Cover Story Airmatec Bern Bis zum Juni des Jahres 2005 firmierte die Pilatus Servicestation Bern als angesehener Unterhaltsbetrieb auf dem Platz der Bundeshauptstadt. Nach dem strategischen Rückzug der Stanser aus dem atypischen Geschäftsfeld übernahm die neu gegründete Airmatec von André Schneeberger die Infrastruktur und Mitarbeiter. Heute werden bei Airmatec auch PC-12 Flugzeuge gewartet. M Von Pilatus zu Pilatus… it der Übernahme der Pilatus Servicestation wurde von André Schneeberger ein mutiger Schritt vollzogen – die allgemein rückläufigen Zahlen in der General Aviation mussten in einem Businessplan akkurat berücksichtigt werden. Teures Avgas und allgemein steigende Kosten lassen die Lust auf viele Flugstunden oder eine Ausbildung sinken – die neuen JAR-Regeln (12 Stunden im zweiten Jahr vor Erneuerung des Ausweises) sind dem Stundensammeln der Piloten auch abträglich. Und trotzdem sah der initiative Elektro- und Wirtschaftsingenieur Potenzial: Nebst den angestammten Wartungs- arbeiten an allen Ein- und Zweimots, sieht Airmatec die Zukunft auch in der Spezialisierung. Im Motorenbereich als Thielert- und Rotaxspezialist, im Bereich Wartung von Turboprops und kleineren Businessjets sowie in der Restaurierung und dem Wiederaufbau von Oldtimern. Alle Lizenzen vorhanden Schneeberger sieht die Aufgabe seines Betriebes als «Single point of contact». Der Kunde schätzt es, alle Arbeiten durch denselben Betrieb ausführen lassen zu können. Was nicht in-house gemacht werden kann, wird via Partnerbetrieb erledigt, ohne dass sich der Flugzeugbesitzer darum kümmern muss. Als Partner stehen Airmatec Skyparts (Pro- peller), Christen-Airtech (Avionik) und Swiss Helicopter Maintenance (Motoren) zur Seite. Die Mitarbeiter verfügen über alle notwendigen Lizenzen; der Chef selbst ist eben daran, die Schweizer Lizenz für Holz/Stoff zu erwerben – nachdem er diese nach deutschem Recht schon lange besitzt. Besonders wichtig ist für Airmatec auch die enge Zusammenarbeit mit der ebenfalls am Flughafen Bern ansässigen «Pfahrer Composite-Reparaturen». Pfahrer verfügt über das Know-how und die Ausrüstung, jegliche Kunststoffarbeit und Reparatur auszuführen – mit dem Aufkommen von immer mehr Compositeflugzeugen ein Zukunftsmarkt. PC-12 und weitere… Fotos: mt Oben: Neuerdings werden bei Airmatec auch PC-12 Flugzeuge gewartet. Die HB-FOX steht nach der 100-Stundenkontrolle frisch gewaschen zur Auslieferung bereit. Links: Auch der Chef arbeitet in der Werkstatt mit. Das umfangreiche «Paperwork» wird ausserhalb der normalen Arbeitszeit erledigt. Neu sind bei Airmatec auch Kunden aus einem anderen Segment anzutreffen: Seit diesem Sommer kommen PC-12 Flugzeuge regelmässig zu ihren 100-Stundenkontrollen und Jahreswartungen (Annual Inspection) nach Bern. Weitere Flugzeugtypen aus der Business Aviation werden dazukommen. Eine grosse Herausforderung für ➔ 11/2006 29 Cover Story die Crew um André Schneeberger – und auch eine neue Challenge für ambitionierte Mechaniker. André’s Herz schlägt aber seit jeher auch für Oldtimerflugzeuge: Seit vielen Jahren ist das aktive Mitglied der Gruppe Veterano mit der Szene verbunden. Zurzeit steht der Bruch eines Piper Super Cub in seiner Werkstatt, der im nächsten Frühjahr – wieder neu aufgebaut – abheben soll. In seinen wenigen freien Stunden arbeitet Schneeberger, als Privatperson quasi, an der Totalrevision der Erla 5A HB-SEX; er nennt Holz als sein liebstes Arbeitsmaterial. Aber auch Projekte neuer Technologie reizen ihn: Der bei Airmatec stationierte Prototyp der SLA D4 VLA (ehemals Fascination) wird zusammen mit dem Entwicklungsteam von Swiss Light Aircraft minutiös auf optimierte Wartungsfähigkeit überprüft. Sein Know-how fliesst unmittelbar in die Weiterentwicklungsarbeiten dieses faszinierenden Reiseflugzeugs ein. Standort Bern Der Standort Bern wurde mit Bedacht gewählt: Bern bietet einen Flughafen, der 365 Tage im Jahr geöffnet ist. Airmatec sieht es als Verpflichtung und Dienstleistung, den Kunden jeden Tag (ausser am Weihnachtstag) zur Verfügung zu stehen! Das AirmatecWarenlager hat einen Wert von über 300 000 Franken. Dem Kunden soll bei Schäden oder Problemen unmittelbar geholfen werden können – und nicht erst nach einer Wartezeit für die Ersatzteilbeschaffung. Die vorgehaltene Infrastruktur an einem grossen Platz und die Oben: Dieseltriebwerke haben Aufwind: Das ThielertKonzept hat sich durchgesetzt. Links: Airmatec hat mit der vormaligen Berner Pilatus Crew auch viel Know-how übernommen. Im Bild der langjährige Mitarbeiter Jürg Steuri. 30 11/2006 kostenintensive Ersatzteilhaltung hat aber auch seinen Preis: Airmatec kann hier sicher nicht mit Wartungsbetrieben auf peripheren Plätzen mithalten. Zählt man aber Weg und Wartezeit realistisch zu den Gesamtkosten einer Reparatur, so rechnet sich das eben wieder. Quality first Wichtig ist der Airmatec Crew, dass die aufgetragenen Arbeiten ohne Wenn und Aber in Topqualität ausgeführt werden. Schneeberger: «Ab und zu werde ich beauftragt, nur die günstigste Version durchzuführen, so zum Beispiel bei Ausbesserungs- oder Lackierarbeiten. Dieser Anspruch gefällt mir nicht besonders, fliegt doch dieses Flugzeug «made by Airmatec» durch die Welt. Wie andere Wartungsbetriebe stellt Airmatec auch einen stetig steigenden Bedarf an «Paperwork» fest. Dieser Aufwand wird vom Kunden oft nicht wahrgenommen; die Befürchtung, dass das zukünftige EASA-Regime diesen Aufwand noch erhöhen wird, ist berechtigt. Bald stellt sich die Frage, wie kleinere Betriebe diese Papierflut noch bewältigen können. Der Chef hat dazu nur eine Lösung: Nebst seiner zirka 80% betragenden Mitarbeit in der Werkstatt, müssen die Büroarbeiten einfach nachts nachgeholt werden und seine Frau muss ihm dabei zur Hand gehen. Schneeberger hat für seinen neuen Betrieb eine gut bezahlte Anstellung mit 13 Monatsgehältern verlassen. Weshalb? «Wenn der Fliegervirus gesetzt ist, dann ist es nicht Geld allein, das zählt, sondern auch der Spass!» Max Ungricht
© Copyright 2025 ExpyDoc