Tontechnik: Der Mensch macht den Unterschied I Das aktuelle wirtschaftliche gen ihrer Arbeitsbedingungen die Situation Umfeld führt ~i und Bezahlung. Tontechnikern zu unerfreulichen Sechs Statements Veränderun- aus der Branche spiegeln wider. So mancher FOH-Tontechniker bekommt unliebsame Gedanken bei der Philipshalle Düsseldorf: Sie gilt als problematisches Venue für Beschallungen. Wenn man dann schon lange nicht mehr in dieser Halle erlebt, dann denkt man: Ein Teil des Publikums hat kapiert, was ein Live Sound Engineer leistet. tungstechniker durchlaufen haben? Was sind ihre Motivationen zum Beruf? Haben sie (noch) "Rock 'n' Roll im Blut" oder planen sie ihr Leben nach anderen Vorstellungen? persönlich - bei einem Konzert mit dem Ita- Diese Art von Anerkennung bildet leider nicht die Regel, sondern eher die Ausnah- Wie ergiebig und praxis gerecht ist die Aus- lo-Popper Zucchero - mitbekommt, wie sich hinterher ein Zuschauer am FOH-Platz herzliehst bei Altmeister Colin Norfield (u. a. Pink Floyd, Cliff Richard) bedankt und schwärmt, so einen guten Sound hätte er mON PARTNER 612010 me. Welchen Status hat heute der Live Sound Engineer, wie wird er honoriert? Wie qualifiziert sind junge Leute am Pult, die eine dreijährige Ausbildung als Veranstal- bildung zum Veranstaltungstechniker (VA), mit einer selbst gewählten Spezialisierung zum Ton-Experten? Und wie sieht es in dieser typischen Freelancer-Szene mit den Honoraren aus? Jeder Eclipse ist die innovative Einsatz: weltweit integriertem Lösung für höchste Flexibilität das erste digitale Live-Mischpult Multi-Track-Recording. Dadurch setzt Eclipse neue Maßstäbe: unbegrenzte Einsatzfähigkeit, Branchenkenner weiß, dass so manche Leistung kostenlos erbracht wird - undenkbar bei einem Klempner oder Taxifahrer. Sind LiveSound-Leute und Veranstaltungstechniker Exponenten des so genannten Prekariats? Pointierte Stellungnahmen und Kommentare zu solchen Fragen postulierten bereits Diana Mayer-Blaimschein und Martin Mayer ("Mister Master", Österreich). Drei weitere Insider der Veranstaltungsbranche haben wir dazu um ihre Meinung gebeten. Die Beiträge veröffentlichen wir in dieser und der folgenden Ausgabe von PRODUCTION PARTNER.In dieser ersten Folge geht es um eine Bestandsaufnahme der Situation bei Live-Musikveranstaltungen, den Qualitätsstandard von modernem Equipment, Image und den "Wert" von Fachpersonal und um - fragwürdige - Gepflogenheiten bei der Honorierung von Leistungen. In der nächsten Folge widmen wir uns der Ausbildung von Veranstaltungstechnikern und insbesondere von Tonspezialisten, um höchste Produktionssicherheit in jedem mit vollständig exzellente Soundqualität, und ausgezeichnete Wirtschaftlich- keit - ob im Toureinsatz oder bei Festinstallationen. innovaso PUSH THE L1MITS_ Arbeitswelt Tontechnik Berufsbilder, Karriere-Modelle und den sich vollziehenden Generationswechsel sowie der Beschäftigungs-Situation in der LiveBeschallung. Zu Wort kommen nachfolgend Diana Mayer-Blaimschein und Martin Mayer (die sich als Team für Sound-Design und Audio Rental "Mister Master" nennen), David Dohrmann (Dipl.-Ing. Ton- und Bildtechnik beim Verband Deutscher Tonmeister eV -VDTzuständig für das Referat Beschallung und Veranstaltungstechnik), Florian von Hofen (VPLT,Verband für professionelle Licht- und Tontechnik eV), Christi an .Butch" Jessen Diana Mayer-Blaimschein und Martin Mayer: "Event-Agenturen zweifeln an der Qualifikation von Veranstaltungstechnikern, wenn für deren Tätigkeit lediglich 25 Euro pro Stunde veranschlagt werden." (Geschäftsführer Amptown Rental) sowie Simon Scholz (Dozent an der SAE Hamburg für Live- und Veranstaltungstechnik). Mit einer ähnlichen Thematik wird sich übrigens auch eine Podiumsdiskussion auf der 26. Tonmeistertagung (25.