Der
Unternehmersohn produziert hauptberuflich Bio-Öle und Essig und ist dabei
auch noch energieautark. Und der Inter-
netexperte verkauft seine Firmenanteile,
um die elterliche Landwirtschaft im Vollerwerb weiterzuführen. Menschen, die
aus dem schnelllebigen Wirtschaftsleben
völlig oder teilweise aussteigen, um Ruhe,
Kraft und Entschleunigung in und mit der
Natur zu finden. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sind sie alle mit ihrer
Landwirtschaft erfolgreich, weil sie innovative Wege gehen sowie auf Qualität und
Nischenprodukte setzen. Auf den folgenden Seiten präsentiert CHEFINFO ihre
ganz persönlichen Geschichten.
➔
7/2015 | CHEF INFO | 59
Zahlen,
Daten,
Fakten
Landwirtschaft OÖ
2
Prozent
beträgt der Anteil der
Landwirtschaft am
Bruttoinlandsprodukt.
300
Landmaschinenfachbetriebe
in Oberösterreich
beschäftigen fast 2.000
Menschen.
20
Prozent
beträgt das Minus
beim Traktorabsatz im
Vergleich zum Vorjahr.
7
Prozent
des Trinkwasserverbrauchs geht auf das
Konto der heimischen
Landwirtschaft. Europaweit sind es 21,
weltweit 70 Prozent.
124
Bauernhöfe
beteiligen sich an der
Aktion „Schule am
Bauernhof“. 27.000
Schulkinder besuchen
die Höfe jährlich.
ZUR PERSON
Klaus Fronius, 69, wurde 1946
in Wels geboren und trat nach
einer Ingenieur-Ausbildung
1971 ins elterliche Unternehmen ein, das er zehn Jahre
später mit seiner Schwester
gemeinsam übernahm. Fronius stand dem Unternehmen
mehr als 40 Jahre vor und
führte es mit teilweise bahnbrechenden Innovationen in
den Bereichen Schweißtechnik, Photovoltaik und Batterieladesysteme an die Spitze der
Energiebranche. Nach seinem
Ausstieg 2011 aus dem operativen Geschäft bei Fronius
International widmet er den
Großteil seiner Zeit als Biobauer am Schlattbauerngut in
Ried im Traunkreis. Auch hier
setzt er Maßstäbe.
COVERSTORY
Mit der
Kraft der Sonne
VISIONÄR. Klaus Fronius erzeugt Bio-Öle und Bio Essig von herausragender Qualität.
Wirklich faszinierend ist aber das Energie- und Ökosystem des Schlattbauernguts.
Fronius sieht sein bio-energieautarkes Projekt als Modell der Zukunft.
H
inter der distinguierten
Erscheinung des Herrn mit
den selbsttönenden Brillengläsern würde man vieles vermuten, nur keinen Landwirt. Klaus Fronius
ist eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit und gilt als der Idealtypus des
rastlosen Erfinders. Mehr als 40 Jahre lang
führte der Ingenieur die Geschäfte des
gleichnamigen Technologiekonzerns. Vor
vier Jahren zog er sich aus dem operativen Geschäft zurück. „Ich wollte meinen
Nachfolgern nicht im Weg stehen. Aber
ich habe gewusst, ich brauche einen neuen Job“, sagt der heute 69-Jährige. Bereits
nach der Jahrtausendwende erwarb er das
Schlattbauerngut in Ried im Traunkreis
mit dem Ziel, es rein biologisch zu bewirtschaften. Und wer Klaus Fronius kennt,
weiß, dass er jede Aufgabe mit der ihm
eigenen Akribie betreibt. .
FOTO: WAKOLBINGER
Versuchslabor am Land
Das Schlattbauerngut liegt unweit von
Pettenbach, wo Fronius am Land aufgewachsen ist. Hier ließ sich sein Vater Günther Fronius (1907-2015) als Kriegsflüchtling mit seiner Familie nieder und
gründete das Unternehmen in einer Garage. Ohne Experimente ist auch der Alltag
des Klaus Fronius nicht vorstellbar. Sein
Schlattbauerngut ist eine Symbiose aus
Biolandwirtschaft und Versuchslabor für
den Energiekreislauf. Auf 20 Hektar bauen er und sein dreiköpfiges Team verschiedene Pflanzen und Obstsorten an.
