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DAS MAGAZIN FÜR VOITHIANER
Report
#2 | 2015
techni k
innovation
technologie
engineering
wachstum
big data
ve rn e tzung
Fokus Technik und Technologie
Chancen von
morgen ergreifen
Die Chief Technology Officers der Konzernbereiche
Voith ­Hydro, Voith ­Paper und V
­ oith T
­ urbo diskutieren
über die Themen, die die Zukunft von Voith nachhaltig
prägen werden: Dr. Norbert Riedel, Frank Opletal und
Dr. Jerry Mackel (von links).
Impressum
Herausgeber:
Voith GmbH
Konzern-Kommunikation
St. Pöltener Straße 43
89522 Heidenheim, Deutschland
www.voith.com
Verantwortlich:
Lars A. Rosumek
Chefredaktion:
Markus Woehl, Kristine Adams
Kontakt zur Redaktion:
Telefon: +49 7321 37-2228
Telefax: +49 7321 37-7107
E-Mail: [email protected]
Redaktionelle Betreuung:
Frank Burger
In Zusammenarbeit mit:
Buck et Baumgärtel, Ulm, Deutschland
G2 Printmedienmanufaktur GmbH,
Grafing b. München, Deutschland
Druck:
C. Maurer Druck und Verlag GmbH & Co. KG,
Geislingen an der Steige, Deutschland
Bildnachweise:
Jan Walford: Titel, S. 12–21;
Dawin Meckel: S. 3, S. 11;
Mit freundlicher Genehmigung des APA/Kruppa: S. 7;
Shutterstock: S. 32, 38–39;
Antonio Carreiro: S. 33;
Henry Brink: S. 34;
Wolfgang Geyer: S. 37;
Voith: sonstiges Bildmaterial
Copyright:
Nachdruck und Vervielfältigung von B
­ eiträgen und Bildern
nur nach v­ orheriger ­Genehmigung durch die Voith GmbH.
Papier:
Das Recyclingpapier Respecta Silk 60 ist nach dem internationalen
FSC®-Standard hergestellt. Der Zellstoff wurde anteilig aus zertifizierten,
also verantwortungsvoll bewirtschafteten Waldflächen hergestellt.
Dabei wird u. a. sichergestellt, dass bei Entnahme von Holzprodukten
die Artenvielfalt und die ökologischen Abläufe des Waldes erhalten
bleiben. Das Papier wurde auf einer Voith-Papiermaschine hergestellt.
Voith Report erscheint in Deutsch, Englisch, ­
Portugiesisch und Chinesisch.
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7 | report 2/2015
kompensiert
Id-Nr. 1547681
www.bvdm-online.de
editorial
Liebe Voithianer,
Leidenschaft für Technik, unbändiger Erfindergeist und der
Wille zur Perfektion – auf diesen wesentlichen Eigenschaften
gründet der Erfolg von Voith. Der Fokus dieser Ausgabe des
Voith Report dreht sich daher rund um die Themen Technik
und Technologie – vor allem um die Frage, welche Ziele die
einzelnen Konzernbereiche ins Auge gefasst haben. Darüber
diskutieren in einem Interview die Chief Technology Officers
von Voith H
­ ydro, Voith P
­ aper und V
­ oith ­Turbo.
Die Rubrik Einblick berichtet ebenfalls über eine Geschichte, in der es um technische Herausforderungen geht: Voith
Engineering Services entwickelt Fahrzeuge für eine Straßenbahnlinie in Taiwan, die bislang nur in den Köpfen der Planer existiert.
Unter Voith 150+ erfahren Sie, welche Fortschritte das
­kon­zernweite Erfolgsprogramm gemacht hat, beispiels­wei­
se bei der Implementierung der Shared Services bei HR,
Accounting und Purchasing – dazu nimmt C
­ hristian ­Nykiel,
Head of Global Business Services, in einem Interview Stellung. In der Rubrik Vor Ort können Sie in den Alltag e
­ ines
Bauleiters von Voith H
­ ydro in Brasilien eintauchen, die
Meilensteine zeichnen die Entwicklung der von Voith er­
­
fun­
denen Pressmantel-Technologie QualiFlex für Papier­
maschinen nach.
Den Abschluss des Magazins bildet diesmal eine Liebes­
erklärung: Mert Özenç von ­Voith ­Turbo in Ankara erzählt,
­warum die türkische Hauptstadt keinen mehr loslässt, der
einmal dort war.
Mein Team und ich wünschen Ihnen eine interessante
Lektüre.
Ihr
Lars A. Rosumek
Senior Vice President Corporate Communications
report 2/2015 | 3
16
14
Inhalt
22
FOKUS
12Interview mit ­Hubert Lienhard
14 Chancen von morgen ergreifen
Immer einen Schritt
vorausdenken
16
Heidenheim Industrie 4.0, Entwicklungssynergien und Herausforderungen der Zukunft: Interview mit den Chief Technology Officers
von Voith H
­ ydro, Voith P
­ aper und V
­ oith T
­ urbo.
02 IMPRESSUM
03 EDITORIAL
06 NOTIZEN
4 | report 2/2015
34
38
08
Vor ort
EINBLICK
22Mobilität für
die Zukunft
Chemnitz Voith
Engineering Services
entwickelt eine Nieder­
flurstraßenbahn für
Taiwan.
23 LERNEN AUS DEM
DIALOG
Heidenheim Was kön-
nen wir noch besser
machen? Das hat V
­ oith
­Turbo seine Geschäftspartner gefragt.
24Deep-DiveMeetings
abgeschlossen
WELTWEIT Bei den
Deep-Dive-Meetings
wurde das lokale
Management über die
neuen Strukturen und
Prozesse unter
Excellence@Voith
informiert.
32
26 Schritt für
Schritt:
IMPLEMENTIERUNG
DER VOITH GLOBAL
BUSINESS SERVICES
Weltweit Christian
30Ein echtes
Multitalent
Meilensteine
36 Trocknet und
hält dicht
Izmit/Rouen Der Rol-
Weltweit Voith-Basis-
lenschneider VariFlex
verbessert die Leistung
zweier Papiermaschinen.
technologien: Der
QualiFlex-Pressmantel
von Voith P
­ aper.
Nykiel im Interview.
28Neue Geschäftsmodelle
entwickeln
Weltweit Ulrich
Begemann, Leiter
New Technologies,
im Interview zu
Industrie 4.0.
32AutomotiveKOMPETENZ
überzeugt
Betim Premiere für Voith
­Industrial ­Services: Der
Konzernbereich erhält
den ersten Auftrag von
Fiat Brasilien.
33Familiäre
Verhältnisse
Fernandópolis Eric
Junior, Bauleiter bei
Voith ­Hydro, stellt seinen Arbeitsalltag vor.
37Voith setzt den
Standard
Rutesheim/Hannover
Glänzender Auftritt auf
der Hannover Messe für
die Servopumpe und
den Servoantrieb CLPD.
PANORAMA
38Die entspannte
Metropole
Ankara Die türkische
Hauptstadt umgarnt ihre
Besucher.
34Vom Mittelmeer
bis zum Kap
Witfield ­Voith ­Turbo
gründet die Voith Africa
POG und bedient damit
einen ganzen Kontinent.
report 2/2015 | 5
NOTIZEN
Jubiläum des Jahrhunderts
Italien Es ist 100 Jahre alt, das Wasserkraftwerk „Alessandro Volta“ im italienischen Castel Madama, das erstmals
1915 ans Netz ging und noch immer Strom produziert. Nun
wird es Zeit für eine Modernisierung – eine Aufgabe für Voith
­Hydro. Im Auftrag des Betreibers ACEA S.p.A. liefert das
Unternehmen die komplette Ausstattung für zwei Einheiten
mit 4,5 beziehungsweise 2,7 Megawatt. Sie umfasst Francis-­
Spiralturbinen, Generatoren, die zugehörigen Regler, das Automationssystem und die Anlagenperipherie.
Ebenfalls aus Italien hat Voith den Zuschlag für die Sanierung zweier weiterer Wasserkraftwerke erhalten, die bereits in
den frühen Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts den
Betrieb aufnahmen und seither zuverlässig Strom lieferten.
Insgesamt haben die drei Projekte, die bis Ende 2016 abgeschlossen sein sollen, einen Auftragswert von rund 16 Millionen Euro. Die Modernisierungsmaßnahmen werden dem
italienischen Stromnetz für viele Jahrzehnte eine Kapazität
von 13 Megawatt erneuerbarer Energie sichern.
Den Löwenanteil liefern die beiden Anlagen, die Voith ­Hydro
für BKW Italia S.p.A. modernisiert: die Kraftwerke Pompegnino in der Provinz Brescia und Pont St. Martin in der Provinz
Aosta. Im Kraftwerk Pompegnino wird Voith die zwei jeweils
1,1 Megawatt leistenden vertikalen Kaplan-Turbinen überholen, von denen die erste bereits 1927 eingebaut wurde.
Außerdem wird der Wasserkraftspezialist neue Generatoren,
Hydraulikregler, das Automationssystem und die elektrische
Anlagenperipherie liefern.
Im Kraftwerk Pont St. Martin wird Voith die vier horizontalen Francis-Turbinen mit insgesamt 2,5 Megawatt Leistung
ersetzen, die seit 1932 in Betrieb sind – an ihrer Stelle werden künftig eine vertikale Kaplan-Turbine mit sieben Flügeln
und 3 Megawatt Leistung sowie eine horizontale FrancisTurbine mit 600 Kilowatt Leistung arbeiten. Zusätzlich zu
den Tur­binen liefert Voith Generatoren, Hydraulikregler, das
Automationssystem und die elektrische Anlagenperipherie. //
Seit genau 100 Jahren liegt das Wasserkraftwerk „Alessandro Volta“ eingebettet in die Hügel der italienischen Region Latium.
Zeit für eine Modernisierung, die Voith H
­ ydro übernimmt.
6 | report 2/2015
BDI-Präsident Ulrich Grillo, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der indische Ministerpräsident Narendra Modi und
Voith-CEO und APA-Vorsitzender ­Hubert Lienhard auf dem Indo-German Business Summit auf der Hannover Messe.
Perspektive Partnerschaft
Hannover Ein Gipfeltreffen zur Eröffnung: Am ersten Tag
der diesjährigen Hannover Messe ging der Indo-German
Business Summit über die Bühne, der vom Asien-PazifikAusschuss der deutschen Wirtschaft (APA), vom indischen
Industrieverband CII und von der Hannover Messe organisiert wird. An der Veranstaltung nahmen Vertreter aus Politik und Wirtschaft teil, darunter Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel, der indische Ministerpräsident Narendra Modi, eine
­Delegation von 400 Unternehmern aus Indien und Voith-CEO
­Hubert ­­Lienhard als Vorsitzender des APA.
Das Treffen, so ­Lienhard, sei ein wichtiges Signal der Bereitschaft beider Länder, wirtschaftlich aufeinander zuzugehen. Der APA-Vorsitzende sagte: „Die deutsche Wirtschaft ist
bereit. Wenn Indien wächst, wachsen wir mit und investieren.
Aber die Voraussetzungen müssen stimmen. Indien und seine
neue Regierung müssen die Welt überzeugen, dass es jetzt
wirklich gelingt, nachhaltig zu wachsen.“
Dass die indische Konjunktur boomt, steht außer Frage:
Die asiatische Entwicklungsbank ADB erwartet 2015 ein Wirtschaftswachstum von 7,8 Prozent, im kommenden Jahr sogar von 8,2 Prozent. Gleichzeitig treibt die Regierung grundlegende Reformen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
voran, die auch der APA begrüßt. Dazu zählen der Ausbau
der Infrastruktur, der Abbau von Bürokratie und Zollschranken sowie die Beseitigung der Korruption. //
Kleines Land, groSSe Leistung
Vianden Voith ­Hydro hat den Auftrag
erhalten, vier Motorgeneratoren des
Pumpspeicherkraftwerks Vianden in
Luxemburg zu modernisieren. Das Projekt umfasst die Auslegung, Berechnung, Konstruktion, Lieferung und Montage von vier Rotoren der horizontalen
Pumpspeichersätze. Ziel der Arbeiten ist
es, die hochflexiblen Maschinen der Anlage weiterhin sicher und stabil zu betreiben. Die Anlage, die unmittelbar an
der Grenze zu Deutschland liegt, speist
direkt ins deutsche Stromnetz ein und
kann so als anpassungsfähiger Stromspeicher zur Netzregulierung im Rahmen der Energiewende beitragen.
Vianden zählt zu den größten Pumpspeicherkraftwerken Europas. Es ging 1964
in Betrieb und verfügt nach zwei Erweiterungen inzwischen über eine Generatorleistung von 1.495 Megavolt­ampere,
eine Turbinenleistung von 1.290 Megawatt und eine gesamte installierte Pumpenleistung von 1.045 Megawatt. //
report 2/2015 | 7
NOTIZEN
Mit zwei Voith Linear Jets fährt der Katamaran über 30 Knoten schnell.
Volle Fahrt voraus
GroSSbritannien V
­ oith T
­urbo ist
der Einstieg in den Markt der Antriebssysteme für schnelle Schiffe gelungen:
Das erste Schiff, das vom neuen Voith
Linear Jet angetrieben wird, hat bei
seiner See-Erprobung die Erwartungen des walisischen Eigners Turbine
Transfers Ltd. bei weitem übertroffen.
Der 21 Meter lange Service-Katamaran mit zwei Voith ­Linear Jets erreichte
Ende 2014 während mehrerer Testfahrten vor der Küste der südenglischen
8 | report 2/2015
Isle of Wight eine Geschwindigkeit von
über 30 Knoten – deutlich mehr als erhofft. Ein nahezu identisches Schwesterschiff mit Waterjet-Antrieb kommt
nur auf 26,5 Knoten.
