Es wird gesucht, wer erinnert sich ? Vorspann zum Beitrag Otto Wank Die Kreisgemeinschaft erhält in steigendem Maße Anfragen über Familien- und Heimatangaben von interessierten Einzelperpersonen. Unsere Hilfe erstreckt sich in der Masse aller Fälle auf Hinweise und Adressenangaben von möglichen Institutionen und Personen, die vielleicht Auskunft geben können. Wir sind daher besonders erfreut und dankbar, daß wir in diesem Heimatbrief einen Beitrag mit den ersten Angaben zu diesen Fragen veröffentlichen können. Mit der Angabe der Anschrift und einer kurzen Lebensbeschreibung verbindet die Kreisgemeinschaft ihren Dank für die freundlich zugesagte Hilfe und Unterstützung durch unser Mitglied Otto Wank, Bielefeld, Der Autor ist 1918 als Sohn eines Bauern in Karwen geboren. Von 1929-1937 besuchte er die Oberschule unserer Kreisstadt Sensburg, wo er das Abiturientenexamen ablegte. Seine Ergebnisse der Familien- und Heimatforschung in den Kirchen- und Grundbuchämtern während seiner Schulzeit aus den Amtsgerichten Sensburg, Orteisburg und Willenberg wurden 1935 unter dem Titel: „Geschichte des Bauerngeschlechtes Wank" gleichzeitig ein Beitrag zur „Siedlungsgeschichte des Kreises Sensburg" veröffentlicht. Ab Herbst 1937 folgten Wehr- und Kriegsdienst. Nach schwerer Verwundung im Polenfeldzug ergab sich 1942 die Entlassung aus der Wehrmacht mit anschließendem Studium und Diplom der Ingenieurwissenschaften. 1949-1979 war der Autor in führender Position eines Großbetriebes tätig. Danach wurden die Arbeiten in den bedeutenden Archiven Deutschlands fortgesetzt. Dort stehen sie uns allen zur Verfügung, wenn Wünsche zu erfüllen sind, wie sie in den Beiträgen vom Autor erläutert werden. Heutige Quellen für die Familien- und Heimatforschung im Kreis Sensburg Aus den Heimatbriefen der Kreisgemeinschaft Sensburg e.V. 1989 und 1990 Ziel dieses Beitrages ist es, allen Landsleuten den Weg zu den uns verbliebenen Quellen für die eigene Familiengeschichte und für unsere Heimatgeschichte zu erleichtern. Die folgenden Hinweise sollen aber auch denjenigen, die nicht in Ostpreußen geboren sind, helfen, die Lebensgeschichte ihrer aus dem Kreis Sensburg stammenden Vorfahren zu erforschen. Gottlob sind mehr Akten und Urkunden überliefert, als allgemein angenommen wird. Leider sind diese sehr verstreut gelagert und weisen vielfach große Lücken auf, die sich nicht in jedem Fall schließen lassen. Durch die zu späte Evakuierung des Staatsarchivs Königsberg sind jetzt dessen Archivalien nur aus der Ordenszeit bis ungefähr 1840 im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin (West) verfügbar. Besonders schmerzlich ist es, daß die Akten der Bezirksregierung Allenstein, die auch die jüngeren Aktenvorgänge des Kreises Sensburg enthalten, 1947 von der britischen Besatzungsmacht an die polnische Regierung überstellt worden sind. Das Hauptproblem der meisten Forschungswilligen wird deshalb sein, die „informationsarme" Zeit zu überbrücken, um zu den „reicheren" Quellen vor 1840 zu gelangen. Für die Familenforschung ist dafür der beste Weg, wie in der Genealogie üblich, mit Hilfe von Personenstandsverzeichnissen, insbesondere von Kirchenbüchern, von der Gegenwart aus möglichst weit in die Vergangenheit vorzustoßen. Die dann verfügbaren Quellen ermöglichen meistens sehr lebendige Familien- und Heimatgeschichten. Aus Platzgründen können hier nur allgemeine Hinweise auf die für den Kreis Sensburg ergiebigen Archivalien gegeben werden. Eingehendere Informationen enthält meine heimatkundliche Arbeit mit dem Titel: „Quellenkundlicher Beitrag zur Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte des Kreises Sensburg", die im Herbst 1990 in der „Altpreußischen Geschlechterkunde", Band 20, veröffentlicht wird. Hierin sind auch über 400 Signaturen der ausgewerteten Archivalien und Quellenwerke genannt. Die bisherigen heimatkundlichen Veröffentlichungen im „Sensburger Heimatbrief seit 1957, sowie die Kreisbücher „Unsere masurische Heimat" von Karl Templin und „Der Kreis Sensburg" von Fritz Bredenberg / Dr. Paul Glaß werden bei meinen folgenden Ausführungen als bekannte Grundlagen vorausgesetzt. Die in diesen Werken dargestellten Fakten werden von mir nur im Ausnahmefall zitiert werden, 1 wenn es dem besseren Verständnis für die überlieferten Archivalien dient. Der Umfang der verfügbaren Kirchenbücher und Kirchenakten ist bei den einzelnen evangelischen Kirchspielen des Kreises Sensburg sehr unterschiedlich. Während die Original-Kirchenbücher der Kirchspiele Sensburg (Stadt + Land), Schmidtsdorf, Nikolaiken und Hoverbeck sich vollständig im „Evangelischen Zentralarchiv" in Berlin (West) befinden, fehlt jeder Hinweis auf den Verbleib der Kirchenbücher der Kirchspiele Warpuhnen, Sorquitten, Ribben, Niedersee, Eckertsdorf und Alt-Ukta. Dagegen sind von den Kirchspielen Aweyden, Bussen, Eichmedien und Seehesten Filmkopien der Kirchenbücher in der „Zentralstelle für Genealogie beim Staatsarchiv