Produziert werden Öle aus Sonnenblumen, Soja und Hanf sowie Essig von
Äpfeln, Birnen, Quitte und Himbeeren auf
einzigartige Weise, wie Fronius nicht
ohne Stolz erklärt. Es ist kontrolliert biologischer Anbau, alles wird vor Ort
erzeugt. Die Öle werden in einem aufwändigen Verfahren kalt gepresst. Mit
Energie, die zur Gänze aus dem eigenen
Haus kommt.
Bald 100 Prozent energieautark
Seine elfjährige Mischlingshündin Sari,
ein Findling, von Fronius aufgelesen in
der Slowakei, weicht ihm nicht von der
„Die Resonanz war
großartig. 19.000
Flaschen waren in
fünf Wochen
ausverkauft.“
Klaus Fronius,
Claudius KG, Schlattbauerngut
Seite. Doch ins Herz der Energiezentrale darf sie nicht hinein. Hier wird Wärme von einer Biomasseheizanlage produziert, in die selbst angebauter Miscanthus
(Elefantengras) zugeführt wird. Die elektrische Energie speist sich aus einer 35
kW großen Photovoltaikanlage. „Wir
erzeugen mehr Strom, als wir benötigen“,
sagt Fronius. Das nächste große Ding ist
der Wasserstoffspeicher, „dann sind wir
zu 100 Prozent energieautark.“ Im Welser Fronius-Stadthaus funktioniert das
bereits. Mit diesem Projekt soll gezeigt
werden, wie regenerative Energie zu
jeder Tages- und Jahreszeit verfüg- und
nutzbar gemacht werden kann. Das
Trink- und Nutzwasser im Schlattbauerngut kommt aus einer Quelle und
einem Tiefbrunnen. Das Abwasser wird
über ein ausgeklügeltes Ökosystem mit
einem Bioteich gereinigt. So geht Selbstversorgung.
Sensibilisierung für Qualität
Der Hof soll sich selbst tragen. „Nächstes
Jahr bilanzieren wir positiv“, ist Fronius
überzeugt. Rechtlich läuft das Geschäft
über die Claudius KG, die zu 95 Prozent
ihm und zu 5 Prozent seiner Schwester
Brigitte Strauß gehört. Neben dem Handel über Bioläden beliefert Fronius exklusiv seit dem Vorjahr einen großen Handelskonzern mit seinen Bio-Ölen. „Die
Resonanz war großartig. 19.000 Flaschen
waren in fünf Wochen ausverkauft. Das
zeigt schon eine Sensibilisierung nach
Qualität in der Bevölkerung.“ Fronius
sieht seinen Betrieb als Vision einer Landwirtschaft von morgen. Die Verwirklichung können sich die meisten Bauern
nicht leisten. Der Neolandwirt schlägt
massive Förderungen zur Transformation
unserer Landwirtschaft vor. Das sei eine
Investition in die Zukunft Österreichs. ➔
7/2015 | CHEF INFO | 61
Zahlen,
Daten,
Fakten
Landwirtschaft OÖ
142
Euro
Euro netto erhält
ein Schweinebauer
derzeit für ein Mastschwein von 95 Kilo.
2012 waren es noch
167 Euro. Seit Mitte
2014 mussten Oberösterreichs Schweinebauern 40 Millionen
Euro Verlust hinnehmen.
30
Cent
netto je Kilo Milch
erhalten die Bauern
von Berglandmilch.
2014 waren es 40.
Für Biomilch gibt es
40,7 Cent, für BioHeumilch 43,2 Cent
je Kilo.
100
Mio. Euro
werden Oberösterreichs Milchbauern
heuer gegenüber 2014
verlieren. Das sind
durchschnittlich
10.000 Euro pro
Betrieb.
960
Millionen
Liter werden Oberösterreichs Milchbauern heuer voraussichtlich erzeugen.
2014 waren es
noch 975
Millionen Liter.
ZUR PERSON
Günther Rabeder, 41, bewirtschaftet 50 ha Ackerland in
Niederwaldkirchen. Er baut
Pflanzen an, die zu Ölen der
Marke farmgoodies gepresst
werden. Gemeinsam mit Frau
Judith und Freund Robert
Reisinger fungiert er als
Geschäftsführer von farmgoodies GmbH. Rabeder hat
die Matura an der Landwirtschaftlichen Fachschule St.
