Im Bann der schwarzen magIe

Bikes
triplespeed super duke
Im Bann der
schwarzen
Magie
Text Ralf Steinert
Bilder Peter Riese
Wenn irgendetwas
aussieht wie der pure Hass,
sämtliches Tageslicht
aufsaugt, ordentlich Druck
hat und auf zwei Rädern
steht, handelt es sich mit
hoher Wahrscheinlichkeit
um ein Motorrad von
Triplespeed Headquarters
aus Erlangen. So wie diese
KTM Super duke 1290R – der „5th Horseman“.
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Bikes
triplespeed super duke
Vor dem Tankdeckel befindet sich normalerweise das Zündschloss, das
durch ein Keyless-System überflüssig wurde. Nun lassen sich an dieser
Stelle die nötigen Informationen an einem Daytona-Instrument ablesen.
Mit ihrem
„5th Horseman“
haben die beiden
wieder die Gene
des damaligen
1290-Prototyps
Die bestmögliche Lösung, aber noch nicht ganz fertig: Um das Seriencockpit
führt kein Weg herum, allerdings soll es noch eine schwenkbare Aufnahme
für das KTM-Teil geben – und eine gefälligere Verkabelung.
freigelegt.
D
er Winter ist nicht nett zu Motorradfahrern, und auch nicht zu
Motorradmagazinen mit Spinnweben in der Reisekasse. Zurück
von den Außenaufnahmen bei eisiger Kälte, wärmen wir uns in der Redaktion mit heißem Kaffee auf. Während Fotograf Peter unter betont
mitleiderheischendem Gehüstel noch die Details der nachtschwarzen
Super Duke 1290 einfängt, erzählt mir Jens Hebisch von Triplespeed
Headquarters von seinem wilden, von bedingungsloser Leidenschaft
geprägten Werdegang im Motorradracing. Die neueste Kreation von
Jens und seinem Jugendfreund und jetzigem Arbeitgeber Obi Obringer
nennt sich „5th Horseman“, also der fünfte Reiter der Apokalypse, und
während ich der Geschichte lausche, frage ich mich, ob Jens mit seinen
bösen Bikes nicht einfach unterbewusst seine eigenen Dämonen materialisiert.
Dem Teufel verschrieben
Jens ist besessen vom Motorradrennsport. Seinen ersten Trackday besuchte er im Jahr 2000, zwei Jahre später fuhr er im SV-Cup, als plötzlich das Telefon schellte. Ein Fahrer hatte sich beim Training der Langstrecken-WM schwer verletzt, und Jens sollte einspringen. „Beim
Nachttraining schüttete es wie aus Kübeln. Ich hatte bisher nichts
Stärkeres als 90 PS gefahren, war noch nie im Regen und auf Regenreifen auf der Strecke gewesen, mein Visier war beschlagen, und ich
konnte absolut nichts sehen. Nur ein paar Lichter ab und zu neben mir.
Nach der Session musste ich pinkeln, und ein Typ neben mir sah mich
an und sagte: ,Na, du bist ja krass drauf!’ Ich wusste nicht, was er meinte, bis ich die Zeitentafel sah. Ich stand auf Platz 14! Im Trockenen habe
ich dann aber ordentlich auf die Lampen gekriegt. Im Rennen hat einer
der Fahrer die GSX-R1000 ziemlich früh komplett zerstört. Für mich
war das vielleicht besser so ...“
2003 startete Jens als zweiter Fahrer im IDM-Team Braun &
Eschenbacher Triplespeed auf einer 955i Daytona. Weil er einen eigenen Mechaniker brauchte, lockte er seinen an den Chiemsee ausgewanderten Kumpel Obi zurück, der die Rennsportatmosphäre aufsaug-
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te wie ein Schwamm. „Die Daytona war in der IDM natürlich eine
Vollkatastrophe, und irgendwann hauten alle ab – nur Obi und ich waren übrig. Wir dachten uns: Da hat doch jemand so viel Geld investiert,
wir können doch nicht einfach gehen. Später fuhren wir mit dem Team
noch in der IDM Supersport auf einer Daytona 600, die noch schlimmer
war, und auf einer Ducati 749.“
Triplespeed SD8
der Vater des Bösen!
