Dein Pferd das unbekannte Wesen .... definieren, verstehen

Dein Pferd das unbekannte Wesen
.... definieren, verstehen, vertrauen.
Pferde zeigen uns, wie sie sind, was sie empfinden und ob sie willig sind, uns
zu vertrauen.
Menschen neigen dazu, menschliche Gefühlswelt und menschliche Empfindungen zu
unterstellen ohne dem anderen Wesen zuzugestehen, eigene Empfindungen und
Gefühle zu zeigen.
Grundsätzlich besteht das Manko der Harmonie deshalb auf der menschlichen Seite
der Partnerschaft. Dies umso mehr, weil die Definitionen des Istzustandes, die
sich im Reiten ständig ändern können, nie klar vorgenommen werden. Denn das
Wesen unserer Pferde bildet sich im Umgang mit uns Menschen. Das Wesen des
Pferdes beruht grundsätzlich auf genetischer und aktiver Erfahrung. Das Fohlen
tritt dem Menschen neugierig entgegen und die ersten Erfahrungen mit ihm lehren
es, seine Einstellung zum Menschen zu finden.
Diese Begegnungen formen seinen Charakter. Darunter verstehen wir, die
individuelle Betonung seines Eigenwillens dem Menschen gegenüber. Aus dieser
Definition erkennen Sie verehrter Leser, es gibt keine Pferde mit schlechtem
Charakter, sondern nur Pferde mit schlechten Erfahrungen im Umgang mit Menschen.
Viele Reiter verwechseln Charakter mit Temperament. Dies deshalb, da Pferde mit
lebhaftem Temperament und unbändiger Gehlust, in falschen Händen sehr bald
widersetzlich und unreitbar werden. Tatsächlich gibt es aber auch erbliche
Charakterfehler, die natürlich wesentlich häufiger sind als positive
Charaktereigenschaften. Manche Pferde schlagen oder beißen gegen Herdengenossen
und gegen Menschen. Dies tritt bei Stuten oder Hengsten mehr zutage als bei
Wallachen. Der häufigste Charakterfehler allerdings ist die Angst des Pferdes
vor dem Menschen. Angst vor dem Menschen, als vererbter Charakterfehler, läßt
niemals Vertrauen aufkommen. Solche Pferde sind für das Reiten völlig
ungeeignet, ja oftmals lebensgefährlich. In diesem Zusammenhang möchte ich mit
einer Einstellung vieler, vor allem weiblicher Reiter brechen, die glauben, mit
viel Zuneigung, Belohnung und Liebkosungen, könnte man derartige Charakterfehler
korrigieren. Nichts ist unmöglicher als das. Derartiges angeborenes Verhalten
ist nicht wegzuerziehen, es kann nur konstant gehalten werden.
Wie die Fehler, vererben sich auch die starken Seiten des Charakters wie z.B.
Gutmütigkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Aufmerksamkeit und spezielle
Begabungen der Blutlinie.
In der Addition zum Charakter ist das Temperament eines Pferdes von
ausschlaggebender Bedeutung für seine weitere Verwendung.
Wir teilen die Temperamente eines Pferdes nur in temperamentvoll oder
phlegmatisch ein. Grundsätzlich kann man sagen, dem guten Reiter ein
temperamentvolles Pferd, dem schwächeren Reiter ein phlegmatischeres Pferd.
Ein weiteres Kriterium ist die Intelligenz der Pferde. Viele Leute sind der
Meinung, Pferde seien nicht intelligent, denn wären sie das, würden sie sich
nicht reiten lassen.
Nun gerade das Gegenteil ist der Fall. Intelligenz ist jener Grad von
Auffassungsvermögen, die es zulässt, Handlungsabläufe in der Erinnerung zu
speichern, um gegebenenfalls, diese, nachvollziehen zu können.
Die Intelligenz unserer Pferde ist unterschiedlich entwickelt. Man neigt dazu
edlere Pferde für intelligenter zu halten. Hier zeigt sich aber ein gewaltiges
Manko des Menschen, der als Herdentier dem selben Imponiergehaben unterliegt wie
unsere Pferde. Grundsätzlich haben Imponiergehabe und äußere Erscheinung noch
nichts mit Intelligenz zu tun. Ausgenommen dann, wenn ein Pferd gelernt hat, daß
betonte äußere Erscheinung mehr Leckerbissen bei weniger Leistung bedeutet. In
diesem Fall, ist das Pferd auch intelligent.