Florian abgelegt sowie Musik
und Datenmanagement studiert. 1999 gründete er mit
Freunden die Internetagentur
Xortex. Im Vorjahr verkaufte er
seine Anteile, um VollerwerbsLandwirt zu werden. Rabeder
ist verheiratet und Vater von
drei Kindern im Alter von
zwei bis acht Jahren.
COVERSTORY
Glücksgefühl für
5,50 Euro
AUSSTEIGER. Zehn Jahre lang lief seine
Internetagentur hervorragend, er selbst auf 180 Touren. Dann
hatte Günther Rabeder genug, verkaufte seine Firmenanteile
und wurde Vollerwerbslandwirt am elterlichen Hof.
V
or einem Jahr hat Günther
Rabeder, 41, seine Anteile an
einer Internetagentur verkauft
und wurde Vollerwerbs-Landwirt auf dem elterlichen Hof. Er baut in
Niederwaldkirchen Pflanzen an, aus
denen hochwertige Öle für die Marke
farmgoodies gepresst werden. Begonnen
hat er damit vor drei Jahren. Mittlerweile
liefern 15 Bauern an die GmbH. Die
Geschäftsführung teilt sich Rabeder mit
Ehefrau Judith und Freund Robert Reisinger. Nach der Matura an der Landwirtschaftlichen Fachschule ging er als Trompeter zur Militärmusik, studierte Musik
und Datentechnik. „Dort habe ich meine
Passion gesehen“, erzählt Rabeder. Mit
Freunden gründete er 1999 die Firma
Xortex, zunächst als „Programmierbude“,
dann als Internetagentur mit 20 Mitarbeitern. Zehn Jahre lang tat Rabeder alles
dafür, immer weniger in der Landwirtschaft arbeiten zu müssen.
FOTO: WAKOLBINGER
Werteverschiebung
Vor fünf Jahren kam der Schwenk:„Da
habe ich beschlossen, nicht in der Agentur in Pension zu gehen“, sagt der dreifache Vater, „täglich wurde ich mit 100
E-Mails bombardiert, jedes Einzelne
davon natürlich brutal wichtig. Wenn
mich am Abend jemand gefragt hat, was
ich gemacht habe, konnte ich es nicht
sagen. Als meine Kinder zur Welt kamen,
bemerkte ich bei mir eine Werteverschiebung. Ich konnte ihnen doch nicht sagen,
dass ich den ganzen Tag nur E-Mails
geschrieben habe und ihnen eine Internet-Agentur hinterlasse. Ich wollte abends
wieder wissen, was ich den ganzen Tag
getan habe.“ Man werde realitätsfremd in
der virtuellen Welt, resümmiert Rabeder:
„Die Landwirtschaft habe ich gebraucht,
um mich wieder zu erden.“ Zu seinen
Pflanzen hat er eine besondere Beziehung:
„Ich wollte meine Ernte, um die ich mich
ein ganzes Jahr lang bemüht habe, nicht
mehr irgendwohin kippen und ans Lagerhaus liefern lassen.“ Aus seiner Tätigkeit
in der Werbebranche wusste Rabeder,
dass der Konsument heute wissen will, wo
„Die Landwirtschaft
habe ich gebraucht,
um mich wieder
zu erden.“
Günther Rabeder,
Vollerwerbslandwirt
seine Lebensmittel herkommen. Daher
stieg er in die Direktvermarktung mit
urbaner Zielgruppe ein. „Als ich das erste Flascherl von meinem eigenen Leinöl
in der Hand hatte, war das ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie vorher erlebt
habe“, erinnert sich der Neo-Landwirt,
„wir erhalten unglaublich positives Feed-
back. Mit einer Website um 100.000 Euro
habe ich nicht so viel Begeisterung ausgelöst wie mit einer kleinen Flasche Öl um
5 Euro 50.“
Terminkalender Natur
Derzeit wird das Öl noch in der Steiermark gepresst, nächstes Jahr soll eine
eigene Presse in Betrieb gehen. Demnächst kommt eine eigene Abfüllanlage.
