Kaffee und Tee, gestern und heute

Insel im Geschiebe der Fußgängerzone: Kaffeehaus, Baden-Baden
Kaffee und Tee, gestern und heute
An vielen dieser prozessorgesteuerten High-Tech-Kaffeemaschinen befindet sich eine Art Wurmfortsatz zum analogen
Ablassen von Dampf. Auf Tastendruck entweicht ein Gesprotzel aus heißer Luft und tot gekochtem Wasser. Damit werden
dicke Henkelgläser befüllt, deren Handling an eine Schnabeltasse erinnert. In älteren Etablissements steckt ein nackter
Glaszylinder noch in einem putzigen Flechtkörbchen, das
den Gast vor Verbrennungen schützen soll.
In dunkeldeutscher Provinz wird ein matt gespültes Teeglas,
nebst Zitronenfragment auf haselnussbraunen Tabletts serviert, für die Drainage des Sets sorgt eine verspielt perforierte
Plastikmatte. Wo einem soviel Nostalgie widerfährt, gibt es sicher auch Spezialitäten wie Restaurationsbrot und Russische
Eier. Wenn es schnell gehen muss, schwappt mitunter eine
Flüssigkeit trüb wie Entengrütze in mikrowellentauglichen
Pötten – willkommen zum Low Tea links und rechts der bundesdeutschen Fernstraßen.
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Falls der Gast dann immer noch Lust hat, darf er das Anfärben des Maschinenwassers selbst übernehmen. Die Substanzen hierzu befinden sich in der Regel in einem Beutel, der
sich auch zum Tamponieren bei Nasenbluten eignen würde.
An Hotelbuffets werden die vorrätigen Feinstäube gerne sortenspezifisch getrennt präsentiert, nicht ohne Stolz in einer
langen Teebatterie. Vom Assamverschnitt über mutmaßlichen
Darjeeling bis zum gute Nacht Alptraum kann sich der Teefreund dann selbst verhöhnen. Eine Wahl zwischen Not und
Elend, wobei für das kuriose Ritual Gebühren von mehreren
Euro fällig werden. Dabei kosten jene 5 Gramm Teeblätter, die
es für ein Kännchen erstklassigem Darjeeling Gartentee aus
ökologischem Anbau bräuchte, gerade mal 13 Cent - sofern
man denn einen ordentlichen Lieferanten wie die Teekampagne kennt (vgl. unten). Aber nein, man nimmt dem Gast lieber
5 Euro ab, und spart beim Wareneinsatz noch mal 3 Cent.
Nur Anfänger glauben, die Klasse eines Hauses hätte etwas
mit seiner Teekultur zu tun. In teuren Häusern wird die Unkultur des Tees allenfalls dekorativer zelebriert: anläßlich von
Frühstücksbuffets wird das Wasser in orientalischen anmutenden Samowars vor den Augen des Gastes bis zur Bewusstlosigkeit zerkocht. „Berühmte Häuser schützen vor seltsamen
Erfahrungen nicht,“ so lapidar summiert die weit gereiste
Hotel-Expertin Brigitte Scherer ihre Tee-Erfahrungen in der
„FAZ“. „Selbst im Spitzenrestaurant mit zwei oder drei Sternen zählt Tee zu einer vernachlässigten Disziplin. Lieblose
Teekarten, Beutelware, untaugliches Wasser und dickwandige
Tassen gehören selbst in Fünfsternehotels zum Standard. Und
was bitte soll man mit vier Sorten Zucker anfangen, wenn die
Teetasse nach altem Kaffee riecht? Beim Thema Lebensgefühl
und Zeitgeist hat Tee die Welt noch zu erobern“, lautet Scherers Fazit nach einer Inspektion von Teesalons.
In jeder Eckkneipe werden mittlerweile Herzchen auf den
Cappuccinoschaum gezirkelt. Brühtemperatur und Mundgefühl von Espresso und Crema sind selbst im kulinarischen
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Prekariat ein Thema. Aber am Brunnen mit dem wunderbar
weichen Teewasser trifft man seltsamerweise immer wieder
die gleichen. Oft sind es eigensinnige Genießer, oft Zugezogene aus dem Orient, die sich einfach nicht mit deutscher
Teeverachtung arrangieren wollen.
Dabei ist es doch nicht so schwer: Keine parfümierten
Scherzartikel als Ersatz für guten Tee. Lose, großblättrige Sorten. Frisch und nur kurz aufgekochtes Wasser. Grüne Tees und
first Flush nicht mit sprudelnd kochendem Wasser aufgiessen.
Dünnes Porzellan, auf daß der Tee leicht in der Tasse steht
und die Luftblasen auf seiner Oberfläche ein Muster des Augenblicks bilden.
In Baden-Baden zeigen gleich zwei Häuser, wie es auch
gehen kann. Über die zur Gmeiner-Gruppe gehörende Institution Café König am Beginn der Lichtentaler Straße braucht
man nicht mehr viel zu schreiben. Das König ist ein Stück
besseres Baden-Baden, inklusive Afternoon Tee mit Scones,
Petits Fours und Clubsandwich.
Es gibt aber auch kleine Inseln im Geschiebe der Fußgängerzonen, wie das Kaffeehaus in der Gernsbacher Straße. Die
offenen Tees dort kommen vom Dänischen Hoflieferanten
A.C. Perch‘s, aber das wäre erst der Anfang. Auch der Kaffee
wird dort perfekt zubereitet und serviert, in schlicht, weißem
Geschirr, auf dem kleinen Edelstahltablett, mit einem Glas
Wasser, mit einem Mundstück Schokolade, in einem gemütlichen Innenraum, die Kuchen in der Vitrine werden von einer
gelernten Konditorin nach eigenen Hausrezepten tagesfrisch
gebacken, zum Beispiel Apfelrahmkuchen mit Streusel oder
Mohnkuchen mit Sauerkirschen, außerdem gibt es auch mal
einen Blechkuchen oder einen gerührten Marmornapfkuchen. Der ideale Platz zum Durchatmen vor oder nach einer
Runde Baden-Baden.
- Kaffeehaus, (Frauke Bausch-Kuhn), Gernsbacher Strasse 24, 76530
Baden-Baden, Tel. 07221 – 7025021. Mo bis Freitag 9.30 - 18 Uhr, Sa
10.30 - 18 Uhr, So 13 -18 Uhr. Kleine Frühstückskarte bis 12 Uhr.
- Café, Confiserie König, Lichtentaler Straße 12, 76530 Baden-Baden
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Bessere Zeiten – Café König, Baden-Baden
(Filialen in Offenburg und Freiburg), Tel. 07221-23573, www.chocolatier.de. Öffnungszeiten: Café tägl. 8.30 bis 18.30 Uhr durchgehend.
Ladengeschäft Mo - Sa 9.30 bis 18.30 Uhr; Sonn- und Feiertag 10.30
bis 18.30 Uhr durchgehend. Täglich Afternoon High Tea ab 14 Uhr
zum Festpreis.
- www.teekampagne.de liefert dank Direkteinkauf von Plantagentees nach wie vor beste, preiswerteste, ökologisch angebauten Garten-Darjeeling-Tees (First, Second Flush, Grüner Darjeeling). Auf der
homepage auch Wissenswertes über Anbau und Zubereitung von
Darjeeling-Tees und die mehrfach prämierte Geschäfstidee der teekampagne.
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