«Erst dienen, dann verdienen» - Chäsi Künten Sepp Brülisauer

Freitag, 16. August 2013
REGION/KELLER AMT
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«Erst dienen, dann verdienen»
Sommerserie «Redaktoren schnuppern»: In der Chäsi Künten bei Sepp Brülisauer
Der Ausspruch «Der frühe Vogel
fängt den Wurm» gilt nicht nur für
den Bäcker, sondern auch für den Käser. Und so bestellt mich Sepp Brülisauer, der Patron der Chäsi Künten
und seines Zeichens Käsermeister,
auf 3.45 Uhr in der Früh nach Künten. Denn schliesslich will ich den Beruf richtig näher kennenlernen, mit
allem Drum und Dran.
So stört mich der Wecker also
schon kurz nach 2 Uhr. Mein Arbeitsweg nach Künten zeigt mir zu früher
André Widmer
Stunde ungewöhnliche Facetten des
Freiamts: keine Rotlichter und Autoschlangen. An der Coop-Tankstelle
Dottikon scheppert die Musik um
3.20 Uhr «open air» wie in einer Disco. Und in Eggenwil erschrecke ich
etwas: Nicht mal die Kantonsstrasse
ist beleuchtet. Als ich rechtzeitig in
Künten eintreffe, sind Chef Sepp Brülisauer und der Auszubildende Julian
Kreuzer schon voll im Einsatz. Sie begrüssen mich sehr freundlich. Weil
Hygiene das A und O in allen Lebensmittelbetrieben ist, in besonderem
Masse, wenn es um Milchprodukte
geht, haben Brülisauer und Kreuzer
bereits mit der Reinigung und dem
Durchspülen der sensiblen Kessel
und Leitungen mit heissem Wasser
begonnen. Ich erhalte Gummistiefel,
ziehe mir ein weisses T-Shirt über
und werde auf das regelmässige Waschen der Hände hingewiesen.
Die Chäsi Künten beschäftigt neben
dem Chef und seiner Frau weitere 7
Mitarbeiter, darunter zwei Auszubildende. Fünf Angestellte sind Ausländer. «Ein Schweizer steht um diese
Zeit nicht mehr auf», bemerkt Brülisauer. Obwohl er gute Löhne zahlt, ist
es schwierig geworden, Einheimische
für den interessanten Beruf des Käsers zu begeistern. So muss er mehr-
Auch der Käser muss
früh aus den Federn
heitlich auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen. «Früher habe
ich regelmässig Käser ausgebildet,
danach vier Jahre nicht mehr. Erst
jetzt wieder», erklärt er. Der Auszubildende im 2. Lehrjahr Julian Kreuzer macht einen ausgesprochen motivierten Eindruck. Dass er im zweiten
Lehrjahr hier arbeitet, ist ein sehr
gutes Zeichen. Sepp Brülisauer ist ein
sehr freundlicher, aber gleichzeitig
auch anspruchsvoller Lehrmeister.
«Wenn jemand nach einem Jahr nicht
alleine käsen kann, sollte man den
Vertrag auflösen. Lehrlinge in diesem Beruf werden schnell produktiv,
sie verdienen aber auch entsprechend
gut», sagt er. Und mit Kreuzer kann
der Chef auch vom schulischen Aspekt her zufrieden sein: 5,3 ist seine
Durchschnittsnote nach einem Jahr.
Nun läuft der Produktionsprozess
an. Die Milch strömt in den rechteckigen Kessel, sie wird erhitzt. Hier
Das Runde muss ins Eckige: Auch beim Verpacken gilt Sorgfalt mit dem Lebensmittel.
muss man aufpassen: Es wird unterschieden zwischen Bio und Konventionell, zudem ist auch die Herkunft
der Milch für die Deklaration der
Produkte massgebend: ob «Aus der
Region» oder nicht. Unter den Milchlieferanten des Vertrauens finden
sich mit Imboden und Käppeli zwei
Landwirtschaftsbetriebe aus Künten.
Zehn Prozent des Fettgehaltes werden abgerahmt; aus der Milchmasse
heute soll Raclettekäse entstehen.
«Bei zu viel Fett würde der Käse abfetten», erklärt Brülisauer. 2,5 Promille Bakterienkulturen werden beigefügt. «Sie bauen den Milchzucker ab.» Die heutige Produktion: 4
Chargen à 2700 Liter Milch. Was mir
auffällt: Immer wieder werden die
Produktionsgefässe mit Wasser abgespritzt, bei jedem Schritt aus dem
Produktionsraum hinaus die Hände
beim Wiedereintreten desinfiziert:
Wie bereits erwähnt, Hygiene ist das
A und O. Parallel wird in einem kleineren Kessel die Masse für den «Kleinen Stinker», einen Halbweichkäse,
angesetzt. Und im Labor untersucht
man die angelieferte Milch.
