Arbeitskreis Deutsche England-Forschung Bd. 7 1988 Copyright Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publikationsplattform der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA), zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass das Digitalisat urheberrechtlich geschützt ist. Erlaubt ist aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Herunterladen, das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträger soweit die vorgenannten Handlungen ausschließlich zu privaten und nichtkommerziellen Zwecken erfolgen. Eine darüber hinausgehende unerlaubte Verwendung, Reproduktion oder Weitergabe einzelner Inhalte oder Bilder können sowohl zivil- als auch strafrechtlich verfolgt werden. \ U . o - q- Arbeitskreis Deutsche England*Forschung hrsg. im Auftrag des Vorstandes Gustav Schmidt, Bochum Veröffentlichung 7 „Victorian Values" Arm und Reich im Viktorianischen England Bernd Weisbrod (Hg.) „VICTORIAN VALUES" ARM UND REICH IM VIKTORIANISCHEN ENGLAND Beiträge: Thomas Sokoll (Hagen) Bernd Weisbrod (Bochum) Karl H. Metz (Erlangen) Alastair Reid (Cambridge) Sidney Pollard (Bielefeld) Pat Thane (London) Studienverlag Dr. N. Brockmeyer Bochum 1988 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Victorian Values : Arm u. Reich im viktorian. England / Bernd Weisbrod (Hg.). Beitr.: Thomas Sokoll... - Bochum : Studienverl. Brockmeyer, 1988 (Veröffentlichung / Arbeitskreis Deutsche England-Forschung ; 7) (Jahrestagung ... / Arbeitskreis Deutsche England-Forschung ; 1987) ISBN 3-88339-658-3 NE: Weisbrod, Bernd [Hrsg.); Sokoll, Thomas [Mitverf.]; Arbeitskreis Deutsche England-Forschung: Veröffentlichung ; Arbeitskreis Deutsche England-Forschung: Jahrestagung... Bayerisch« Staatsbibliothek München ISSN 0724-715-X ISBN 3-88339-658-3 Alle Rechte vorbehalten © 1988 by Studienverlag Dr. N. Brockmeyer Querenburger Höhe 281,4630 Bochum 1 Gesamtherstellung: Druck Thiebes GmbH & Co. KG Hagen INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Einleitung Thomas Sokoll "Alte Armut". UnterstUtzungspraxis und Formen lebenszyklischer Armut unter dem Alten Armenrecht, 1780-1834 Bernd Weisbrod "Neue Armut". Markt und Moral unter dem Neuen Armenrecht Karl H. Metz "Selbsthilfe". Anmerkungen zu einer viktoria- nischen Leitidee Alastair Reid Viktorianische Werte in der Arbeiterbewegung Sidney Pollard Viktorianische Werte im Bildungssektor. Logik des viktorianischen Zur Elementarschulwesens Pat Thane Weltlicher und himmlischer Lohn. system der viktorianischen Verzeichnis der Autoren Das W e r t e - Mittelschichten. iv Vorwort Der vorliegende restagung am 29. Band enthält des Arbeitskreises die Beiträge Deutsche für die Jah- England-Forschung Mai 198? in Mülheim/Ruhr. Die Referate, die alle auf Englisch gehalten wurden, erfuhren bei der Übertra- gung ins Deutsche nur geringfügige Änderungen. Lediglich das Referat von Karl H. Metz, der aus persönlichen G r ü n den verhindert war, wird hier in der Originalfassung aufgenommen. Der Beitrag von Sidney Pollard entstand aus einem längeren Diskussionsbeitrag auf der Tagung selbst und wurde vom Verfasser freundlicherweise für diese Veröffentlichung zur Verfügung Für die finanzielle gestellt. Unterstützung der Stiftung genwerk, ohne die solche internationalen renzen nicht stattfinden ausdrücklich Teil der gedankt. könnten, Frau Schreibarbeiten, sei an dieser Susanne Frau Axt Übernahm Michaela Charle Text Ruhr) fertigte die Computer-Druckvorläge. Bochum/Hagen, 1988 im Januar Volkswa- workshop-KonfeStelle einen (Expo Bernd weisbrod v vi Einleitung "Victorian Values" üben im Großbritannien Jahre eine eigenartige schworen und Faszination denunziert, idealisiert Sie sind zu einem Schlüsselbegriff einandersetzung, zu aus: einem der achtziger sie werden beund persifliert. der politischen Aus- Prüfstein der nationalen Selbstvergewisserung und zu einem Brennglas der schen Rückschau Historiker, geworden. Schuld daran sind sondern Margaret Thatcher, neu geprägt und in Umlauf gebracht rungshandeln historisch zu hat, um ihr um in Anknüpfung an die Erfolgsgeschichte der viktorianische die "permissive society" der Gesellschaft sechziger siebziger Jahre, sondern auch den als Krisenursache gemachten sozialen Konsens der Nachkriegszeit zu können. zu angetreten, und eine neues na- tionales Selbstbewußtsein zu schaffen, nur Regie- und national überhöhen. Sie war mit der erklärten Absicht nicht die die den Begriff legitimieren eine moralische Wende herbeizuführen histori- nicht und aus- überwinden Unter dem Motto