Visuelle Halluzinationen, bedingt durch

K L I NI K
FOTOS: DR. ERICH FEICHTINGER / MEDICAL NETWORK
DIE AUGENABTEILUNG DES WIENER HANUSCH-KRANKENHAUSES
reiche eingeladenen Referate und Vorträge auf internationalen Kongressen. Das
Institut hat vier ständige Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter und wird ausschließlich
durch Drittmittelgelder finanziert.
FORTBILDUNG UND LEHRE
Die Fortbildungsserie der Augenabteilung
des Hanusch-Krankenhauses mit dem Titel „Einblick“ soll vor allem Kolleginnen
und Kollegen aus dem niedergelassenen
Bereich über Indikationen zur Überweisung an Fachambulanzen, an der Abteilung verfügbare diagnostische und therapeutische Maßnahmen und aktuelle
Erkenntnisse aus den an der Abteilung
durchgeführten klinischen Studien informieren.
In den letzten Jahren waren 12 junge
Ophthalmologen und Ophthalmologinnen
aus ganz Europa als Observer der „European Society for Cataract and Refractive
Surgery“ (ESCRS) und vier Fellows aus
sogenannten Entwicklungsländern des
„International Council of Ophthalmology
(ICO) Fellowship Program“ in der Abteilung zu Gast, um ihr Wissen und ihre
praktischen Fähigkeiten durch mehrwöchige bzw. mehrmonatige Aufenthalte
zu verbessern. Ziel ist dabei, dass diese
Ophthalmologen das neu erworbene Wissen und die Fähigkeiten in ihren Herkunftsländern bestmöglich implementieren und durch Teilnahme an Lehrprogrammen diese an Kollegen weitergeben.
Als Lehrkrankenhaus der Medizinischen Universität Wien sind die Ärzte
des Hanusch-Krankenhauses auch für die
Ausbildung von Studenten des Curriculums „Humanmedizin“ im Rahmen von
Famulaturen, der klinischen Tertiale und
des „klinisch-praktischen Jahrs (KPJ)“ verantwortlich. Zudem übernimmt die Augenabteilung auch Lehrveranstaltungen des
Programms „Clinical Neurosciences“ des
„Doktoratsstudiums der angewandten medizinischen Wissenschaft Dr. sci. med.“
HÖCHSTE QUALITÄT MIT EINFÜHLSAMER
BETREUUNG
Ziel der Abteilung ist es, höchstmögliche
medizinische Qualität und Streben nach
Perfektion bei Operationen mit möglichst
einfühlsamer und menschlicher Betreuung zu verbinden.w
Visuelle Halluzinationen, bedingt durch
Augenerkrankungen
DIE BEHANDLUNG DES CHARLES-BONNET-SYNDROMS AN DER
AUGENAMBULANZ DES HANUSCH-KRANKENHAUSES
D
Birgit Döller,
Orthoptistin
Prim. Univ.-Prof.
Dr. Oliver Findl, MBA
Vienna Institute for Research in Ocular S­ urgery
(VIROS), Hanusch-Krankenhaus, Wien
www.viros.at
126 MEDICAL NETWORK 2015
as Charles-Bonnet-Syndrom
(CBS) wird als das Auftreten
von optischen Pseudohallu­
zinationen ohne Vorliegen anderer
psychopathologischer Auffälligkeiten definiert. Diese Symptomatik
tritt meist im höheren Lebensalter
auf, in Verbindung mit einer Verschlechterung der Sehleistung im
Rahmen ophthalmologischer Erkrankungen, wie altersbedingter Makuladegeneration (AMD), Glaukom und
Katarakt, die häufig mit dem CBS
assoziiert sind.1,2,4
ÄRZTE SPECIAL p www.medical-network.at
PRÄVALENZ
Seit Charles Bonnet im Jahr 1760
visuelle Halluzinationen (VH) bei
­seinem psychisch unauffälligen
Großvater beschrieb, wurden viele
Falldarstellungen publiziert. Systematische Forschungen auf diesem
Gebiet, d
­ as de Morsier „CharlesBonnet-Syndrom“ nannte, sind beschränkt, was möglicherweise auf
die vagen d
­ iagnostischen Kriterien
und die b
­ eschriebene Seltenheit dieses P
­ hänomens zurückzuführen ist.