Der Voith Linear Jet verbindet die
Vorteile herkömmlicher Propeller mit
den besten Eigenschaften konventioneller Waterjets. Diese Kombination macht
den wartungsarmen Antrieb zur idealen Lösung für Schiffe mit gemischtem
Einsatzprofil und Geschwindigkeiten bis
40 Knoten, beispielsweise Schnellfähren, Yachten, Arbeitsschiffe für die Offshore-Industrie sowie Patrouillenboote
der Küstenwache.
Der jüngst erprobte Katamaran
wird Servicetechniker zu OffshoreWindparks bringen und ihnen beim Anlegen an den Windturbinen ein sicheres
Umsteigen ermöglichen. //
Notizen
Ausgezeichneter Gedanke
Appleton Don Carpenter, Projektierungsingenieur bei
Voith P
­ aper in Appleton, USA, hat den Jasper Mardon
­M emorial Prize der Technical Association of the Pulp &
­Paper Industry (TAPPI) in Nordamerika gewonnen. Damit
wurde der beste Fachartikel des Jahres aus dem Bereich
der Papiertechnologie gewürdigt. Seine Abhandlung beschäftigte sich mit den Themen Sicherheit und Qualität bei
Überführlösungen in Papiermaschinen. Carpenter wurde der
Preis Ende April im Rahmen der P
­ aperCon in Atlanta verliehen, der weltweit größten Messe zur Papiertechnologie.
Er arbeitet seit über 20 Jahren als Projektierungsingenieur bei Voith ­Paper und verantwortete Umbauten der Pressenund Trockenpartie, des Rollenschneiders sowie Projekte im
Neuanlagengeschäft, darunter auch komplette Maschinen. //
Preisträger Don Carpenter (Mitte) mit den TAPPI-Offiziellen
Larry Montague (links) und Chris Luettgen.
Herzlich willkommen
Mitarbeiter von ­Voith T
­ urbo vor dem neuen KTX II: Rex Kwak, R. K. Lee und Martin Wawra (von links).
Seoul Ehrung für Voith: Martin Wawra, Präsident Asia Pacific
des ­Voith ­Turbo Geschäftsbereichs Rail, durfte Ende März als
einziger ausländischer Gast an einer Testfahrt des südkoreanischen Hochgeschwindigkeitszuges KTX II teilnehmen. Für
22 neue Zugverbände à zehn Wagen liefert Voith Radsatzgetriebe, Frontmodule, automatische Kupplungen und Gelenkwellen. Anlass der Veranstaltung war die Einweihung der neuen Strecke KTX II Honan Line, die seit dem 2. April Südkoreas
Hauptstadt Seoul mit dem Südwesten des Landes verbindet.
Bei dem Test, zu dem das staatliche Eisenbahnunternehmen
Korail geladen hatte, benötigte der Zug für die rund 180 Kilometer zwischen Osong und Sonjung inklusive zweier Stopps
nur eine Stunde. Besonders beeindruckend waren dabei der
Komfort und die Ruhe an Bord – trotz der Höchstgeschwindigkeit von 305 Kilometern pro Stunde. //
report 2/2015 | 9
NOTIZEN
Leistung wird belohnt
Alles unter Kontrolle: ein Voith-Mitarbeiter im Volvo-Werk Zhangjiakou.
Neue
Aufträge
aus Polen
Zielona Góra/Bolechowo Voith ­­Industrial ­Services
hat zwei neue Aufträge aus Polen erhalten. Der erste
kommt von Lumel S.A., dem größten polnischen Hersteller von Mess- und Regelgeräten der Industrieautomatik
und von Präzisionsdruckgussteilen. In der Fabrik in Zielona Góra sind 20 Voith Mitarbeiter seit dem 1. ­April für die
Produktionsinstandhaltung verantwortlich. Der Vertrag
läuft zunächst über vier Jahre. Für drei Jahre hat sich
Solaris Bus & Coach die Dienste von Voith gesichert. In
Bolechewo, wo das Hauptwerk des polnischen Marktführers für Stadtbusse steht, übernehmen elf Mitarbeiter
das technische Facility Management, Teile der Produktionsinstandhaltung und das Toolmanagement. //
10 | report 2/2015
Shanghai Volvo hat Voith I­ndustrial
Services in Shanghai mit einer neu­
en Aufgabe betraut: Im Motorenwerk des Automobilherstellers im
chinesischen Zhangjiakou ist der
Dienstleister bis November dieses
Jahres zuständig für die Anlageninstallation in der Motorblock- und
Zylinderkopf-Fertigungslinie.
Dieser Auftrag erweitert und vertieft die lange Kooperation zwischen
Voith und Volvo in China. Sie begann im
August 2012 mit einzelnen Arbeiten im
Bereich des technischen Facility Managements für die Fertigung in Chengdu, im Oktober 2014 übernahm Voith
die Instandhaltung im Werk Daqing.
Der Lohn für die herausragende Leistung der Mitarbeiter: Im vergangenen
Jahr gewann Voith den Volvo Quality
Excellence Award. //
Saubere
Performance
Ma’anshan Hohe Papierqualität, geringer Energieverbrauch: Das sind die wesentlichen Vorzüge der Stoffaufbereitungslinien, die Voith beim Papierhersteller Anhui Shanying ­Paper Industry im chinesischen Ma’anshan in Betrieb
genommen hat. Das Ziel der Modernisierung war es, den
Energieverbrauch der Produktionslinien zu reduzieren und
gleichzeitig eine höhere Papierqualität herzustellen. Beide
Linien arbeiten mit der einzigartigen Voith-Technologie zum
Handling des anfallenden Papierschlamms und von Rejekten wie Kunststoff- oder Metallteilen. Dies führt zu einem
geringeren Energieverbrauch und höherer Effizienz. Die Leistung der Stoffaufbereitungslinien für die PM 5 und PM 6
übertrifft die Erwartungen des Betreibers und die Anstrengungen von Voith und Shanying P
­ aper zahlen sich somit
aus. Das Unternehmen ist einer der größten Produzenten
von Wellpappe, Karton und Faltschachteln des Landes. //
Notizen
Voithianer helfen Nepal
Viele Helfer packten mit an: Die Voith-Auszubildenden sortierten und verluden die Sachspenden für den Transport.
HEIDENHEIM/DHADING BESI Nach dem schweren ErdbeHerwig Jantschik, der Sozialberater im betrieblichen Gesundben am 25. April in Nepal haben sich zahlreiche Voith-Mitarheitsmanagement bei Voith in Heidenheim ist und sich auch
privat für ein Kinderdorf in Nepal engagiert. Um sicherzugebeiter in Deutschland unter dem Leitspruch „Voithianer helfen
hen, dass die Spenden dort ankommen, wo sie besonders
Nepal“ an einer Spendenaktion beteiligt.
Die Mitarbeiter spendeten beim Mittagessen in der Kantidringend benötigt werden, reiste Pawan Dhakal, Sales & Marne in Heidenheim durch einen Aufpreis Geld oder verschenkketing Manager bei Voith ­Hydro Heidenheim, gemeinsam mit
ten bei einer Sammelaktion Decken. Außerdem wurde ein
der Ehefrau von Herwig Jantschik, Petra Pachner, in das
Benefizkonzert organisiert, bei einem Spiel des Zweitliga­Katastrophengebiet. //
Fußballvereins 1. FC Heidenheim wurden Spenden gesammelt und Fanartikel des Fußballclubs an die Mitarbeiter
versteigert.
Um die Sachspenden und Hilfsgüter sicher in die Region Dhading nordöstlich von Kathmandu verschicken zu
können, packten viele Unterstützer tatkräftig an. So auch die Voith-Auszubildenden: Sie sortierten und verluden die
gespendeten Verbandsmaterialien und
Decken für den Transport.
„Wir konnten durch die Aktion den
Menschen vor Ort helfen und ihnen Hoffnung schenken“, sagt Voith-Mitarbeiter
Hilfe vor Ort: Pawan Dhakal von Voith H
­ ydro bei der Verteilung der Hilfsgüter.
report 2/2015 | 11
FOKUS
Interview mit
­Hubert Lienhard
­ ubert Lienhard, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung der Voith GmbH,
H
zieht nach der ersten Hälfte des Geschäftsjahres ein Resümee.
Herr Lienhard, neun Monate des
laufenden Geschäftsjahres 2014/15
sind vorbei. Wo steht der Konzern
in diesen Tagen? Wie läuft das
Geschäft?
Zum Halbjahr konnten wir feststellen, dass sich die Lage bei Voith stabilisiert hat. Leider fehlt uns nach wie
vor Rücken­wind aus unseren Märkten
und die Gesamtentwicklung ist verhalten. Trotzdem haben wir es in den ersten sechs Monaten geschafft, den Umsatz zu steigern. Der Auftragseingang
lag zum Halbjahr unter Vorjahr. Besonders erfreulich: Im operativen Ergebnis
haben wir uns gegenüber dem Vorjahr
deutlich verbessert. Das zeigt vor allem
eines: Die eingeleiteten Restrukturierungs- und Verbesserungsprogramme
im Rahmen von Voith 150+ beginnen
zu greifen und zeigen Wirkung.
Aber Voith schreibt rote Zahlen?
Es ist richtig, dass der Jahresüberschuss zum Halbjahr negativ war.
Dies war aber so geplant und wir hatten es so auch angekündigt. Grund
dafür ist, dass wir die Kosten für die
gesamten Restrukturierungsmaßnahmen im Rahmen von Voith 150+ und
12 | report 2/2015
bei Voith ­Paper in diesem Jahr in die
Bilanz nehmen. Wir haben immer gesagt: Wir möchten den nötigen Abbau
fair und mit Augenmaß durchführen.
Dies kostet Geld, und das wird jetzt in
der B
­ ilanz sichtbar.
Wichtig ist aber: Operativ, d. h. im
Tages­geschäft, schreiben wir deutlich
schwarze Zahlen. Wir verdienen operativ wieder mehr Geld als im Vorjahr. Das
ist wichtig. Wir sind auf dem r­ichtigen
Weg, haben aber noch eine Strecke
zu gehen.
Geht es nun so weiter? Was kommt
in den nächsten Monaten auf uns zu?
Nach außen: Es geht in den nächsten Monaten darum, die Entwicklung
weiter zu stabilisieren. Die Umsatzentwicklung zeigt leicht nach oben. Diesen Trend sollten wir nutzen und alles
tun, um das Geschäft weiter anzukurbeln. Unsere Märkte sind nach wie
vor nicht einfach. Aber gerade deshalb müssen wir als Marktführer, der
wir in vielen unserer Branchen ja sind,
jetzt zu unseren Kunden gehen und
um jeden Auftrag kämpfen. Nach innen: Unsere Initiativen beginnen zu
wirken. Wir werden hier mit aller Kraft
weiterarbeiten. Bei Voith 150+ ist das
Excellence Programm nun in die entscheidende Phase der Umsetzung gekommen. Wir werden hart daran arbeiten, alle Projekte im Rahmen des
Konzernumbaus nach Plan abzuarbeiten. Je schneller wir hier vorankommen, desto eher werden wir die
Wirkungen auch in der Bilanz sehen.
Manches hat uns im Halbjahr schon
geholfen.
Sie haben auf den Regional Meetings 2015 die strategische Marschrichtung zur Industrie 4.0 vorgegeben. Wie kommen wir voran und was
sind die nächsten Schritte?
Wir arbeiten an dem Thema. Die Geschäftsleitung hat regelmäßig Meetings, in denen es ausschließlich um
den weiteren Weg von Voith ins digitale Zeitalter geht. Hier spielt nicht nur
Schnelligkeit eine Rolle, sondern vor
allem auch Sorgfalt. Ich sehe uns hier
als ein Unternehmen, das am Anfang
eines Weges steht. Heute gibt es in
allen Konzernbereichen vielversprechende Initiativen und Projekte. Wir
schauen uns diese alle sehr genau an,
lassen uns von den Verantwortlichen
FOKUS
berichten. Gleichzeitig überlegen wir:
Wie sieht unser weiterer Weg ins Internet der Dinge aus? Es gibt Planungen
und Überlegungen, die in den nächsten Monaten konkretisiert und dann
umgesetzt werden.
Momentan ist im Voith-Konzern sehr
viel in Bewegung. Sie selbst sagen,
dass wir alle derzeit die größten Veränderungen von Voith in den letzten
30 Jahren bewältigen. Was sagen
Sie den Mitarbeitern, die das Gefühl haben, dass wir uns zu viel auf
einmal zumuten?
Mir ist völlig klar, dass der eingeleitete Konzernumbau im Rahmen von
Voith 150+ ein enormer Kraftakt ist. Ich
weiß, dass den Voithianern derzeit eine
Menge abverlangt wird. Ich bin aber zu
100 Prozent überzeugt, dass wir damit zur richtigen Zeit das Richtige tun.
Unser Ziel ist es, die Maßnahmen jetzt
konzentriert, fokussiert und vor allem
zügig umzusetzen. Jeder Schritt bringt
uns dem Erfolg näher und bei vielen
Themen ist unser Ziel schon in Sichtweite. Bei anderen wird es noch einiger
Anstrengung brauchen, aber ich weiß,
dass wir gemeinsam schaffen, was wir
uns vorgenommen haben: Wir werden
Voith auf einen profitablen Wachstumspfad zurückführen. Die Ergebnisse der
letzten Monate zeigen ja, dass die
Maßnahmen zu greifen beginnen. Ich
bin stolz auf unsere Mannschaft, die
dies alles stemmt und die vielen Veränderungen mitgestaltet. //
Kennzahlen der Halbjahresbilanz 2014/15
(Veränderungen gegenüber dem bereinigten Vorjahreswert)
Umsatz (+5 %)
2,7
Auftragseingang (–13 %)
in Mrd. €
Betriebsergebnis (+12 %)
137
in Mio. €
2,4
in Mrd. €
Mitarbeiter (–1 %)
38.907
report 2/2015 | 13
FOKUS
Permanente Weiterentwicklung: Das erfolg­
reiche Voith-Schlepperkonzept RAVE Tug von
2012, das hier im Versuchstank getestet wird,
kommt nun auch in Verbindung mit einer neu­
artigen Karussellwinde in den modernsten
Schiffen ihrer Art zum Einsatz.
