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Martin Vischer trägt einen Pullover und eine Hose von Jil Sander,
Schuhe von Hermès. Marie-Luise Stockinger trägt Oberteil
und Hose von Akris, Pelz und Stiefeletten von Brunello Cucinelli.
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„Würde ich denken, ich stehe jetzt im Zenit,
könnte ich ja gar nicht zu arbeiten beginnen.“
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Diese Seite: Hemd und Hose von Tommy Hilfiger, Mantel von Brioni, Bauchtasche von Ermenegildo Zegna.
Linke Seite: Jacke und Wickelrock von Chanel, Strumpfhose und Pumps von Tommy Hilfiger, Bluse und Krawatte als Schleife von Michael Kors.
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Hellblaue Seidenbluse von Jil Sander, Pullover mit Lochmuster von Bottega Veneta, Bermuda von Tommy Hilfiger und Stiefelette von Jimmy Choo.
Cover-Look: Marie-Luise Stockinger trägt Oberteil und Hose von Hermès, darüber Kleid und Gürtel von
Jil Sander, Stiefelette von Sergio
Rossi. Martin Vischer trägt Hose von Brunello Cucinelli,
Rollkragenpullover und Schuhe von Tommy Hilfiger, einen
Sweater von Dolce & Gabbana.
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Produktion & Styling: Barbara Zach/
www.barbarazach.com ☆ Foto: Julie Brass/
www.juliebrass.com ☆ Haar & Make-up: Thomas
Orsolis/www.monikaleuthner.com ☆ Fotoassistent:
Georg Molterer ☆ Stylingassistent: Anna Maria
Pölzl ☆ Location: Vielen Dank an das Burgtheater.
Bezugsquellen: Akris, Tuchlauben 8,
1010 Wien ★ Brioni, Seitzergasse 5, 1010 Wien ★
Brunello Cucinelli, Bognergasse 4, 1010 Wien ★
Bottega Veneta, Tuchlauben 5, 1010 Wien ★
Chanel, Tuchlauben 1, 1010 Wien ★ Dolce &
Gabbana, Kohlmarkt 8–10, 1010 Wien ★
Ermenegildo Zegna, Kohlmarkt 8–10, 1010 Wien ★
Hermes, Graben 22, 1010 Wien ★ Jil Sander,
Kärntner Straße 16, 1010 Wien ★ Jimmy Choo,
Tuchlauben 4, 1010 Wien ★ Michael Kors,
www.michaelkors.com ★ Tommy Hilfiger,
Kohlmarkt 12, 1010 Wien ★ Sergio Rossi,
Seitzergasse 1–3, 1010 Wien
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aum einer tönt wohl besser vernehmbar in den
Ohren von Schauspielern als der Ruf an die Burg.
Selbst außenstehende Beobachter können sich ausmalen, was die Verpflichtung für das Ensemble an
diesem wichtigen Theater bedeuten mag. MarieLuise Stockinger etwa, blutjunge Absolventin des
Max-Reinhardt-Seminars, hat besagten Ruf sogar
noch vor Abschluss der Schauspielschule zu hören bekommen und
nimmt sozusagen auf dem Gipfel des Theatergeschehens ihre
Berufstätigkeit auf. So will sie das aber gar nicht sehen. „Würde ich
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ernstlich denken, ich stehe jetzt im Zenit, dann könnte ich ja gar
vor lauter Einschüchterung nicht zu arbeiten beginnen“, relativiert
die gebürtige Oberösterreicherin. Ihre erste Berührung mit einem
möglichen Burgschauspielerstatus machte Stockinger übrigens
kurz nach ihrer Ankunft in Wien als Schauspielstudentin im ersten
Semester, spätnachts, als sie an einem Würstelstand mit einer
Zufallsbekanntschaft ins Gespräch kam: „Der Würstelverkäufer
wollte wissen, was ich mache, und ich habe ihm erzählt, dass ich
Schauspielerin bin. Also fragte er: ,An der Burg?‘ Und ich so: , Ja, ja.‘
Dann hat er mir sogar eine zweite Semmel geschenkt.“ Spätestens
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da war ihr klar, welche Zugkraft das Burgtheater in der Stadt hat:
„Diese zweite Semmel am Würstelstand mitten in der Nacht war
tatsächlich recht aufschlussreich.“
Wie Stockinger wurde mit der neuen Spielzeit auch Martin Vischer
für das Ensemble des Hauses am Ring verpflichtet. Der 34-Jährige
hat in den vergangenen Jahren schon verschiedene Stationen
durchlaufen, war in Leipzig, Halle, Essen, Hannover – und seit 2012
am Wiener Schauspielhaus. „Dort bin ich in den letzten Jahren sehr
gern gewesen. Am Burgtheater ist freilich ein ganz anderes Arbeiten möglich, es gibt andere Ressourcen, die Größe des Hauses ist
nicht mit den anderen vergleichbar.“
„Mein Bruder ist Philosoph und Völkerrechtler. Unsere beiden
Lebenswelten haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam.