der "Victorian Values" ver- ordnete sie der Nation eine Rückkehr culture", d5e Großbritannien frei, reich und mächtig gemacht eine zu der "enterprise in ihren Augen schon einmal Zweifellos wird Jahrzehnts recht unterschiedlich hatte.1 politische Bilanz des ausfallen. ThatcherSicher er- scheint nur jetzt schon, daß der Ertrag, wie immer er zu beurteilen sein wird, kaum den propagierten moralischen Werten wird zugeschrieben werden können. Trotz der feststellbaren Verschärfung des öffentlichen in Fragen des "law and order", 1 Meinungsklimas der Abtreibung oder der Homosexualität, ist dem Großbritannien Jahre eine politisch relevante, der achtziger moralisch-religiöse weck ungsbewe gun g nach dem Muster der Vereinigten Er- Staaten erspart geblieben. Auch die Beschneidung des staatlichen Sektors in der Wirtschaft wie in den sozialen Dienstleistungen scheint weniger den moralischen Vorzügen des "Individualismus" gegenüber dem "Kollektivismus" zu verdanken zu sein, als den ökonomischen Imperativen einer mehr oder weniger offenen Umverteilungspolitik. diesem Prozeß die zentralstaatlichen Instanzen Daß in entgegen der offiziellen anti-etatistischen Doktrin gestärkt, die kommunalen SelbstVerwaltungsorgane Gewerkschaften Zunahme geschwächt wurden, und Isolierung Unterklasse aber bewußt einer sprunghafte verarmenden erteilt wurde, Stellung schen Nord und Süd, mit einer Arm und die daß die in Kauf genommen, nationalen wie relativ weiter Gesellschaft" aber offen Absolution tes Gewinnstreben ebenso der für daß "Zweidrittel- ihr ganz priva- die nationalen Stärkung der Spaltung zwi- Reich erkauft wurde, all dies sollte vor einer Überbewertung der moralischen werte im politischen Haushalt der Thatcher-Jahre warnen. Im Konflikt zwischen den beschworenen traditionellen werten und den ebenfalls beschworenen Marktkräften, so scheint 2 es, setzten sich bisher doch immer letztere durch. Insgesamt dürfte es noch nicht ausgemacht langfristigen Folgen die Aufkündigung senses wird. für Die die Akzeptanz des sein, welche des sozialen Wohlfahrtstaates Meinungsumfragen zeigen jedenfalls, Konhaben daß die Mehrheit der Briten - trotz eines weit verbeiteten popu- lären Thatcherismus - an der wohlfahrtsstaatlichen Defi- nition ihrer Staatsbürgerschaft festhält und von der geo wünschten "enterprise culture" noch weit entfernt ist. Auch über die möglichst weitgehende Ausgrenzung der Ge- 2 werkschaften in den ist trotz der eindeutigen industriellen MachtVerlagerung Arbeitsbeziehungen noch nicht das letzte Wort gesprochen, wie die jüngsten Lohnauseinan4 dersetzungen zeigen. Obwohl also die Bilanz in vieler Hinsicht offener ist, Thatcherismus vorgibt, von der politischen als die Selbststilisierung der stellt sich doch auch unabhängig Brauchbarkeit die Frage historischen Fundierung des Wertekanons, der nach der der vikto- rianischen Gesellschaft zugeschrieben wird. Für Historiker genheit ist der Versuch von Politikern, zu besetzen sieren, und parteipolitisch weder neu noch verwunder lieh. keineswegs nur einer manipulativen zu Vergan- funktionali- Er enstpricht ja Absicht, sondern einem breiten gesellschaftlichen Bedürfnis nach historischer Standortbestimmung. Die andauernde Beschäftigung mit der Vergangenheit rem jeder Generation wieder neu, Öffentliche erlaubt unter ande- sich eigene Zukunfts- visionen zu erschließen. Der moralische Feldzug Margaret Thatchers zur Regeneration der Nation beruht in diesem Sinne auf einem historischen Identitätsangebot, lerdings unter Ausschaltung aller störender die vermeintlich guten Der Begradigung Versuch zur das al- Aspekte "Victorian Values" verkürzt schichte und die öffentliche der nationalen Erfolgsge- ihrer Grund- werte müssen jedoch in einer offenen Gesellschaft unwei- gerlich zur Wiederkehr des bes führen: Kanonisierung auf ist. verdrängten historischen Er- Die Beschwörung der "Victorian Values" kann somit sowohl die nostalgische Verklärung des viktorianischen Zeitalters als auch dessen Entzauberung zur Folge haben. Der etwas verspätet einsetzende Versuch von Historikern, die politische Metapher historisch 3 zu überprüfen und den vermeint liehen tisch fruchtbar Es ist viktorianischen zu machen, kein Zufall, daß Wertewandel sich Öffentliche Auseinandersetzung erwünschten Geschichtsbild, die mit eine bisher dem den großen sozialpolitischen aufwendigste regierungsseitig mehrteilige serie Uber die "Victorian Values", mit analy- scheint dies zu bestätigen. fast Fernseh- ausschließlich Errungenschaften der viktorianischen Zeit