Chancen von
morgen ergreifen
Voith lebt seit seinen Ursprüngen von der Entwicklung
neuer Techniken und Technologien. Diese Tradition führt
das Unternehmen fort: Voith wird sich künftig wieder stark
auf seine Wurzeln im Bereich Technik, Materialwissenschaft
und Engineering besinnen und zu einem Gestalter der
digitalen Industriefertigung der Zukunft werden.
14 | report 2/2015
FOKUS
report 2/2015 | 15
FOKUS
Immer einen Schritt
vorausdenken
Die vierte industrielle Revolution stellt Voith in Hinblick auf die Weiterentwicklung
bestehender Technologien vor neue Aufgaben und Herausforderungen. Die Chief
Technology Officers der Konzernbereiche Voith ­Hydro, Voith P
­ aper und V
­ oith
­Turbo erläutern, wie Voith den Herausforderungen der Digitalisierung mit der
Anpassung seiner Marktmodelle begegnet und welche Rolle Forschung
und Entwicklung dabei spielt. Dr. Norbert Riedel (VH), Frank Opletal (VP) und
Dr. Jerry Mackel (VT) im Interview.
Welche Rolle spielen Technik und
Technologie aus Ihrer Sicht für das
Unternehmen?
Dr. Norbert Riedel (NR): Voith ist ein
Technologieunternehmen, das auf eine
über 140 Jahre lange Tradition zu­
rück­
blickt. Immer wieder haben wir
es geschafft, uns durch technische
Weiterentwicklungen einen Wett­
bewerbs­vorteil herauszuarbeiten und
ihn in die Anwendung zu bringen.
Dr. Jerry Mackel (JM): Es mag pathetisch klingen, aber für mich sind Engineering und Technologie die Seele von
Voith.
Frank Opletal (FO): Dem kann ich nur
zustimmen: Hier liegen unsere Wurzeln,
die nach wie vor extrem wichtig für uns
sind. Durch effiziente Technik können
wir unseren Kunden einen Mehrwert,
und damit Wettbewerbsvorteile, bieten.
Wo sehen Sie in Ihren Konzernbereichen die größten technologischen
Potenziale für die Zukunft?
FO: Weil wir uns in sehr traditionellen
16 | report 2/2015
Märkten mit bereits sehr ausgereifter
Technik bewegen, müssen wir neu denken und den Trend zur Digitalisierung
für uns nutzen. Konkret arbeiten wir an
intelligenten Zukunftslösungen, bei denen die Komponenten einer Maschine,
bzw. einer Anlage, sukzessive miteinander vernetzt sind und somit die Effizienz und Produktivität erhöht werden:
Wir nennen das Papermaking 4.0.
­­
Mit
­Papermaking 4.0 konzentrieren wir uns
auf Lösungen und Prozesse, die unseren Kunden einen klaren Mehrwert liefern, und leisten damit unseren Beitrag
zu einer wettbewerbs- und zukunftsfähigen Papierindustrie.
NR: Das Produkt unserer Kunden ist
die Elektrizität, der Bedarf nimmt immer
mehr zu – weltweit wird bald jeder ein
Handy, einen Kühlschrank, einen Computer haben. Somit wird die Nachfrage
unserer Kunden in Zukunft weiter steigen. Idealerweise decken sie diesen
Bedarf mit einem Wasserkraftwerk, das
Strom aus regenerativer, klima­freund­
licher Energie erzeugt.
JM: Als Lieferant von Komponenten
und Teilesystemen müssen wir ein sehr
hohes Maß an Applikationsverständnis
haben und die Prozesse unserer Kunden kennen. Industrie 4.0 hat deshalb
eine hohe Bedeutung für uns, da hier
die Schnittstellen liegen, um sich mit
dem Kunden zu vernetzen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in
Ihren Konzernbereichen?
JM: Bei V
­ oith T
­ urbo arbeiten wir schon
relativ lange an der Aufwertung der
Intelligenz unserer Produkte mittels
Sensorik, Diagnostik und Tele­
metrie.
Nehmen Sie beispielsweise DIWA
SmartNet: Das System übermittelt die
Betriebs- und Wartungsdaten von Busgetrieben regelmäßig per Mobil­funk an
einen zentralen OPRA-­Server. Dieser
wertet die Daten aus und zeigt Wartungsintervalle an. Die Softwareplattform OPRA wird übrigens auch zum
Flottenmanagement bei Schienenfahrzeugen und von Betreibern wie der
Deutsche Bahn eingesetzt.
FOKUS
Die Chief Technology Officers der Konzernbereiche Voith ­Hydro, V
­ oith ­Turbo und Voith ­Paper im Interview: Dr. Norbert Riedel,
Dr. Jerry Mackel und Frank Opletal (von links) sprechen über Technik und Technologien bei Voith, die Herausforderungen der
Digitalisierung und welche Rolle der Bereich Forschung und Entwicklung dabei spielt.
Ein weiteres Beispiel sind die Arbeiten
an Big Data-Lösungen, um die großen
Datenmengen, die bei Prüfläufen und
im Betrieb von Regel- und Turbogetrieben anfallen, automatisch auszuwerten
und unseren Kunden die Umsetzung
zustandsorientierter Instandhaltungsstrategien zu ermöglichen.
Wenn ich das so sagen darf: Industrie 4.0 bedeutet für V
­ oith T
­ urbo nicht,
dass wir ein komplett neues Geschäftsmodell entwickeln. Vielmehr geht es
darum, unsere Kernprodukte zu stützen. Ein Beispiel: Heute werden kaum
noch Autos ohne Klimaanlage verkauft.
Bei uns wird sich das ähnlich verhalten:
Zukünftig werden wir nur noch Produkte verkaufen, die umfassende Sensorik inklusive Diagnostik haben und mit
dem 4.0-Umfeld unserer Kunden vernetzbar sind.
Was die Portfolioentwicklung unserer Kernprodukte anbelangt, müssen
wir uns technologisch breiter aufstellen und uns beispielsweise mit Mechatronik oder elektrischen Antrieben
„Wir müssen entsprechende Voraus­
setzungen für Industrie 4.0 schaffen, in­dem
wir uns Know-how frühzeitig s­ ichern.“
Frank Opletal, Chief Technology Officer, Voith Paper
intensiver als bisher auseinandersetzen.
FO: Wir möchten Voith ­Paper noch
kundenorientierter aufstellen und wie
bereits angedeutet sehen wir die größten technologischen Potenziale im
Bereich P
­ apermaking 4.0. Dazu gehen wir das Thema Forschung und
Entwicklung mit einem übergreifenden Fokus an und führen die Forschungsabteilungen von allen drei
Voith ­
Paper-Geschäftsbereichen zusammen. Darüber hinaus haben wir
eine Business Unit unter der Leitung
von Matthew Watts etabliert. Unter dem Motto „Big Steel meets Big
Data“ können wir unsere existierenden Papierherstellungskonzepte aufwerten. Ziel ist die Fokussierung auf
die Kernwertschöpfung unserer Kunden. Hier sehen wir ein großes Potenzial in der stärkeren Verknüpfung und
Vernetzung von Maschinen, Produkten
und Services. Wir haben bisher an Pilotinstallationen gelernt und dadurch
bereits einige, aus der Sicht unserer
Kunden sehr erfolgreiche Produkte
entwickelt. Unsere Konzepte sind so
aufgestellt, dass sie für die beim Kunden installierten Maschinen und Komponenten, die Installed Base, überall
adaptierbar sind.
Sie sind dazu auch mit den Kunden
im Gespräch?
FO: Wir sind im März damit an die Öffentlichkeit gegangen und damit auch
report 2/2015 | 17
FOKUS
„Obwohl die Wasserkraft­
technologie seit über
100 Jahren besteht, gibt
es großes Potenzial für
­weitere Entwicklungen.“
Dr. Norbert Riedel, Chief Technology Officer, Voith ­Hydro
an unsere Kunden herangetreten. Die
Strategie steht und wir haben einen
Zeitplan mit Meilensteinen definiert. Wir
arbeiten unter Hochdruck an der Entwicklung des Portfolios. Ursprünglich
hatten wir einen modularen Ansatz für
die Installed Base angedacht, aber das
Neuanlagengeschäft wird sich sicherlich parallel dazu entwickeln.
Was sind die größten Potenziale bei
Voith ­Hydro?
NR: Obwohl die Wasserkrafttechnologie seit über 100 Jahren besteht, gibt
es Spielraum für weitere Entwicklungen.
Dafür muss ich etwas ausholen: Früher
wurden Wasserkraftwerke für den Dauerbetrieb konzipiert, durch regelmäßige Reparatur und Wartung laufen diese
Maschinen 40 bis 80 Jahre. Insbesondere in der jüngeren Zeit haben sich
die Betriebsanforderungen geändert,
ein Wasserkraftwerk muss viel häufiger innerhalb weniger Minuten Nennlast
bringen, um Energie in das Netz einzuspeisen, oder aber auch abgeschaltet
18 | report 2/2015
werden können. Heute haben wir die
Chance, den Kunden andere Pakete
zur Verfügung zu stellen, um einen zusätzlichen Mehrwert zu generieren. Industrie 4.0 bietet hier große Potenziale.
Wir arbeiten daran, unsere bestehenden Monitoring- und Diagnosesysteme so weiterzuentwickeln, dass die
Maschinen nur dann gewartet werden,
wenn es nötig ist und es zum Betriebskonzept des Kunden passt. Bereits
heute haben wir Online-Verbindungen
zu einzelnen Kraftwerken und sind in
Gesprächen mit weiteren Kunden, die
auch daran interessiert sind. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vernetzung
unserer Produkte und Fertigungen, so
dass wir immer genau wissen, wo und
in welchem Zustand die Teile gerade
sind. Besonders in der effektiven Ansteuerung unserer oft entlegenen Baustellen wird das ein großer Vorteil sein.
Inwiefern wird die Wasserkraft geprägt von den anderen erneuerbaren Energien?
NR: Erneuerbare Energien haben einen sehr großen Einfluss, vor allem auf
Pumpspeicherkraftwerke. Ursprünglich
wurden diese gebaut, um nachts den
Strom von Grundlastkraftwerken abzupumpen, tagsüber wurde das Wasser
zu Spitzenlasten abgelassen und die
erzeugte Energie wieder in das Netz
eingespeist. Im Rahmen der Energiewende übernehmen Pumpspeicherkraftwerke als verlässliche Speicher
eine wichtige Rolle, da sie zu jeder
Tages­zeit innerhalb von 90 Sekunden
fehlende Energie liefern, beispielsweise
wenn ein Windpark wegen Überlast abgeschaltet werden muss. Oder bei Solarspitzen kann mit der überschüssigen
Energie Wasser in das obere Bassin
gepumpt werden, so dass die Energie
zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen werden kann und nicht wirkungslos verpufft. Ansonsten müsste man
ab einer bestimmten Grenze abregeln,
mit intelligenten P
­ umpspeicherwerken
hingegen kann man diese Energie nutzen und eine austarierte Mischung
FOKUS
bereitstellen. Weitere Potenziale sehen
wir bei Voith ­Hydro in der Materialforschung, die immer weitergeht.
FO: Daran anknüpfend kann ich sagen,
dass die Materialforschung bei Voith
Paper, neben dem angesprochenen
­
Thema P
­ apermaking 4.0, ebenfalls eine
wichtige Rolle spielt. Außerdem haben
wir weitere Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte, auf die wir bei den
Neuentwicklungen aufbauen.
Wie gestaltet sich der Prozess für
Neuentwicklungen?
NR: Grundsätzlich haben wir bei Voith
­Hydro zwei parallel laufende Entwicklungsprozesse: einmal die Entwicklung
im Projekt und dann die Entwicklungen,
bei denen es um Innovationen geht.
Zur Erklärung: Für uns ist eigentlich jedes Projekt ein Prototyp, da Fallhöhe,
Wassermenge etc. sich immer unterscheiden. Innovationen, die entwickelt
werden, weil beispielsweise ein neues
Material auf den Markt gekommen ist,
sind schwieriger im Markt unterzubringen. Ein neues Produkt, das wir erstmals in ein Wasserkraftwerk einbauen,
ist aus der Sicht des Kunden auch ein
Risiko. Für unsere Kunden muss ein
Projekt reibungslos laufen, einen Ausfall darf es nicht geben. Aus diesem
Grund durchlaufen Neuerungen einen
sogenannten Stage-Gate-Prozess. Darunter versteht man einen klar durchstrukturierten, standardisierten und
optimierten Prozess zur Entwicklung
von Innovationen und Produkten. Diese führen wir vertrauensbildend nur in
kleinen Schritten in den Markt ein.
Wie viele Mitarbeiter arbeiten bei
Voith ­Hydro an Innovationen?