Der nächste wesentliche Punkt ist das Auffassungsvermögen schlechthin. Diese
gepaart mit Talent und Eifer, wird ein ganz vorzügliches Reitpferd abgeben. Der
Nachteil dabei ist, das solche Pferde fast pausenlos beschäftigt sein wollen,
wenn sie sich nicht Unarten wie Koppen oder Weben angewöhnen sollen. Ist diese
Beschäftigungstherapie nicht möglich, weil die Zeit beim Reiter nicht vorhanden
und ein ausreichender Koppelgang in der Herde nicht realisierbar ist, können
solche Pferde bis zum Stumpfsinn phlegmatisch werden. Es gibt nichts
schrecklicheres, für einen echten Pferdefreund, derartige lebende Leichen in den
Ställen anzutreffen.
Aus der Kombination von Intelligenz und Temperament, wird die Aufmerksamkeit für
die Einwirkungen und Wünsche des Reiters geboren. Ruhe und Aufmerksamkeit sind
als Veranlangung unschätzbare Kleinode und mindestens genauso wichtig, wie
korrektes Exterieur. Wenn jedoch die Veranlangung nicht gleich deutlich wird,
ist es die erste Aufgabe des Reiters, das Ziel aller Erziehung, diese
Aufmerksamkeit des Pferdes zu fesseln.
In der ersten Zeit der Erziehung eines Pferdes ist dieses nur in der Lage 15 bis
20 Minuten volle Konzentration aufzubringen, dann werden bereits äußere
Einflüsse die geistige Verbindung unterbrechen. Ein Reiter der das nicht
beherzigt, schädigt seine eigenen Nerven und bleibt in der Ausbildung seines
Pferdes stecken, weil er dessen Auffassungsvermögen überfordert.
Das Auffassungsvermögen bestimmt Gedächtnis und Erinnerung eines Pferdes. Das
Gedächtnis kann wie bei uns Menschen durch Beharrlichkeit und Kontinuität der
Einwirkungen und Hilfen geschult werden. Das Erinnerungsvermögen entzieht sich
allerdings, unserem Einfluß. Es gibt dem Pferd sowohl die Orientierung in den
positiven Bereich durch entsprechende Erfolgserlebnisse, als auch im negativen
Bereich, in Form von erfolgreichen Widersetzlichkeiten und Furcht vor
Gegenständen und Handlungsabläufen, wenn ihm Peinigendes oder Erregendes
widerfahren ist.
Der Schritt, die Stimmung des Pferdes am Gesicht und am Ohrenspiel zu erkennen
ist nun nicht mehr groß. Man muß es nur wirklich bewußt wahrnehmen. Dies gilt
auch für die Arbeit unter dem Sattel.
Mit der Ohrenstellung zeigt ein Pferd Furcht, Zufriedenheit, oder Bereitschaft
zur Widersetzlichkeit. Für den erfahrenen Reiter, ein wichtiges Hilfsmittel um
das Einwirken seiner Hilfen mit dem Gemütszustand seines Pferdes in Einklang zu
bringen.
Wenn junge Pferde zaghaft oder ängstlich sind, besonders dann, wenn ihnen, für
den Pferdealltag nicht selbstverständliche, Dinge abverlangt werden, ist dies
absolut normal und sollte in Folge weniger und weniger werden.
Doch wenn ältere Pferde unter dem Reiter zappelig und unruhig oder beim Führen
und in den Boxen hand- oder kopfscheu sind, dann haben sie das Vertrauen bereits
verloren. Die Folge sind auch bei Pferden Streßerscheinungen, Magen oder
Darmleiden, Koliken, Konditionsstörungen, Schlafstörungen und aggressives
Verhalten gegenüber Artgenossen.
Denn Pferde haben auch Nerven. Wir registrieren sie meist erst, wenn die Pferde
schon Schaden an ihrem Nervenapparat genommen haben.
Doch soweit sollte man es nicht kommen lassen. Nicht bei der Tagesarbeit im
Training, bei der Ausbildung und auch im alltäglichem Umgang mit unseren
Pferden. Ein wenig Aufmerksamkeit des Reiters kann all das verhindern.
Ein altes Reitersprichwort sagt: 'Die Ohren eines Pferdes sind der Spiegel
seiner Seele, der Schweif ist der Ausdruck seiner Zufriedenheit, denn mit Ohren
und Schweif spricht das Pferd zu dir."
P.Hnizdo