befaßte. Unter der Prämisse, daß es allgemeinverbindliche Werte nie gegeben habe, wurde da- bei der Ausbau des öffentlichen Gesundheits- und Erziehungswesens und die Befriedung sozialer Konflikte doch durchgängig auf die wachsende Bereitschaft des viktorianischen Gemeinwesens zurückgeführt, die politische Vei— antwortung für die "soziale Frage" zu übernehmen. die großen Leistungen und Defizite der privaten Auch Philan- thropie erschienen somit als Begründungszusammenhang 5 für einen Die wachsenden politischen Sozialstaatsinterventionismus. Revisionisten des des waren jedoch angetreten, schrittsdenkens, pretation of die History" englischen Geschichtsbil- gerade diese Art des Fort- in der Tradition der "Whig Intersteht, unter Berufung auf die "Victorian Values" auszuräumen. Margaret Thatchers eigene Version der "Victorian Values" läßt diese Stoßrichtung deutlich erkennen. Ihr kommt es vor allem, Tiefenschär- unabhängig von der historischen fe, auf die individualistischen Werte im viktorianischen Wertekanon an. Es handelt sich im Grunde um die historische Zuschreibung die im von allgemeinen nach-viktorianischen der Erziehungs- und Lebensstile insbesondere Sozialisationsregeln, England bis zur Umwälzung in den sechziger in Aufsteigerfami 1ien als Jahren verbindlich gel- ten dürfen: "I was brought up to work jolly hard. We were taught to live within our income, that cleanliness 4 is next to godliness. We were taught self-respect. You were taught tremendous pride in your country. All those are Victorian virtues..." Diese Lebensweisheiten seien, so proklamierte Margaret Thatcher schon ig81, weder neu, revolutionär oder spezifisch viktorianisch sondern ganz einfach ewige Wahrhei- ten : "We have discovered the old verities. Individual freedom and repsonsibility are the springs of our prosperity, as well as the foundations of our moral order." Oder noch prägnanter: "Victorian Values aren't Victorian, they're really, I think, fundamental truths." Aus sich dieser Trivialfassung jedoch schließen, auf der einen nicht viktorianischen Zeit, tungsversuchen eine der Set nur "Victorian von Values" Werthaltungen in den Selbstzeugnissen hervorragende Rolle gespielt "activism, "the sie entrepreneurial Eingang unter spirit","the hat. voluntarism, p respectability and the pursuit of liberty." fanden der sondern auch in den späteren Deu- Nach Brian Harrison sind dies: storiographie läßt zurück- In der Hi- anderem self-help als: ideolo- gy","the cult of respectability","the civilizing mission of the English race". Unternehmensgeist, Freiheitsliebe Wertekanons Selbsthilfe, mögen gebildet den Respektabilität identifizierbaren haben, Kern und eines dessen die Viktorianer zur eigenen Selbstverständigung bedurften. Man kann sogar argumentieren, für die bildeten. Kitt für daß solche Werthaltungen spezifische Sie den politische lieferten Schlußstein Staatsbildungsprozesses, Liberalismus als Kultur gewissermaßen im großen indem sie sozio-kulturelle 5 das Unterfutter Großbritanniens den Bogen moralischen des modernen Individualismus Normen der und Marktge- sellachaft etablierten rianer als große eigenen Erfolgs einzuklagen, und a b s i c h e r t e n . 9 Moralisten und jedoch nicht müde Daß die Vikto- Propagandisten ihres wurden, Werte diese läßt allerdings auch den Schluß zu, "that they were often proclaimed not because they were conspiabsent."10 cious but because they were Unabhängig von der historischen Verifizierung dieser Interpretationen gilt allgemein, daß der moralische Appell an sich immer gleichzeitig eine Identifikations- wie auch eine Ausgrenzungsstrategie beinhaltet. Er gilt primär den Anderen rung der und dient in der Selbstrechtfertigung, impliziten nicht ohne Distanzie- gleichzeitig die soziale Offenheit und Allgemeingültigkeit des Wertesystems zu bekunden. bestand in dieser Der Vorzug der "Victorian Hinsicht gerade darin, daß Values" sie eine umfassende Aufstiegserwartung stifteten, ohne die soziale Hierarchie der dadurch freigesetzten dynamik opfern zu müssen. einen Teil tungsleistung rian Values" dar, die schaftlichen Prosperität Mobilisierungs- Insofern stellten die "Victojener kulturellen langfristig - die - Selbstdeu- neben alle der wirt- Lebensbereiche durchdringende "class competition" mit der Legitimitäts- grundlage ausstattete, die für eine "viable class society" erforderlich Eine war.11 Schlüsselfrage für die moralische entwickelten Martktgesellschaft stellt Legitimität zweifellos der - da- mals wie heute - das Problem der Armut dar. Es