NR: In der Brunnenmühle in Heidenheim arbeiten rund 150 Leute, viele davon promovierte Ingenieure und
Wissenschaftler. Hier werden Spezialaufgaben gebündelt bearbeitet und wir
bedienen den weltweiten Markt. Darüber hinaus haben wir beispielsweise in
den USA, in Indien, China und Schweden kleinere Einheiten, die den lokalen
Markt betreuen.
Wie ist die Forschung und Entwicklung bei ­Voith ­Turbo aufgestellt?
JM: Der Bereich Zentrale Technik wird
aktuell konsequent auf die neuen Herausforderungen ausgerichtet. Bisher
wurden die technischen Entwicklungen primär von unseren Business Units
vorangetrieben. In Zukunft müssen wir
im Bereich Forschung und Entwicklung stärker zusammenarbeiten, um
gemeinsam unsere Kompetenzen ausbauen und neue Technologien im Bereich Regelungstechnik, Mechatronik
oder elektrische Antriebe erschließen.
Hier wird die „neue“ Zentrale Technik
eine stärkere Rolle spielen.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist, dass wir
uns globaler aufstellen werden und
Die Entwicklung von Technologie für Pumpspeicherkraftwerke spielt bei Voith Hydro eine
wichtige Rolle.
Engineering-Center näher an unseren
Kunden aufbauen, wie das geplante
Engineering-Center in Houston, oder
unsere Zentren in Hyderabad und in
Minhang, die wir konsequent ausbauen
wollen. Die Front Offices, also die Kollegen, die den Kontakt zu den Kunden
halten, sollen stärker in den Innovationsprozess einbezogen werden, weil
vor allem sie uns wertvolle Hinweise
geben, was der Kunde will und braucht.
Die Werterwartung und Wertwahrnehmung unserer Kunden müssen wir bei
Innovationen stärker berücksichtigen:
Ist das ein Produkt, das jemand kaufen
möchte? Stellt es einen Mehrwert dar?
NR: Dazu kommt, dass jeder Markt
und jede Region unterschiedlich sind.
Deshalb ist es wichtig, vor Ort echte
Engineering-Kompetenz zu haben. Wir
möchten für unsere Kunden ein Partner sein, der auf Augenhöhe mit ihnen
spricht und ihre Bedürfnisse und Anforderungen ganz genau versteht. Aus
diesem Grund hat Voith H
­ ydro ein Ausbildungsprogramm entwickelt, bei dem
die Ingenieure vor Ort geschult werden,
so dass sie die Voith-Technologie kennen und beherrschen. Durch die engen
Beziehungen zu diesen Ingenieuren erfahren wir wiederum, was die Kunden
in den lokalen Märkten wollen. Und
manchmal können wir dieses Wissen
auch in anderen Märkten gewinnbringend einsetzen.
JM: Bei ­Voith ­Turbo sind wir in diesem
Bereich auf einem guten Weg, haben
aber noch Entwicklungspotenzial. Wir
haben eine Einheit im Innovationsmanagement, die sich Future Radar nennt.
Diese schaut sich am Markt neue
Trends und Technologien an und prüft,
mit welchen Partnern man zusammenarbeiten könnte. Ähnlich wie bei Voith
­Hydro haben wir festgestellt, dass wir
nur dann erfolgreich sind, wenn unsere
Mitarbeiter mit den lokalen Gegebenheiten unserer Kunden und Märkte vertraut sind.
FO: Bei Voith ­Paper sind wir bereits
sehr lange in den Regionen verwurzelt,
da dies für uns seit jeher die einzige
report 2/2015 | 19
FOKUS
­ apermaking 4.0: Lösungen und Prozesse, die den Voith-Kunden
P
einen klaren Mehrwert bieten.
Möglichkeit ist, die lokalen Märkte zu
bedienen.
Wie kann man sich den Prozess der
Technologieentwicklung bei Voith
­­Paper vorstellen?
FO: Der Prozess ist bei uns dreigeteilt:
Einerseits entwickeln wir im Produktmanagement in der Business Line Projects
konstruktionsgetrieben. Im zweiten Bereich werden von den Entwicklungsgruppen der drei Business Lines vom
Markt gewünschte Produkte in einem
vergleichsweise kurzen Zyklus nach einem strukturierten Stage-Gate-Prozess
erarbeitet, den wir mittels unserer hausinternen Product Management School
zu einem ganzheitlichen Produktlebenszyklusmanagement erweitert haben. Stärker in Richtung zukunftsfähige Innovationen geht die Abteilung New
Business & Research: Dieser Bereich
beschäftigt sich mit neuen Geschäftsmodellen, Fertigungsmethoden, Materialien und Simulationen. Das Team hat
mehr kreative Freiheiten und muss in
20 | report 2/2015
alle Richtungen denken, um langfristig
unsere Technologien weiterentwickeln
zu können, damit wir unseren Kunden
einen echten Mehrwert bieten können. Wir nennen das „Blue Sky“, eine
Art Ideenfabrik, bei der wir alle Einfälle
zu einem bestimmten Thema wertfrei
zulassen, egal ob diese auf den ersten Blick absurd erscheinen oder nicht.
Diese Ideen kanalisieren und sortieren
wir anschließend, um zu entscheiden,
welche wir weiterentwickeln. Durch
die stärkere Digitalisierung werden wir
insbesondere den Bereich Simulation
Frank Opletal erläutert die Dreiteilung des Forschungsbereichs bei Voith P
­ aper.
FOKUS
„Die Werterwartung und Wertwahrnehmung
unserer Kunden müssen wir bei
Innovationen stärker berücksichtigen.“
Dr. Jerry Mackel, Chief Technology Officer, Voith Turbo
erweitern und im Gegenzug weniger
­Pilotversuchsbetrieb haben.
Gibt es in den Konzernbereichen in
der Entwicklung auch parallele Forschungsfelder und findet hier ein
Austausch statt?
NR: Sicherlich gibt es gemeinsame
Forschungsfelder, bleiben wir bei der
von Frank Opletal angesprochenen Simulation, genauer gesagt Strömungssimulation. Diese kommt in allen drei
Konzernbereichen vor: bei Papiermaschinen im Stoffauflauf, bei ­Voith ­Turbo
bei den Schiffsantrieben, und für uns
spielen Strömungen in allen Bereichen eine große Rolle. Da sich diese
Anwendungsgebiete im Detail stark
unterscheiden, beispielsweise im Medium oder Druck, ist der Unterschied
zu groß, um gemeinsam daran zu forschen. Nichtsdestotrotz ist es seit Jahren gängige Praxis, dass sich Kollegen
aus deckungsgleichen Forschungsfeldern wie der Simulation regelmäßig
über Best Practices austauschen.
JM: Darin sehe ich eine der enormen
Stärken von Voith. Wenn wir das richtig angehen, können fruchtbare Synergien zwischen den Konzernbereichen entstehen. Wir müssen es nur
wagen, über unseren Tellerrand hinauszuschauen – wobei die eigentliche
Schwierigkeit darin liegt, zu erkennen,
wo der Tellerrand liegt.
Wie sieht Ihr Ausblick auf die Zukunft aus?
JM: Ich denke, dass der Weiterentwicklung von Technologien keine Grenzen gesetzt sind. Voith ist spitze, was
Engineering und Technologien anbelangt, aber auch der Wettbewerb steht
nicht still. Vor der weltweiten Konkurrenz muss Voith intensiv daran arbeiten,
noch kundenorientierter zu werden und
konsequent den Weg in das Zeitalter
einer digitalisierten Industrie zu gehen.
NR: Wir wissen, dass wir tolle Produkte anbieten. Unser Ziel ist es, neben
dieser Technik die Abwicklung unserer
Projekte weiter zu optimieren.
FO: Beide Aussagen kann ich nur voll
unterschreiben. In erster Linie müssen
wir die entsprechenden Voraussetzungen für Industrie 4.0 schaffen, indem
wir uns Software-Know-how frühzeitig
sichern und beispielsweise Programmierer an Bord holen. Wir stehen in
Konkurrenz zu anderen Unternehmen,
die ebenfalls in diesem Bereich aktiv
sind und werden. //
report 2/2015 | 21
einblick
Mobilität für die Zukunft
Voith Engineering Services entwickelt eine neue Straßenbahn
für Taiwan – Streckenführung, Gleise und Energieversorgung
der Linie existieren bis jetzt nur als Idee und stellen die Tüftler vor
eine Herausforderung.
Eine Straßenbahn entwerfen: Das ist für Voith Engineering
Services nichts Besonderes. Schließlich sind im Chemnitzer
Competence Center für Schienenfahrzeugentwicklung in den
vergangenen Jahren schon einige Fahrzeuge für den europäischen und asiatischen Markt entwickelt worden, das Unternehmen zählt zu den Marktführern.
Aber das neuste Projekt hat es in sich: eine Straßenbahn
für die größte taiwanesische Stadt New Taipei City – wobei
die komplette Infrastruktur dafür erst noch geschaffen werden
muss. „Derzeit gibt es dort weder Gleise noch Brücken oder
Depotanlagen, außerdem muss noch die gesamte Medienund Energieversorgung sichergestellt werden“, sagt Frank
Salzwedel, Executive Vice President Rail bei Voith Engineering Services in Chemnitz.
Die Straßenbahn wird speziell für den lokalen Markt und die
dortigen Anforderungen entwickelt: Die Bahnen der acht Kilometer langen künftigen „Green Mountain Line“ sollen in rund
drei Jahren das Zentrum von New Taipei City mit dem Stadtteil Danhai verbinden. Für die Bereitstellung der Fahrzeuge
ist die Taiwan Rolling Stock Company (TRSC) zuständig, die
Voith mit dem Entwurf beauftragt hat.
Geplant sind Niederflurstraßenbahnen, die sich in fünf Teile gliedern, in beide Richtungen fahren können und insgesamt
Am Computer ist sie schon fertig: die Voith-Straßenbahn für Taiwan.
22 | report 2/2015
jeweils 34,5 Meter lang sind – und eine Lösung für eine
besonders knifflige Herausforderung nötig machen, wie
Salzwedel schildert: „Die Fahrzeuge müssen Kreuzungen
überqueren, auf denen Oberleitungen nur aufwändig angebracht werden können. Daher brauchen sie einen Energiespeicher, mit dem sie ohne Kontakt zur Stromversorgung
auch längere Strecken­ab­schnitte überwinden können. Um
den Energiespeicher zu realisieren, müssen wir auf ein möglichst geringes Gesamtgewicht achten.“ Und in New Taipei
City herrschen oft Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit, die bei
der Klimatisierung der Bahnen berücksichtigt werden wollen.
Und das sind nur einige Details des umfangreichen Projekts. Insgesamt sind die Engineering-Experten zuständig für
Konzept und Design, betreuen die Prototypenphase und die
spätere Inbetriebnahme, kümmern sich um Wartung und Sicherheitsfragen, unterstützen TRSC bei der Fertigungs- und
Fabrikplanung, konstruieren Vorrichtungen für Schweißbaugruppen und integrieren Systemkomponenten. Im aktuellen
Stadium des Projekts geht es um die Fahrzeugkonzepterstellung und die Auswahl von Komponentenlieferanten. Nach
Projektplan wird der erste Prototyp Ende 2016 fertig sein,
die Serienfertigung ist für 2017 geplant. Die ersten Züge der
„Green Mountain Line“ sollen 2018 fahren. //
einblick
Lernen aus dem Dialog
Wie zufrieden sind die Kunden mit den Leistungen und Produkten von
­Voith ­Turbo? Und wie kann das Unternehmen noch besser werden?
Diese Fragen hat der Konzernbereich seinen Geschäftspartnern im
Rahmen einer Kundenzufriedenheitsstudie gestellt.
Die klare Fokussierung auf unsere
Kunden ist einer der Kernpunkte der
Unternehmensstrategie von Voith. Um
deren Bedürfnisse und Herausforderungen gezielt zu vertiefen und die Zufriedenheit mit den Produkten und Leistungen von Voith abzufragen, führt V
­ oith
Turbo seit 1996 regelmäßig groß an­
gelegte Kundenzufriedenheitsstudien
durch. Im Jahr 2014 beteiligten sich
rund 800 Kunden aus allen Geschäftsbereichen und Regionen, die in rund
einstündigen Gesprächen detailliert
Auskunft gaben.
„Parallel zu den Kundeninterviews
haben wir auch unsere eigenen Kollegen nach ihrer Einschätzung gefragt“,
berichtet Dr. Jerry Mackel, der die Studie bei ­Voith ­Turbo begleitet hat und
die Business Units jetzt dabei unterstützt, die gewonnenen Erkenntnisse
in konkrete Aktionen umzuwandeln.
„So konnten wir nicht nur erfahren, welche Werte unseren Kunden besonders
wichtig sind, sondern auch einen Vergleich zwischen Selbst- und Fremdbild
aufstellen.“
Eine wichtige Erkenntnis: Fast alle
Kunden stufen die Qualität und den
Wert der Produkte von Voith als sehr
hoch ein. Die Auftraggeber schätzen
die in den letzten Jahren zunehmende
Selbstständigkeit der regionalen Vertriebsorganisationen und deren räumliche Nähe, durch die sich insbesondere
die Antwortzeit bei technischen Rückfragen merklich verringert hat. „Unsere
Kunden haben uns bestätigt, dass wir
mit unserer neuen Organisation auf dem
richtigen Weg sind. Sie haben uns aber
auch gezeigt, an welchen Stellen wir
noch lernen können, und uns wertvolle
Seit 1996 führt ­Voith ­Turbo regelmäßig groß angelegte Kundenzufriedenheitsstudien
durch. Im Jahr 2014 beteiligten sich daran rund 800 Kunden aus allen Geschäftsbereichen
und Regionen.
