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Gegenseitiger Respekt ist die Basis | HVB
ÜBERGEBER
Gegenseitiger Respekt ist die Basis
Die Unternehmensübergabe innerhalb der Familie ist oft eine große
Herausforderung. So hat der ehemalige Inhaber von V. Fraas sein Lebenswerk
weitergegeben.
> Warum Sie diesen Artikel lesen sollten: So ist die Übergabe erfolgreich: Gute Vorbereitung, motivierte,
fähige Kinder. Ein Selbstläufer war es aber trotzdem nicht.
Über kurvige Landstraßen, vorbei an frisch gepflügten Äckern und reifen Maisfeldern, geht es von der A 9
zwischen Bayreuth und Hof in den kleinen Flecken Wüstenselbitz. Drei Durchgangsstraßen, ein paar
Nebengassen, Kirche, Freiwillige Feuerwehr, Schützenhaus. Doch genau hier gedeiht seit 135 Jahren einer
der „Hidden Champions“ der deutschen Unternehmenslandschaft. Das oberfränkische Dorf ist die Heimat
der V. Fraas GmbH, Weltmarktführer in der Herstellung textiler Accessoires. 600 Mitarbeiter beschäftigt
das Unternehmen, die eine Hälfte in Deutschland, die anderen 300 in rund 25 Fertigungs- und
Vertriebsstandorten in Europa, Nordamerika, Asien und Australien.
Typisch Mittelstand. Typisch? Seinen Erfolg verdankt das Unternehmen auch seiner Tradition: Es wird seit
einigen Jahren in fünfter Generation geführt von Alexander (42) und Andreas Schmidt (40). Längst keine
Selbstverständlichkeit in Zeiten des Manager-Mangels. Zahlreiche mittelständische Firmen suchen
Nachfolger – und finden keine. Ein Umbruch von fast dramatischer Größenordnung steht bevor: Etwa
580.000 Firmenchefs planen, so die Förderbank KfW, bis 2017 ihre Nachfolge zu regeln. Jeder dritte
Firmeninhaber ist Mitte 50. Oder älter.
Auch die Ende 2015 veröffentlichte Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)
macht deutlich: Weniger potenzielle Nachfolge war nie – 43 Prozent der Senior-Unternehmen finden
keinen passenden Übernehmer. Besonders rar sind qualifizierte Übernehmer in der Industrie: Hier
kommen laut DIHK fünf Alteigentümer auf einen möglichen Nachfolger.
Dr. Robert Schmidt lächelt. Er ist der Alteigentümer der V. Fraas GmbH. Mit Schals ist Fraas groß
geworden, einen Schal trägt auch der Vater der amtierenden Manager um den Hals, dunkelblau, mit
hellblauen und goldenen Punkten. Ihm ist quasi wie aus dem Bilderbuch gelungen, wovon zahlreiche
Unternehmer träumen: die Übergabe des Staffelstabs an die nächste Generation.
„In der Unternehmensnachfolge ist die beste Lösung der Manager, die zweitbeste der Schwiegersohn und
die schlechteste die eigenen Söhne“, kokettiert er mit seiner Lösung. Nicht zum ersten Mal. Alexander und
Andreas Schmidt, die Söhne, kennen diesen Spruch, die ironische Ader ihres Vaters, aber sie wissen auch,
warum er das sagt. Robert Schmidt war nicht der Sohn, er war der Schwiegersohn des Vorbesitzers Arthur
Fraas. Als er 1980 die Firma übernahm, war er Geschäftsführer. Aber eben auch Schwiegersohn. Die
zweitbeste Lösung.
Von 2006 an gab er Geschäftsführungsverantwortung an seine Söhne weiter, Stück für Stück. Das Finale:
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2011 übertrug seine Ehefrau als Inhaberin das Textilunternehmen an Andreas und Alexander, zu gleichen
Anteilen.
Frühzeitig planen
Nach mir die Sintflut ist Robert Schmidts Motto nicht. Schon kurz nachdem er die Führung der Firma
Fraas übernommen hatte, begann er, seine Nachfolge zu planen. Dass seine beiden einzigen Kinder
Alexander und Andreas in seine Fußstapfen treten würden, stand nicht fest. „Das war keine gmahde
Wiesen“, sagt er.