FORTSETZUNG >
K L I NI K
VISUELLE HALLUZINATIONEN, BEDINGT DURCH AUGENERKRANKUNGEN
Gezeichnete Halluzinationen unserer Patientinnen und Patienten
Die visuellen Halluzinationen, die bei
CBS auftreten, werden meist aufgrund
der Angst, gesellschaftlich als psychisch
krank angesehen und deshalb stigmatisiert zu werden, von den Patienten nicht
angegeben.1
Jedoch zeigten Studien aus dem europäischen Raum (Niederlande, England), dass die Prävalenz des CBS
(durch gezielte Befragung und Screening) von schwer sehbeeinträchtigten
Menschen bei 11–15 Prozent liegt.2,3,4
PATHOGENESE
Zur Pathogenese des CBS existieren
mehrere Hypothesen. Wichtig zu wissen
ist, dass das Gehirn aufgrund sensorischer Deprivation Entladungen im visuellen Cortex erzeugt und somit bewusst
wahrgenommene Bilder entstehen.1,2
THERAPIEANSÄTZE
Es gibt momentan kein standardmäßiges
Behandlungsverfahren für Patienten und
Patientinnen mit einem Charles-Bonnet-Syndrom. Aufgrund von bislang fehlenden kontrollierten Studien bezieht
sich die vorhandene Evidenz über pharmakologische und nicht-pharmakologische Therapieansätze ausschließlich
auf Fallberichte bzw. –serien. Eine we-
sentliche Bedeutung in der Therapie des
Charles-Bonnet-Syndroms kommt der
Aufklärung von betroffenen Patientinnen
und Patienten zu.5
STUDIE IM HANUSCH-KRANKENHAUS
Derzeit werden an der Augenabteilung
des Hanusch-Krankenhauses PatientInnen mit einem Visus des besseren
­Auges von 0,3 Snellen oder weniger auf
visuelle Halluzinationen gescreent.
Die Einschlusskriterien wurden von
uns wie folgt festgelegt:
• Mindestalter 60 Jahre
• Visus des besseren Auges von maxi-
mal 0,3 Snellen oder schlechter
• Vorhandensein von komplexen visu-
ellen Halluzinationen (Formen, Gestalten, Gesichter, Menschen, Pflanzen, Tiere o.ä.)
• Gute Kognition
• Keine mittelgradige bis schwere De-
menz
• Keine medikamentöse Therapie mit
Dopaminagonisten (z.B. bei Morbus
Parkinson)
• Keine bekannte Temporallappenepi-
lepsie
• Kein derzeitiger chronischer Drogen-/
Alkoholabusus
Die Pilotstudie umfasst 40 PatientInnen mit gesichertem
Charles-Bonnet-Syndrom. Mittels Minimization-Randomisierung werden die PatientInnen
in zwei Gruppen eingeteilt: die
Kontrollgruppe wird ein aufklärendes Gespräch durch einen
Ophthalmologen erhalten, die
Studiengruppe eine Exploration
und gegebenenfalls Therapie
durch die psychiatrische Abteilung im Hanusch-Krankenhaus.
Ziel dieser Studie ist es, betroffene PatientInnen aufzuklären
und über weitere Maßnahmen
und eine eventuelle Therapie
zu informieren. Da für die meisten PatientInnen mit geringer
Sehleistung das CBS eine Belastung ist, möchten wir mit
dieser Studie die Lebensqualität der PatientInnen erhalten
bzw. steigern, da die Aufklärung über die Erkrankung alleine schon
zu einer deutlichen Erleichterung bei
den Betroffenen führt.w
Wenn Sie Näheres über die Studie
­wissen wollen oder Sie Patienten oder
Patientinnen mit einem CBS haben,
bitte ich um Terminvereinbarung bei
OT Birgit Döller, Vienna Institute for
­Research in Ocular Surgery, HanuschKrankenhaus, E-mail: [email protected],
Telefon 01 / 910 21 / 575 64
1 Höflich A, Balinger P, Lanzenberger R, Kasper S, Winkler D.
Steckbrief einer seltenen Krankheit: Das Charles Bonnet­
­Syndrom. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und
­Psychiatrie 2012; 13(4), 187-189.
2 Abott EJ, Connor GB, Artes PH, Abadi RV. Visual Loss and
­Visual Hallucinations in Patients with Age-Related Macular­
Degeneration (Charles Bonnet Syndrome). Investigative
­Ophtalmology & Visual Science, March 2007; Vol.48, No.3,
1416-1423.
3 Teunisse R, Cruysberg JRM, Verbeek A, Zitman FG. The Charles
Bonnet Syndrome: A Large Prospective Study in The Netherlands. A Study of the Prevalence of the Charles Bonnet Syndrome and Associated Factors in 500 Patients Attending the
University Department of Ophtalmology at Nijmegen. British
Journal of Psychiatry 1995; 166: 254-257.
4 Tan CS, Lim VS, Ho DY, Yeo E, Ng BY, Au Eong KG. Charles
Bonnet­syndrome in asien patients in a tertiary ophthalmic­
centre. B­ ritish Journal of Ophthalmology October 2004;
88(10), 1325-9.
5 O'Farrell L, Lewis S, McKenzie A, Jones L. Charles Bonnet­
­Syndrome: A Review of the Literature. Journal of Visual
­Impairment & Blindness 2010; May: 261-274.
p www.medical-network.at
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