10.6.2015 Tagblatt Zürich Indiskretes Interview mit Vera Kaa

Alltag I
Mittwoch, 10. Juni 2015 I www.tagblattzuerich.ch
Vera Kaa: «Ich schaue
zuerst in die Augen»
Indiskretes Interview Heute mit Vera Kaa. Hier erfahren Sie, was die Sängerin
in Zürich verändern würde, hätte sie die Macht dazu. Von Isabella Seemann
Wo ist Zürich am schönsten, wo
am hässlichsten?
Am See, im Wollishofer Restaurant
Louis’ die Köstlichkeiten aus der
Küche geniessen, über den neuen
Cassiopeia-Steg zwischen dem Hafen Enge und der Roten Fabrik spazieren – und atmen. Am hässlichsten ist Zürich an der Bahnhofstrasse,
der totesten Strasse der Stadt, weil
da nur konsumiert wird.
GC oder FCZ?
FCZ natürlich, wegen meiner Jungs.
Infobox
Als 21-Jährige veröffentlichte
Vera Kaa (bürgerlich Vera
Kaeslin) ihr erstes Soloalbum
«Das macht Dich frisch».
Während es in der Schweiz zu
Beginn zurückhaltend aufgenommen wurde, feierte man die
Sängerin in Deutschland als
glanzvollen Schweizer Beitrag
zur Neuen Deutschen Welle.
Doch bald galt sie auch
hierzulande als «Rockgöre der
Nation». Den Punk liess die
Luzernerin später hinter sich,
bändelte mit dem Theater und
dem Chanson an. Mittlerweile
lebt sie in Zürich, singt seit mehr
als drei Jahrzehnten, ist kürzlich
55 Jahre alt geworden und hat
ein neues Album veröffentlicht,
das soeben in den Handel kam:
«Family Collection» mit 17 Songs
aus den letzten 20 Jahren ihres
Wirkens.
www.verakaa.ch
Kurz gesagt
Bernhard im Oberdorf ist
SVP-Politiker und Gemeinderat.
Politische
Gefangene
Wenn Sie eine Schlagzeile über
Ihre Person schreiben dürften:
Wie müsste die lauten? Und welche wäre ein richtig heftiger Fauxpas?
Die Alte singt noch. Warum singt
die Alte noch?
Wie gelingt für Sie ein Date hundertprozentig? Was wäre ein Nogo?
Ich habe glücklicherweise keine
Dates mehr. Aber wenn man mich
zu einem Essen einlud und mich
dann aufforderte, das Essen selber
zu bezahlen, das war immer ein
No-go. Das zeugt von Geiz, und das
geht gar nicht.
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Vera Kaa: «Wo Gott ist, ist der Teufel nicht weit.»
Was halten Sie von Sex ohne Liebe und Liebe ohne Sex?
Beides braucht einander.
Glauben Sie an Gott? Gibt es den
Teufel?
Wo Gott ist, ist der Teufel nicht
weit.
Bild: PD
Zürich alleine Entscheidungen zu
treffen: Was würden Sie sofort
einführen, was sofort abschaffen?
Ich würde den Sechseläutenplatz
sofort von allen Veranstaltungen
befreien.
Welches Tier mochten Sie als
Kind besonders? Vor welchem
Welche Partei entspricht Ihnen hatten Sie Angst?
am meisten,
Ich mochte eiwelche
am
gentlich alle
«Zürich ist an der Bahnhof- Tiere sehr
wenigsten?
Mein
Herz strasse am hässlichsten.»
gern, weil ich
schlägt links,
die
meiste
meine LiebZeit auf dem
lingsfarbe ist Grün.
Bauernhof verbrachte. Aber vor
Schlangen hatte ich immer furchtAuf was schauen Sie bei einem bare Angst, sogar vor BlindschleiMann als Erstes, und was ist Ih- chen!
nen völlig egal?
Immer in die Augen, die Füsse sind Was würden Sie erfinden, und
mir eigentlich egal.
welche Erfindung sollte wieder
rückgängig gemacht werden?
Welchen Politiker mögen Sie am Ein Rad der Zeit, das langsamer
liebsten, und welchem würden Sie läuft. Die Erfindung der Hektik
gerne mal Ihre Meinung sagen?
sollte man wieder rückgängig maIch mag Stadtrat Daniel Leupi sehr chen, stattdessen mehr Bob Marley
gern, weil er neugierig und offen und Hippie-Bus.
bleibt. Alfred Heer von der SVP
würde ich gerne fragen, weshalb er Wie sind Sie betrunken? Und wie
immer so gereizt auftritt.
sind Sie nüchtern?
Alkohol macht mich sehr müde.
Wenn Sie die Macht hätten, in Nüchtern bin ich länger lustiger.
Ist eine unabhängige Politik der
Idealisten in unserer Demokratie
möglich – und wer kann sich das
leisten? Denn es war wohl nur die
Spitze eines Eisbergs, als der
Kasachstan-Hype durch das Land
zog. In Zürich zeigte es sich, dass
ein langes, geduldiges Engagement nicht zum Ziel führt, wenn die
Listengestaltung für die nationalen
Wahlen einer gewissen Willkür
unterliegt: Wenn eine Findungskommission beispielsweise
beabsichtigt, eine erste Ersatzfrau
für den Nationalrat nach mehreren
Wahlkampfrunden kaltzustellen,
dann fragt man sich, ob eine
solche Parteispitze schlicht Macht
statt Gerechtigkeit anvisiert.
Denn solche Wahlkampftouren
durchzustehen, kostet Energie und
viel Geld, bis hin zu sechsstelligen
Beträgen, um ohne Wahlchance
auch nur einige Listenplätze zu
gewinnen. Das können sich nur
sehr Reiche leisten, es sei denn,
man werde finanziell von einem
Komitee unterstützt. Doch dann
werden die Ansprüche der
Unterstützung präsentiert:
Vertreten die Gewählten dann den
Wählerwillen oder die Interessen
der Sponsoren? Wenn nationale
Politiker in Grenzregionen für eine
Herabsetzung der Zollfreigrenze
plädieren, spricht das Bände. Zu
finanziellen Einschränkungen
kommen auch berufliche
Engpässe: Oft können Gewählte
die beruflichen Perspektiven im
Leistungs- und Erwartungsdruck
nicht mehr wahrnehmen. Wer sich
politisch engagieren will, kann
bestimmte Berufe gar nicht erst
ergreifen – wie die Diplomatie
– abgesehen von einem Quereinstieg in der Pension. Im Falle der
Abwahl droht oft der Sturz ins
Nichts. Selbstständigkeit und
Unabhängigkeit sind so kaum
möglich. Wer Erfolg haben oder
überleben will, wird dem Lobbyismus kaum widerstehen können;
entsprechend diskret, dafür
verbreitet spielt dieser sich sicher
hinter den Kulissen ab.
Die meisten Idealisten werden
durch diese Realitäten ausgegrenzt
und zu «politischen Gefangenen»
in der Demokratie.