Der Naked-Umbau einer RC8 geriet 2012 zum finanziellen Desaster
Bye-bye, bürgerliches Leben
2008 gründete Obi Obringer seine eigene Motorrad-Traumfabrik und
übernahm den Namen des Rennteams: Das Triplespeed Headquarters
war geboren. Jens Hebisch kündigte kurzentschlossen seinen sicheren
Job bei der Bank und heuerte bei seinem langjährigen Weggefährten an.
Der Zeitpunkt für dieses Wagnis war vielleicht nicht optimal, denn bereits im darauffolgenden Jahr stürzte Jens beim Fischereihafenrennen in
Bremerhaven auf einer Speed Triple schwer. Er brach sich dabei drei
Brustwirbel, davon wurde einer völlig zertrümmert. Die Ärzte bewahrten
ihn mit einer gelungenen Operation vor einer Querschnittslähmung,
aber die lange Rekonvaleszenz war auch finanziell ein ziemlicher Kraftakt. „Ich bekam nur ein kleines Gehalt, viel geringer als bei der Bank, und
davon gab es über ein Jahr nur die Hälfte als Krankengeld. Ohne die Hilfe
meiner Frau hätte ich das nicht geschafft“, erzählt Jens. Trotzdem ließen
ihm seine­Dämonen keine Ruhe. „Ich konnte am Anfang acht Wochen
lang nichts anderes tun, als an die Krankenhausdecke zu starren und von
einer Rückkehr auf die Rennstrecke zu träumen. Das hat mich motiviert“,
erinnert er sich. Ein Jahr später konnte er tatsächlich wieder die ersten
vorsichtigen Turns auf dem Rennasphalt absolvieren. 2012 stand das
große Comebackrennen auf dem Plan, und es endete wieder in einer
Beinahe-Katastrophe: Bei einem üblen Highsider im englischen Oulton
Park brach er sich die Hüfte und das Bein – statt mit einem Racebike
musste Jens wieder wochenlang mit dem Rollstuhl vorliebnehmen.
Harmlos = sinnlos
Warum die Produkte des Triplespeed Headquarters keine gefälligen
für das noch junge Unternehmen, denn die Umbaukosten waren
am Schluss doppelt so hoch wie der vereinbarte Kaufpreis, allerdings sorgte er international für großes Aufsehen und machte die
Firma quasi über Nacht bekannt. Das Motorrad machte die Träume
aller KTM-Fans wahr, die bis heute vergeblich auf ein Naked-Bike
im Stil der RC8 warten.
„Die Idee entstand bei einem Gespräch in irgendeinem
Fahrerlager. Ein Kunde fragte uns, ob wir nicht eine Super Duke
990 zur RC8 umbauen könnten – er fände die Optik des Superbikes
so geil“, erzählt Jens. „Das wäre aber äußerst schwierig – wenn
nicht unmöglich – gewesen, aber wir schlugen ihm vor, eine RC8
zur Super Duke umzubauen. Damit war er einverstanden.“
„Wir bauten monatelang, und irgendwann verlierst du den
Bezug. Jeden Tag guckst du auf dieselben Schrauben, und es wird
alles irgendwie normal. Am Schluss waren wir uns selber unsicher,
ob das denn wirklich so geil wäre, was wir da getan haben. Als wir
aber unserem Kunden die SD8 in unserem Laden unter Stroboskopgewitter und Nebelschwaden präsentierten, ist der förmlich
ausgerastet vor Begeisterung! Später, auf der Messe Dortmund
haben uns die Leute die Bude eingerannt. Sie fährt sich auch super,
da packt ein Superbike-Motor ohne elektronische Fahrhilfen aus!“
„Die ,5th Horseman’ ist ein echter Hingucker, aber fast
Die Carbonteile hat Triplespeed selbst gestaltet. Die großartige TitanKomplett­anlage stammt von der englischen Firma Austin Racing und wurde
bei einem Spezialbetrieb komplett mattschwarz beschichtet.
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jeder Motorradfahrer weiß sofort, um was für ein Basis-Bike es sich
handelt. Bei der SDB ist das völlig anders. Du kannst nicht tanken
fahren, ohne dass dich jemand fragt, was zur Hölle das für ein
Motorrad ist. Sie ist das metallgewordene Böse, der pure Hass!“
Bikes
triplespeed super duke
Features
Triplespeed „5th Horseman“
Basismotorrad: KTM Super Duke 1290R, 2014
Motor: Serie, Powercommander V, Komplettanlage Austin
Racing GP1 Hi Slung Titan, mattschwarz pulverbeschichtet.