ist daher naheliegend, menwesen des den großen Umbruch zum Ausgangspunkt behaupteten Anspruchs im viktorianischen der historischen und der Ar- Überprüfung vermeintlichen wir- kunsgweise der "Victorian Values" zu machen. Dabei zeigt sich, daß die Grundsätze der Reform 6 von 1834 zu einer eklatanten Fehlwahrnehmung des vor-viktorianischen ten Armenrechts" geführt haben, dessen Grundlagen im Hinblick struktur auf als die auch lebenszyklisch im Hinblick auf bedingte die manche Ähnlichkeiten mit den modernen Bedürfnis- Transferleistung Wohlfahrtssystemen aufwiesen. Das auf dieser falschen historischen aufbauende Arbeitshaussystem des "Al- sowohl "Neuen Prämisse Armenrechts" folgte einer rigorosen Marktdoktrin, die den moralischen Erfordernissen Alten der Massenarmut in keiner Weise gerecht von Kindern, Frauen zu werden vermochte. und Die zentrale Kategorie der "Selbsthilfe", die den sozialphi- losophischen Armenpoli- Kernbestand der tik ausmachte, Wandel zu viktorianischen geriet darüber einem neuen in eine liberalen die den Staatsverständnis Krise, an- zeigte. Auch im Bereich der industriellen Arbeitsbeziehungen des Erziehungswesens läßt sich zeigen, rian Values" zu einer Fehlwahrnehmung xis ließ und der die von ihr viel beschworene Staatsferne führten. des für PraSo viktoriani- marktgesteuer- kollektive Konfliktregulierung und Bedürfnisbefrie- digung unter staatlichem Schutz und mit gezielter licher sich und "Victo- der sozialen transportierten Werte schen Individualismus durchaus Platz te, daß die Förderung. In der hochviktorianischen staat- Zeit läßt jedenfalls kein historisches Vorbild für eine neo- liberale Politik Gewerkschaftsrechte finden, die zu einem die Beschneidung Prüfstein der marktwirtschaft- licher Verfassung macht. Der zügige Ausbau des öffentlichen Schulwesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts und insbesondere die gezielte staatliche Förderung naturwissenschaftlich-technischer darüberhinaus auf die Bildungsinhalte spezifische eines Bildungsmarktes hin, dessen staatliche 7 weisen Leistungsfähigkeit Engführung die für das industrielle Vorreiterland erforder liehe Innovationsfähigkeit und adäquate Zweck-Mittel-Relation der Bildungsinvestitonen gewährleistete, ohne die private oder staatliche Trägerschaft zum Dogma zu erheben. Beide Beispiele belegen anschaulich, wie wenig tig eine Interpretation ist, viktorianischen stichhal- die den seit dem Ende der Zeit beschleunigten, relativen gang der britischen Wirtschaft primär auf die Nieder- Preisgabe von "Victorian Values" zurückführt. Die englische Krise, die heute mit Hilfe der alten Werten überwunden werden soll, scheint jedenfalls in der spätviktorianischen nicht durch einen wirtschaftlichen Mangel an Unternehmensgeist Führungsschicht oder gar moralisch determiniert und somit und der kulturell gewesen zu sein. mehr eröffnen gerade die religiösen Zeit in Viel- geschlechtsspe- zifischen Erfolgsparamter der bürgerlichen Familien eine zusätzliche Dimension der wieder heute der "Victorian nostalgisch Values", verklärten die mit häuslichen Frauenrolle und individuellen Moral nichts zu tun hat. Es kann bei einer historischen Sondierung des Begriffs- horizonts der "Victorian Values" nicht darum gehen, den heutigen politischen Gebrauch des Begriffs zu widerlegen oder zu bestätigen. dere ausgemacht werden, der Selbstverständlich könnten auch an- Bedeutungsfelder viktorianischen des viktorianischen Wertewandels die Zusammenhalt und "national mood" Gesellschaft in ihrer Widersprüch- lichkeit und Dynamik kennzeichnen, so die tiefe Religiosität angesichts eines ses, der naturwissenschaftlich-technische glaube oder vor der dem rasanten Hintergrund Säkularisierungsprozes- eines Freihandels-Internationalismus 8 Fortschritts- romantischen als Revival Nährboden für ein wachsendes nationalistisches und 12 sogar rassistisches Uber legenheitsgefühl. schließlich Die hier in den Vordergrund gestellte Schlüsselfrage des gesellschaftlichen zeigt jedoch, bereich des Verhältnisses von "Arm und Reich" daß die "Victorian values" in einem Kernnationalen Selbstverständnisses auf einem moralischen Code beruhten, dessen ideologische und politische Aufladung damals ebenso umstritten war wie heute, "Victorian Values" sind weder ewige Wahrheiten noch das Ergebnis einer bürgerliehen, eigentlicher erst Sinn offenbart im Kontext einer kulturellen Hegemonie, ihr sich, politischen und damals die sich in ihrem Zeichen zu legitimieren 9 wie sozialen sucht. heute, Praxis, Anmerkungen 1 Aus der Flut der Literatur zur "Thatchei—revolution" vgl. zur Einführung D. Kavanagh, Thatcherism and British Politics: The End of Consensus?, Oxford 1986. 