-28. November in Leipzig) beschäftigen. Der Live Hype Production Partner: Wir spüren die Auswirkungen von Finanz- und Wirtschaftskrisen, die Tonträgerbranche ist stark zusammengeschrumpft - das hat verschiedene Folgen für die Veranstaltungswirtschaft. Mister Master: Es ist tatsächlich ein unschönes Bild, das sich bei einem Blick auf die Veranstaltungstechnik-Branche ergibt. Die Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise sind nicht zu übersehen: Abgesagte staltungen oder verkürzte Industrieveransetzen den Verleihern und ihren (freien) Mitarbeitern ebenso zu wie der erwähnte Niedergang der Plattenindustrie. Der treibt zwar die Künstler scharenweise ins Tourneegeschäft, aber wegen des Überangebots sind ausverkaufte Hallen eine Seltenheit, und der Live-Hype der letzten Jahre erscheint Auslaufmodell. mittlerweile als David Dohrmann: Der .Live-Hype" ist zwar eine logische Folge der Umwälzungen in der Musikindustrie, aber er wird sicherlich anhalten. Dass das Live-Geschäft dazu tendiert, rückläufig zu sein, kann man sicher direkt auf die gesamtwirtschaftliche beziehen, Christian Jessen:"Natürlich kann ich in mein Angebot eine Planungspauschale rein rechnen - bin dann aber über den Preis von vornherein aus dem Rennen." 74 PRODUCTION PARTNER 6/2010 und ich schätze Lage diese Tendenz daher als temporär ein. Der Live-Hype bringt andererseits sogar eine Chance mit sich: dass sich Qualität wieder besser durchsetzen könnte. Zum Beispiel: Wer nur mit Autotune gerade singen kann, wird die Massen bei einem Livekonzert sicherlich nicht so begeistern können wie ein mit allen musikalischen Wassern gewaschener Vollblutmusiker. Im Konzert- und Musikbereich glaube ich fest daran, dass sich mittelfristig wieder ein stabiles Geschäft entwickeln wird, sobald die Konsumenten wieder Boden unter ihren Füßen spüren. Vielleicht führt die aktuelle Zuschauerflaute ja auch wieder zu moderateren Preisen bei Livekonzerten. Besonders internationale Stars sollten hier mal wieder geerdet werden, da sie mit ihren teils horrenden Eintrittspreisen ja auch die Kaufkraft für Konzerte kleinerer Künstler austrocknen. Florian von Hofen: Nach Informationen des idkv (Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft) sind noch nie so viele Leute in Live-Veranstaltungen gegangen wie zurzeit. Allerdings gibt es im Tourneegeschäft selbst immer rauere Sitten. Der Tontechniker steht dabei weit hinten in der Nahrungskette, fast am Ende, und das ist ein Problem. Material Wert vs. Mensch? des Sound Der Engineers PP: Wer spricht heute beim Material noch über markante Qualitätsunterschiede? Die scheint es wohl kaum noch zu geben. Florian von Hofen: Material wird heute praktisch nur noch unter Preis-Gesichtspunkten eingekauft, die, Qualitätsunterschiede bei Ton-Bquipment sind nur noch marginal. Und wenn der Preis weit genug unten ist, dann wirkt sich der Preisdruck auch auf das Personal aus. Das ist wohl der Zusammenhang. Es gab eine Zeit, da haben viele Bands darauf bestanden, dass bestimmte Tonleute am Pult sein sollten, hoch qualitative Leute eben. Das ist heute oft nicht mehr so. Christian Jessen: Es gibt Zahlen mit einer anderen Aussage: Der Preis für Equipment ist seit ungefähr 15-20 Jahren konstant geblieben oder sogar gefallen. Die Personalpreise sind aber immerhin gestiegen. Gagen, die am Ende der DM-Zeit bei 400 DM (ca. 205 Euro) lagen, stehen jetzt bei ca. 250 Euro - immerhin eine Erhöhung um fast 25 %. PP: Was ist mit der Sichtweise, dass das Material heute alles möglich macht, alles "kann", und dass man relativ dazu - in sei- einem anderen Leistungs-Niveau ner Bedeutung für das Gelingen einer Veranstaltung - den Menschen am Pult relativ gering einschätzt? Mister Master: Aktuell haben viele Audiofachleute mit diversen Imageproblemen zu kämpfen. Meiner Meinung nach wird der 'toe: Jahren. Das heißt nach meiner Mei- Anteil der Hardware am Gelingen einer (Live-)Produktion maßlos überschätzt. David Dohrmann: Was das Material betrifft, sollten wir hier mal genauer hinsehen - oder hinhören. Natürlich befindet sich die Audioindustrie im Jahr 2010 auf als in den nung aber noch lange nicht, dass alles gleich gut ist. Es gibt sicherlich Einzelbeispiele - zum Beispiel in der