Leipzig" vorhanden. Die Kirchenbücher der katholischen Kirchengemeinde Sensburg sind im „Bischöflichen Zentralarchiv Regensburg" gelagert, ebenso die Kirchenbücher der katholischen Kirchspiele Bischofsburg und Heiligelinde, in denen die katholischen Gläubigen des Kreises Sensburg vor 1862 verzeichnet worden sind. Film-Leihdienst ist die „Genealogische Gesellschaft von Utah", Im Rosengarten 25a, D-6368 Bad Vilbel (Tel. 06101 /80040), wo auch Auskünfte erteilt werden, welches die günstigste „Genealogische Bibliothek" für den anfragenden Interessenten ist. Auszug aus dem Mikrofilm-Verzeichnis der „Genealogischen Bibliothek" der Mormonen für den Kreis Sensburg: a) Evangelische Kirchenbücher: Aweyden: Tauf 1764-1864 mit Lücken, Trau und Tot 1764-1784 mit Lücken. Bussen: Tauf, Trau, Tot 1735-1828 mit Lücken. Eichmedien: Tauf 1800-1823, Trau und Tot 1788-1829. Hoverbeck (vor 1902 zu Nikolaiken): Tauf 1851-1944 mit Lücken, Trau und Tot 19021944. Nikolaiken: Tauf 1693-1944 mit kleinen Lücken, Trau 1757-1944 mit kleinen Lücken, Tot 1765-1944. Schmidtsdorf: Tauf 1702-1942 mit Lücke, Trau 1765-1944, Tot 1742-1897. Seehesten (z.T. incl. Bussen): Tauf 1649-1828, Trau 1687-1772 mit Lücke, Tot 1667-1837 mit größeren Lücken. Sensburg: Tauf 1659-1681,1731-1944, Trau 1766-1944, Tot 1682-1944 mit Lücken. Da zur Schonung der Originale die vorgenannten Kirchenbücher dem Benutzer im allgemeinen nur in Filmaufnahmen vorgelegt werden, ist es für die meisten Familienforscher zweckmäßiger, die „Genealogische Bibliothek" der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage" (Mormonen) in Anspruch zu nehmen. Einem Glaubenssatz folgend, sammeln die Mormonen seit Jahrzehnten weltweit die Lebensdaten aller Menschen jeden Glaubensbekenntnisses. So haben sie auch Filmkopien von allen vorgenannten Kirchenbüchern des Kreises Sensburg, die nach Vereinbarung zu günstigen Konditionen aber ausschließlich in einer der zehn „Genealogischen Bibliotheken" in Westdeutschland und Berlin (West) eingesehen werden können, z. B. in Berlin, Hamburg^ Hannover, Wuppertal, Frankfurt, Stuttgart und München. Die Verfilmung von Kirchenbüchern in den Ostgebieten wird auch jetzt noch fortgesetzt, so daß eine häufige Durchsicht der jährlich erneuerten Bestandsverzeichnisse (als Mikrofiche) ratsam ist; z. B. wurden die Standesamtsregister von Nikolaiken (1874-1879) im Jahr 1982 im Wojewodschaftsarchiv Suwalki verfilmt. Da die Familienforschung sehr schnell die Kirchspielgrenzen und oft sogar die Ländergrenzen überschreitet, ist es vorteilhaft, diese international aktive genealogische Quelle zu nutzen. Zentralstelle für den vorgenannten b) Katholische Kirchenbücher: Sensburg: Tauf und Trau 1862-1889, Tot 1862-1890. Bischofsburg: Tauf 1643-1883, Trau 16821897, Tot 1683-1875. Heiligelinde: Tauf 1636-1895 mit Lücken, Trau 1634-1895 mit Lücken, Tot 1755-1879 mit Lücken. c) Evangelische Militär-Kirchenbücher: Sensburg: Tauf 1843-1846/1901-1920, Trau 1843-1846/1900-1911, Tot 1843-1846/1899-1920. d) Standesamtsregister: Nikolaiken: 1874-1879. Da die drei Kirchspiele Alt-Ukta, Niedersee und Warpuhnen, von denen bisher keine Kirchenbücher überliefert sind, erst nach 1846 begründet worden sind, besteht für einzelne Orte in diesen Kirchspielen die Möglichkeit, ihre Vorfahren in den Büchern der früheren Kirchspiele zu finden; z.B. gehörten Kruttinen vor 1846 zur Kirche Aweyden, Dietrichswalde vor 1846 zur Kirche Johannisburg, Giesenau vor 1874 zur Kirche Seehesten und 2 Gänsen vor 1874 zur Kirche Sensburg. Auch eine vorhandene Ahnentafel und Befragen von älteren Verwandten können manchmal auf dem Weg zu den reicheren Archivquellen weiterhelfen. Vorab sei bemerkt, daß in der „Genealogischen Bibliothek" der Mormonen auch die Filme von den personen-intensiven Teilen der Grundbücher, Prästationstabellen, Generalhufenschoß-Verzeichnissen und Amtsrechnungen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert verfügbar sind. Hierzu werden im abschließenden zweiten Teil nähere Angaben gemacht. Im vorgenannten „Evangelischen Zentralarchiv" in Berlin befinden sich im Bestand 508 auch 6 Kirchenakten (1695-1859) der Kirchengemeinde Nikolaiken und eine Sammelakte (1737-1851) von der Kirchengemeinde Schmidtsdorf. Da diese Akten einen Einblick in die kirchlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde, aber auch in das Leben der betreuten Volksschulen geben, ist ihr Studium in jedem Fall für die Familien- und Heimatgeschichte von Nutzen. Leider fehlen in diesem Archiv die entsprechenden Akten der übrigen Kirchengemeinden des Kreises Sensburg. Dagegen weist das Bestandsverzeichnis von 1982 des Wojewodschaftsarchivs Allenstein Kirchenakten mit Kirchenrechnungen für die Kirchen Eichmedien, Bussen, Sensburg, Aweyden, Sorquitten und Seehesten aus, wobei die Kirchenakten von Sensburg sogar die Zeit von 1585-1884 und die Akten von Seehesten die Zeit von 1665-1908 umfassen. Für die dortigen Akten der Superintendentur Sensburg ist die Zeit