ZOFINGER TAGBLATT www.zofingertagblatt.ch SAMSTAG, 12. DEZEMBER 2015 25 REGION Der Standort Zofingen ist nicht gesichert Zofingen Der Grosse Rat verordnet Kürzungen von 1 Mio. Franken ab 2018 – die Suchtberatung Aargau muss sparen VON MICHAEL FLÜCKIGER Die Suchtberatung ags hat gewonnen und doch verloren. Und mit ihr auch die Region Zofingen. Nach dem Willen des Grossen Rates dürfen Hans Jürg Neuenschwander und seine Mitarbeiter über das Jahr 2018 hinaus für den Kanton die ambulante Suchtberatung in den Regionen erbringen. Nur muss der Geschäftsleiter künftig mit einem stark gekürzten Budget zurande kommen. Statt wie heute 4,5 Millionen Franken stehen ihm ab 2018 noch jährlich 3,5 Millionen Franken zur Verfügung. Damit ist infrage gestellt, ob er diese Dienstleistungen auch künftig an neun Standorten anbieten kann. Mit anderen Worten: Die regionale Suchtberatungsstelle Zofingen mit ih- «Auch in Zukunft erhalten Klienten so Hilfe, ohne sich stigmatisiert zu fühlen.» Hans Jürg Neuenschwander Geschäftsleiter Suchtberatung ags ren über 300 Klienten und gut 500’000 Franken Betriebskosten pro Jahr ist mit dem Entscheid pro regionale Suchtberatung ags nicht gerettet. Und wenn, dann dürften die Leistungen ab 2018 nurmehr in eingeschränktem Mass zur Verfügung stehen. Bester Dienst an den Klienten Bei Suchtproblemen ist ein niederschwelliges Beratungsangebot entscheidend, damit die Situation nicht völlig aus den Fugen gerät. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● zu einer Konzentration auf vier - so wie bei den Grundbuchämtern mit Zofingen - oder fünf Standorte - so wie bei der Berufsberatung ask ohne Zofingen. Es ist kein Geheimnis: Eine derartige Schrumpfkur würde die Suchtberatung Zofingen nicht überleben. Hans Jürg Neuenschwander will davon vorerst nichts wissen: «Bis 2018 haben wir noch etwas Zeit. Wir analysieren die Situation eingehend.» Er macht kein Geheimnis daraus, dass auch mit einer allfälligen Rettung des Standorts am Personalkörper und damit an der Leistung gespart werden müsste. Doch bekräftigt er auch: «Wir werden das Gespräch mit unseren Partnern vor Ort suchen und die Alternativen diskutieren.» ● medizin stigmatisiert zu fühlen», sagt er. «Damit können wir Probleme auch in Zukunft frühzeitig angehen.» Neuenschwander weist darauf hin, dass der Kanton Aargau mit der PDAG zum Exoten geworden wäre. Denn die meisten übrigen Kantone setzen auf das ergänzende Angebot von einfach zugänglicher Suchtberatung und Suchtmedizin. Nun muss die Suchtberatung ags die geforderte Million selber einsparen. Dies obwohl sie bereits auf das Jahr 2015 hin den Aufwand um 10 Prozent reduziert hat. Wer die kantonsweiten Sparprojekte der letzten Jahre einer genauen Betrachtung unterzieht, erkennt: Gerne führen radikale Sparkuren bei kantonsweiten Einrichtungen SHUTTERSTOCK ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Mit 111 Nein zu 17 Ja-Stimmen hat der Grosse Rat am Dienstag die Pläne des Regierungsrates abgeschmettert, diesen Dienst komplett an die Psychiatrischen Dienst des Kantons Aargau (PDAG) zu übertragen. Diese Lösung wäre volkswirtschaftlich teurer gewesen. Berechnungen waren von 300 000 Franken Zusatzkosten ausgegangen. Die angepeilten Einsparungen von 1 Million Franken hätte der Kanton ab 2018 nur deswegen gespart, weil die PDAG viele Behandlungen neu über die Krankenkassen hätte abrechnen können. Hans Jürg Neuenschwander hält die Fortführung des bisherigen Angebots vor allem deshalb für richtig, weil sie seiner Meinung nach den Klienten mit Suchtproblemen am besten dient: «Auch in Zukunft erhalten sie damit niederschwellig Hilfe, ohne sich via Sucht- ❒ ❒ ❒ SUCHTBERATUNG AGS ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ Über 50 Prozent mit Alkoholproblemen ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ D ie Suchtberatung ags unterhält neun Geschäftsstellen im Kanton Aargau und setzt dafür auf Suchtthemen spezialisierte Sozialarbeiter ein. Die Geschäftststelle Zofingen umfasst einen Stellenetat von 300 Stellenprozenten. 2014 hat die regionale Suchtberatung Zofingen mit 320 Klientinnen und Klienten 1380 Beratungen durchgeführt. Knapp über die Hälfte der Klienten hatte mit Alkoholproblemen zu kämpfen. Die zweitgrösste Kunden- ❒ gruppe sind Jugendliche mit Cannabisproblemen, die die Jugendanwaltschaft zuweist. Drei Viertel der Klienten sind gesellschaftlich gut integriert. Ein jüngst mit dem Psychiatrischen Dienst des Kantons Aargau (PDAG) und der Suchtberatung ags durchgeführtes Pilotprojekt zeigt: Bei 11 Prozent der Betroffenen ist eine psychiatrische Betreuung angezeigt, weitere 11 Prozent waren schon zuvor in Behandlung. 