WandlerTechnologie - wo man eine relativ geringe Qualitätssteigerung mit einem happigen Aufpreis bezahlt. Prinzipiell gilt nach wie vor der Grundsatz: Aufwendige Entwicklungsarbeit und bessere Materialien haben ihren Preis. Auf die Live-Beschallurig angewendet heißt das: Sicherlich kann man bei kleineren Konzerten mit relativ geringem mundgerecht vorbereitet. So sollte es sein, wenn ein Spezialist dafür sorgt, dass der Sound so ist, wie man das gewohnt ist. Aber das ist mittlerweile wohl die Ausnahme. PP: Wie wird der Status von Licht- und Videofachleuten im Vergleich zu den Toningenieuren gesehen? Florian von Hofen: Eine Zeitlang waren Video-Leute etwas Besonderes und haben mehr verdient. Bei Standard produktionen werden sie wohl inzwischen behandelt und bezahlt wie Ton-Leute. Man darf allerdings nicht übersehen: Der kreative Aspekt spielt bei Video eine wichtige Rolle heutzutage. Ein Lichtkünstler ist heute praktisch auch ein Video-Künstler. Ein Punkt ist natürlich auch das Set-Design. Also die Gestaltung der Bühne, wobei man vielfach Video zu einer Art Möbel macht. Bei bestimmen Shows ist ja praktisch alles eineLED-Wand, inklusive dem Boden. Christi an Jessen: Zum Thema Material kann ich nur sagen: Es kommt darauf an, was ein Techniker daraus macht. Auch das beste Beschallungssystem kann ein nicht versierter Techniker sicher so installieren und ansteuern, dass es einfach schlecht klingen muss. Das trifft genauso auf die Lichttechnik zu. Was nützen mir eine tolle Effektbeleuchtung oder LED-Screens, wenn keiner da ist, der aus dem Material das Optimale rausholt. Da ist es dann aber auch immer eine Teamleistung. PP: Wo kann man beim Technikmaterial noch Qualitätsunterschiede feststellen? für Beschallung heute David Dohrmann: Ab einer bestimmten Liga von Equipment kommt sicherlich immer was aus dem Lautsprecher, was der durchschnittliche Konzertbesucher gut und laut genug findet. Die wichtigen Fragen für uns Tontechniker lauten aber: Wie schwer oder leicht macht mir das System den Weg dorthin? Wie flexibel und akkurat lässt sich Florian von Hofen: "Der FOH-M~nnisf enorm wichtig für die ,Verkaufe' eines Künstlers." Material- und damit Finanzaufwand hervorragende Ergebnisse erzielen. Vor allem, wenn man Gelegenheit hat, die natürliche Akustik des Raumes und den unverstärkten Direktschall des Klangkörpers richtig einzusetzen. Was im\Kleinen funktionieren kann, gilt aber nicht unbedingt auch im grö~eren Maßstab! Hier treten Materialunterschiede schon wesentlich deutlicher in Erscheinung, beziehungsweise: Es sind bestimmte A'riwendungen überhaupt erst möglich, wenn man das richtige Material zur Verfügung hat. PP: Die Tontechniker "verkaufen" bei einem Konzert den - oder die - Künstler, und oft sitzt bei entsprechenden Künstlern der Manager hinter dem Sound Engineer und achtet darauf, dass der Sound ordentlich gemacht wird. Florian von Hofen: So sollte es sein, der FOH-Mann ist enorm wich- das System an verschiedene Situationen anpassen? Welche Limitationen legt mir das System auf? Wie sind das Handling und die Konfigurierbarkeit? Bin ich überhaupt in der Lage, das Maximale aus dem System rauszuholen - möglicherweise, weil mir das Wissen fehlt? Wie gut ist der technische Support des Herstellers? Wie gut ist der Hersteller national und international vernetzt? Wenn man diese Kriterien genauer betrachtet: Bei Marken-Herstellern, die auf den ersten Blick als gleichwertig erscheinen, gibt es dann doch enorme konzeptionelle und technische Unterschiede, die sich letztlich auf die Qualität beim Gesamtergebnis auswirken. Simon Scholz: Verkannt wird meiner Meinung nach der Stellenwert der eigenen Persönlichkeit von Sound-Leuten. Technik bedienen kann mittlerweile jeder. Aber auf zwischenmenschlicher Ebene eine entspannte Arbeitsatmosphäre schaffen - das kann leider nicht jeder. Gerade der Umgang mit Menschen in Stresssituationen bedarf einer gewissen Ruhe und Ausgeglichenheit. Wodurch entsteht die? Durch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten! Die