2 Vgl. den knappen Abriß bei Colin Crouch, Großbritannien unter der Regierung Margaret Thatchers, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 38(1987), S. 3-14. Ein drastisches Bild der Umverteilungseffekte der konservativen Wirtschsftspolitik gibt der Bericht der Child Poverty Action Group (Hg), The Growing Divide - A Social Audit 1979-87, London 1987. 3 Vgl. den letzten Bericht des unabhängigen Institute for Social and Community Planning: Roger Jowell u.a. (Hg), British Social Attitudes: The 1987 Report, London 1987\ 4 Vgl. zur Gewerkschaftspolitik den Sammelband von Otto Jacobi und Hans Kastendiek (Hg), Staat und industrielle Beziehungen in GroßbritanniTn (Sehriftenre ihe der Deutsch-Britischen St iftung für das Studium der Industriegesellschaft), Frankfurt 1985. 5 Vgl. James Walvin, Victorian Values. A Companion to the Granada Television Series^ London 1987 (in Kurzfassung als Beilage zu History Today, April 1987); vgl, a. Victorian Values. Historians take issue with Mrs.Thatcher, in: New Statesman, 27. März 1983. 6 Margaret Thatcher, in: The Standard, April 1983, zit. als Motto in: walvin, Victorian Values, S. 1. 7 Zit. in: Brian Harrison, Old Verities, in: London Review of Books, 19. Juni 1986. 8 Ebenda. 9 So etwa Philip Corrigan und Derek Sayer, The Great Arch. English State Formation as Cultural R e v o l u t i o ~ London 1985. 10 So schon Asa Briggs, The Age of Improvement 17831867, (1959) überarbeitete Neuauflage London 1979, S. 450. Briggs zählt hier "the gospel of work, seriousness of character, respectability and self-help" zum Kernbestand des "Victorianism". 10 11 Zur Konzeption der "viable class society" vgl. Harold Perkin, The Origins of Modern English Society 17801 8 8 0 f London 1969. 12 Vgl. z.B. schon die Hinweise in dem EinfUhrungskapitel von Asa Briggs, Victorian People (1955), Harmondsworth 1965. 11 12 Thomas Sokoll "ALTE ARMUT". UNTERSTÜTZUNGSPRAXIS UND FORMEN LEBENSZY- KLISCHER ARMUT UNTER DEM ALTEN ARMENRECHT, 1780-1834 Für die Herausbildung des sozialen Selbstbewußtseins der viktorianischen des Neuen zu, Mittelschichten Armenrechts von 1834 kommt der eine Durchsetzung Schlüsselfunktion und zwar in einem zweifachen Sinne. Zum einen mar- kierten die "principles of 1834" eine neue Form der Arbeitsethik, dung die auf der vermeintlich klaren Unterschei- zwischen dem per" beruhte. "independent labourer" und dem "pau- Nach diesem Verständnis war das Alte Ar- menrecht deshalb gescheitert, weil es genau diese Unterscheidung dung, zunehmend die es einfacher wie ten galt: verwässert hatte - eine in Zukunft durch Anwendung zuverlässiger Prinzipien Unterschei- zweier aufrechtzuerhal- dem Grundsatz der "less eligibility", die materielle Lage des mann klar ersichtlich "paupers" ebenso immer und für wonach jeder- unterhalb desjenigen Standards zu halten sei, der dem am.schlechtesten bezahlten Arbeiter entspreche; und dem "workhouse test", wodurch stellt werde, daß sich jemand tatsächlich sicherge- in einer ausweglosen Lage befinde, daß er auf öffentliche ge (unter den bewußt abschreckend gestalteten gen eines "wohlgeordneten" Arbeitshauses) so Fürsor- Bedingunangewiesen sei.1 Zum anderen kommt der Armenrechtsform politische Verlauf des Bedeutung zu, kündigte Gesetzgebungsverfahrens 13 auch eine sich doch selbst formal- durch den der Beginn der viktorianischen denfalls wurden die "revolution neuen in government" an. prozeduralen Spielregeln den Beteiligten durchaus in diesem Sinne gewertet, Jevon etwa wenn Edwin Chadwick, neben Nassau Senior der eigentliche Architekt der Armenrechtsform, den Anspruch formulierte, das Gesetz von 1834 sei "the first piece of based upon scientific or economical legislation 2 principles". Auch aus dieser Perspektive stellte sich das Alte Armenrecht als negative Kontrastfolie dar, tete Verwaltungsstrukturen fugnisse der zentralen als Beispiel für veral- und mangelhafte Kontrollbe- Regierungsinstanzen. Es ist die Absicht dieses Aufsatzes, des Alten Armenrechts, das negative schwebte und sich bis heute in einem Teil der zur Sozialgeschichte gehalten hat, der läßt, System das englischen richtigzustellen. sich das Alte Armenrecht kungsvolles den Bild das den Reformern von 1834 vor- der Literatur Industrialisierung Meine These ist, daß als äußerst flexibles und wirArmenunterstützung ökonomischen Bedingungen begreifen seiner Zeit durchaus