Außerdem wird emsig an neuen Lagerräumen und einem Verkaufsraum gebaut.
Nächstes Jahr sollen Leindotter- und Distelöl das Sortiment erweitern. Das alles
soll die Wertschöpfung steigern und das
Überleben ermöglichen: „Die Preise legen
wir mit unseren Zulieferern im Vorhinein
fest. Denn ich finde es bedenklich, dass
mit unseren Lebensmitteln nur mehr an
der Börse gezockt wird.“ Ab 1. Oktober
sind die farmgoodies-Produkte auch biozertifiziert. Die speziellen Herausforderungen seines Jobs sieht Rabeder darin,
flexibel zu reagieren: „Es gibt Jahre, da
geht alles gut. Im Jahr darauf funktioniert
plötzlich nichts mehr und ich muss alles
anders machen. Man muss einfach lernen,
mit der Natur zu leben. Die hat einen ganz
anderen Rhythmus als der Berufsalltag
von 8 bis 17 Uhr. Wenn ich früher mein
Smartphone vergessen habe, war ich planlos. Eine Stunde ohne Handy war unvorstellbar. Wenn ich es heute zu Hause liegen lasse, ist mir das den ganzen Tag
völlig egal, weil mir die Natur vorgibt, was
ich zu tun habe.“
➔
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Zahlen,
Daten,
Fakten
Landwirtschaft OÖ
160
Mio. Euro
erhalten Oberösterreichs Bauern jährlich
als Direktzahlungen
von der EU.
75
Mio. Euro
gingen 2014 aus dem
Österreichischen
Umweltprogramm an
die heimischen Landwirte. 50 % davon
zahlt die EU, 30 % der
Bund und 20 % das
Land.
40
Mio. Euro
Bergbauernförderung
gingen im Vorjahr
nach Oberösterreich.
20 % davon zahlt das
Land, vom Bund kommen 30 und von der
EU 50 %.
19
Hektar
bewirtschaftet im
Durchschnitt ein Landwirt in Oberösterreich.
Mit Wald sind es 30 ha.
90
Prozent
der Fläche Oberösterreichs werden landund forstwirtschaftlich
genutzt.
ZUR PERSON
Karl Weinberger, 39, betreibt
auf seinem Hof in Neuhofen
an der Krems seit 12 Jahren Saatgutvermehrung für
Böschungs- und SkipistenBegrünung. Im Brotberuf ist
er bei BMW in Steyr als Entwicklungsingenieur tätig. Die
Matura legte Weinberger an
der HTL für Maschinenbau
ab. Anschließend studierte er
Mechatronik und absolvierte
nebenbei die Abendschule in
der landwirtschaftlichen Fachschule Ritzlhof. Seit 1997 führte er den Hof seiner Eltern als
Pächter, seit 2006 ist er Besitzer. In seiner Freizeit läuft
er und fährt Ski. Weinberger arbeitet als Sanitäter beim
Roten Kreuz und sitzt für die
ÖVP im Gemeinderat.
COVERSTORY
Herzblut, Leidenschaft
und Stolz
MULTITASKING. Gemeinderat, Interessenvertreter,
Sanitäter, Entwicklungsingenieur, Landwirt – das alles
bringt Karl Weinberger in seinem Alltag unter. Als Bauer hat
er sich auf ein einzigartiges Nischenprojekt spezialisiert.
D
er Mann ist ein Phänomen:
Karl Weinberger, 39, arbeitet
im Brotberuf als Entwicklungsingenieur bei BMW in
Steyr. Für die ÖVP sitzt er im Gemeinderat seines Heimatortes Neuhofen an der
Krems. In der ARGE Gras- und Kleesamenbau sitzt Weinberger im Vorstand.