von 1766-1895 genannt. Leider ist dieses Archiv noch eine schwer zugängliche Quelle. unterlagen von ehemaligen Angehörigen des Heeres, der Luftwaffe, der Waffen-SS und des Reichsarbeitsdienstes aus dem Zeitraum 19201945. Bis 1867 zurück reicht das Archivgut, das das Bundesarchiv/Militärarchiv in 7800 Freiburg i. Br., Wiesentalstraße 10, verwahrt. Für die Heimat- und Familienforschung könnten hierin die schriftlichen Nachlässe, Bilder, Karten und Dokumenten-Sammlungen nützlich sein. Besonders ergiebig für unsere jüngere Kreisgeschichte und für die Familienforschung sind die Archivalien der „Ost-Dokumentation" im Bundesarchiv in Koblenz 1, Potsdamer Straße 1. Umfangreiche Bestandsverzeichnisse mit Sach- und Ortsregister erleichtern die Benutzung. Über die Entstehungsgeschichte des historischen Werks der „Ost-Dokumentation" hat bereits Wolfgang Sievers im „Sensburger Heimatbrief 1982" berichtet. Nachfolgend sollen aus Platzgründen von den umfangreichen Archivbeständen nur einzelne Berichte als Beispiel für die Erlebnisse und Zustände beim Kriegsende 1945 genannt werden. In vielen der 142 eingereichten „Gemeindeschicksalsberichten" aus dem Kreis Sensburg wird die politische Führung angeklagt, den Fluchtbefehl zu spät erteilt zu haben, so daß viele Trecks bei verstopften Straßen, Frost und Schneetreiben ihr Fluchtziel nicht erreichen konnten. Viele Daheimgebliebene oder zwangsweise Zurückgeschickte wurden wahllos herausgegriffen und ermordet. Es ist eine Sammlung unendlichen Leids und tierischer Grausamkeit. Eine Dokumentation des Schreckens sind auch die 136 Berichte von Einzelpersonen über ihre Erlebnisse während der Flucht aus dem Kreis Sensburg oder über die Qualen, die die Daheimgebliebenen erdulden mußten. Erschütternd ist die schriftliche Erklärung an Eides Statt, die der damalige katholische Geistliche in Sensburg, Kaplan Ernst Woelki, zur Beweisvorlage beim „Amerikanischen Militärgericht" in Nürnberg 1948 abgegeben hat. Seine Aussagen zu Mord, Mißhandlung, Deportation und Plünderungen beruhten auf eigenen Beobachtungen im Kreisgebiet. Ein Teil der schrecklichen „Erlebnisberichte" aus dem Kreis Sensburg ist in die 1953 gedruckte „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost/Mitteleuropa", Band 1/1-2 eingegangen. Sechs Schreibmaschinen-Seiten umfaßt der zusammenfassende Bericht des Leiters des Dokumentations-Arbeitskreises, HansvonSpaeth-Meyken.vom 14.5.1953 über „Das Die „Heimatortskartei Nordosteuropa" in Lübeck, Meesenring 8, ist ein Werk der kirchlichen Wohlfahrtsverbände und erfaßt alle Personen, die am 1. 9.1939 ihren Wohnsitz in den Vertreibungsgebieten gehabt haben. Die Karteien sind entstanden durch Auswertung der Vertriebenenausweise, der Lastenausgleichsverfahren, der Informationen von den kirchlichen Suchdiensten und anderen Melderegistern. Sie werden fortlaufend ergänzt und hauptsächlich in behördlichen Angelegenheiten in Anspruch genommen. Da diese Karteien nach Wohnsitzen geordnet sind, können sie besonders für die Heimatforschung nützlich sein. Personalauskünfte erteilt ebenfalls die „Zentralnachweisstelle", eine Außenstelle des Bundesarchivs Koblenz, in 5100 Aachen-Kornelimünster, Abteigarten 6 an Auskunftsberechtigte. Diese amtliche Stelle verwahrt Personal3 Schicksal des Kreises Sensburg aufgrund der ausgewerteten Fragebogen-Antworten"; es ist eine Bilanz des Schreckens. Auszugsweise ist dieser Bericht im „Sensburger Heimatbrief 1985" von Wolfgang Sievers bereits publiziert worden. Schulze „nach dem Gedächtnis" aufgestellt worden. Die zweite Karte (von 1956) im Maßstab von DIN AO zeigt die einzelnen Häuser mit Besitzernamen und Grundstücks-Grenzen. Sie ist eine hervorragende Unterlage für die Familien- und Heimatforschung. Mit „Zeugnisse des Größenwahns und der Verblendung" sind die Pläne für ein „Gemeinschaftshaus der NSDAP in Sensburg" aus dem Kriegsjahr 1941 zu bezeichnen. Auf 10 großformatigen Blättern ist auf der Anhöhe oberhalb der Badeanstalt am Schoß-See und nahe der Landstraße Sensburg-Rhein ein Monumentalbau im „NS-Ordensburg-Stil" einschließlich einer Feierhalle mit 1064 Sitzplätzen und einem über 50 m hohen Turm in Grundrissen und Ansichten dargestellt. In der I. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs PK. in Berlin-Dahlem sind Akten der Preußischen Ministerien in Berlin gelagert, die im Winter 1945/46 aus den Trümmern der Ministeriums-Gebäude geborgen und nach Dahlem geschafft werden konnten. In ihnen sind auch Vorgänge im Kreis Sensburg dokumentiert. Bei den Archivalien des Preußischen Ministeriums des Innern (Rep. 77) befinden sich 4 umfangreiche Akten, die über das Landratsamt Sensburg in der Zeit 1866-1942 Auskunft geben und eine hervorragende Ergänzung zur jüngeren Kreisgeschichte und zur Zeitgeschichte sind. Während die Amtswechsel von 1866-1.9.1918 (100-Jahr-Feier des Kreises) geräuschlos vonstatten gingen, begannen ab 13.11.1918 mit dem Auftreten des „Arbeiterund Soldatenrats Sensburg" die