Etwas nach 5 Uhr kommt Mitarbeiter Michal Malicek. Auch wenn das
Arbeitstempo bisher schon extrem
schnell war: Nun wird es horrend.
Malicek tätigt jeden Griff mit grosser
Routine. Nach längerer Passivität
darf auch ich etwas machen: auf Etiketten das Datum stempeln. Mehr
kann ich bisher nicht tun. Es wäre zu
leichtsinnig, wenn ich als «Schnupperstift» hier in dieser hochsensiblen
Zone in den Produktionsprozess eingreifen würde. Und so muss ich mich
damit begnügen, den interessanten
Erklärungen von Chef Brülisauer zu
folgen und beim Beobachten der Arbeitsschritte zu versuchen, den Angestellten nicht unnötig den Weg zu versperren. Als Belohnung fürs Nichts-
Werbung
JA am 22. September 2013
tun lädt mich Sepp Brülisauer in die
Küche seiner Wohnung über der Käserei ein. Es gibt ein Zmorge.
1861 gründet man die Käsereigenossenschaft Künten. 1985 wird Sepp
Brülisauer Milchkäufer, produziert
roten Tilsiter. Als Brülisauer nach einigen Jahren in den vorhandenen
Strukturen keine Zukunftschancen
sieht, bietet er den Genossenschaftern den Kauf des Käsereibetriebes
an. Da existieren noch 42 Käsereien
im Kanton. Was darauf in Künten
Mit innovativen Produkten
und grossem Aufwand
zum Erfolg
folgt, ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte: Schon 1991 holt Brülisauer
mit dem Tilsiter eine Goldmedaille an
einem nationalen Wettbewerb. Die
Qualität stimmt, nun wird die Quantität gesteigert: Der Betrieb wird
rundum erneuert und ausgebaut.
Und Brülisauer vollzieht einen Strategiewechsel, der nach einer kurzen,
aber harten Zeit mit Absatzeinbruch
bis heute der Chäsi Künten den Erfolg
garantiert: Man wechselt vom Tilsiter zu Spezialitätenkäse. Brülisauer
ist ein überaus kreativer Käser. «Wir
gehen neue Wege. Und wir produzieren, was der Kunde will. Das braucht
zwar mehr Anstrengung und ist risikoreicher. Auf einem Ausflug habe
ich vom Patron von Knecht Reisen gelernt: zuerst dienen, dann verdienen.
Nach diesem Grundsatz lebe und geschäfte ich», erklärt Sepp Brülisauer
seine Strategie. Heute gibt es nur
noch drei Käsereien im Aargau.
Aktuell stellt die Chäsi Künten 15
verschiedene Käse her. «Künter Special», «Aargauertraum», «Urkräuter
Bild: André Widmer
konventionell», «Biocella» und «Bio
Urchrüter» alleine machen 75 Prozent der Produktion aus. «Es ist eine
schöne Geschichte: Wir machen 4,5
Millionen Franken Umsatz per Handschlag, selbst mit Coop und Migros.
Das Wort gilt noch als Wort.» Auch
erwähnenswert: Brülisauer zahlt seinen Milchlieferanten den höheren
Preis: 78 bis 80 Rappen statt der üblichen 62 bis 65 Rappen auf dem Milchmarkt. Der begehrte Spezialitätenkäse machts möglich.
Im Betrieb wird nun die Käsemasse
in die Formen abgefüllt. Und die Mitarbeiter des Käsekellers und der Logistik treffen um 7 Uhr ein. Endlich
darf auch ich mich beweisen. Mit Marek Tverdon gehts hinab in die kühleren Räume. Er startet eine Maschine,
die die Salzlake zur Rindenbildung
auf den Käse einreibt. Ich soll die
Käse korrekt in die Maschine einfüh-
ren. Weil ich mir das nicht zutraue,
nehme ich die Käselaibe brettweise
aus den Gestellen und stelle sie Marek hin. «Das geht so nicht», sagt er
nun freundlich, aber bestimmt. Meine
Vorgehensweise behindert ihn im Arbeitstempo, schliesslich gilt es, innerhalb einer Stunde 800 Laibe einzuschmieren und umzudrehen. Während der junge Slowake im Akkord
die Käse bearbeitet, darf ich die etwas grösseren Raclettekuben mit einer Bürste einschmieren. Das dauert
zwar, aber ich schaffe das ganze Gestell. Die Rückenschmerzen werde ich
noch tags darauf spüren...