Freiheit. Das sollten seine Söhne haben. Die Freiheit, selbst zu entscheiden.
„Dazu wollte ich ihnen Entfaltungsräume geben. Es kann nicht schaden, sich dabei beruflich auch
außerhalb des Familienbetriebs umzuschauen.“ Rausgehen. Die Welt sehen. Lernen. Wirkliche
Unabhängigkeit vom Elternhaus, sagt Dr. Robert Schmidt, gibt es erst dann, wenn die Kinder eigene
Entscheidungen treffen. Unabhängig von den Erwartungen und Wünschen der Eltern.
„Es wäre ein großer Fehler gewesen, wenn ich meinen Söhnen von Beginn an eingetrichtert hätte, die
Firma übernehmen zu müssen“, sagt er. Rückt den Schal um seinen Hals zurecht. „Meine Frau und ich
wollten immer ein Beispiel sein und haben in der Familie die Freiheitsgrade vorgelebt.“
Bevor sich seine Söhne entschlossen, den Familienbetrieb weiterzuführen, studierten sie – Alexander
Ingenieurwesen, Andreas Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing. Und schauten sich um: Beide
lernten das Management-Handwerk in großen deutschen Konzernen - Andreas bei Adidas, Alexander bei
Braun Elektro.
Freut er sich als Vater, dass die Söhne sein Lebenswerk fortsetzen? „Natürlich.“ Was aber wäre gewesen,
wenn sie es nicht getan hätten? Eigene Entscheidungen in einer anderen Firma hätten treffen wollen?
„Dann hätte ich einen anderen Geschäftsführer eingestellt“, sagt Schmidt. „Entweder jemanden aus der
Firma oder einen Firmenleiter von extern.“
Eins hätte er aber nicht gemacht. „Verkauft? Verkauft hätten wir das Unternehmen nie.“
Der Mensch steht im Vordergrund
Der Übergeber soll bei der Frage der Übergabe immer auch die Perspektive möglicher Nachfolger
berücksichtigen. Sagen Experten. Sagt auch Robert Schmidt. Für ihn war es wichtig, seinen Söhnen die
Freiheit zu lassen, eigene Wege zu gehen. Wohin diese auch führen. Wenn das Chefbüro das Ziel ist, dann
aber mit der richtigen Ausbildung. Eine, die potenzielle Nachfolger dazu qualifiziert, ein Unternehmen
führen zu können.
„Mir ist da die fachliche Ausbildung nicht so wichtig“, sagt Schmidt, „sondern der Mensch.“ Der Mensch
als Unternehmer. „Ein straff organisiertes und zügig zu Ende gebrachtes Philosophie-Studium kann mehr
unternehmerische Qualitäten zeigen als ein Zwölf-Semester-Bummelstudium der BWL“, sagt Robert
Schmidt, selbst promovierter Betriebswirtschaftler.
Auch wenn die Söhne zunächst tatsächlich ihre eigenen Wege gingen – so ganz von der Leine ließ sie der
Senior dann doch nicht. Um das Interesse seiner Jungs an der eigenen Firma zu wecken, nahm er die
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beiden regelmäßig zu internen Meetings mit: internationalen Meetings, mit mehr als hundert
Firmenmanagern und Geschäftspartnern aus vielen Nationen. Unternehmerluft schnuppern.
Nach Osten und nach Westen
Dennoch ließ er ihnen reichlich Entfaltungsspielraum: als Manager in verschiedenen Funktionen, an
verschiedenen internationalen Standorten. So konnten Alexander und Andreas sich später rund um den
Globus ein Bild davon machen, wie die V. Fraas GmbH tickt. Wie das Unternehmen ihrer Familie tickt. Und
die beiden wurden immer mehr ein Teil des Familienunternehmens. Alexander ging nach Osten, nach
China, baute die Produktion auf, am Ende war er der Leiter. Andreas orientierte sich nach Westen, führte
mehrere Jahre lang die Verkaufsorganisation in den USA.
„Die Jungs wussten, hier ist etwas, das kostbar ist. Und genau das haben sie auch geschätzt“, sagt der
Senior. „Sie sind aber nie als die potenziellen Nachfolger im Unternehmen aufgetreten, sondern immer
wie Kollegen.“ In der Stimme von Robert Schmidt schwingt Stolz, wenn er sich daran erinnert.