Anregungen geliefert, unser Zusammenspiel weiter zu optimieren“, legt Dr.
­Mackel dar. „Unser Ziel ist es jetzt, bei
Voith gemeinsam eine Kultur der Kundenorientierung zu erreichen. Dazu wollen wir beispielsweise die Zulieferkette
unserer Kunden noch detaillierter nachvollziehen, um sie enger mit unseren
Prozessen zu verzahnen. Das ermöglicht uns kundengerechte Lieferzeiten –
ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil.“
Ob Lob oder Kritik: Insgesamt ist
das Feedback ein wichtiger Schlüssel, um die Feinabstimmung innerhalb
des Konzernbereichs weiter zu kalibrieren und dank konkreter Rückmeldung
messbare Verbesserungen zu erreichen.
Nach der Analyse und Evaluation der
Kundenzufriedenheitsstudie haben sich
alle ­Voith T
­ urbo Geschäftseinheiten und
Vertriebsorganisationen im ersten Halbjahr 2015 zu geschäftsbereichsweiten
Workshops getroffen und gemeinsam
ihre individuellen Optimierungsmaßnahmen vorgestellt. Aus einem zuvor entwickelten Maßnahmenkatalog konnten
die Einheiten dabei diejenigen wählen, die für sie angemessen und effektiv sind. „Viele Unternehmen befragen
ihre Kunden, erreichen dann aber nicht
die gewünschten Verbesserungen. Indem jede Einheit ihre eigenen Lösungen definiert hat, konnten wir trotz unterschiedlichster Kundenstrukturen und
verschiedener Organisationen jeden mit
an Bord holen“, erläutert Dr. Mackel.
Und fährt fort: „Unsere Kunden waren
äußerst aufgeschlossen und haben die
Befragungen als eine Möglichkeit gesehen, unsere Zusammenarbeit auch
in Zukunft auszubauen. Das möchten
wir honorieren, indem wir deutliche Verbesserungen erzielen. Unsere obersten
Ziele sind letztendlich die Zufriedenheit
und der Erfolg unserer Kunden.“
Ob die eingeleiteten Maßnahmen
in die richtige Richtung gehen, wird
sich schon bald zeigen: Um den eingeschlagenen Kurs zu prüfen, befragt
­Voith ­Turbo seine Kunden bereits im
kommenden Jahr erneut. //
report 2/2015 | 23
einblick
Voith 150+
Deep-Dive-Meetings
abgeschlossen
Auf den Regional Meetings 2015 wurden rund 1.300 Führungskräfte über den aktuellen
Stand und die nächsten Schritte des konzernweiten Erfolgsprogramms Voith 150+
informiert. In fünf Deep-Dive-Meetings im April und Mai wurde nun das lokale
Management in den Regionen mit standortspezifischen Informationen über die neuen
Strukturen und Prozesse der Voith 150+ Initiative Excellence@Voith versorgt.
Die Modulleiter der neuen Organisationsmodelle (Target
Operating Models/TOMs) für die administrativen Bereiche HR,
Accounting, Controlling, IT, Purchasing, Marketing, Corporate
Functions und General Services reisten im April und Mai in
die Voith Regionen, um den verantwortlichen Managern vor
Ort die neuen Organisationsstrukturen und Prozesse zu erläutern und in die Diskussion mit ihnen zu treten. Den Auftakt
machten zwei Meetings in Heidenheim für Deutschland und
~ o Paulo, Brasilien, für die
die Region EMEA, gefolgt von Sa
Region Südamerika, York, USA, für die Region Nordamerika
und schließlich Kunshan, China, für die Region Asien.
In den Meetings wurden noch einmal die Konzepte, die
die Modulleiter in den letzten Monaten gemeinsam mit Vertretern der Konzernbereiche erarbeitet hatten, vorgestellt. Dabei wurden nicht nur die zukünftigen Prozessabläufe und
Zuständigkeiten erläutert, sondern es wurde für jedes Modul
und für jede Region der Weg vom heutigen Status quo zur
zukünftigen Organisationsstruktur dargestellt. Dabei wurden
auch die für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlichen Rahmenbedingungen und Hebel diskutiert. Es wurden Fragen
beantwortet wie „Wie muss sich unsere jetzige Organisation
verändern, damit die TOMs erfolgreich umgesetzt werden
können?“ oder „Wie können wir unsere Anforderungen und
Bedürfnisse – und damit unsere Komplexität – reduzieren?“.
Das regionale Management nutzte die Gelegenheit der
Deep-Dive-Meetings, um die einzelnen TOMs kritisch zu hin­terfragen und deren Funktionsweise für ihre Region und
ihre Operating Unit zu verstehen. Die verantwortlichen
­Manager konnten sich so ein konkretes Bild davon machen,
wie die Zusammenarbeit und die Schnittstellen in den Verwaltungsbereichen in Zukunft gestaltet sein werden und
welche Auswirkungen diese Veränderung auf ihre lokale
24 | report 2/2015
Organisation haben wird. Der Fokus der Meetings lag damit
klar auf der regional spezifischen Ausgestaltung der künftigen Organisationsstruktur.
Mit Abschluss der Meetings wurde der Startschuss für die
Implementierungsphase in der jeweiligen Region gegeben: Es
wurden Zeitpläne und Maßnahmen für die Umsetzung vereinbart, die in den kommenden Wochen an die Mitarbeiter der
entsprechenden Verwaltungsbereiche kommuniziert werden.
Die Implementierung der TOMs findet nun auf zwei Ebenen statt: auf Ebene der Regionen und auf Ebene der Konzernbereiche Voith ­Hydro, Voith ­Paper, ­Voith ­Turbo und Voith
Others. Voith Others umfasst bereits heute Zentralabteilungen und wird in Zukunft zusätzlich die Shared Services, die
zukünftig organisatorisch als „Voith Global Business ­Services“
(GBS) zusammengefasst werden, Centers of Competence
(CoC) sowie die Business Partner-Strukturen abbilden. Durch
die verstärkte Einbindung der beiden Ebenen – Regionen und
Konzernbereiche – in das Projekt werden die Umsetzungsmaßnahmen weiter konkretisiert und vorangetrieben.
Nun steht der operative Teil der Umsetzung an: Prozesse müssen verändert bzw. komplett neu aufgesetzt werden.
Für die erfolgreiche Einführung der neuen Prozesse spielt
vor allem der Aufbau der „Voith Global Business Services“
eine wichtige Rolle. Die GBS sind das sichtbarste Beispiel
einer veränderten Prozesslandschaft: Die Art von Veränderung, die durch diese entsteht, wird in kleinerer Dimension
in jedem Modul erfolgen. Diese kontinuierlichen kleinen und
großen Veränderungen werden die größte Herausforderung
für die Voith Organisation in den nächsten Monaten sein.
Das übergeordnete Ziel der Restrukturierungen: Den Konzern insgesamt schneller, schlagkräftiger und wettbewerbsfähiger zu machen. //
einblick
Voith 150+
Beschreibung
Voith Global Business Services, Centers of Competence und Business Partner:
Beschreibung und Beispiele aus den Modulen
Voith Global Business Services (GBS)
Center of Competence (CoC)
Business Partner (BP)
Prozesse/
Tätigkeiten
Standardisierbare Tätigkeiten, die
wiederholt in vergleichbarer Form
auftreten
Einzelthemen, die spezifisches Fachwissen erfordern; Beantwortung von
Grundsatzfragen; Definition weltweiter
Standards für Voith
Aspekte, die außerhalb der GBS Tätig­
keiten liegen; Ansprechpartner des
Funktionsbereiches für spezifische und
lokale Themen
Standort
Je ein GBS pro Region, das für alle
Konzernbereiche Transaktionen aus
den Bereichen HR, Accounting und
Purchasing durchführt
Auf Konzernebene; an einem Standort
zusammengefasste Teams
Dezentral angesiedelt; je nach Modul
in regionaler, divisionaler oder lokaler
Struktur
Zielsetzung
Prozesse über alle Konzernbereiche
hinweg standardisieren, straffen und
automatisieren; Prozessqualität er­
höhen und Prozesskosten reduzieren
Fachwissen aus Konzernbereichen
zentral bündeln und allen Bereichen
zur Verfügung stellen; häufig indirekt
über die Business Partner-Struktur
Kundenorientierte Unterstützung bei
spezifischen Fachthemen
HR
Lohn-/Gehaltsabrechnung, Stamm­
datenpflege, Zeitwirtschaft, Organi­
sation von Trainings
Mitarbeiterentwicklung, Compen­­sa­
tion & Benefits (Vergütung, Zusatz­
leistungen, Entsendungen, Grund­
satzfragen), HR Information and
Service Management
BP Konzernbereich: für globale divisionale HR Themen; BP Region: ­Personalleiter
für jeweils eine Region, konzernüber­
greifend; BP lokal: Personalbetreuung vor
Ort, z.T. konzernübergreifend
Purchasing
Warengruppenmanagement und
operativer Einkauf von Nicht-Produktions-Material (nicht B
­ estandteil
der Endprodukte von Voith, z.B. IT,
­Logistik, Maschinen und Anlagen,
Dienstleistungen)
Warengruppenmanagement für
Produktionsmaterial auf Konzern-,
Konzernbereichs- und regionaler
Ebene; Gestaltung von Prozessen
und Strategien sowie Bündelung von
Unterstützungsfunktionen
Divisional Strategic Purchasing M
­ anager
(DSP) leiten den Einkauf in den Konzernbereichen mit Unterstützung des
Leiters für Konzern-Warengruppen
Accounting
Hauptbuchhaltung und Bilanzierung
mit Anlagenbuchhaltung, Debitorenund Kreditorenbuchhaltung inkl. Rechnungsprüfung sowie Stammdaten­
betreuung in den Systemen der OUs
Konzernrechnungslegung (Vorgabe
der Konzern-Bilanzierungsrichtlinien),
Konsolidierung (Erstellung des
konsolidierten Konzernabschlusses)
Die Fachabteilungen der OUs haben
benannte Ansprechpartner im GBS
Accounting
Konzern-Controlling, Steuerabteilung,
Treasury, Reporting Factory
Dezentrale Controller für OUs oder
Produktbereiche (z.B. Produktkostenrechnung, Finanzplanung, spezifische
Analysen)
Modul
Controlling
IT
Fünf regionale IT Service Center (Voith IT Solutions Nordamerika, Südamerika,
China, Indien, Europa)
Kundenansprechpartner für ­Bedarfe
und Projekte; der Business Partner
schlägt Prozess- und IT-Lösungen vor
Marketing
Ein regionales Service Center für
­Supportfunktionen (geplant)
Globale CoCs für Corporate und Global
Market Communications; vier regionale
CoCs für alle Kommunikationsaufgaben
in den Regionen
Globale Business Partner und regionale
Ansprechpartner für die Marktkommunikation in den Märkten von VP, VH, VT
Rechtsabteilung, Strategie, Interne
Revision, Health, Safety & Environment (globale HSE-Standards, Tools,
Zertifizierungen)
HSE regional: Betrieblicher Arbeits-,
Gesundheits- und Umweltschutz;
Wahrnehmung von Betriebsbeauftragtenfunktionen; Ansprechpartner
für Behörden, Versicherungen etc.;
Gefahrstoffmanagement
Corporate
Functions
General
Services
Regional bzw. lokal: Steuerung
von Nachfrage und Bezugsquellen (Smart Sourcing, Outsourcing,
­Reduce Comfort)
report 2/2015 | 25
einblick
Voith 150+
Schritt für Schritt:
Implementierung der Voith
Global Business Services
Im März 2015 fiel der Startschuss für die Implementierung der im Rahmen von
Voith 150+ geplanten Service Centers in den vier Regionen Asien, Nord- und
Südamerika sowie EMEA (Europa, Mittlerer Osten, Afrika). Als Teilbereich der
Initiative Excellence@Voith werden administrative Aufgaben aus den Bereichen
HR, Accounting und Purchasing an einem Ort in jeder Region konzernbereichsübergreifend gebündelt, standardisiert, soweit wie möglich automatisiert und
organi­satorisch in den „Voith Global Business Services“ (GBS) zusammengefasst.
Im ­Interview spricht Christian Nykiel, Head of Global Business Services, über die
geplanten Implementierungsschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung.
Herr Nykiel, Sie sind angetreten, um
die Idee der regionalen GBS zu realisieren. Wie wird die Implementierung organisiert und welche Aufgaben übernehmen Sie dabei?
Christian Nykiel: Wir übernehmen
dazu in den vier Regionen an den
Standorten Heidenheim (für EMEA),
Kunshan (Asien), São Paulo (Südamerika) und York (Nordamerika) Mitarbeiter
aus zum Teil bestehenden Strukturen
und überführen sie in die neugeschaffenen Voith Global Business Services.
Diese werden in einer Matrix organisiert. Für jede Region gibt es einen
disziplinarischen Verantwortlichen an
jedem dieser Standorte, der für arbeitsrechtliche und betriebswirtschaftliche
Themen sowie für das Beziehungsmanagement zu den regionalen Kunden
zuständig sein wird.
Außerdem wird es für jeden der drei
Bereiche HR, Purchasing und Accounting einen global funktionalen Verantwortlichen geben, die Global Process
26 | report 2/2015
Owner (GPO). Die drei GPOs müssen
ihren Bereich über die regionalen GBS
hinweg inhaltlich führen und global lenken, im Moment arbeiten sie bereits an
der Umsetzung. Meine Aufgabe dabei
ist es, die Entwicklungen in den verschiedenen Regionen und Bereichen
zu koordinieren und in Einklang zu bringen, um die Implementierung ganzheitlich voranzutreiben.