Turbulenzen. Durch die SPD-Regierung in Berlin und durch die „konservative Mehrheit" im Sensburger Kreistag (21 Deutsch-Nationale, 4 x Deutsche Volkspartei, 1 Demokrat und 4 Sozialdemokraten am 22.12.1920) waren politische Auseinandersetzungen vorprogrammiert, besonders wenn der Landrats-Posten neu besetzt werden mußte. Aus Platzgründen können die Namen und Tätigkeiten der einzelnen „Akteure" hier nicht dargestellt werden. Höhepunkte dieser Auseinandersetzungen waren die Jahre 1927 und 1928, als sich die Staatsanwaltschaft mit anonymen Anzeigen und öffentlichen Verleumdungen gegen den kommissarischen Landrat beschäftigen mußte und auch die Provinzpresse nach öffentlichen Demonstrationen sich dieser Vorgänge annahm. Dieser kommissarische Landrat verschwand wieder in der Versenkung, als der Preußische Innenminister erkennen mußte, daß er dessen Berufung aufgrund gefälschter Telegramme bewirkt hatte. Ein mit „R.W.P." unterschriebener 12seitiger Bericht beschreibt den Zustand der Dienst- und Verwaltungsstellen in Sensburg nach der Besetzung durch die russische Armee. Der Schreiber, der bis zu seiner Ausweisung Übersetzungsarbeiten ausführte und auch die Aufsicht im Stadtarchiv hatte, berichtet, daß die Archiv-Bestände und die Standesamts-Bücher unbeschädigt geblieben sind. Es bleibt also die Hoffnung, daß bei weiterer politischer Annäherung an Polen auch diese Dokumente für die historische Forschung verfügbar sein werden. In der dritten Gruppe der „Ost-Dokumentation" in Koblenz sind von allen 123 Gemeinden des Kreises Sensburg „GemeindeSeelenlisten und Ortspläne" archiviert. Diese Unterlagen sind von den jeweiligen Orts-Sachbearbeitern zum Teil nach dem Gedächtnis und durch Befragen erstellt worden und wurden nach ihrer Ablieferung um 1957 nicht mehr überarbeitet. Von den „Berichten der politischen Führungsschicht" seien herausgehoben die sehr kompetenten und umfangreichen Berichte von Kurt Chili, Generalleutnant der Infanterie, und von Generalmajor Erich Dethleffsen, Chef des Generalstabes des AOK4, in denen die verhängnisvolle Rolle des Gauleiters Erich Koch bei der Verteidigung Ostpreußens dargestellt ist. Viele Landsleute aus dem Kreis Sensburg mußten die Fehlentscheidungen dieses politischen Fanatikers mit ihrem Leben bezahlen. In den „Berichten über Verwaltung und Wirtschaft" macht Paul Hundrieser, Landrat des Kreises Sensburg von 1934-1937, auf 11 Schreibmaschinenseiten sehr detaillierte Angaben über die politischen und wirtschaftlichen Zustände im Kreisgebiet und über seinen ständigen Kampf gegen die versuchte Bevormundung durch die NSDAP-Kreisleitung. Als Anlage zu diesem Bericht befindet sich eine „Aufstellung des Schulrats a.D. Dr. Pasternak über die Schulen im Kreis Sensburg, inclusive der Dorfschulen" bei der Akte. In der Kartenabteilung des Bundesarchivs Koblenz werden auch 2 Karten von der Stadt Sensburg aus der Zeit vor 1945 aufbewahrt. Diese Karten sind 1955 und 1956 von Franz 4 Die Zusammensetzung des Kreistages am 24.4.1932 war: 1 Nationalsozialist, 15x „Bürgerlicher Block", 8 Sozialdemokraten und 1 Kommunist. Die Wechsel im Landratsamt waren auch nach 1933 voller Spannung; nur wickelten sich die „Aktionen" in der NS-Zeit hinter den Kulissen ab. Die aus den Akten des Bundesarchivs Koblenz bereits zitierten Aussagen des Landrats Paul Hundrieser (1934-1937) werden durch diese Landratsamts-Akten voll bestätigt. In einem Schriftstück des Preußischen Innenministeriums von 1937 wird warnend festgestellt, daß „in Ostpreußen von 37 Landratsämtern bereits 17 von Nicht-Fachbeamten besetzt" wären. Die Akte Nr. 4399 (1910-1941) gibt durch den „Geschäftsverteilungsplan" einen Einblick in die Organisation der Verwaltung des Landratsamts Sensburg. Hierin werden auch die Namen der Beschäftigten bis hin zum Bürolehrling angegeben; auch eine Fundgrube für die Familienforschung. Die wertvollen Arbeiten des Autors werden eines Tages von seinem Sohn Klaus und der Tochter Ute fortgesetzt werden. Hierzu übermitteln wir unsere Glückwünsche. Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit sind für uns die bisherigen DDRArchive ohne langwierige Genehmigungsverfahren zugänglich. Besonders das Zentrale Staatsarchiv, Dienststelle Merseburg, ist für unsere ostdeutsche Landesforschung sehr ergiebig. Es beherbergt das umfangreiche Archivgut des Geheimen Staatsarchivs Berlin, das im Krieg an verschiedene Orte Mitteldeutschlands ausgelagert worden war. Nach dreiwöchiger Forschung in diesem Archiv kann ich bereits feststellen, daß hier Archivalien von mehreren Jahrhunderten auch für die Familien- und Heimatforschung im Kreis Sensburg lagern. Allerdings sind Amtshandlungen, die in Ostpreußen ohne Bezug zu den preußischen Zentralbehörden in Berlin getätigt worden sind, nur in den ausgelagerten Archivalien des Historischen Staatsarchivs Königsberg dokumentiert; dafür werden als Beispiele die Prästationstabellen und die Amtsrechnungen noch genannt. Kolonistentabellen, auch