Pädagogik•Leben 2-2015 Pädagogik•Leben 2-2015 Wer beschäftigt ist, stört nicht – Schüleraktivierung durch kooperatives Lernen Simone Jungbluth Schüleraktivierung gilt als probates Mittel, Unterrichtsstörungen vorzubeugen. Die Prinzipien des kooperativen Lernens haben sich dabei als Verfahren der Schüleraktivierung gut bewährt: „Unterricht, der gekennzeichnet ist durch den Dreischritt „Einzelarbeit – Kooperation – Vorstellen im Plenum“ fördert durch seine Struktur die mentale Aktivierung aller Schüler und bietet gleichzeitig für Schüler wie für Lehrer die notwendigen Routinen, so dass weniger Störungen auftreten.“ (Brüning 2010, S. 5) Durch die Phase der Kooperation kann darüber hinaus „die Gestaltung von Beziehungen in Lernprozessen zwischen Schülerinnen und Schülern“ (Koch/Köker 2015, S. 40) berücksichtigt werden, was ebenfalls hilft, Störungen zu verringern. Im Folgenden wird eine Unterrichtseinheit zum Gegenstand „Märchen“ (durchgeführt in einer 5. Jahrgangsstufe) beschrieben, die sich weitgehend an den Prinzipien des kooperativen Lernens orientierte, um neben dem Training fachlicher Kompetenzen auch eine möglichst durchgängige kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Die Einheit umfasste insgesamt acht Unterrichtsstunden, zwei davon Doppelstunden. 1. Lerntempoduett: Märchen kennenlernen und nacherzählen In einem ersten Schritt sollte sich jeder Lernende in Stillarbeit ein ihm bislang unbekanntes Märchen mit dem Ziel erarbeiten, dieses möglichst anschaulich und spannend nachzuerzählen. Nach dem Abschluss der Stillarbeit trafen die Lernenden an einer „Bushaltestelle“ Lernpartner, die ihre Stillarbeit im gleichen Zeitraum abgeschlossen hatten. Die Lernpartner erzählten sich gegenseitig ihre Märchen nach und vertieften ihre Textkenntnis durch weiterführende Arbeitsaufträge. 26 2. Placemat: Märchenmerkmale erarbeiten Je vier Schülerinnen und Schüler fanden sich an einem Tisch zusammen, auf dem ein großer Bogen Papier (DIN A3) als „Platzdeckchen“ lag. Auf diesem notierten die Lernenden zunächst in den Randbereichen die Merkmale, die ihnen bei der Erarbeitung ihres Märchentextes als typisch für dieses Genre aufgefallen waren. Nachdem die Schülerinnen und Schüler die Notizen der anderen gesichtet hatten, diskutierten sie in der Gruppe die genannten Merkmale und fixierten im Zentrum des Papierbogens eine gemeinsame Liste mit Merkmalen, auf die sie sich in der Gruppe einigen konnten. 3. Gruppenpuzzle: Märchenmerkmale untersuchen In dieser Arbeitsphase ging es darum, anhand der zuvor erarbeiteten Merkmale moderne Märchen bzw. Märchenparodien zu untersuchen. Weisen diese auch die genannten Merkmale auf? Werden diese vielleicht variiert oder auf eine besondere Form verändert? Erarbeitung und Austausch der Ergebnisse erfolgten in Form eines Gruppenpuzzles, wodurch eine größere Anzahl von Texten bearbeitet werden konnte und die Lernenden zudem mit mehrfach wechselnden Lernpartnerinnen und -partnern kooperieren mussten. 4. Graffiti: Ideen für eigene Märchen sammeln Die Schülerinnen und Schüler notierten in einem ersten Teilschritt zu wesentlichen Märchenmerkmalen konkrete Umsetzungsideen. In einem zweiten Schritt zog jede und jeder Lernende aus den erarbeiteten Kartenstapeln jeweils eine Karte und erhielt so ein Set an Vorgaben, aus denen sie oder er ein eigenes Märchen gestalten musste. 5. Runder Tisch: Eigene Märchen beurteilen und überarbeiten Die selbst verfassten Märchen wurden in Tischgruppen einer arbeitsteiligen Beurteilung anhand vorgegebener Kriterien unterzogen: Wurden die gezogenen Kärtchen alle verarbeitet? Überzeugte die erzählte Handlung? Passte die Überschrift? Auf der Grundlage der Rückmeldungen durch die Mitschülerinnen und Mitschüler erfolgte dann eine Überarbeitung der eigenen Märchentexte. Fazit: Gelingensbedingungen für kooperatives Lernen Um die angestrebte Aktivierung zu erreichen, war es von zentraler Bedeutung, dass sich alle Schülerinnen und Schüler bei jedem Lernschritt zunächst in Einzelarbeit mit dem Lerngegenstand auseinandersetzten. Dabei war wichtig, die Lernenden vor leistbare und zugleich herausfordernde Aufgaben zu stellen. Ferner galt es, Leerläufe (ggf. durch Zusatzaufgaben) zu vermeiden. Da der Zufall (z. B. per Los) darüber entschied, wer am Ende eines jeden Arbeitsschrittes die Ergebnisse im Plenum vorstellen würde, erhöhte sich das Gefühl der Verbindlichkeit des eigenen Tuns. Schließlich war es hilfreich, den Lernprozess und die eingesetzten Verfahren gemeinsam mit den Lernenden zu reflektieren und ggf. zu modifizieren. Unabdingbare Voraussetzung war allerdings, im Vorfeld elementare Verhaltensregeln und Rituale zumal für die kooperativen Phasen (Flüsterabstand 15 cm, Flüsterprobe am Kehlkopf, Gesprächsregeln für die Gruppenarbeit) eingeübt zu haben. Nur so konnte das kooperative Lernen eine für Lehrende und Lernende angenehme Lernatmosphäre schaffen. Die Arbeitsblätter für die beschriebene Unterrichtseinheit können online abgerufen werden. Simone Jungbluth, Nordpfalz-Gymnasium in Kirchheimbolanden und Beraterin für Unterrichtsentwicklung Deutsch, PL Kontakt: [email protected] Literatur: Brüning, L.: Störungsfrei unterrichten. Klassenmanagement als Basis erfolgreicher Lehr- und Lernprozesse. In: Praxis Schule 4, 2010. S. 4-8. Koch, B., Köker, A.: Weniger Unterrichtsstörungen durch Kooperatives Lernen? Gelingensbedingungen für den differenzierenden Unterricht in Gruppen. In: Friedrich Jahresheft 2015. S. 40-42. FORTBILDUNGSANGEBOTE UND INFORMATIONEN Die aus dem Projekt „Lernen in Vielfalt“ entstandenen Fortbildungs- und Beratungsangebote des PL zum Umgang mit Heterogenität – darunter Schüleraktivierung – finden Sie mit Kontaktdaten auf S. 42, eine ausführliche Beschreibung der Grundprinzipien des kooperativen Lernens sowie einiger kooperativer Lernformen unter: http://lernen-in-vielfalt.bildung-rp.de/materialien/aktivieren.html. 27
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