Außerdem ist er als Sanitäter beim Roten
Kreuz im Einsatz. Im Nebenerwerb
betreibt er eine Landwirtschaft. Trotzdem
bleibt ihm noch Zeit fürs Laufen und Skifahren, dafür ist er noch Single und kinderlos. Wie schafft er das alles? „Man
braucht ein gutes Zeitmanagement“,
schmunzelt Weinberger, „ein bisserl früher aufstehen und ein bisserl später ins
Bett gehen. Im Ackerbau ist auch nicht
täglich etwas zu tun. Und es braucht einen
Arbeitgeber, der flexible Arbeitszeiten
ermöglicht. Bei BMW gibt es keine Kernzeit, ich kann bei Bedarf früher gehen
oder einen Tag Zeitausgleich nehmen. Ein
anderer geht vielleicht abends auf den
Golfplatz, ich mache meine Runde auf
den Feldern.“
FOTO: WAKOLBINGER
Kämpfen um Erträge
Für Weinberger ist die Landwirtschaft
Hobby und Berufung: „Meine Saatgutvermehrung ist ein einzigartiges Projekt, da
steckt sehr viel Herzblut drin.“ Der Diplom-Ingenieur vermehrt Saatgut heimischer Pflanzen, die zum Begrünen von
Skipisten und Böschungen – zum Beispiel
beim Machlanddamm – eingesetzt wer-
den. Seit mehr als 20 Jahren läuft dieses
Projekt der Kärntner Saatbau und der
Bundesanstalt für Alpenländische Landwirtschaft Gumpenstein. Österreichweit
sind etwa zehn Landwirte beteiligt, davon
sechs in Neuhofen. Besonders stolz ist
Weinberger auf seine Wiesen-PippauKultur. Die hat er vor zwei Jahren angebaut und nach viel Aufwand heuer 40 Kilo
„Die Saatgutvermehrung war wie
eine Einstiegsdroge.
Es macht Spaß und
ist wirtschaftlich
interessant.“
Karl Weinberger,
Ingenieur und Landwirt
geerntet. „Vor zwei Jahren habe ich eine
Handvoll Rotkleesamen bekommen, der
jahrelang gekühlt in einer Gen-Datenbank
gelegen ist“, schildert der Landwirt, „aus
diesen 250 Gramm habe ich auf 1.000 m2
zunächst 13 Kilo geerntet. Heuer werden
es 200 Kilo sein.“
Analytisches Denken gefragt
Das Gemeinsame seiner beiden Hauptjobs sieht er im Problemlösen durch analytisches Denken:„In meinem Bereich gibt
es kaum Literatur. Sie können Tausende
Seiten lesen, wie man Mais, Weizen oder
Zuckerrüben richtig anbaut. Dafür gibt es
sogar Foren und Vorträge. Ich muss mir
das meiste selbst erarbeiten. Da braucht
man eine gute Beobachtungsgabe, man
muss analysieren und dokumentieren.“
Landwirtschaft macht Spaß
Mit der Saatgutvermehrung begann
Weinberger vor 12 Jahren. Er bewirtschaftet 16 ha Ackerland und zwei Hektar
Wald. Seine Eltern betrieben den Hof
noch im Vollerwerb und hatten eine
Milchwirtschaft dabei. „Normalerweise
ist diese Betriebsgröße heute zum Zusperren“, sagt der Ingenieur. Ans Aufhören hat
er aber noch nie gedacht: „Die Saatgutvermehrung war wie eine Einstiegsdroge.
Als meine Eltern die Milchwirtschaft aufgaben, stieg ich in das Projekt ein. Nach
anfänglichen Erfolgen weitete ich immer
mehr aus. Obwohl es mit viel Aufwand
verbunden ist, macht es Spaß und ist wirtschaftlich interessant. Ich finde es schön,
dass man mit so einer kleinen Betriebsgröße auch wirtschaftlich etwas zusammenbringt. Und dass es so ein einzigartiges Projekt ist, macht mich stolz.“ Ob er
von der Landwirtschaft alleine leben
könnte, möchte er nicht beurteilen. Er
sieht seine Arbeit aber als Beitrag zum
Erhalt des Hofes und der Landschaft. Sie
liefere ihm den finanziellen Spielraum für
notwendige Investitionen, etwa die Erneuerung des 1.300 m2 großen Daches. ➔
7/2015 | CHEF INFO | 65
Zahlen,
Daten,
Fakten
Landwirtschaft OÖ
3
Mrd. Euro
betrug 2013 der Produktionswert der oö.
Landwirtschaft inkl.
Vorleistungen. 1,68
Mrd. waren es im
Agrarsektor allein,
inkl. Forstwirtschaft
betrug der Produktionswert 1,9 Mrd. Euro.