Die Umsetzung hat also bereits begonnen. Welche Schritte sind dafür
vorgesehen?
Zusammen mit den GPOs arbeite ich
an der Entwicklung eines Service Catalogue für die Region EMEA – einer
Auflistung aller Tätigkeiten und Prozesse pro Fachbereich, die zukünftig von
den GBS übernommen werden. Die
definierten Prozesse sollen dann möglichst identisch auf die drei anderen regionalen Organisationen übertragen
werden, wobei es jedoch zum Beispiel
durch verschiedene Gesetzgebungen
Christian Nykiel ist
seit dem 1. April
2015 Head of Global
Business Services.
Er ist seit 2011 bei
Voith und hat zuletzt
das Voith Turbo Business Process Management geleitet.
„Die Tätigkeitsprofile
der Mitarbeiter werden
anspruchsvoller, nicht
einfacher.“
zu Unterschieden zwischen den Regionen kommen kann. In den sogenannten Activity Maps halten wir alle bisherigen Abläufe fest und identifizieren
die Schnittstellen zu den zukünftigen
einblick
Voith 150+
GBS. Damit wird gewährleistet, dass
alle jetzigen Prozesse auch in Zukunft
bedacht werden und keine Anfrage
aufgrund eines fehlenden Ansprechpartners ins Leere läuft. Eine enge
Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen der Operating Units ist dafür
unerlässlich.
Die Operating Units müssen Dienstleistungen in Zukunft bei den GBS
einkaufen. In welcher Form wird das
geschehen?
Aus den Service Catalogues sollen sogenannte Service Level Agreements für
jeden Prozess abgeleitet werden. Diese stellen vertragliche Vereinbarungen
zwischen den GBS und dem internen
Kunden dar und enthalten alle Informationen zu der Dienstleistung, also: Wer
macht was bis wann in welcher Qualität und zu welchem Preis. Diese Para­
meter sollen in Form von messbaren
Kennzahlen festgehalten werden, um
anschließend eine Leistungsmessung
durchführen und ggf. Verbesserungspotenziale identifizieren zu können. Diese Service Level Agreements sind die
Grundlage für jeden Auftrag.
Wie weit ist die Implementierung bereits fortgeschritten?
Die Deep-Dive-Meetings im Frühjahr
2015 waren der Auftakt für den Imple­
mentierungsprozess. Inzwischen sind
wir in den Regionen unterschiedlich
weit. In EMEA zum Beispiel ist die Entwicklung des Service Catalogue für Accounting bereits gut vorangeschritten.
Parallel haben wir in den Regionen
nach passenden Räumlichkeiten für
die GBS gesucht. Idealerweise sollen
alle Bereiche in einem Gebäude unterkommen, vor allem um die neue Identität und den Zusammenhalt zu stärken. In Südamerika ist der HR-Bereich
schon in die endgültigen Räume umgezogen. Der Standort für alle anderen Funktionen ist identifiziert und wird
zurzeit hergerichtet. Auch für Nordamerika haben wir eine Lösung gefunden und gehen aktuell in die Umsetzung. In China nehmen die Global
Business Services bald ihre Arbeit auf –
das Personal ist benannt und kommuniziert. In Heidenheim werden noch vor
den Sommerferien die ersten Umzüge
stattfinden. Die Größe der regionalen
dabei sein, angemessene Qualität zu
möglichst niedrigen Kosten zu liefern.
Was wird von den Mitarbeitern in
den Regionen erwartet?
Eine weitere Herausforderung liegt in
der Anfangsphase, wenn Prozesse
noch nicht problemlos ablaufen. Hier
setzen wir auf die Kooperation und
„Wir setzen auf eine konstruktive
Zusammenarbeit mit den Operating Units.“
­ rganisationen wird dabei variieren:
O
In Heidenheim rechnen wir mit einem
Personalbedarf von rund 180 Stellen,
die drei anderen werden jeweils circa
70 Stellen enthalten.
Viele Prozesse und Strukturen werden sich verändern. Welche Heraus­
forderungen sehen Sie bei der
Implementierung?
Zum einen bringt die neue Struktur einen Kulturwandel mit sich. Führungskräfte und Mitarbeiter der GBS gehören
zukünftig nicht mehr den Konzernbereichen an, sondern arbeiten gleichermaßen für alle, zum Teil über Ländergrenzen hinweg. Dieser Identitätswechsel
hin zu einem Servicedienstleister mit
verändertem Qualifikations- und Aufgabenprofil muss begleitet werden.
Die Standardisierung der Prozesse bedeutet jedoch keinesfalls – wie
häufig befürchtet – eine Trivialisierung
der Aufgaben. Während einige einfach strukturierte Tätigkeiten wegfallen
werden, müssen die Mitarbeiter den
Gesamtprozess viel stärker im Auge
haben, um Ausnahmen und Spezialfälle einordnen zu können. Das Auf­
gabenprofil wird somit anspruchsvoller. Außerdem muss sich der Gedanke
einer Serviceorientierung bei allen verfestigen. Die Philosophie der GBS wird
das Verständnis aller Beteiligten. Auch
die Operating Units müssen ihre Prozesse konsequent ändern und sich organisatorisch anpassen. Dies wird nur
geschehen, wenn das Vertrauen in die
Funktionsfähigkeit der GBS vorhanden
ist und adäquate Leistung geliefert wird.
Welche Meilensteine sind für die Zukunft geplant?
Der 30. September 2016 ist als Zieltermin für die GBS gesetzt. Bis dahin
müssen die Service Level Agreements
stehen und die regionalen Organisationen ihre Arbeit aufgenommen haben.
Nach zwei bis drei Jahren sind eine
interne Kundenzufriedenheitsanalyse
und ein externer Benchmark geplant.
Damit wollen wir Verbesserungspotenziale identifizieren, um unsere Kosten­
effizienz und unsere Marktorientierung weiter zu optimieren. Insgesamt
kann ich festhalten: Um Voith zu einem schlankeren und effizienteren Unternehmen zu machen, haben wir mit
den GBS den richtigen Weg eingeschlagen. Durch die gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den Re­gionen
wurden bei der Implementierung schon
wichtige Fortschritte gemacht. Doch
nur mit der Kooperation aller Beteiligten können wir die neuen Strukturen
mit Erfolg umsetzen. //
report 2/2015 | 27
einblick
Voith 150+
Neue Geschäftsmodelle
entwickeln
Für Voith bietet die Vernetzung von Maschinen und Systemen enorme Chancen:
Wir werden unseren Kunden neue Geschäftsmodelle bieten und die Produktivität
unserer eigenen Anlagen deutlich steigern können. Im Interview erläutert Ulrich
Begemann, Leiter New Technologies bei Voith, was Industrie 4.0 für uns bedeutet
und wie die nächsten Schritte sind.
Herr Begemann, der Begriff Industrie 4.0 ist in aller M
­ unde,
aber was genau steckt dahinter?
Industrie 4.0 meint die vierte industrielle Revolution und steht
für den weltweiten Wandel von Produktionsprozessen sowie
von Produkten und Services hin zu intelligenten, teilautonomen und in Echtzeit miteinander kommunizierenden Einheiten. Diese sind in Systemen miteinander vernetzt.
Werkzeugausgabe einen speziellen Drehmeißel. Oder ein
Bahngetriebe im Kundeneinsatz erkennt notwendige Wartungsarbeiten und informiert das Serviceteam automatisch
über notwendige Servicetätigkeiten und hierfür benötigte Teile. Für unsere Produktion bedeutet Industrie 4.0, dass wir
kleine Losgrößen bzw. Kleinstserien effizienter und schneller
fertigen können.
Wie wird das konkret aussehen und worin liegt der Unter­
schied zur dritten industriellen Revolution?
Heute ist es einfacher und kostengünstiger, leistungsfähige Sensoren und Prozessoren einzusetzen. Damit können
komplexe, wesentlich intelligentere Entscheidungen schnell
und direkt am Ort des Geschehens getroffen werden. Zum
Beispiel fordert die Werkzeugmaschine eine Vorrichtung für
den nächsten Auftrag automatisch an oder bestellt in der
Werden in einem weiteren Schritt mehrere Systeme miteinander verbunden – sogenannte Systeme von Systemen – entstehen zusätzliche Potenziale. Ein Beispiel: Die Flügel einer
Windkraftanlage können heute so eingestellt werden, dass
die Anlage auf Basis von Windmessungen entweder die maximale oder die benötigte Leistung produziert. In Zukunft werden die hintereinander angeordneten Windkraftanlagen zudem miteinander kommunizieren und ihre Flügelstellungen so
Die fünf Schritte zu Industrie 4.0 am Beispiel eines DIWA Automatikgetriebes mit SmartNet: Die Vernetzung
mit weiteren Systemen (Schritt 4 und 5) schafft neue Anwendungsfelder und Wertschöpfungsmodelle.
1. Getriebe
2. Intelligentes Getriebe
Überwachen
28 | report 2/2015
3. Intelligentes, vernetztes Getriebe
Steuern
einblick
Voith 150+
optimieren, dass die maximale Gesamtleistung eines Windparks noch gesteigert werden kann.
Wird Industrie 4.0 unsere Art zu arbeiten stark verändern?
Natürlich werden wir in Zukunft weiterhin anspruchsvolle Maschinen und Anlagen entwickeln und bauen. Diese wird
man mit umfangreicher Sensorik ausstatten, so intelligent machen und mit
anderen Systemen vernetzen, wie etwa
das DIWA SmartNet von V
­ oith T
­ urbo.
Die Integration der notwendigen Technologien erfordert allerdings vielfältige,
neue Kompetenzen. So müssen wir die
Entwicklungszyklen von Software und
Maschinen abstimmen und das verstärkte Arbeiten in Netzwerken mit externen Partnern vollbringen. Die gute Nachricht
ist, dass wir durch die Verknüpfung der neuen Systeme mit
unseren Produkten unsere Wertschöpfung weiter signifikant
steigern können. Die Chancen hierfür sind gut, da Voith über
ein breites Branchen- und Technologiewissen verfügt.
Wie geht Voith bei der Umsetzung von Industrie 4.0 vor?
Die Konzernstrategie wird derzeit erarbeitet. Im ersten Schritt
geht es um das Lernen und um die Definition der Chancen,
4. Produktsystem
die Voith mit Industrie 4.0 verbindet – nicht alles ist für uns
relevant. Im zweiten Schritt werden wir die strategischen Leitplanken festlegen, was Industrie 4.0 für Voith ist und was
nicht; wo wir investieren werden und wo nicht. Im dritten
Schritt geht es um die Entwicklung der
neuen Geschäftsmodelle sowie die
Ulrich Begemann
Weiterführung und den Beginn neuer
leitet im Bereich
Projekte.
­Corporate Development die Abteilung
New Technologies
und koordiniert die
Arbeit an der Konzernstrategie zu Industrie 4.0.
Man könnte den Eindruck gewinnen,
andere Unternehmen sind weiter
und haben bereits eine ausgearbeitete Strategie, die sie verfolgen. Wo
steht Voith im Vergleich?
Es gibt sicherlich einige, die ­
erste 4.0-Anwendungen bereits offensiv vermarkten. Auch wir haben erste sehr interessante 4.0-Projekte und sogar schon
Produkte in der Anwendung. Die an diesen Produkten aufgenommenen, umfangreichen Datenmengen werden ausgewertet, wenn notwendig Serviceaktivitäten eingeleitet und
zusammen mit wertvollen Hinweisen unseren Kunden auf
von Voith entwickelten Plattformen dargestellt. Diesen Weg
werden wir in den nächsten Jahren zielstrebig und zügig
­weitergehen. //
5. Systeme von Systemen
Kraftstoff­­preise
Buskomponenten
Buskompo-­
nenten
Intelligentes
Flottenmanagement
Werkstatt­planung
Routen­informationen
Optimieren
Kollaborieren
Autonomie
report 2/2015 | 29
VOR ORT
Karton, Verpackungspapier, Wellpappe?
Kein Problem: Der VariFlex von Voith
kommt mit fast allen Papiersorten zurecht.
30 | report 2/2015
VOR ORT
Ein echtes
Multitalent
Der VariFlex von Voith schneidet bei den unterschiedlichsten Papiersorten
gut ab – wie wertvoll die Nachrüstung mit der Technologie sein kann, zeigt
sich seit kurzem in zwei Fabriken in Frankreich und in der Türkei.
Ob schwerer Karton, dünnes Zeitungspapier oder Wellpappenrohpapiere: Der vollautomatisierte Rollenschneider
­VariFlex von Voith P
­ aper verarbeitet nahezu alle Papiersorten. Er basiert auf der Doppeltragwalzentechnologie, für seine Tragwalzen gibt es unterschiedliche Bezüge, die auf die
jeweiligen Papiersorten abgestimmt sind und so den variablen Einsatz unterstützen.
Dass der VariFlex ein echtes Multitalent ist, hat sich nun
erneut erwiesen: Zwei Papierfabriken mit ganz unterschiedlicher Ausrichtung wurden im Rahmen eines Umbaus mit dem
Rollenschneider ausgerüstet.
Ein Freund sauberer Trennungen: der Rollenschneider
VariFlex im Einsatz.
Spot auf Izmit, die Stadt am Marmarameer: Dort produziert
der türkische Papierhersteller Kartonsan mehrlagigen Karton im Flächengewichtsbereich von 200 bis 450 Gramm pro
Quadratmeter – und hat 2014 in der Kartonmaschine BM 2
einen neuen Voith VariFlex mit einer Arbeitsbreite von 3,7 Metern eingebaut. Weil Voith auch die Antriebe des Rollenschneiders geliefert hat und die Komponenten ideal harmonieren, lagen zwischen der Inbetriebnahme und der Abnahme
durch den Kunden nur drei Wochen.
