4. Dez. 2015, 11:09 Diesen Artikel finden Sie online unter http://www.welt.de/149602751 10:15 Aktienmarkt Mit dem Dezember-Trick verdienen Profis viel Geld Oft sind es die einfachen Strategien, die zum Erfolg führen. Das gilt im Leben wie an der Börse. Wer Anfang Dezember eine einfache Regel befolgt, macht Gewinn – fast ohne Risiko. Von Daniel Eckert Wenige Gewissheiten sind geblieben an der Börse. Die vergangenen Jahre haben so gut wie jede verbliebene Gewissheit abgeräumt. Doch manche Muster erweisen sich eben doch als erstaunlich stabil. Die Dezember-Regel gehört dazu. Die Dezember-Regel verspricht Gewinne fast ohne Risiko. Die Dezember-Regel basiert auf der Beobachtung, dass Aktien, die von Januar bis November besonders gut gelaufen sind, meist auch im Dezember überdurchschnittlich gut abschneiden. In einem guten Börsenjahr wie 2015 zahlt es sich also aus, in den letzten vier Wochen des Jahres auf genau diese Gewinner zu setzen. "Jetzt ist die Gelegenheit, diese Strategie anzuwenden", sagt Roland Kaloyan, Anlagestratege bei der französischen Société Générale, "unsere Kalkulationen zeigen, dass die Aktien, die Januar bis November am besten abgeschnitten haben, den Markt meist auch im Dezember übertreffen." Beachtliche Rendite mit dem kleinem Trick Um die Regel umzusetzen, müssen Investoren nur die Elfmonatsgewinner kaufen und die Elfmonatsverlierer verkaufen. Wie Kaloyan ausgerechnet hat, ließ sich mit der DezemberRegel im Schnitt der vergangenen 15 Jahre ein Ertrag von 3,1 bis 5,3 Prozent erzielen. Mehr als das: In mindestens 75 Prozent der Fälle ist die Wette aufgegangen. Am britischen Aktienmarkt funktionierte sie besonders gut, nämlich in jedem der 15 Jahre. In den USA und der Alten Welt war sie in 88 Prozent der Fälle erfolgreich. Auch 2014 hat die Dezember-Regel nicht versagt: "Mit der Strategie konnten Anleger den Leitindex Stoxx600 im vergangenen Jahr um 2,3 Prozent schlagen", erklärt Kaloyan. Was sich bescheiden anhört, ist aufs Jahr gerechnet in Wahrheit eine beachtliche Rendite von saftigen 31 Prozent. Deshalb funktioniert die Dezember-Regel Nach Einschätzung des Strategen basiert der Kurseffekt auf "Window Dressing". Fondsmanager und andere große Investoren trennen sich in den letzten Wochen des Jahres von "Underperformern", also Aktien, die im Jahresverlauf schlecht abgeschnitten haben. Beim anstehenden Jahresabschluss wollen die Aktien-Profis (Link: http://www.welt.de/148754912) nicht mit diesen Wertpapieren im Depot erwischt werden. Sonst müssten sie sich dafür rechtfertigen, aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. Diese Scheu davor, mit den Losern im Portfolio gesehen werden zu wollen, wird mit dem Dekorieren eines Schaufensters verglichen – auf englisch window dressing. Strategie ist ganz einfach – und zugleich langfristig orientiert Umgekehrt haben die besten Titel der ersten elf Monate gute Chancen, im Dezember besonders gefragt zu sein. Für die Tops gilt nämlich das Gegenteil wie für die Flops: Geldmanager wollen im Jahresabschluss gern nachweisen, dass sie auf die Gewinner gesetzt haben, und stocken ihre Positionen bei entsprechender Liquidität gern noch mal auf. Gefallen an der Dezember-Strategie findet Frank Wieser, Geschäftsführer von PMP Vermögensmanagement Donner & Reuschel in Luxemburg: "Der Anleger setzt auf eine stabile und nachvollziehbare Mehrwochenregel." Das sei einfacher umzusetzen als die häufig sehr kurzfristigen Trading-Regeln, die sich an ständig wechselnden Kursmarken orientieren. Die Gewinner des Jahres Greift die Dezember-Regel, können sich dieses Jahr vor allem die Aktionäre von Fresenius, Adidas (Link: http://www.welt.de/themen/adidas/) , Infineon (Link: http://www.welt.de/themen/infineon/) , Deutsche Börse und Telekom Hoffnungen