von den masurischen Ämtern, bereits praktiziert worden. Der Archivbestand des 1723 begründeten „Generaldirektoriums Ostpreußen und Litauen" enthält viele Informationen bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts über die Ämter und Städte des 1818 entstandenen Kreises Sensburg. Neben den bereits erwähnten umfangreichen Kolonisten-Verzeichnissen sind unter dem Titel "Kirchen- und Schulsachen" besonders die Akten über die "Einrichtung des Schulwesens auf dem platten Lande" zu nennen. Unter dem Titel „Ämtersachen" sind von den Ämtern Seehesten, Schnittken und Rhein eingehende Untersuchungsberichte über den Zustand der Ämter und der einzelnen Ortschaften sowie zahlreiche Erbverschreibungen für „Assecuranten" und „Eigenkätner" archiviert. Bei den „Städtesachen" sind von den 19 Akten, die von der Stadt Sensburg im Zeitraum 1725 - 1806 berichten, die Akten "Verpachtung der Kämmereipertinenzien" (1744 1806) und „Kämmerei-Inventar" (1778) hervorzuheben. Der Bestand „Hofkammer", der 1899 nach dem Archivschema des "Generaldirektoriums" neugeordnet worden ist, enthält die Amtsvorgänge von ca. 1680 bis 1723. Die „Kolonisten-Sachen" und die „Untertanen-Sachen" und hierin die „Besetzung der wüsten Hufen" nach der großen Pest von 1709/10 sind für uns besondere Schwerpunkte. Unter den Titeln 98 und 104 sind zahlreiche Akten von den Ämtern Seehesten und Rhein registriert, in denen deren wirtschaftliche und besitzrechtliche Probleme und Lösungen dargestellt sind. Der umfangreiche, aber noch nicht erschlossene Bestand „Rep. 7 - Ostpreußisches Repertorium" enthält gemäß den Angaben in einem alten Findbuch interessante Informationen für die Besiedlungs- und Bevölkerungsgeschichte des Kreises Sensburg vom 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts. Zu nennen sind besonders die Titel: "Repeuplirung", „Untertanen", „Chatoul-Einsaßen", „Vasallentabellen", „Huldigungslisten" und „Verzeichnisse der zu Königsberg Studierenden". Für den anschließenden Zeitraum bis 1945 enthalten besonders die Akten vom „Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst^ und Volksbildung" (Rep. 76), vom „Preußischen Ministerium des Innern" (Rep. 77) und vom „Preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten" (Rep. 87) wichtige Informationen für den Kreis Sensburg. Aus diesen Ministerien sind 1945/46 nur Einer schnelleren Orientierung mögen folgende Hinweise dienen: Das in Merseburg lagernde Archivgut aus dem 17.-20. Jahrhundert kann die archivalischen Lücken, die durch die späte Evakuierung des Staatsarchivs Königsberg entstanden sind, teilweise schließen. Diese Möglichkeit ist von mir durch das Auffinden sehr ergiebiger 5 wenige Restakten ins Geheime Staatsarchiv P.K. in Berlin-Dahlem gelangt. Wegen des starken Besucher-Andranges zum Staatsarchiv in Merseburg ist eine frühzeitige Anmeldung unter Angabe des Forschungsthemas zweckmäßig (Adresse: Zentrales Staatsarchiv, O-4200 Merseburg, König-Heinrich-Str. 37; Telefon: Merseburg Nr. 30 88). Die Genehmigung zur Benutzung von Archivalien im Wojewodschaftsarchiv Allenstein ist bei der "Generaldirektion der Staatlichen Archive in Warschau" unter genauer Angabe des Forschungsthemas zu beantragen. Nach dreiwöchiger Forschungsarbeit im Wojewodschaftsarchiv Alienstein und im zugehörigen Archivlager in Neidenburg kann folgendes berichtet werden: Die bereits im „Sensburger Heimatbrief 1989", S. 142 und 143, erwähnten Akten befinden sich in diesem Archiv und sind in gutem Zustand. Sie sind neuverzeichnet unter Beibehaltung der früheren Signatur auf der AktenDeckelseite. Die Verwaltungsakten der Bezirksregierung Allenstein (früher: Rep. 14) scheinen laut Findbuch der größte Ärchivbestand zu sein und enthalten auch für den Kreis Sensburg viele wertvolle Informationen vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1945. Sie sind geeignet, die im vorstehend genannten Heimatbrief beklagte "informationsarme Zeit" zu überbrücken. Einige Beispiele sollen die Vielfalt der Archivbestände verdeutlichen: In einer 756 Seiten starken Akte (Signatur I 2489) mit dem Titel "Schulorganisation im Kreis Sensburg" (1858 - 1863) sind neben einem Generalbericht des Kreisschulinspektors kirchspielweise alle Landschulen mit ihren Lehrern und deren Beurteilungen aufgelistet. Dazu werden kritische Anmerkungen zu den Schulverhältnissen und Schulleistungen gebracht. Zusätzlich sind auch die Schulzen und Schulvorsteher benannt. Für jede Schule liegen Spezialakten aus dem 19. Jahrhundert vor, in denen sowohl die schulischen und baulichen Verhältnisse als auch die Lehrerwechsel eingehend dokumentiert sind. So umfassen zum Beispiel die beiden Schulakten von Karwen auf 1050 Seiten den Zeitraum 1839 - 1880. Akten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts über das Schulwesen und die Lehrerin den Städten Sensburg und Nikolaiken liegen ebenfalls vor. Sogar die "Präparanden-Anstalt zu Sensburg" hat in zwei umfangreichen Akten von 1874 1895 