Das bestätigt beim Rundgang durch die Produktion Martin Krenner, Meister in der Schärerei von V. Fraas
seit 29 Jahren. „Die beiden Jungen haben sich immer ganz normal hier in der Firma bewegt“, sagt er. „Mal
sind sie auf dem Hubwagen durchs Lager gesaust, mal sind sie bei mir auf dem Gabelstapler
mitgefahren.“ Jetzt, wo die beiden Chefs sind, verbindet ihn nach wie vor ein freundschaftliches Band mit
den Brüdern.
Privates und Geschäftliches trennen
Zeit. „Zeit ist bei der Planung der Übergabe ein wichtiger Erfolgsfaktor“, sagt Robert Schmidt und rückt
seinen Schal mit den Fransen zurecht. Beide Seiten – Übergeber und Übernehmer – sollten in Ruhe
abwägen, ob – und wenn ja, wann – sie zu dem Schritt bereit sind. Und reden, reden. Miteinander reden.
Bei einer Unternehmensübergabe besteht für den 69-Jährigen die Kunst darin, Tradition und Moderne zu
verbinden. „Hierbei sollten die entsprechenden ethischen Grundsätze, der Respekt und das Verständnis
um die Position des anderen helfen, die richtige Lösung zu finden“, sagt er. „Und natürlich die
entsprechende Portion an gesundem Realismus.“
Realismus kann auch helfen, wenn er von außen kommt. Beim Prozess der Übergabe hatte der Senior
Partner, die ihn und sein Unternehmen seit Jahren begleiten. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum
Beispiel. Oder seine Bank. „Hausbank trifft es da sehr gut“, sagt Schmidt, die Beziehung mit der
HypoVereinsbank beschränke sich seit Jahrzehnten nicht auf das rein Finanzielle, eine vertrauensvolle
Partnerschaft sei da gewachsen. „Die Leute von der Bank haben als Berater die Übergabe an meine Söhne
begleitet.“
Chief Listening Officer
Robert Schmidt, der Senior, der ehemalige Chef, spricht heute – vier Jahre nachdem seine Söhne die
Verantwortung übernommen haben – von einer erfolgreichen Übergabe. Risiken, das weiß er aber auch,
gibt es immer innerhalb eines Familienbetriebs. Risiken, gegen die er ein Mittel gefunden hat. „Business
ist Business, und Schnaps ist Schnaps“, pflegt der Senior zu sagen. Meint: Privates und Geschäftliches
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gehören getrennt. Feinfühlig sein müsse man, aufpassen, dass die private Beziehungsebene nicht mit der
beruflichen Ebene vermischt werde.
Und Humor müsse man haben. Sich selbst bei aller Ernsthaftigkeit nicht zu ernst nehmen. Auch nicht
seinen Titel: CLO – Chief Listening Officer, so nennen ihn seine Söhne. Er hat noch immer ein Büro in der
Firma, sein altes. Scherzhaft nennen sie ihn so, und schmeichelhaft. Zum einen, weil er heute in seiner
Rolle als Ratgeber im Hintergrund sehr gut zuhören kann. Zum anderen als Anlehnung an die in der USNiederlassung des oberfränkischen Weltunternehmens grassierende Titelmanie. Dass ihn das freut und
stolz macht, sieht man ihm an.
Die schlechteste Lösung, und das gleich doppelt: Für Robert Schmidt bleibt die Doppelspitze des
Familienbetriebs eine Herausforderung für die Zukunft. Die beiden Geschäftsführer-Brüder müssen sich –
zumindest, was das Geschäftliche betrifft – am Ende immer einig sein. „Gegenseitiger Respekt ist die
Basis dafür, dass das Unternehmen auch die kommenden Dekaden in Familienhand bleibt“, sagt Schmidt
Senior.
Für den Fall der Fälle sorgen alle drei gemeinsam vor und arbeiten an einer Unternehmens-Charta. Die
soll dafür sorgen, dass ein eventuell auftretender Konflikt zum Wohle aller Beteiligten gemeistert werden
kann – und dazu beitragen, dass die Erfolgsgeschichte im oberfränkischen Wüstenselbitz weitergehen
kann.
Weitere Informationen
DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2015
© HypoVereinsbank
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