auf zusätzliche Gewinne machen. Die Medizintechnikfirma Fresenius hat ihren Börsenwert von Januar bis November um 61 Prozent gesteigert und war damit bis dato bester Wert im Dax. Ebenfalls sehr gut im Rennen: Adidas. Noch Anfang des Jahres galt der Sportartikler wegen des schwachen Russland-Geschäfts und wegen der heftigen Konkurrenz durch Nike als angeschlagen, jedoch scheinen die Franken die Kurve bekommen zu haben: Adidas-Aktien sind bis Anfang Dezember um 55 Prozent gestiegen. Flop-Werte, die das Depot belasten Auf der Flop-Liste ganz oben (Link: http://www.welt.de/148691959) stehen die scheinbar ewigen Verlierer E.on und RWE (Link: http://www.welt.de/themen/rwe/) . Seit dem Atomunfall im japanischen Fukushima haben Deutschlands Energieversorger an der Börse stärker an Wert eingebüßt als der Fukushima-Betreiber Tepco. Nach den ersten elf Monaten standen sie 37 Prozent und 58 Prozent im Minus. Tief im roten Bereich notieren 2015 auch VW (Link: http://www.welt.de/themen/vw/) -Aktien, wobei das Ausmaß der Probleme bei Volkswagen besonders schwer einzuschätzen ist. Auf der Verliererseite finden sich der Stahl- und Technologiekonzern ThyssenKrupp (Link: http://www.welt.de/themen/thyssenkrupp/) (Link: http://www.welt.de/themen/commerzbank/) , die Geldhäuser Commerzbank und Deutsche Bank (Link: http://www.welt.de/themen/deutsche-bank/) und last not least die streikgeplagte Lufthansa. Nicht nur den Dax im Blick haben Was das Window Dressing angeht, kann es besonders interessant sein, über den Kreis der 30 Dax-Werte hinauszublicken. Der wenig bekannte HDax umfasst 110 Werte, neben Großkonzernen auch zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen, deren Kurse oft heftig ausschlagen. Im HDax weit vorne stehen Technologie- oder Software-Werte wie Adva Optical Networking, GFT Technologies und Nemetschek, Compugroup. Gefragt waren auch zwei Papiere aus dem Bereich erneuerbare Energien, nämlich SMA Solar und Nordex (Link: http://www.welt.de/themen/nordex/) . Die rote Laterne im HDax halten wiederum zwei bekannte: E.on und RWE. Keine der 110 Unternehmen im HDax wird von Anlegern so pessimistisch gesehen wie die Energieversorger in Zeiten der Energiewende. Auch auf internationaler Ebene lässt sich das Dezember-Spiel spielen: Hier wären die Aktienmärkte von Venezuela, Jamaika, Argentinien und Ungarn als potenziell chancenreich zu nennen. Unter den großen Märkten finden sich 2015 Japan und Russland ganz vorne. Schlechtes Jahr für die Dezember-Regel? Nicht alle Börsianer jedoch überzeugt die Strategie: "Relative Stärke ist gewöhnlich ein guter Indikator für die weitere Kursentwicklung, und so kann es schon sein, dass man mit der Dezember-Regel gut fährt. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel", sagt Nicolai Tietze, Zertifikate-Experte der Deutschen Asset & Wealth Management. Verliere der Markt, aus welchen Gründen auch immer, würden gerne da Gewinne mitgenommen, wo noch "Speck dran ist. Wieser befürchtet, dass es die Dezember-Strategie dieses Jahr schwer haben könnte. "Viel zu lange schon warten die Börsen auf die Zinsentscheidung in den USA, und es hat sich ein ungeheuer großer Erwartungsdruck aufgebaut, dass die Fed auch tatsächlich die Zinsen erhöht." Sollte wieder nichts passieren, ist seines Erachtens mit heftigen Turbulenzen zu rechnen, die die Regel überlagern könnten. Fondsmanager Thiemo Lang von der Investmentgesellschaft Robeco SA verfolgt ohnehin eine andere, antizyklische Strategie: "Tendenziell dürfte es eher Sinn haben, vor Jahresende jene Papiere zu kaufen, die trotz intakter Fundamentaldaten stark zurückgeblieben sind", sagt Lang. Dann könne man darauf setzen, dass sie im Folgejahr zu den Gewinnern zählen.
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