ihren archivalischen Niederschlag gefunden. Einen besonders breiten Raum nehmen die Akten über die abschließende Regulierung der „Gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse" ein. Als Stichworte zu diesem „Jahrhundertwerk": Aufhebung der Leibeigenschaft und des Scharwerks, auch im Bereich der adligen Grundherrschaften; allgemeine Ablösung der Leistungen und Abgaben; Eigentumsverleihungen; Teilungen der Gemeinheiten und Separationen. Die zugehörigen Akten, auch vom Kreis Sensburg, enthalten viele Fakten und Namen und sind eine Fundgrube für die Heimat- und Familienforschung. Leider sind die Grundakten, die gemäß eigener Studien in der Vorkriegszeit fast komplette Hofgeschichten über mehrere Generationen beinhalten, nur von vier Höfen im Kreis Sensburg überliefert. Gutsarchive, die auch über die gutsuntertänigen Dörfer Auskunft geben könnten, sind vom Kreis Sensburg überhaupt nicht, von anderen ostpreußischen Kreisen nur in Einzelfällen registriert. Welche Informationsfülle in ihnen enthalten sein könnte, zeigt die überlieferte, 409 Seiten starke Akte „Wegen erblicher Austhuung des Vorwerks Muntowen, Amts Seehesten" (1771 - 1849). Mit königlicher Zustimmung wurden die 22 Vorwerkshufen 1771 in einem öffentlichen Ausschreibeverfahren an elf anbauwillige Bauernsöhne, teilweise aus den umliegenden Ämtern, vergeben. Mehrere umfangreiche Akten beschäftigen sich mit der Ansiedlung der Philipponen in der Zeit 1827 - 1854. Die beiliegenden Namenslisten und Reisepässe bringen den Familienforschern aus dem Kirchspiel Ukta einen unschätzbaren Nutzen. Für die Kirchengeschichts- und Familienforschung sind besonders die zahlreichen Kirchenakten ergiebig. Überliefert sind vom Kirchspiel Aweyden 133 Akten (1763-1881), vom Ksp. Seehesten 231 Akten (1665-1908), vom Ksp. Sorquitten 61 Akten (1736-1910), vom Ksp. Sensburg 14 Akten (1585-1884), von den Kirchspielen Nikolaiken, Schmidtsdorf und Rudwangen gesamt 4 Akten (1757-1908) und von der Kirche Bussen 27 Akten (17371913). Unter der Positions-Nr. 351 im „Informator" sind auch Kirchenakten von Eichmedien angegeben. In diesen Kirchenakten sind bei den „Kirchenrechnungen" alle Grundbesitzer, auch der „adligen Dörfer", mit ihren Hufenzahlen und Abgaben, die „Gärtner" aber nur mit Namen und Abgaben aufgelistet. In den „SeelenRegistern" sind haushaltsweise alle Familienangehörigen mit Namen und Alter angegeben. Die Namen und Daten der Verstorbenen auf 6 den Bestattungslisten können bei fehlenden Kirchenbüchern für viele Familienforscher hilfreich sein, ebenso die Listen vom „Glockengeld bei Copulation" mit den Namen der Getrauten. Unter dem Titel „Schulsachen" innerhalb des Bestandes „Kirchenakten" ist auch der aufschlußreiche „Schul- Catalogus des Kirchspiels Seehesten" von 1765/66 überliefert. Von der Stadt Nikolaiken sind 372 noch nicht inventarisierte Akten aus dem Zeitraum 1869 -1913 eingelagert. Das Stadtarchiv Sensburg, über dessen Zustand im Jahr 1945 ich bereits im „Sensburger Heimatbrief 1989", S. 144, kurz berichten konnte, befindet sich mit 315 neuverzeichneten Aktenpositionen ebenfalls im Wojewodschaftsarchiv Allenstein. Es umfaßt u. a. Privilegienabschriften (1442-1753), Kämmereirechnungen (1736 und 1738), Magistratsprotokolle (1926 -1933), vollständige Einwohnerverzeichnisse (1849 - 1858), Bauanträge (1896 1941), Ver zeichnisse von Judenfamilien (1812 1842) und Personalakten der städtischen Lehrer (bis 1944). Nach Erhalt und Auswertung der bestellten Mikrofilme von einzelnen besiedlungsund bevölkerungsgeschichtlichen Akten in den Archiven Allenstein und Merseburg sollen die Ergebnisse in einem der nächsten Heimatbriefe bekanntgegeben werden. In der XX. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchives P. K. in Berlin- Dahlem lagern die evakuierten Archivalien des Historischen Staatsarchivs Königsberg, deren Bestände für die Zeit nach 1840 große Lücken aufweisen. Da die Gründungen der Ortschaften des Kreises Sensburg im allgemeinen vor 1840 erfolgten, werden die Heimatforscher zunächst über ein reichhaltiges Quellenmaterial in diesem Archiv verfügen können. Für die Folgezeit ist es in jedem Fall vorteilhaft, das umfangreiche Archivgut des vorstehend vorgestellten Staatsarchivs in Merseburg zu nutzen. Für die Familien- und Hofforscher ist folgende Vorgehensweise empfehlenswert: • • • Wenn die Vorfahren über einen Grundbesitz verfügten, wird in den vollständig überlieferten „Rentenkatastern" aller Kirchspiele die erste Anknüpfung an den Besitz der früheren Generationen in vielen Fällen möglich sein. Die Rentenkataster sind ab 1853 bei der Reallastenablösung angelegt und enthalten auch Nachträge bezüglich Besitzerwechsel oder Abtrennungen (Dismembrationen), teilweise bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese Abtrennungen hatten vielfach nur die Größe von Baugrundstücken. Die Prästations- und Hypotheken-Nummern, die in den Rentenkatastern angegeben sind, führen direkt zu den ebenfalls