78 Prozent der Fälle kann die Suchtberatung vollumfänglich selber abdecken. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ Wollte oder konnte sie sich nicht wehren? Zofingen Ein mutmasslicher Vergewaltiger wird vom Bezirksgericht freigesprochen. Grund dafür sind bestehende Zweifel am Verhalten der Klägerin. VON RONNIE ZUMBÜHL «Ich sagte, ich will das nicht und stiess ihn weg», sagte das mutmassliche Vergewaltigungsopfer. Er jedoch habe weitergemacht – sie geküsst, sie angefasst. Es kam zum Geschlechtsverkehr, das zeigten Untersuchungen und wurde von der Klägerin ausgesagt. Der Beschuldigte behauptete, sich an nichts mehr zu erinnern. Dieser musste sich am Donnerstag vor dem Bezirksgericht in Zofingen verantworten. Ihm wurde Vergewaltigung, eventuelle Schändung und mehrfacher Konsum von Betäubungsmitteln zur Last gelegt. Die zwei Personen kennen sich über den Cousin der Klägerin. Sie trafen sich vor dem Vorfall nur gelegentlich und höchstens ein- mal nur zu zweit. Das Treffen am Sonntag, 20. Juli 2014 um 1 Uhr in der Nacht in Oftringen, dem Wohnort des Beschuldigten, sei spontan gewesen, man wollte über einen Zwist mit dem Cousin seitens der Klägerin reden. Der Beschuldigte war laut Aussagen des mutmasslichen Opfers bereits dann ziemlich betrunken, da er den ganzen Nachmittag an einer Geburtstagsparty war. Er forderte sie aber auf, noch einen Wodka zu kaufen, bevor sie zu ihm gingen. Er hingegen müsse noch die Wäsche aus der Waschmaschine holen. Was danach geschah, sind Schilderungen der Klägerin, die aber auch nur vage Erinnerungen an den Abend hat. Sie hätten auf dem Sofa geredet und getrunken. Letzteres bis ins Delirium, obwohl beide Parteien nicht ausschliessen wollten, dass K. O.-Tropfen im Spiel gewesen seien. Was jedoch der toxikologische Bericht nicht bestätigte. sie nicht erwidern wollte. Sie sei jedoch zu betrunken gewesen, um sich zur Wehr zu setzen. Gewalt wurde laut ihr nicht angewendet. Dass keine gravierenden Verletzungen entstanden seien, zeige auch das Gutachten des Kantonsspitals Aarau, so die Verteidigerin des Beschuldigten. Als er kurze Zeit von ihr abgelassen habe, sei sie aufgestanden und habe sich den BH und das Oberteil wieder angezogen. Danach habe sie sich wieder zu ihm ins Bett gelegt. Die Klägerin erklärt sich so: «Da ich so betrunken war und keine Verbindung mehr nach Hause hatte, zog ich es nicht mehr in Erwägung, heimzukehren.» Der Beschuldigte schrieb das Opfer wenige Stunden nach dem Vorfall elfmal auf Facebook an, bis sie ihn in einer Rückmeldung mit dem Vorfall konfrontierte. Er antworte, er könne es nicht glauben, dass so etwas passiert sei. Kurz darauf ging sie zur Polizei. Trotz Vorfall zurück ins Bett Die mutmasslichen Opfer und Täter landeten im Bett, er beabsichtige nach Aussagen der Klägerin sexuelle Handlungen, die Unklares Abwehrverhalten Der Oberstaatsanwalt beantragte eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monate bei ei- «Da ich so betrunken war und keine Verbindung mehr nach Hause hatte, zog ich es nicht mehr in Erwägung, heimzukehren.» Klägerin ner Probezeit von drei Jahren und zusätzlich eine Busse von 1500 Franken. Der Rechtsanwalt der Klägerin forderte zudem eine Genugtuung von 20 000 Franken. Nach der Tat sei es einfach, zu sagen, sie hätte ja gehen können, so der Rechtsanwalt. Zudem hätte sie kein Motiv, den Beschuldigten aus anderen Gründen zu belasten. Die Anwältin des Beschuldigten hingegen plädierte für einen Freispruch von Vergewaltigung und Schändung. Der Beschuldigte habe eigentlich geplant, die Klägerin früher zu treffen. Eine Übernachtung sei nicht vorgesehen gewesen. Zudem wies auch sie auf das widersprüchliche Verhalten der Klägerin hin, und dass sie ja hätte gehen können. Auch beim Bezirksgericht kamen deshalb Zweifel auf. Das Verhalten der Klägerin sei widersprüchlich gewesen. Zudem reichten ihre Aussagen nicht, um den Sachverhalt ausreichend zu erstellen. Das Gericht sprach den Beschuldigten von Vergewaltigung und Schändung frei. Zum Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz gab es einen Schuldspruch, sprich eine Busse von 500 Franken.
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