Fahrwerk: Seriengabel mit Öhlins Open-Cartridge (Sonderanfertigung), voll einstellbar. Öhlins TTX36-Federbein, voll einstellbar,
Höhenverstellung. Lenkungsdämpfer Serie. Serienfelgen schwarz,
Bereifung Metzeler Racetec RR, 120/70 und 190/55.
Elektronik:
Zusätzliches Digitalinstrument Daytona Velona, Kontrollleuchteneinheit Daytona Alpha Micro, Motogadget Keyless-System RFID.
Anbauteile: X00-Crossbar-Lenker Carbon, 2-Slide-Rastenanlage, kurze Hebel, Crashpads, Griffgummis, alle von LSL. RizomaAusgleichsbehälter für Kupplung und Bremse, Lenkerendenblinker
Kellermann BL 2000, Blinker hinten Kellermann Micro Rhombus DF
Dark (Rücklicht/Bremslicht integriert). Doppel-Projektionsscheinwerfer mit Parkleuchte an Eigenbau-Halterung. Carbonparts (Maske,
Tankoberseite, Heckabdeckung etc.) Eigenbau. Motordeckelprotektoren GB-Racing. Roadlok-Bremsscheibenschloss, fest installiert.
Kaufpreis:
34.500 € (inkl. Neufahrzeug), Umbau ca. 18.500 €.
Das Daytona Velona zeigt in Verbindung mit der Mini-Kontrollleuchten­
einheit alles Nötige an. Zur Verstellung der Fahrmodi etc. klappt man die
Frontmaske nach vorne. Der LSL-Carbonlenker hat einen Alukern.
Hipsterbikes sind, dürfte damit hinreichend geklärt sein. Nach der großaus tiefschwarzer artigen Daytona 675 und der spektakulären SD8 (siehe Kasten), haben
sich Jens und Obi nun die KTM Super
Farbe, PulverbeDuke 1290R zur Brust genommen.
schichtung und
Mit dem „5th Horseman“ haben die
Eigenbau-Carbon- beiden wieder die Gene des damaligen Prototyps freigelegt, und allein
beim Anblick legt sich nach der leiparts prägt die
sen Enttäuschung über das mild geebenfalls schwarz rate Serienmodell eine warme Decke
gepulverte Titan- der Zufriedenheit über die Seele.
Die größte Herausforderung
lag
in
der
Gestaltung des Cockpits.
Komplettanlage
Das öde Serieninstrument musste
von Austin Racing weg, soviel stand fest. Allerdings
konnte man nicht ganz auf dieses
optisch und vor
Bauteil verzichten, an dem sämtliche
Parameter der Fahrassistenten und
allem auch akusdes Motormanagements eingestellt
tisch die pure
werden. „Wir haben lange getüftelt,
und auch die Jungs von Motogadget
Bösartigkeit der
haben sich der Sache intensiv angekommen. Aber es führt daran vorbei,
Triplespeedman kann dieses Ding nicht vollstänSuper duke.