angemessen war. Diese These enthält sicher eine gute Portion ideologiekritischen Zündstoffs, läuft sie doch dem traditionellen Verdikt diametral entgegen. In- sofern als lassen Beitrag zu sich einer die nachfolgenden historisch fundierten Überlegungen Ideologiekritik des viktorianischen Leitbildes von der selbstverschulde- ten Armut die Tugenden und ihrer Bewältigung durch Arbeit und des Fleißes, verstehen. Zugleich der der Sparsamkeit und Selbsthilfe aber geht es mir, unabhängig von diesem sozusagen Ubergeordneten Bezugspunkt, auch darum, die Unterstützungspraxis unter dem Alten Armenrecht einfach möglichst einer ten", empirisch die aus ganz konkret darzustellen - als Beitrag zu gesättigten Sozialgeschichte forschungsstrategischen 14 Gründen "von un- von der Analyse typischer Handlungsfelder sucht und dem Verlangen, gischen Haushalt "vor Ort" auszugehen die großen Umbrüche im ideolo- der Gesamtgesellschaft nachzuzeichnen, bis auf weiteres mit einer gewissen methodischen Skepsis begegnet. I. Einige grundsätz1iche Bemerkungen zum Alten Armen- recht und seiner Verwaltung Das Alte Prinzip: Armenrecht beruhte auf der Verantwortlichkeit einem der für die Unterstützung ihrer Armen. tionellen Gemeinde Systems die der lokalen finanziell sehr einfachen einzelnen Selbstverwaltung unabhängige rechtlich autonome Einheit der Gemeinde Im Rahmen des tradiund öffentlichen war die verwaltungsWohlfahrts- pflege. Dies galt insbesondere im Hinblick auf drei Faktoren: Das Amt des Armenpflegers war ein gemeindliches Ehrenamt, das aus dem Kreise der vermögenden Gemeinde- mitglieder zu bekleiden war. wurde di- Die Armensteuer rekt von der Gemeinde, durch Veranlagung des besitzes innerhalb der Gemeinde, potentiellen erhoben. Der Kreis der Armenunterstützungsempfänger sich auf die ortssässige Immobilienbeschränkte (niederlassungsberechtigte) Be- völkerung. Zwar unterstanden die gemeindlichen Armenpfleger der Aufsicht durch die Friedensrichter. Doch deren Befugnisse beschränkten male Kontrolle, stellen, sich im wesentlichen auf eine rein deren Funktion darin bestand, for- sicherzu- daß die gemeindliche Armenpflege innerhalb des lokalverwaltungsrechtlich spezifizierten Rahmens besorgt wurde. Dieser Rahmen war ziemlich weit, und es war nicht die Sache des Friedensrichters, 15 darüber zu entscheiden, ob die innerhalb dieses Rahmens getroffenen gen oder beschlossenen Maßnahmen Entscheidun- sinnvoll seien oder nicht.3 Für eine Diskussion der Unterstützungspraxis Alten Armenrecht ist es entscheidend, gemeindlichen Selbständigkeit Auch sollte man sein, welche sind. Um von gab es der in Gemeinden, darüber Analyse England mit rund einer um Größenordnungen 4 maximal 150 Haushalten. ließe sich Praxis so weit "das" Alte im damit klaren impliziert 15.000 solcher durchschnittlichen Bevölkerung von weniger als 500 "Seelen", im wesentlichen dem immer im Kopf zu behalten. vornherein Dimensionen 1800 selbständigen sich unter diesen Aspekt der von d.h. es geht vielleicht 100, Mit einer gewissen Berechtigung gehen zu behaupten, Armenrecht im daß es in der Kollektivsingular gar nicht gab, sondern nur 15.000 sozialstaatliche Einheiten im Kleinstformat. Daß wir gleich zu Beginn unserer Darlegungen den Aspekt des "parochalism" unter dem Alten Armenrecht so stark betonen, hat zwei Gründe: einen sachlichen und einen methodischen. Was die Sache betrifft, so ist stets zu beachten, daß es hinsichtlich Armenrecht der Unterstützungspraxis beträchtliche zelnen Gemeinden gab. reits angedeutet, Unterschiede unter dem Juristisch fixiert war, lediglich der Alten zwischen den ein- wie be- verwaltungstechnische Rahmen der Armenpflege (Bestellung der Armenpfleger, Erhebung der Armensteuer usw.), Ausgestaltung. gesunde (able-bodied), arbeitsfähige nicht aber deren konkrete Auf der Basis einer groben Einteilung in sprich: arbeitsfähige und nicht- (impotent) Armen 16 bestimmten die Armen- gesetze Arbeit Bei von zu 1597 und setzen" dieser ziemlich Neuen Armenrecht 1601 und lediglich, letztere vagen zu Bestimmung von 1834, nun die arbeitsfähigen Daraus erklärt beklagte fortwährende Arbeitshauspolitik Armen Unterstützungspraxis der es bis zum in welcher weise denn "in Arbeit zwischen einen auch "in seien. beispielsweise sich das von vielen Schwanken auf erstere blieb und es wurde niemals verbindlich spezifiziert, seien. daß unterstützen zu einer und einer gegenüber setzen" Zeitgenossen den strikten großzügigen Arbeitsfähigen auf der anderen Seite. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, aufmerksam der zu machen, daß Unterstützungspraxis schiedenen Gemeinden, die enormen nicht nur darauf Unterschiede zwischen den in ver- sondern oft auch zu verschiedenen Zeiten innerhalb ein und derselben Gemeinde ten s i n d . 6 Daher geht es auch nicht an, zu beobach- zu meinen, alle Gemeinden seien mehr oder weniger gleichzeitig durch die verschiedenen Stadien einer klar erkennbaren Gesamtent- wicklung gegangen, wie überhaupt eine der größten Gefahren für ein angemessenes Alten Armenrechts historisches darin besteht, Verständnis des stadientheoretisch zu argumentieren. Dieser Gefahr ist leider fast die gesamte ältere Literatur erlegen, reichen Präambeln zialplaner ischen phletliteratur der indem sie sich von den zahlreichen Leitbildern blenden der Gesetze ließ und von den der tatsächlichen wort- den zeitgenössischen soPam- Schwerpunktver- lagerungen der öffentlichen Diskussion auf Veränderungen und entsprechende Unterstützungspraxis schließen zu können meinte. Beispielsweise wurde für das 18. Jahrhundert ein grundlegender Umschwung in der Hal- tung gegenüber den Armen ausgemacht, von einer durch die settlement laws und die Arbeitshausgesetzgebung 17 bestimm- ten "harten" Linie des Arbeitszwangs ehen Einkerkerung Gewährung von zur "out-door "able-bodied". hen relief" 18, Jahrhundert der auch der gemeindligroßzügigen an die Masse lassen sich die Arbeitshausdiskussion ebensowenig aus dem Gesetz und der Praxis Tatsächlich aber plinierungsphantasien wie sich "weichen" für von 1782 bare im Münze der Diszifrü- nehmen (Gilberts Act) per se der Übergang zu einer weniger repressiven Praxis herleiten läßt. Vielmehr markieren solche Entwicklungen in erster Linie den Wahrnehmungs- nerhalb der Bewußtseinswandel politischen und ideologischen len der Gesellschaft, bleme, und in- Schaltzentra- während sie über die realen Pro- vor denen die eigentlichen Verantwort1ichen für die Armenunterstützung, also die agrarischen und gewerblichen Mittelschichten keine verläßliche "vor Ort", Auskunft standen, so gut wie zu geben vermögen. Wieviele Arbeitshäuser tatsächlich eingerichtet wurden, wieviele Insassen sie tatsächlich hatten, in welchem Umfange dort tatsächlich ab- schreckend auf die übrigen Armen und disziplinierend tatsächlich gearbeitet wurde, ob sie auf die Insassen wirkten, und ob sie tatsächlich über re Zeiträume Jahren bestanden wieder oder geschlossen nicht oder schon nach in einfache länge- ein paar Armenhäuser umgewandelt wurden - solche Fragen lassen sich nur durch das genaue Studium der gemeindlichen Armenverwaltungsak- ten b e a n t w o r t e n , 7 wenn wir vom "paro- chialism" in Dies meinen wir, methodischer sollte keiner nichts mit weiteren Hinsicht Erläuterung lokalgeschichtlicher sprechen, bedürfen, und daß Kleinkrämerei zu es dies tun hat, sondern daß sich, sofern es um die tatsächliche Gestalt der Unterstützungspraxis unter dem Alten Armen- recht geht, das Heruntergehen auf den analytischen Level der einzelnen Gemeinde ganz einfach als methodischer perativ darstellt. 18 Im- II. Strategien der Armenunterstützung unter dem Alten Armenrecht1780-1834 Nachdem in punkt der den einleitenden Bemerkungen lokalen Variabilität unter dem Alten Armenrecht der der Gesichts- Unterstützungspraxis besonders hervorgehoben wur- de, mag es ein wenig widersprüchlieh erscheinen, wenn im folgenden das Augenmerk auf spezielle praktiken gelegt werden soll, den Unterstützungs- die, so behaupten wir, in letzten fünfzig Jahren seines Bestehens eine allge- meine Bedeutung erlangten: das Speenhamland- System, das "roundsman"-System und die "labour rate". Diese Positionen schließen sich jedoch nicht aus, beiden sofern eine Reihe von Einschränkungen beherzigt werden. 1. wir werden uns nicht auf England als ganzes beziehen, sondern nur auf den Süden und Osten; ferner nicht auf Städte oder Industriegebiete, ausgerichtete Gemeinden ts treideanbauregionen. 