Für einen VariFlex Rollenschneider von Voith hat sich auch
ein Papierhersteller in Frankreich entschieden. Das Unternehmen produziert Wellenstoff im Flächengewichtsbereich von
70 bis 150 Gramm pro Quadratmeter. Pro Jahr können hier
330.000 Tonnen Papier hergestellt werden. Der Voith VariFlex
verfügt über eine Arbeitsbreite von sieben Metern und wurde
inklusive eines geführten Magazins, eines Pulpers, des Rollentransportsystems und der Antriebe geliefert und montiert.
Vor dem Umbau hat die Papierfabrik mit zwei älteren
Rollenschneidern gearbeitet, darunter litt die Wettbewerbsfähigkeit zusehends. Daher sollten mit einer State-of- the-ArtTechnologie die Betriebskosten gesenkt und die Produktivität
der Anlage erhöht werden. Beides wurde mit dem neuen Rollenschneider geschafft. Dank der Lösung von Voith konnte
auch die Arbeitssicherheit auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden. //
report 2/2015 | 31
VOR ORT
Neuer Kunde für Voith ­Industrial ­Services in Brasilien: Der Automobilhersteller Fiat wird im Werk Betim von rund 400 Voith-Mitarbeitern
bei der Lackieranlagenreinigung unterstützt.
Automotive-Kompetenz überzeugt
Voith ­Industrial ­Services hat zum ersten Mal einen Auftrag von
Fiat Brasilien erhalten: Im Werk Betim sind rund 400 Mitarbeiter
für die Technische Reinigung zweier Lackieranlagen zuständig.
Der Automobilkonzern Fiat verkauft in Brasilien so viele
Fahrzeuge wie kein anderes Unternehmen, und das schon
im zwölften Jahr in Folge. Einen großen Teil der Autos produziert Fiat seit 1976 in seinem Werk in Betim im Bundesstaat
Minas Gerais in Zentralbrasilien. In der Fabrik mit einer Fläche
von mehr als 700.000 Quadratmetern arbeiten 30.000 Menschen und sorgen dafür, dass jährlich rund 800.000 Autos in
gut 70 Modellvarianten vom Band laufen.
Seit diesem Frühjahr ist Voith für den namhaften Autohersteller aktiv. Im Werk Betim ist Voith ­Industrial ­Services
für die beiden Lackieranlagen verantwortlich – angesichts
der enormen Dimensionen der Fabrik ist ein Experten- und
Management­team aus 400 Mitarbeitern für den Job zuständig. 380 von ihnen kümmern sich seit Mai um die bestehende Lackieranlage, der Vertrag über die Technische Reinigung
läuft über vier Jahre. Weitere 20 Mitarbeiter sind seit Anfang
März mit Grundreinigungsarbeiten an der neuen Lackiereinrichtung beschäftigt, die in den kommenden zehn Monaten
fertiggestellt werden soll.
32 | report 2/2015
Voith ­Industrial S
­ ervices war Ende 2014 von Fiat explizit zur
Teilnahme an den zwei Ausschreibungen zur Lackieranlagenreinigung und zur Grundreinigung der neuen Lackieranlage,
die gerade im Bau ist, eingeladen worden. Der Autobauer war auf der Suche nach einem renommierten Dienstleister, der auf diese Leistungen spezialisiert ist. Mit der Vergabe der Aufträge an Voith ­Industrial ­Services entschied sich
Fiat für ein weltweit führendes Unternehmen auf diesem Gebiet. Allein in Brasilien sind gut 2.400 Voith-Mitarbeiter für
Volvo, BMW, Honda, Hyundai, Ford und Mercedes-Benz im
Einsatz, zu ihren Aufgaben zählen unter anderem Produktionsinstandhaltung, Technische Reinigung, Facility Services,
innerbetriebliche Logistik, Automation, Energiemanagement
und Werkzeugbau – kaum ein Job, den die Fachleute von
Voith nicht beherrschen.
Für das Team winken schon zwei mögliche Folge-Aufträge: Voith hat sich für die Instandhaltung der Lackierroboter im Werk Betim und für das Entsorgungsmanagement in
dem 2014 neu eröffneten Fiat-Werk in Goiana beworben. //
VOR ORT
Familiäre Verhältnisse
Eric Junior ist Bauleiter im brasilianischen Wasserkraftwerk Água Vermelha – die
Arbeit des Voith ­Hydro-Ingenieurs vor Ort zeigt, wie wichtig die Verbindung aus
persönlichem Engagement und fachlicher Expertise für den Projekterfolg ist.
Es ist 6:00 Uhr morgens und wie jeden Tag sitzt Eric Junior de Paula mit
seiner Frau Andreia und dem gemeinsamen Sohn Gabriel zuhause beim
Frühstück. Eine schöne Routine in der
Familie des Brasilianers. Genauer gesagt: in seiner Familie Nummer eins.
Denn nach dem Frühstück widmet sich
Junior seiner zweiten Familie, mit der er
zwar nicht verwandt ist, aber für die er
sich ebenfalls verantwortlich fühlt: seinem Team bei Voith ­Hydro.
Eric Junior ist Bauleiter im Wasserkraftwerk Água Vermelha in der Nähe
Eric Junior (rechts), Bauleiter bei Voith H
­ ydro in Brasilien, hat für jeden Mitarbeiter
der brasilianischen Stadt Fernandó­
ein offenes Ohr.
polis. Der langjährige Mitarbeiter leitet
ein Team von Vor-Ort-Technikern bei
Wasserkraftprojekten – mehr als 170 Beschäftigte und Liemir ihr Feedback zu geben. Es gibt immer jemanden, der das
feranten arbeiten hier in den Bereichen Planung, Qualität,
Gespräch sucht oder eine Frage hat – und ich höre zu.“
Arbeitsschutz, Bauleitung und technische Ausführung. Sie
Dass seine Kollegen in Fernandópolis so freimütig mit
sind für die Modernisierung von Generatoren und Turbinen
ihm reden, war nicht immer so. „Als ich anfing, dachten einige von ihnen wohl: ,Wie kann ein so junger Mensch mit so
sowie der mechanischen und elektrischen Nebenanlagen zuständig. Die Anlage Água Vermelha liegt am Rio Grande, der
wenig grauen Haaren Koordinator sein?‘“, erzählt er lachend.
hier die Grenze zwischen den Bundesstaaten São Paulo und
Doch mittlerweile hat er nicht nur einige graue Haare mehr,
sondern genießt auch das Vertrauen seines Teams. „Es ist
­Minas Gerais bildet. Das Kraftwerk ist seit 1978 in Betrieb
die Basis der Beziehung zu den Kollegen – und zu den Kunund kommt mit seinen sechs Generatoreinheiten auf eine
den. Wir konzentrieren uns bei der Arbeit vor Ort auf die
Gesamtleistung von 1.396 Megawatt.
Projektziele und garantieren die Zuverlässigkeit, für die der
Mit Juniors aktuellem Auftrag ist Familie Nummer eins
Name Voith steht. Wir ermitteln genau, was unsere Kunden
einverstanden: „Das Leben hier ist toll, die Menschen sind
brauchen – und wie wir uns weiterentwickeln können, ob es
sehr hilfsbereit und freundlich“, sagt Andreia Junior. Gemeinsam mit Sohn Gabriel und Hund Max begleitet sie ihren Mann
um schnellere Konstruktionsprozesse oder einfachere Abläuzu jedem Projekt, das er für Voith übernimmt.
fe im Betrieb und bei der Wartung geht.“
Am Abend verabschiedet sich Junior von seiner ZweitEinfach war das nicht immer. In einem so großen und mulfamilie auf der Baustelle. Der persönliche Umgang ist ihm
tikulturellen Land wie Brasilien mit seinen mehr als 200 Milwichtig: „Wir müssen als Gruppe funktionieren, um einerlionen Einwohnern und einer Fläche von gut 8,5 Millionen
seits die Erwartungen des Kunden erfüllen zu können und
Quadratkilometern musste sich die Familie an den verschiedeandererseits sicherzustellen, dass unsere Projekte für Voith
nen Einsatzorten immer wieder neu auf ganz unterschiedliche
den bestmöglichen Ertrag erbringen.“ Kaum hat der BauleiMenschen und klimatische Verhältnisse einstellen. Als VoithBauleiter ist der Ingenieur Vorbild und Vertrauensperson zuter seinen Satz beendet, hält ihn ein Kollege auf: Eric Juniors
gleich. „Die Leute im Vor-Ort-Team sollen sich nicht scheuen,
Rat ist wieder einmal gefragt. //
report 2/2015 | 33
VOR ORT
Die Mitarbeiter der neu gegründeten Division Voith Africa Power,
Oil & Gas (1) kennen sich aus mit den besonderen Anforderungen
der Märkte Afrikas. Der Beweis sind Aufträge wie die Lieferung von
Komponenten für Kohlekraftwerke in Südafrika und Ölförderanlagen
im Atlantik vor Angola (2). Schaltzentrale der Division: der Hauptsitz
von Voith Africa Power, Oil & Gas in Johannesburg (3).
1
3
2
34 | report 2/2015
VOR ORT
Vom Mittelmeer
bis zum Kap
Nah am Kunden: Der Konzernbereich V
­ oith T
­ urbo bedient mit der
neu gegründeten Division Voith Africa Power, Oil & Gas Kunden
auf dem Wachstumsmarkt Afrika.
E
in Kernelement der Unternehmensstrategie von Voith
ist die Regionalisierung: Deshalb wird die Verwurzelung des Konzerns in den verschiedenen Regionen und
Ländern der Erde mit ihren jeweiligen Märkten vorangetrieben. Die Ziele: Kundennähe und Wertschöpfung vor Ort.
Aus dieser Position heraus ist Voith in der Lage, den Kunden
Service-Dienstleistungen mit kurzen Lieferzeiten anzubieten,
die exakt auf ihre Bedürfnisse und die Bedingungen der jeweiligen Märkte zugeschnitten sind.
Einer der aussichtsreichsten Märkte weltweit ist derzeit Afrika. Der Kontinent mit seinen enormen Bodenschätzen unter der Erde und dem Meeresboden bietet vielen der
von Voith belieferten Branchen langfristiges Wachstumspotential. Darauf hat der Geschäftsbereich Power, Oil & Gas
(kurz: POG) von ­Voith ­Turbo reagiert und als Teil der Region EMEA die Division Voith Africa POG gegründet. Mit ihr
bietet er Kunden der Branchen Öl, Gas und Energie auf dem
gesamten Erdteil eine ganze Palette möglicher AftermarketServices, von der Instandhaltung über Reparaturen bis hin zu
Modernisierungen, und berät sie bei Neuprojekten.
Basis des Erfolgs vor Ort ist der gute Ruf des Unternehmens, denn auch in Afrika ist Voith etabliert als global führender Hersteller von Komponenten wie Turbokupplungen, Regelsystemen für Turbinen, Drehmomentwandlern, Getrieben
und regelbaren Antrieben. Derain Pillay, Vice President von
Voith Africa POG, leitet daraus eine Strategie ab: „Grundlage
bilden die erprobten Technologien und das Know-how von
Voith. Darauf basierend unterstützen unsere hochqualifizierten Fachleute die Kunden vor Ort bei der Wahl und dem Betrieb der Komponenten für ihre spezifischen Anwendungen“,
erläutert er. „Außerdem können sie uns als Vertragspartner
mit der regelmäßigen Instandhaltung und Wartung beauftragen. Solch ein umfassendes und hochwertiges Serviceangebot
ist bisher nicht im afrikanischen Markt verfügbar.“
Die Vertrautheit der Voith-Mitarbeiter mit den lokalen
Gegebenheiten ist dabei ein entscheidender Faktor. Denn
die klimatischen und landschaftlichen Besonderheiten Afrikas stellen Mensch und Maschine immer wieder vor Herausforderungen. Voith Africa POG ist darauf vorbereitet. Das
Unternehmen liefert seinen Kunden nicht nur die notwendigen Ersatzteile, sondern stellt ihnen auch ausgebildete Service-Ingenieure, die direkt bei der Reparatur oder der Überholung von Komponenten und Anlagen unterstützen.
Das Konzept scheint aufzugehen. Seit der Gründung
von Voith Africa POG, dessen Hauptsitz sich in Johannesburg befindet, ist der Geschäftsbereich deutlich gewachsen, sagt Derain Pillay. Den Erfolg verdanke man unter anderem den beträchtlichen Investitionen in Personal und
Schulungen.
Er ergänzt: „Voith ist stolz auf seine Ingenieurskunst sowie die Zuverlässigkeit und Langlebigkeit seiner Produkte –
und auch Dritte sind von dieser Qualität überzeugt. Daher
schließen wir derzeit Verträge mit namhaften Vertriebsgesellschaften, um nach und nach die ganze Region abzudecken.“
Er erläutert, wie die Division im Rahmen der neuen Matrix-Struktur vom Zugang zum weltweiten Mitarbeiter- und
Wissensnetzwerk des Konzerns profitiert: „Unsere lokale
Mannschaft bietet unseren Partnern einen direkten und einfachen Anlaufpunkt. Für tiefer gehende Anfragen ziehen wir
internationale Experten hinzu, um gemeinsam eine Lösung
zu finden.“
Die Schlüsselmärkte für das künftige Wachstum von
Voith auf dem Kontinent sind laut Pillay Algerien, N
­ igeria,
Kenia und Angola – momentan liefert das Unternehmen
Equipment für ein angolanisches Spezialschiff, das offshore
Öl fördert und lagert, sowie für Kraftwerke und Ölförderanlagen in Kenia. Auch sonst kann sich die bisherige Auftragsbilanz sehen lassen: Alle neueren südafrikanischen Kraftwerke
setzen auf Komponenten von Voith, und vor kurzem hat der
Geschäftsbereich den Zuschlag für die Anpassung von 36 regelbaren Planetengetrieben des Typs Vorecon erhalten, die in
Kohlekraftwerken zum Einsatz kommen werden. //
report 2/2015 | 35
meilensteine
Entwässert und
hält dicht
In der Serie über Basistechnologien von Voith geht es diesmal um den
Pressmantel: Der QualiFlex trägt maßgeblich zur Entwässerung bei der
Papierherstellung bei.