1,2
Mrd. Euro
investierten Oberösterreichs Bauern von
2007 bis 2013.
40
Prozent
beträgt der Marktanteil Oberösterreichs
an der österreichischen Milch-, Fleischund Rinderproduktion.
4
Prozent
der Betriebe bewirtschaften mehr als
50 ha, nur 0,3 % mehr
als 100 ha.
32
Prozent
der Betriebe bewirtschaften 20-50 ha,
30 % 10-20 ha und
30 % bewirtschaften
weniger als 5 ha.
ZUR PERSON
Kurt Pieslinger, 72, war 37
Jahre lang Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich, saß in
zahlreichen Aufsichtsräten,
wie RLB OÖ und Energie AG
und ist nach wie vor im Institut Wirtschaftsstandort (IWS)
tätig. Pieslinger ist Vater von
vier erwachsenen Kindern
und lebt auf einem mit viel
Liebe umgebauten Bauernhof nahe der Ruine Wildberg.
Auf einem zwei Hektar großen
Areal hütet der Wirtschaftsexperte und Netzwerk-Profi
zwölf Schweine und vermarktet sie gemeinsam mit anderen Landwirten selbst. Das
Fleisch der Tiere ist – nicht
zuletzt wegen der Haltung in
freier Natur – sehr begehrt.
COVERSTORY
Schwein
gehabt
WIRTSCHAFTSEXPERTE. Kurt Pieslinger, ehemaliger
Geschäftsführer der Industriellenvereinigung, hat im
Mühlviertel einen verfallenen Bauernhof zum
Wohnsitz umgebaut und züchtet Schweine.
FOTO: NICOLE WAGENEDER/CHEFINFO
K
urt Pieslinger, 72, war und ist
einer der profiliertesten Wirtschaftsexperten des Landes. Der
studierte Jurist fungierte 37 Jahre als Geschäftsführer der Industriellenvereinigung IV Oberösterreich, saß in etlichen
Aufsichtsräten und ist nach wie vor im
Standortinstitut aktiv. Von Lust auf Rente
keine Spur, wie auch seine späte „Berufung“
zum Landwirt beweist. Pieslinger hält in seinem mit viel Liebe und Mühe umgebauten
Bauernhof nahe Linz zwölf Schweine. Im
Gespräch mit CHEFINFO erzählt Pieslinger, wie er zum Hobbylandwirt wurde. „Wir
haben 1976 hier neben der Ruine Wildberg
einen verfallenen Bauernhof gekauft und
ihn vier Jahre lang renoviert. Später ergab
sich die Chance, zwei Hektar Grund zu kaufen. Weil ich nicht wollte, dass das Areal
verwildert und die Aussicht verwächst, habe
ich mit der Schweinehaltung begonnen“,
betont Pieslinger. Zur Wirtschaft hat der
Familienmensch noch immer einen aktiven
Bezug: „Ich bin ja im Standortinstitut im
Interesse der heimischen Betriebe aktiv und
betrachte das Hüten von Schweinen als Leidenschaft und weniger als Nebenerwerb.
Ich mag diese Tiere einfach seit meiner
Kindheit sehr gerne.“
Kindheitserinnerungen
Erinnerungen aus der Kindheit haben den
Grundstein für die Leidenschaft gelegt.