Dann gehts für mich in die Logistik, die aus Platzgründen im oberen
Dorfteil Küntens angesiedelt ist. Hier
schwingt Christoph Csoka das Zepter.
Deutsche Feinkostgeschäfte haben
Kräuterkäse bestellt. Zuerst falte ich
Kartons, danach packe ich den Käse
in Pergamentpapier ein. Zuerst habe
ich wieder Mühe: Der Käse soll schön
wie ein Geschenk verpackt sein, erklärt Csoka. Mit der Zeit kann ich das
Tempo erhöhen. Als ich endlich genügend speditiv arbeite, kommt Chef
Sepp Brülisauer und holt mich ab.
Als wir eintreffen, ist mein Schnuppereinsatz in der Käserei beendet.
Brülisauer gibt mir Käse mit auf den
Weg. Der riecht zwar etwas, aber
nicht so stark wie die Salzlake an
meinen Unterarmen. Erst nach der
zweiten Dusche ist der Duft weg.
Weltneuheit
«Raclette Cube»
An der Aargauischen Landwirtschaftsausstellung «ALA 13» vom
15. bis 18. August in Lenzburg
ist am Stand 19 die Chäsi Künten vertreten. Sie präsentiert den
«Raclette Cube». Die Weltneuheit
soll den problemlosen Verzehr
des Käses auch unterwegs garantieren.
Käsermeister Sepp Brülisauer (links) und Michal Malicek legen bei
der Raclettekäse-Produktion Hand an.
Bild: André Widmer
Sanierung Hedingerstrasse
verzögert sich weiter
Arni: Aktuelles aus dem Gemeindehaus
Medikamente AUCH vom Arzt:
einfach – sicher – günstig
✓ Direkter Zugang zu Medikamenten
für ältere und gebrechliche Patienten
✓ Freier Entscheid für Patienten
✓ Keine unnötigen Preiszuschläge auf
Medikamenten
✓ Bewährte Zusammenarbeit zwischen
Ärzten und Apothekern bleibt bestehen
✓ Sinnvolles System endlich auch
im Aargau
www.ja-zur-wahlfreiheit.ch
zur Wahlfreiheit beim
Medikamentenbezug
Zehn Eigentümer und eine Eigentümergemeinschaft als Anstösser der
Hedingerstrasse in Arni haben den
mit ihnen verhandelten Landerwerbsvertrag nicht unterzeichnet
und wollen bei der nächsten Instanz
einen höheren Landabgeltungspreis
erwirken. Der Kanton als Bauherrschaft wird diese hängigen Verträge
an das Spezialverwaltungsgericht
zur vorzeitigen Besitzeinweisung einreichen. Dies, damit die dringend nötigen Sanierungsarbeiten an der Hedingerstrasse trotzdem zeitnah in
Angriff genommen werden können;
allerdings verschiebt sich der Baubeginn um ein paar weitere Wochen.
Der Gemeinderat bedauert diese
erneute Verzögerung ausserordentlich, zumal es sich in allen Fällen um
Landabtretungen von schmalen
Streifen entlang der Strasse handelt,
und sich der Kanton in den Verhandlungen bezüglich der Anpassungsarbeiten zulasten des Strassenprojekts
sehr grosszügig gezeigt hat. Der Gemeinderat ruft in Erinnerung, dass
sämtliche Anstösser auf jeden Fall
den gleichen Quadratmeterpreis für
ihr abgetretenes Land erhalten werden, unabhängig davon, ob sie zu den
rekurrierenden Parteien gehören
oder nicht.
Lehrabschluss bei der
Gemeindeverwaltung
Stefanie Huber und Simona Räber
hatten letzte Woche ihren letzten Arbeitstag bei der Gemeindeverwal-
tung. Anja Glarner, Oberwil-Lieli,
und Noemi Töngi, Bremgarten, haben
ihre Lehre als Kauffrau bei der Gemeindeverwaltung angetreten.
Dem Gemeinderat wurde gemeldet,
dass auf dem Schulhausareal und
den Kinderspielplätzen diverse Alkoholflaschen herumstehen und auch
zerschlagen worden sind. Die Schule
ist diese Woche wieder gestartet und
durch die Glasscherben besteht eine
erhebliche Verletzungsgefahr für die
Kinder.
Der Gemeinderat kann dies so nicht
tolerieren und ruft die Verantwortlichen dazu auf, dass zukünftig keine
solchen Hinterlassenschaften mehr
auffindbar sind. Hinweise zu den
Verantwortlichen nimmt die Gemeindeverwaltung entgegen. --gk