Und doch geht es in beiden darum, Spiegel der Gesellschaft zu sein.
Umso schöner finde ich es auch, dass ich nun Ensemblemitglied in
einem Theater bin, wo kürzlich Slavoj Žižek auf der Bühne vorgelesen hat. So kommt das eine letztlich doch wieder zum anderen.“
ertrauensvorschuss. Wer, wie die beiden Schauspieler, in einem
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neuen Umfeld zu arbeiten beginnt, tendiert wahrscheinlich im
Besonderen dazu, seine Erwartungen zu überdenken oder neu zu
definieren. Nicht zuletzt wegen der Geschehnisse dieses Sommers,
in dem sich Millionen Menschen aus Krisengebieten auf die Flucht
Neuland, schon betreten.In den vergangenen Monaten konnten
gemacht haben, stellen sich auch Stockinger und Vischer verstärkt
die Frage, wie stark Theater auf die Gesellschaft rückwirken kann,
beide, Marie-Luise Stockinger und Martin Vischer, bereits Burgwelche Rolle sie selbst als öffentliche Personen spielen sollen.
theaterbühnenerfahrung sammeln. Vischer spielte in „Professor
„ Jetzt bin ich vielleicht noch nicht ganz so weit“, sagt Marie-Luise
Bernhardi“ von Schnitzler, Stockinger in „Antigone“ und „Das
Stockinger, „aber ich hatte zuletzt das Gefühl, dass es ganz gut ist,
Konzert“. Für die nun anstehenden Premieren kommt ihnen dies
wenn ich eine öffentliche Person bin und etwas sagen kann und
entgegen. „Das meine ich jetzt im positivsten Sinn, aber es war für
weiß, dass man mir zuhört.“ Martin Vischer wieder, der etwa die
mich ganz gut zu sehen, dass das Burgtheater eben doch auch einKundgebungen in Wien Ende des Sommers als positives Zeichen
fach ein Theater ist, weil es wegen seiner großen Bekanntheit wohl
sieht und als „Beweis dafür, dass man
ein wenig einschüchternd wirken kann,
dem rechtspopulistischen Poltern etwas
wenn man es noch nicht von innen
entgegenhalten kann“, findet das Engagekennt“, sagt etwa Vischer. Und ähnlich
ment von aufrüttelnden Theatergenies
seine Kollegin: „Dass ich die Bühnen jetzt
wichtig. Die Radikalität von Schlingensief
schon kenne, ist gut. Wenn ich mir sonst
habe ihn etwa stets beeindruckt, und
denken müsste, ich habe in einem Monat
unter den Regisseuren, die demnächst an
meine erste Burg-Premiere, wäre das
die Burg kommen, hebt er besonders den
schon ein leicht stressiger Gedanke.“
Ungarn Árpád Schilling hervor: „Ich habe
Miteinander auf der Bühne werden
hier am Burgtheater seinen Hamlet geseVischer und Stockinger bis auf Weiteres
hen, und ein paar Arbeiten in Ungarn, bin
nicht stehen, die Besetzungslisten der
von seiner Arbeit sehr beeindruckt. Er ist
ersten Neuproduktionen stehen schon
auch sicher jemand, der einen Kommenfest. Die erste Premiere mit Martin
tar zur gegenwärtigen Lage abgibt, auch
Vischers Beteiligung wird am 22. Oktober
und gerade in Ungarn.“