dig aus dem Kabelbaum rupfen.“
Die beiden entschieden sich
für einen pragmatischen Turnaround. Sie verbannten das Cockpit hinter eine klappbare Maske und installierten für die fahrrelevanten Kontrollen ein kleines Digitalinstrument von Daytona und eine Mini-Kontrolleuchteneinheit. Das Rundinstrument nimmt die Position des
Zündschlosses ein, das durch ein Keyless-System von Motogadget
Neben der Orgie
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Kontakt:
www.triplespeed.de
überflüssig geworden ist. Zum Aktivieren der Zündung reicht es, mit
einem Chip in die Nähe des RFID-Empfängers unter der Sitzbank zu
kommen. Technisch unaufwendig war die Lösung trotzdem nicht: Nur
wenige Informationen konnten an den Kabeln abgriffen werden, für
andere musste Obi an die Lötstellen der Platine gehen. Zum Einstellen
der Fahrmodi etc. muss man nur einen Haltestift lösen und die Maske
nach vorne klappen. Das System soll noch etwas eleganter werden,
Jens denkt über eine um 90º drehbare Halterung des KTM-Cockpits innerhalb der Maske nach, damit man beim Bedienen nicht mehr den
Kopf schieflegen muss. Auch in Sachen Hauptscheinwerfer besteht
noch Handlungsbedarf. Hinter der Idee mit dem seitlich montierten
Linsenscheinwerfer steht der Gedanke einer einfachen Demontage
für den Trackdayeinsatz. Die Halterung ist oben mit dem ABS-Modulator und unten an einer Motorhalterung verschraubt und kann mit wenigen Handgriffen gelöst werden, aber der TÜV stört sich an der ausladenden Konstruktion. „Es wird auf jeden Fall irgendwas unterhalb
der Maske stattfinden“, sagt Jens. „Vielleicht sogar etwas Klappbares,
sodass man die Scheinwerfer im Stand nicht sieht.“
Neben der Orgie aus tiefschwarzer Farbe, Pulverbeschichtung
und Eigenbau-Carbonparts prägt die ebenfalls schwarz gepulverte Titan-Komplettanlage von Austin Racing optisch und vor allem auch
akustisch die pure Bösartigkeit der Triplespeed-Super Duke. Sie klingt
ohne dB-Killer infernalisch gemein und behebt ganz nebenbei auch
einen­unverständlichen Mangel des Serienmodells, denn das Hinterrad
kann nun ohne Demontage des Endtopfs gewechselt werden. Der
dicke­Krümmer führt durch die Schwinge und würde dem Ausgleichsbehälter des Federbeins sehr nahekommen, aber bei dem Öhlins-TTXFeder­bein kann die Position des Behälters glücklicherweise frei
gewählt werden.
Prominente Zufallsbekanntschaft
Das TTX-Federbein ist für die Super Duke 1290R im normalen ÖhlinsProgramm erhältlich, die Open Cartridge in der Gabel ist hingegen noch
Tintenfischspaghetti mit einem Schnitzer Zitrone. Das Öhlins TTX36 gibt
es für die 1290R bereits offiziell zu kaufen, die Open Cartridge ist eine
Spezial­anfertigung und befindet sich noch in der Testphase.
eine Sonderanfertigung vom Öhlins DTC in Meuspath am Nürburgring.
„Auf einer Messe war da so ein Typ, der sich unser Motorrad ganz genau angeguckt hat“, erzählt Jens. „Er stellte sich als der Europachef von
Öhlins vor, und er sagte, dass er uns was bauen lässt. Momentan ist es
noch ein Einzelstück und nur auf Anfrage erhältlich, aber vielleicht
geht es irgendwann in Serie, und dann wird es auch günstiger.“
Bei den Anbauteilen griffen Jens und Obi in die Regale ihrer
langjährigen Zulieferer: Von LSL kamen der carbonummantelte X00Crossbar-Lenker, die kurzen Hebel, die Griffgummis, die 2-Slide-Rastenanlage und die Crashpads. Rizoma lieferte die Ausgleichsbehälter
für die Bremse und Kupplung, von Kellermann stammen die wunderschönen BL 2000 an den Lenkerenden und die hinteren Rhombenblinker. Der fünfte Reiter rollt auf den neuen klebrigen Metzeler Racetec
RR zur Apokalypse.
Jens Hebisch ist der Frontmann, Designer und Testfahrer von
Triplespeed Headquarters, die Erlanger Firma gehört allerdings seinem
Jugend­freund und „Best Buddy“ Obi Obringer.
Den dicken Motor ließen Jens und Obi weitestgehend unberührt, lediglich ein Powercommander V sorgt für noch mehr Druck in
der Mitte, mehr Fahrbarkeit und bei der offenen Racingauspuffanlage
für ein ausreichend fettes Gemisch. Die bewährten Kunststoffprotektoren von GB-Racing schützen die Motordeckel.
Unheilbar verfallen
Die Triplespeed-Super Duke wird trotz ihres stattlichen Preis von
35.000 Euro (inklusive Neufahrzeug) einen ähnlich besessenen Käufer
finden. Ob derjenige damit wirklich bei Trackdays auftaucht, ist eher
nicht anzunehmen. Bei Jens Hebisch und seiner mittlerweile selbst
auferlegten Rennstart-Abstinenz bin ich mir da allerdings nicht so
sicher­. Dämonen wird man so schnell nicht los ... ANZEIGE