Pieslinger wuchs als Sohn eines Bäckers
in Arnreit im Mühlviertel auf. „Dort hatten wir im Keller Schweine, die ich gerne
gefüttert habe. Als wir den Grund gekauft
haben, war für mich klar, dass ich diese
Tiere halten will. Ich verdiene damit nicht
viel, aber ich nehme die Verantwortung
bei der Haltung und Vermarktung sehr
ernst“, schildert Pieslinger. Die Vermarktung des Fleisches erfolgt über Mundpropaganda und einen kleinen Folder. Pieslinger: „In der Nachbarschaft sind mehrere
Nebenerwerbslandwirte. Einer züchtet
„Ich betrachte
das Hüten von
Schweinen als Leidenschaft und weniger als
Nebenerwerb. Ich
mag diese Tiere seit
meiner Kindheit einfach sehr gerne.“
Kurt Pieslinger,
Ex-IV-Geschäftsführer
Schafe, der andere hat Galloway-Rinder
und einer der Bauern hat die Lizenz zum
Schlachten. Die Konsumenten können das
Fleisch direkt bei uns bestellen und
bekommen höchste Qualität.“
Qualität und Preis
Die Diskussion über den Wert von Arbeit
in der Agrarwirtschaft kann Pieslinger gut
nachvollziehen. Viele Landwirte würden
zurecht beklagen, dass sie für ihre Produkte schlecht bezahlt werden. „Bei mir
haben zwölf Schweine einen Lebensraum
von zwei Hektar Grund – sie können in
der freien Natur laufen, spielen und sich
austoben. Wenn ich an die Tierfabriken
in anderen Ländern denke, dann kommt
mir das Grauen“, betont der Wirtschaftsfachmann und Hobby-Landwirt. Es liege
an den Konsumenten, welche Produkte
sie kaufen. Naturnahe Landwirtschaft
habe gegen den Kostendruck der Konzerne nur dann eine Chance, wenn der Handel und die Verbraucher bereit sind, faire
Preise zu bezahlen.
Kritik am Stillstand
In seiner Zeit als Geschäftsführer der
Industriellenvereinigung (IV) gab es eine
Zeit der Hochkonjunktur und Österreich
galt als das bessere Deutschland. Inzwischen hat sich das Blatt sehr negativ
gewendet. Pieslinger nennt – als profunder Kenner der Materie – das Kind beim
Namen. „Die große Koalition bringt
nichts weiter, Politiker sollten langfristiger denken, als bis zu den nächsten Wahlen.“ In Österreich würden auch die bürokratischen Strukturen mit Auflagen,
langsame Behördenverfahren und unzählige Reglementierungen und Verbote
einem Wirtschaftsaufschwung im Weg
stehen. „Dazu kommen natürlich auch die
hohen Steuern, die weder für Arbeitgeber
noch Arbeitnehmer vorteilhaft sind.“ ➔
7/2015 | CHEF INFO | 67
Zahlen,
Daten,
Fakten
Landwirtschaft OÖ
33.000
Landwirte
gibt es derzeit in Oberösterreich. Davon stehen 15.000 im Vollund 18.000 im
Nebenerwerb. Rund
4.000 sind Bio-Bauern.
300.000
Hektar
in Oberösterreich sind
Ackerbaufläche.
250.000
Hektar
Wiese bewirtschaften
Oberösterreichs
Bauern.
450.000
Hektar
Wald befinden sich in
Oberösterreich.
8.350
Milchbauern
gibt es in Oberösterreich. 2012 waren es
noch 9.500.
100.000
Jobs
sichert die Landwirtschaft in Oberösterreich, das ist
jeder 6. Arbeitsplatz
(inkl. Lebensmittelindustrie).
ZUR PERSON
Ulrich Lanzer, 38, studierte
Landwirtschaft an der Boku,
sowie Personal- und Organisationsentwicklung. Mit dem
Verkauf von Anteilen an einer
Beratungsfirma, machte er
sich als Unternehmens- und
Politikberater einen Namen.
2012 gründete er die Strategieberatung „Edelweiss Consulting“. Gemeinsam mit 10
Mitarbeitern coacht er Organisationen und Parteien und
befindet sich „im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft
und Politik“. Die Akademie
des Politcoaches durchliefen
bereits Minister. Mit 130 Bienenvölkern betreibt er mit seiner Frau auch eine Vollerwerbsimkerei.
COVERSTORY
Herr über
130 (Bienen)völker
IMKEREI. Der Organisations- und
Politberater Ulrich Lanzer ist gleichzeitig Obmann des
Imkervereins Gallneukirchen. Die Bienen
begleiten ihn seit Kindesbeinen an.
W
enn Ulrich Lanzer aus seinem Wiener Büro schaut,
kann er die Wiener Staatsoper sehen. Im Herz der
Hauptstadt betreibt er sein Personal- und
Organisationsentwicklungsunternehmen
„Edelweiss Consulting“. Bereits der Name
verrät einiges über Lanzers Naturverbundenheit. „Ich hatte schon als Kind mit Bienen zu tun, mein Vater war Imker. Mit 18
hatte ich bereits 30 Bienenvölker.“ Lanzer
wurde seine Berufung somit in die Wiege
gelegt. Als Ausgleich zum stressigen
Leben am Puls der Millionenstadt suchte
er einen Bauernhof und wurde in der
Nähe von Schwanenstadt fündig. Von
dort aus betreibt er mit seiner Frau die
gemeinsam aufgebaute Imkerei mit 130
Bienenvölkern. Den Markt für seinen
Honig findet er nicht zuletzt wieder in der
Stadt – der Kreis schließt sich.