vollständig überlieferten Prästationstabellen von 1843, 1827 und 1824. In diesen gebundenen Akten sind sämtliche Grundbesitzer, einschließlich der Eigenkätner, mit Besitzgröße, Verschreibungsdatum, Grundbuch-Nummern und Vorbesitzer abgegeben. Spätestens in der jüngsten Prästationstabelle von 1843 sind auch die bisher gutsuntertänigen Bauern genannt. Deren besitzrechtliche Neuregelung erfolgte z. B. in Eichmedien 1821, in Sorquitten und Groß Stamm 1822, in Ribben und Althöfen 1829. Eine besondere Quelle für die Heimatforschung stellen die Protokolle in den Prästationstabellen dar, die über die allgemeinen Verhältnisse und die Gemeinschaftseinrichtungen berichten und von allen Grundbesitzern unterschrieben werden mußten. Kurz nach Gründung des Kreises Sensburg 1818 wurden kirchspielweise Grundbücher angelegt, in denen alle Grundbesitzer jedes Dorfes erfaßt sind. In den vorgehefteten Indextabellen sind die Namen der ersten und der „jetzigen" Besitzer und die Verschreibungsdaten angegeben. Nachgeheftet sind die Kopien der Original-Verschreibungen. Vielfach sind "Auseinandersetzungsrezeße" (z. B. 1859 mit Gottlieb Glaß in Aweyden) nachgetragen. Die Grundbuchangaben sind allerdings nur ein minimaler Ersatz für die Grundbücher und Grundakten, die vermutlich im Grundbuchamt Sensburg verblieben und noch nicht zugänglich sind. Wesentlich schwerer haben es die Familienforscher auf ihrem Weg zu den Vorfahren, die ohne eigenen Haus- und Grundbesitz in öffentlichen oder privaten Diensten gestanden oder mit Handel und Handwerk ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Für die Erforschung dieser Personengruppen in Sensburg und Nikolaiken könnten die im Wojewodschafts-archiv Allenstein lagernden Magistratsakten hilfreich sein. Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Genealogie und der mündlichen oder schriftlichen Familien-Überlieferung; Sammlung von Informationen bei der bereits vorgestellten "Heimatortskartei Nordosteuropa" in Lübeck; Auswertung der Publikationen in den „Sensburger Heimatbriefen" und im Buch „Der Kreis Sensburg" von Fritz Bredenberg / Dr. Paul Glaß. 7 Die in der Bibliothek des Geheimen Staatsarchivs P. K. in Berlin-Dahlem lagernden „Amtsblätter der Preußischen Regierung Allenstein" (1905 - 1945) und „Amtsblätter der Preußischen Regierung Gumbinnen" (1818 1942) enthalten eine Fülle von Informationen über diejenigen, die im öffentlichen Dienst gestanden haben (betreff: Berufungen, Beförderungen, Versetzungen usw.) oder die einen Gewerbebetrieb besessen haben (betr.: Konzessionen für Apotheken, Gastwirtschaften usw.). Die Auswertung der Amtsblätter wird durch Sach- und Namensregister erleichtert. Der überlieferte Archivbestand „Oberpräsidium für die Provinz Ostpreußen" (Rep. 2) weist für den Zeitraum 19. und 20. Jahrhundert auch Akten auf, die die Verwaltung und Landwirtschaft sowie Vorgänge in Handel, Gewerbe und Schulwesen (inkl. Schultabellen) betreffen. Die „Gewerbesteuerrolle für 1856" (Ostpr. Fol. 15382) benennt alle Gewerbetreibenden in Sensburg, Nikolaiken und in allen Dörfern, die Gastwirte eingeschlossen. Die „Volksabstimmung 1920" ist in zwei umfangreichen Akten dokumentiert (Rep. 18 Landratsamt Sensburg, Nr. 2 und 3), in denen sowohl die Ergebnisse in den einzelnen Wahlbezirken angegeben sind, als auch die Namen der bei der Wahldurchführung eingesetzten Personen. Bei den Forschungen vor der Kreisgründung 1818 müssen die mehrfachen Änderungen der Verwaltungsbezirke beachtet werden, weil diesen auch die Zuordnung der Akten in den Archiven gefolgt ist. Besonders die Begründung des Domänenamtes Schnittken 1751 durch größere Gebietsabtretungen der Hauptämter Seehesten und Rhein hatte eine einschneidende Veränderung der Verwaltungsstruktur bewirkt. Bei den umfangreichen Archivbeständen vom 17. und 18. Jahrhundert können hieraus Platzgründen nur Hinweise auf die Archivalien gegeben werden, die der Weiterführung und Vertiefung unserer Heimat- und Familienforschung dienen. Dagegen bringt mein „Quellenkundlicher Beitrag zur Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte des Kreises Sensburg" in Band 20 der "Altpreußischen Geschlechterkunde" auf 64 Druckseiten kurze Darstellungen und die Signaturen der für die Siedlungsund Bevölkerungsgeschichte ausgewerteten 554 Archivalien und Quellenwerke. Die von 1740-1807 mit Lücken überlieferten Prästations- Tabellen stellen für die Hofund Familienforschung auf dem "platten Lande" die beste und ergiebigste Quelle dar. Zusätzlich ermöglichen die Auflistungen aller Haushalte, einschließlich der Instleute, in den „Mühlen- Konsignationen" einen umfassenden namentlichen und zahlenmäßigen Überblick über die Landbevölkerung. Auch die gutsuntertänigen Bauern sind in diesen Listen erfaßt, wenn ihr Weg zu den Amtsmühlen wesentlich kürzer war als zur Gutsmühle. In den „Schutzgeld- Nachweisungen" sind auch die Handwerker und die Instleute mit Namen und Abgaben aufgeführt. Die beigefügten „Sonderlisten" enthalten allgemeine Beschreibungen der Dorfschaften und deren Ländereien. In den "Gerichtstags-Protokollen" wurden die öffentlichen Verhandlungen unter Vorsitz einer Regierungsdelegation dokumentiert, bei denen sich die Generalpächter vor Erneuerung ihrer Amtspacht den Klagen der amtsuntertänigen Bauern stellen mußten. Die überlieferten Amtsrechnungen, die im wesentlichen den gleichen amtsuntertänigen Personenkreis erfaßten, reichen beim Hauptamt Seehesten von 1536-1748, beim Hauptamt Rhein von 1538-1755, beim Hauptamt Rastenburg von 1539-1751 und beim Hauptamt Ortelsburg von 1599-1751. Sie sind zum Teil mit sehr großen zeitlichen Lücken überliefert und haben einen unterschiedlichen Aussagewert, auch dem Umfang entsprechend (von 140 bis 769 Seiten beim Amt Seehesten). Bis ca. 1700 Wurde in ihnen auch der umfangreiche Güterbesitz des Adels beschrieben. Die Namenslisten vor und nach der „Großen Pest" von 1709/10 zeigen auch, daß nur wenige Familien ihre Höfe haben weiterführen können. Die Besetzung der „wüsten Hufen" gehörte deshalb zu den wichtigsten Aufgaben der Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. Zur Einrichtung eines gerechteren Steuersystems, um die anhaltende Landesflucht amtsuntertäniger Bauern zu stoppen, wurde von 1715-1719 durch eine vom König eingesetzte Hufenschoßkommission in jedem Amt der Landbesitz genau erfaßt und die Bodenqualität beurteilt. Die sich daraus ergebenden Ertragsschätzungen waren die Grundlage für das neue Steuermaß. Wenn auch von ca. 1660 - ca. 1725 die Zahl der Neusiedler der Zahl der Geflüchteten entsprach, so daß die Wiederbesiedlung der wüsten Höfe nicht vorankam (belegt durch diverse Listen, die zwischen Berlin und Warschau gewechselt wurden), ist die damalige „Flüchtlingszahl" nicht mit dem "Flüchtlingsstrom" des letzten Jahres zu vergleichen. Die Hufenschoß-Protokolle und -Kataster stellen die früheste Erhebung des ländlichen 8 Grundbesitzes dar und sind auch hervorragende und zuverlässige Quellen für die Heimatund Familienforschung. Kurz nach Begründung des Herzogtums Preußen 1525 entstanden 1539 die ältesten Gesamtverzeichnisse der steuerpflichtigen Bevölkerung. So sind auch von den Hauptämtern Seehesten und Rhein die Namen, Wohnorte und Steuerbeträge aller Besitzer der Güter und Bauernhöfe und von der Stadt Sensburg die Besitzer von Häusern und „Buden" aufgelistet (Ostpr. Fol. 911 a und EM 130 k 2). In den überlieferten Visitationsprotokollen einer herzoglichen Kommission (15281541) wird auch über die seelsorgerischen, schulischen und finanziellen Verhältnisse in den Kirchengemeinden Sensburg, Seehesten, Bussen, Aweyden, Ribben und Nikolaiken berichtet (Ostpr. Fol. 1271, 1273 und 1274). In Ergänzung zu meinen Hinweisen auf die „Genealogische Bibliothek" der Mormonen im „Sensburger Heimatbrief 1989", S. 142 und 143, ist nachzutragen, daß die Mormonen in ihren Mikrofilm-Verzeichnissen die Prästationstabellen mit „Grund-Leihbücher" und die Amtsrechnungen mit „Steuerbücher" bezeichnen; nur die Grundbücher und General- Hufenschoß-Verzeichnisse durften ihren Namen behalten. Zu den größten überlieferten Beständen gehören die Akten des Etatministeriums vom 16. Jahrhundert bis 1804. Diese sind nach sachlichen und regionalen Gesichtspunkten geordnet. Für unsere Forschungen sind besonders wichtig und ergiebig die Akten folgender Abteilungen: „Amtssachen" (EM 4), „Geistliche Sachen" (EM 37-43), „Städtesachen" (EM 132) und die regionalen Spezialakten von „Seehesten, Amt" (EM 130), „Sensburg, Stadt" (EM 130/2), „Rhein, Amt" (EM 122), „Nikolaiken, Stadt" (EM 122/4), „Rastenburg, Amt" (EM 119) und „Ortelsburg, Amt" (EM 104). In diesen EM-Akten werden sowohl die Verhältnisse und Probleme in der Landwirtschaft, die Binnenkolonisation und die „Untertan- Sachen", als auch die Vorgänge in den Amtsdörfern, die "Justizsachen in civilibus et criminalibus" sowie die Kirchen- und Schulsachen ausführlich dargestellt. Besonders erfreulich ist es, daß die Spezialakten der Städte Sensburg und Nikolaiken einen tiefen Einblick in die Lebens- und Besitzverhältnisse, einschließlich Handel und Gewerbe, ermöglichen und durch einzelne Einwohnerlisten auch die Namen der Bürger offenbaren. Die Listen von den „Huldigungen" beim Wechsel der Landesherren von 1570 bis 1740 (EM 87 d und Ostpr. Fol. 513 und 534) sind eine besonders ergiebige Quelle für die Familienforschung. Ebenso enthalten die Erfassungslisten für den „Graudenzer Festungsbau" von 1778 (EM 83 e) von allen amts- und gutsuntertänigen Dörfern die Namen aller Männer vom 16. bis 60. Lebensjahr. Von der Kriegs- und Domänenkammer Gumbinnen, zu der die Ämter Seehesten, Schnittken und Rhein im 18. Jahrhundert gehört haben, sind nur wenige Akten überliefert (Rep. 8). Deshalb ist es besonders wertvoll, daß in einer Akte (1781 -1804) die Namen und Wohnorte von 180 Eigenkätnern im Amt Seehesten genannt sind. Otto Wank, Bielefeld 9
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