oftbei Technikern - zu beobachtende Divenhaftigkeit ist hier keine Lösung, sondern immer ein leicht durchschaubarer Schutzwall. tig für die "Verkaufe" eines Künstlers. Bei Udo Jürgens zum Beispiel geht man nach einem Konzert nach Hause und sagt: Das war besser als auf Platte. Manche Künstler interessiert das jedoch nicht, die denken nur in Zahlen. Es gab ja früher für Mischer mit hoher Verantwortung bestimmte Arbeitsbedingungen. Zum Beispiel Achim Schulze, den Mischer der Scorpions. Der kam nur mit seinem Köfferchen zur Arbeit, denn dort hatte man ihm schon alles sozusagen 76 PRODUCTION PARTNER 612010 Umsonst-Leistu ngen PP: Ein delikates Thema ist z. B. das Bezahlen von Leistungen für Planungs arbeiten im Vorfeld einer Produktion oder eines Projekts. David Dohrmann: Das ist tatsächlich ein ernstes Problem und hat sicherlich damit zu tun, dass die VA-Branche zum Großteil auf ~ auf noch extremer. Es ist durchaus üblich, dass Änderung, Scheinselbstständigkeit beruht. In dieser Konstellation ist man als Techniker den Gesetzen des freien Marktes relativ ungeschützt ausgeliefert. Ein Überangebot an Tontechnikern und -Ingenieuren zieht die Preise teilweise zusätzlich noch weiter ein Kunde bei einem Verleiher mit seinem "Problem" anfragt und sich ein detailliertes Angebot unterbreiten lässt. Damit macht er dann eine Ausschreibung. Natürlich kann ich in mein Angebot eine Planungspauschale rein rechnen - bin dann aber an den Einladungskarten vornehmen muss, wird extra berechnet. Man darf daher mit nach unten. Außerdem verdingen sich Ingenieure - oder aufgrund ihrer Berufser- über den Preis von vornherein freier Beschäftigung und oft auch fahrung eher als Ingenieure einzustufende Techniker - oft zu Facharbeitersätzen, einfach mangels Alternativen. Hier sehe ich auch noch keine Lösung in naher Zukunft. Unser Verband (VDT) kann hier aber Anschubhilfe leisten. Erste Konzepte sind gerade für die Film- und Fernsehbranche entwickelt worden. Florian von Hofen: Es ist tatsächlich so, dass Planungsleistungen in der Regel nicht berechnet werden. In anderen Branchen wäre das undenkbar. In der Veranstaltungsbranche lässt man sich immer weiter runterhandeln und erbringt Leistungen auch kostenlos. Das kann man vielleicht auch als Dummheit bezeichnen. PP: Warum verkaufen sich viele Leute in unseren Branchen unter Wert? Florian von Hofen: Weil sie so sehr in ihren Job verliebt sind. Das ist das Problem. Viel~ die in dieser Branche arbeiten, tun das \ nicht wegen des Gelderwerbs - wie etwa ein Klempner, der mein verstopftes Klo sauber macht - die machen es, weil sie ihren Job lieben und ihn gerne tun. Und da sagt man unter Umständen: Ehe ich den Job überhaupt nicht mache, gehe ich mit dem Preis 50 oder 100 Euro runter. Das kann existentiell gefährlich werden. Man sollte sich an bestimmte Tagessätze halten und davon ausgehen, dass Planungsleistungen bezahlt werden. Andererseits ist ja offensichtlich: Wenn ich zehn Leute im Pitch habe, fünf davon sagen: Ich möchte meine Planung bezahlt haben, fünf machen die Planung ohne Bezahlung dann ist klar, was passiert. Wenn kein Zusammenhalt da ist, entstehen solche Verhältnisse. Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen dann die alten HandwerksZünfte für die Beteiligten plötzlich sehr vorteilhaft. Christi an Jessen: Das hat sich leider mit dem zunehmend enger werdenden Markt eher noch verschärft. Bei den Verleihern ist die Nichtvergütung von Planungsleistung aus dem Rennen. Mister Master: Auftraggeber aus der EventSzene haben bei ihren eigenen Leistungen andere Gewohnheiten. Da wird jede Kleinigkeit in Rechnung gestellt. Jede winzige die beispielsweise ein Grafiker einiger Sicherheit davon ausgehen, dass Event-Agenturen ernsthaft an der Qualifikation von Veranstaltungstechnikern zweifeln, wenn zum Beispiel für deren Tätigkeit lediglich 25 Euro pro Stunde veranschlagt werden. o Text: Martin Hömberg Fotos: Jörg Küster, privat
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