FOTO: WAKOLBINGER
Jünger, akademischer
und weiblicher
Lanzer selbst engagiert sich als Obmann des
Imkervereins Gallneukirchen für den Nachwuchs. „Zur Zeit gibt es einen wahren Run
auf die Imkerei. Die Neueinsteiger werden
jünger, akademischer und weiblicher.“ Und
das hat seinen Grund: Der seit einiger Zeit
kursierende Diskurs über das Bienensterben
hat die Biene als Grundlage alles Lebens ins
Zentrum gerückt. Dabei weiß Lanzer, dass
schon viele Generationen mit Bienensterben zu tun hatten. „In der Nachkriegszeit
war kein Zucker verfügbar, um den Völkern
das Überwintern zu ermöglichen, viele starben. In den 60ern, 70ern und 80ern war
dann die Trockenmilbe der große Feind der
Bienen.“ Danach rückte die Varroamilbe den
Bienen auf den Pelz. Pestizide und Giftstoffe machen den Bienen heute das Leben
schwer. „Man muss immer dranbleiben und
die Völker genau beobachten.“
Honig ist wieder „in“
Dennoch ist Lanzer nicht zuletzt wegen
des hohen Interesses am Schutz der fleißigen Tiere zuversichtlich, dass die aktuelle
Krise überstanden werden kann. Auch das
„Produkt“ der Bienen, der Honig, ist wie-
„Die Bienen merken
wenn man nervös ist.
Sie geben einem sofort
Feedback über seine
eigene Gemütslage.“
Ulrich Lanzer, Geschäftsführer
Edelweiss-Consulting
der „in“. „Als Industriezucker billiger wurde, ist der Honig fast gänzlich verschwunden.“ Jetzt feiert er ein Comeback und
damit steigt wieder eine wachsende Zahl
an Neueinsteigern in die Imkerei. Die Mitglieder in Lanzers Imkerverein Gallneukirchen sind zwischen 10 und 90 Jahren alt.
Das Interesse ist ungebrochen. „Es gibt
genügend Literatur und Vereine, um sich
über die Imkerei zu informieren. Dennoch
ist es wichtig, sich selbst Know-how aufzubauen.“ Know-how über die „olympiareifen“ Tiere, etwa, dass eine Biene in zwei
Minuten einen Kilometer zurücklegen
kann, oder dass für ein Kilogramm Honig
die Lebensarbeit von bis zu 400 Bienen
notwendig ist. Fakten, die der Imkerverein
Gallneukirchen zusammen getragen hat
und auf seiner Website veröffentlicht. Fakten, die den Laien staunen lassen.
„Naturmeditation“
Erstaunlich ist auch die neue Zielgruppe,
die sich der Imkerei widmet: „Immer
mehr Menschen in stressigen Berufen
wenden sich wieder der Imkerei zu.“ Das
hat seinen Grund: „Man muss eine innere Ruhe haben um sich einem Bienenvolk
zu nähern, dann passiert auch nichts.
Wenn man mit den Handy telefoniert und
wild herumfuchtelt, dann kann es schon
sein, dass man den einen oder anderen
´Kuss´ bekommt.“ Die Bienen spiegeln
den Imker somit seine Gemütslage. „Das
Volk merkt, wenn man nervös ist. Bienen
geben sofort Feedback über seine eigene
Gemütslage.“ Maja und Co sind somit perfekt geeignet um den Alltagsstress hinter
sich zu lassen. „Manche Züchter sitzen einfach vor den Stöcken und beobachten die
Bienen.“ Eine Art „Naturmeditation“, die
immer mehr Fans findet. Für Ulrich Lanzer der ideale Ausgleich im „Spannungsfeld aus Wirtschaft und Politik“. ■
7/2015 | CHEF INFO | 69