Rillen können die Entwässerungsleistung der QualiFlex-Pressmäntel verbessern.
Eine gute Idee zieht meist die nächste
nach sich: 1984 bringt Voith die weltweit erste geschlossene Schuhpresse
für Papiermaschinen auf den Markt und
hebt damit die Entwässerung in der Papierherstellung auf ein neues Niveau.
Mit der Erfindung geht die Entwicklung einer Technologie einher, die für
die Schuhpresse unerlässlich ist: der
Pressmantel. In drei Jahrzehnten hat
Voith die Optimierung der Pressmäntel
kontinuierlich vorangetrieben, die seit
langem unter dem Namen „QualiFlex“
bekannt sind.
Die Funktionen erklärt Christoph
Kögel, QualiFlex-Produktmanager bei
Voith P
­ aper: „Erst der Pressmantel
macht die Schuhpresse zu einem geschlossenen System. Er wird über die
Schuhpress-Walze gezogen, dichtet
sie so nach außen hin ab, sodass beispielsweise kein Hydrauliköl austreten
kann und ist trotzdem flexibel genug,
36 | report 2/2015
der konkav-konvexen Verformung
durch den Nip zu folgen. Wichtiger aber
ist der Beitrag des Pressmantels zur
Entwässerungsleistung. Dafür sorgen
verschiedene Oberflächenstrukturen
wie Rillen, unterbrochene Rillen oder
Blindbohrungen, je nach Papiersorte
und Maschine.“ Wesentliche Faktoren
für den Erfolg sind die richtige Auswahl
der Oberflächenstruktur und deren Stabilität selbst unter hoher Last, ein verschleißbeständiges Material und hohe
Verlässlichkeit. Nur wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, kann ein Mantel dazu
beitragen konstant über die gesamte
Laufzeit die maximale Leistung einer
Produktionsanlage zu gewährleisten.
Bei den ersten Pressmänteln setzte Voith noch auf eine Gewebestruktur, die von beiden Seiten mit Polyurethan, kurz PU, begossen wurde.
Das Verfahren hat aber Nachteile:
Unter der starken Beanspruchung in
einer Papiermaschine können sich die
Schichten voneinander lösen, was im
schlimmsten Fall die gesamte Pressenpartie schädigen kann.
Darum stellte Voith die Fertigung
1989 grundsätzlich um: Flüssiges PU
wird auf einen Metallzylinder gegossen und nach dem Aushärten erhält
die Oberfläche je nach Anwendungsgebiet ihre Struktur. Dadurch werden
höchste Fertigungsgenauigkeit und Betriebssicherheit erreicht. 2001 wird eine
neue Generation von PU mit signifikant
verbesserten Eigenschaften eingeführt,
welches die Zuverlässigkeit des Pressmantels nochmals deutlich erhöht und
zudem die Betriebskosten reduziert.
Heute umfasst die QualiFlex-Produktpalette Pressmäntel für Zellstoff, Tissue,
Karton, Verpackungspapiere und grafische Papiersorten. Seit Beginn des
Jahres können Papierhersteller zwischen den beiden Produktlinien Crest
und Crown wählen – sozusagen zwischen dem zuverlässigen Allrounder und der high-performance Premiumvariante. Christoph Kögel erläutert
den Ansatz: „Die beste Performance
erreicht man mit einem Produkt, das
genau auf die Anforderungen der jeweiligen Anwendung zugeschnitten ist.
So wie bei Autoreifen: Mit einem Standardreifen kann ich auf einer Rennstrecke nichts anfangen, dort braucht man
Slicks – und wenn es regnet, benötige
ich einen Regenreifen.“ //
meilensteine
Voith setzt den
Standard
Auf der Hannover Messe 2015 hat ­Voith T
­ urbo erfolgreiche Technologien für
verschiedene Anwendungen und Branchen vorgestellt. Ihr gemeinsames Herz:
die Servopumpe.
Die Hannover Messe, international
bedeutendste Leistungsschau der Industrie: Jedes Jahr im Frühling präsentieren hier Unternehmen aus aller Welt
die Highlights ihres Portfolios.
Im Bereich der Antriebs- und Fluid­
technik ist die drehzahlvariable Servopumpe der Rutesheimer Spezialisten von V
­ oith T
­urbo H + L Hydraulic
eines der Paradestücke. Servopumpen regeln den Druck oder den Volumenstrom in Hydraulikanwendungen.
Sie wandeln genau die Menge elektrischer Energie in hydraulische um,
die aktuell im System gebraucht wird.
Die klassische Ventiltechnik für die
Regelung entfällt komplett oder teilweise. Voith macht den Einsatz von
drehzahlvariablen Pumpensystemen
denkbar einfach: Der Kunde nennt lediglich die Zyklusdaten der Maschine
oder des Systems und erhält ein betriebsbereites System, in dem die individuell erforderlichen Drücke und Volumenströme bereits vordefiniert sind.
Die Technologie ist prädestiniert für
den Einsatz in Kunststoff-, Druckgussund Werkzeugmaschinen sowie Pressen, wo sie während des Betriebs stark
schwankenden Lastzyklen ausgesetzt
ist. Gerade dann kann sie ihre Trümpfe ausspielen: „Die Voith Servopumpe
passt Volumenströme und Motorendrehzahl an den aktuellen Leistungsaufwand an. Das spart bis zu 70 Prozent
Energie gegenüber konventionellen
Die integrierte Innenzahnradpumpe wandelt elektrische Energie in hydraulische.
Systemen, die kontinuierlich eine hohe
Leistung aufbringen, selbst wenn nur
ein Bruchteil davon benötigt wird“,
sagt Harald Branz, Vertriebsleiter bei
Voith ­
­
Turbo H + L Hydrau­
lic. Der Erfolg ist groß: „Bei Kunststoffspritzgieß­
maschinen bei­spielsweise hat sich die
Servopumpe weltweit durchgesetzt.
Hier bieten wir die führende Technologie und partizipieren maßgeblich im
Markt“, so Branz.
Die Gesamtbetriebskosten eines
Hydrauliksystems lassen sich mit der
Servopumpe um bis zu 35 Prozent
senken. Und weil sie so flexibel agiert,
erhöht sie die Produktivität um bis zu
50 Prozent.
Von diesen Vorteilen ­
profitieren
beispielsweise der Servoantrieb CLDP
(kurz für Closed Loop Differential Pump)
in Maschinenbau-Anwendungen oder
der Stellantrieb SelCon bei der Regelung von Turbinen. Die Voith Produkte werden von der Servopumpe angetrieben. Neben der Energieeinsparung
ermöglicht sie auch, vielfältigste Betriebsparameter – wie beispielsweise
Druck, Beschleunigung oder Temperatur – zu erfassen, regeln und übermitteln. Im Rahmen des Condition-Monitorings analysiert das Hydrauliksystem
zusätzlich den Wirkungsgrad. Somit
schafft die Servopumpe perfekte Voraussetzungen für eine Integration der
gesamten Anlage oder Maschine im
Rahmen von Industrie 4.0. //
report 2/2015 | 37
Panorama
Die entspannte
Metropole
M
ra
­ urbo in Anka
von ­Voith T
t.
ad
st
Mert Özenç
at
im
l in seiner He
fühlt sich woh
In seiner Freizeit läuft
Mert Özenç, Leiter des
Geschäftsbereichs Rail
bei ­Voith T
­ urbo Türkei,
in Spitzenzeiten
Halbmarathons für
den guten Zweck –
seine Heimatstadt
­Ankara stellt er aber
in aller Ruhe vor.
38 | report 2/2015
erhaba!“ sagen wir in der Türkei – seien Sie willkommen in
Ankara, der Hauptstadt unseres Landes und meiner Heimat, die ich
Ihnen näherbringen möchte. Es lohnt
sich, denn obwohl Ankara immer ein
bisschen im Schatten Istanbuls liegt, ist
es ein wunderbarer Ort für Besucher.
Und zwar nicht erst in der Gegenwart:
Die erste Besiedlung reicht bis in die
Bronzezeit zurück, die alten Römer
schätzten das antike Ancyra als Zentrum des Handels, der Kultur und der
Kunst, und zu Zeiten des Osmanischen
Reiches lag die Stadt auf der Route der
Karawanen in Richtung Osten.
Im 19. Jahrhundert verlor Ankara an Bedeutung, aber das änderte sich,
nachdem Mustafa Kemal Atatürk, der
Begründer der türkischen Republik,
den Ort zur Hauptstadt kürte. In den
vergangenen Jahrzehnten hat sich Ankara zu einer modernen Metropole mit
rund fünf Millionen Einwohnern gemausert, die sowohl ein pulsierendes
Nachtleben als auch bestaunenswerte
historische und moderne Sehenswürdigkeiten zu bieten hat.
Beispielsweise Anıtkabir, das Mausoleum Atatürks, das persönliche Besitztümer des Staatsmannes zeigt und
ein Museum über den Unabhängigkeitskrieg beinhaltet. Oder die Zitadelle von Ankara, eine Festungsanlage, die auf 978 Meter Höhe von den
­Hethitern errichtet und bis in osmanische Zeiten hinein genutzt wurde.
Neueren Datums ist die Kocatepe-Moschee, die 1987 fertiggestellt wurde und
von fast allen Punkten der Stadt aus
zu sehen ist. Wenn Sie sich unter die
Einheimischen mischen möchten, gehen Sie zur Tunalı Hilmi Caddesi, der
Einkaufs- und Flaniermeile im Herzen
von Kavaklıdere, wo fliegende Händler
Sesamkringel verkaufen und der Cayci
türkischen Tee über die Straße in die
Geschäfte trägt.
Falls Sie Lust haben, können Sie
auch eine ausgedehnte Einkaufstour
durch die großen Shopping-Malls unternehmen. Ich persönlich allerdings
treffe in meiner Freizeit lieber Freunde in einer Bar, lese, verbringe Zeit mit
meiner Familie oder treibe Sport. Meine Disziplin ist der Halbmarathon. Ich
versuche an Rennen auf der ganzen
Weit teilzunehmen, um dadurch Aufmerksamkeit für wohltätige Projekte zu
erzeugen und Spenden dafür zu sammeln. Natürlich versuche ich immer,
meine Zeiten zu verbessern, deshalb
Panorama
Die Ko
catep
e-Mos
Gotte
chee
shaus
ist
in Ank
Stadtb
a r a u n d a s g rö ß t e
ild.
d präg
t das
trainiere ich viel. Meine Trainingsstrecke verläuft rund um den See Eymir,
aber Sie können den Weg auch ganz
gemütlich entlangspazieren.
Wenn Sie danach Hunger haben,
empfehle ich Ihnen eines der unzähligen Restaurants Ankaras. Dort können
Sie die echte türkische Küche genießen.
Sie ist beeinflusst von den Traditionen
des Osmanischen Reiches, des Balkans,
des Nahen Ostens und des Mittelmeers
und versinnbildlicht damit auch die
kulturelle Vielfalt des Landes. Ob gesunde Gerichte mit Olivenöl aus dem
Westen und Süden, leckere Kebabs und
Baklava aus dem Osten, frischer Fisch
aus dem Meer, köstliche Pide aus dem
Norden – der Zauber der Gerichte lässt
sich nicht in Worte fassen, Sie müssen
es selbst probieren!
Und wenn Sie danach noch ein
wenig bei einem türkischen Mokka
auf der Terrasse sitzen und den Erinnerungen an den ereignisreichen Tag
nachhängen, sind Sie richtig angekommen in Ankara. Aber seien Sie vorsichtig: Wer sich hier erst einmal zuhause
fühlt, dem fällt es schwer, ­wieder zu
gehen. //
Mert Özenç
und drei Mita
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von ­Voith ­T
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Unser Standort
Die türkische Niederlassung von ­Voith ­Turbo
in Ankara hat 17 Mitarbeiter und ist zuständig für alle Geschäftsbereiche. Wir gehören
zur Region Osteuropa, unser Marktanteil
wächst jedes Jahr beträchtlich. Ich arbeite
seit 2009 für Voith, vorher war ich Ingenieur
in der Luftfahrtindustrie. Der Wechsel war
eine große Herausforderung für mich, aber
auch eine der besten Entscheidungen, die
ich je getroffen habe. Ich habe bei Voith als
Service Manager begonnen und später die
Verantwortung für den Vertrieb übernommen. Heute leite ich den Geschäftsbereich
Rail von ­Voith T
­ urbo in der Türkei.
Ankara
report 2/2015 | 39
Möchten Sie noch mehr über uns erfahren?
www.voith.com
Das Magazin
für Wasserkrafttechnologie
Das Newsportal für die Papierindustrie
www.voith.de/twogether
Herausgeber:
Voith GmbH
Konzern-Kommunikation
St. Pöltener Straße 43
89522 Heidenheim, Deutschland
www.voith.com