stattfinden: Er spielt in Andreas KriegenDie Gratwanderung zwischen Unterhalburgs Inszenierung von Gorkis „Wassa
tung und Ernst, zwischen publikumsSchelesnowa“ den Sohn der Titelheldin,
wirksamen und verstörenden InszenieSemjon. Marie-Luise Stockinger wieder
rungen ist – da sind sich Stockinger und
spielt ab 16. Oktober in Heiner Müllers
Vischer einig – unumgänglicher Teil des
„Hamletmaschine“ im Vestibül. Im
Theaterbetriebs. „Unterhaltung kann und
Dezember wird man sie dann in einer
muss sein, ist wichtig für jedes Theater,
Inszenierung des „Eingebildeten Krannicht zuletzt wegen der Auslastung, die
ken“ von Herbert Fritsch sehen. Auf diese
sie garantiert“, sagt etwa Vischer und
Zusammenarbeit freut sie sich: „Fritsch
ergänzt: „Zugleich habe ich natürlich den
steht für mich für eine sehr lustvolle Art
Anspruch an das Theater, meine eigene
von Theater, sehr groß, überzeichnet,
Arbeit, das Publikum, dass da etwas
tolle Kostüme, eine große Freude am
Pullover und Anzug von Ermenegildo Zegna.
gesellschaftlich Relevantes passieren
Spielen. Bei solchen Inszenierungen
soll.“ Auch Marie-Luise Stockinger ist sich
werde ich als Zuseherin wieder zum stausicher, dass es neben der Unterhaltung
nenden Kind.“
als „Bedürfnis des Menschen“ im Theater doch „Freiraum für UnbeApropos Vorfreude: Die Chance der Zusammenarbeit mit bekannquemeres, das auch stattfinden muss“, zu geben habe: „Auch wenn
ten, ausgezeichneten Regisseuren, diesen Aspekt heben die beiden
das weltverbesserisch klingen mag, finde ich, dass das Theater
neuen Ensemblemitglieder hervor. Auch wenn im Arbeitsalltag
auch als politisches Medium begriffen werden muss.“
relativ schnell Normalität einziehen soll: „Spaß macht es dann,
Doch selbst wenn die Ansprüche groß sind und die Erwartungen
wenn es sich nicht anfühlt wie hohe Kunst oder etwas Sakrales,
an die eigene Rolle im neuen Haus in hohe Höhen geschraubt
sondern eben ein Beruf, fast ein Handwerk. Wir machen hier Grupwerden mögen – nicht zuletzt wegen der Vorberichterstattung in
pensport, und da spielt es bei Proben oder Vorstellungen keine
manchen Medien: Jetzt geht es den beiden erst einmal darum, das
Rolle, ob wir nun am Burgtheater oder anderswo sind“, meint
Publikum für sich einzunehmen, und zwar mit ihrem Auftreten auf
Marie-Luise Stockinger.
der Bühne selbst. Marie-Luise Stockinger bringt es auf den Punkt:
Für jemanden, der – wie Martin Vischer – vor Beginn der Schau„Derzeit herrscht so großes Interesse an mir, dass ich mir manchspielausbildung kurz Uniluft in Fächern wie Germanistik, Franzömal denke: Jetzt lasst mich halt erst einmal spielen und zeigen, ob
sisch und Philosophie geschnuppert hat, ist es auf besondere Weise
und was ich kann.“ (Text: Daniel Kalt) s
stimmig, an ein in viele Richtungen offenes Haus zu kommen:
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