2. Wenn gesagt hätten men, wird, sondern innerhalb bestimmte agrarisch führenden Ge- Unterstützungspraktiken nach 1780 eine übergreifende so heißt das nicht, auf der Bedeutung sie seien überall genomund die ganze Zeit über angewandt worden. Ganz im Gegenteil eines unserer wichtigsten das Speenhamland-System unter ist. ganz bestimmten Dennoch läßt sich behaupten, wahrscheinlich zum in 3. Diese nach ihrer in dem Einführung Sinne andere 19 daß Phasen und praktiziert worden daß die genannten meisten Zeit- ländlichen Ge- sind. Unterstützungspraktiken ausschließlich sein, einen oder anderen den meinden übernommen worden wird in bestimmten Umständen Unterstützungspraktiken punkt Argumente nur dürfen keinesfalls verstanden Formen der werden, als daß Armenunter- Stützung aufgegeben wurden. Sie sind als stärker tematisierte und stützungsformen "normale" läuft, strategisch anzusehen, alltägliche Letztere durchgebildete neben sichts auf läßt sich der der als von die der Grundlage besonderen Summe seiner Umstände im vorhinein durch Einzelent- jeweilige des die die weiter- Erfahrung "Falls" ad hoc trifft, ohne daß damit se einer jedoch Unterstützungspraxis scheidungen charakterisieren, menpfleger denen sys- üntei— Ar- ange- vorliegenden notwendigerwei- Gemeindeversammlung Q beschlossenen Unterstützungsstrategie gefolgt wird, 4. Wir werden aus heuristischen Gründen die Gemeinde als in sich abgeschlossene Vorteil, chen Einheit ansehen. Das hat den daß die ökonomische Funktion der gemeindli- Unterstützungsstrategien Andererseits besser greifbar ist diese Einschränkung wird. im Vergleich zu den drei vorhergehenden besonders unrealistisch, denn wir wissen, daß bereits das sich durch ein ausgesprochen frühzeitliche hohes Ausmaß England geographi- scher Mobilität auszeichnete, auch wenn wir dabei für die Masse der einfachen Bevölkerung grenzten Migrationsfeldern von regional müssen.10 ausgehen kommt, daß im Bereich der Armenrechtsverwaltung beHinzu durch die settlement laws ein Steuerungssystem gegeben war, das aus der Sicht der Armenpfleger tische und einander zu arbeitsmarktpoli- niederlassungsrecht1iche verknüpfen unter allen Faktoren, erlaubte Strategien und mit mit- Sicherheit die im Einzelfall die über die eigene Gemeinde hinausgehende Perspektive der Betroffenen (und dies heißt: nicht sondern aller potentiellen nur der tatsächlichen, Armenunterstützungsempfän- ger) bestimmte, der wichtigste war. Gleichwohl müssen wir von den Komplikationen gebung abstrahieren, der Niederlassungsgesetz- denn in seinen praktischen Aus- 20 Wirkungen Alten Armen- rechts am allerwenigsten erforscht. Fest steht ledig- lich, ist daß settlement gerade die dieser ältere des Auffassung, laws nachteilig beitskräfte Teil ausgewirkt wonach sich hätten, nicht zu halten denn tatsächlich boten sie eine ganze Reihe bevorzugt nicht, wurden, wissen wir Varian- einfach noch 11 Doch nun zu den drei genannten Unterstützungspraktiken, die nach 1780 eine besondere Bedeutung erlangten. wir sie nen, in einen größeren historischen mag es hilfreich sein, in der ist, gegentei- liger Optionen gegenüber stärker restriktiven ten die auf die Mobilität der Ar- Sprache der Kontext Bevor einord- sie kurz idealtypisch modernen SozialVersicherung) (und zu be- schreiben . Das sog. Speenhamland-System de in Berkshire) an die läßt Entwicklung sich der (benannt nach einer Gemeinals einkommensabhängige Lebenshaltungskosten Familienbeihilfe char akterisieren. lage dient ein (von der von vorab der (sorich; Kinderzahl) und vom Preis der tel (in p r a x i: hängt. vom Weizen-, gekoppelte Als Bemessungsgrund- de»" Gemeinde) Mindesteinkommenssatz, und festgelegter Familiengröße Grundnahrungsmit- Mehl- oder Brotpreis) Bleibt das tatsächliche Familieneinkommen in der Regel: der Lohn des Mannes) einkommenssatz zurück, so wird die Differenz als Beihil- ( Das als Lohnzuschüsse hier letztlich desteinkommens, und die gewährt. labour-rate zu klassifizieren. um die Sicherung dagegen sind Zwar geht es auch eines bestimmten aber die Leistungszumessung 21 Mindest- 1 2 i o w a n c e ? von der Gemeinde roundsman-System hinter dem ab- (also als Minsolche erfolgt unabhängig von der Familiengröße entwicklung. allem beiden Vor aber Unterstützungspraktiken dadurch, daß sie die vom roundsman-System werden des diese Lohnsatzes Stoßrichtung die Preis- sich Speenhamland-System Festsetzung einer beschäftigungspolitischen Beim und der unterscheiden mit verknüpfen. Arbeitslosen und/oder Unterbeschäftigten eines Ortes von den Armenpflegern "on the round" von einem zum anderen der Gemeinde geschickt, versammlung festgesetzten wobei zumeist ein Teil rückerstattet wird. Zeitgenossen als Arbeitgeber innerhalb wo sie zu den von der GemeindeLöhnen zu des Lohnes Ähnlich labour beschäftigen funktioniert rate sind, von der Gemeinde das bezeichnete zu- von den System. Hier muß zwar nicht notwendigerweise jeder Arbeiter "die Runde machen", aber dafür ist die proportionale Umlage der "überschüssigen" Arbeitszeit genau spezifiziert. Jeder zur Armensteuer veranlagte Haushaltsvorstand hat nämlich von allen in Frage kommenden Arbeitern genau so viele zu beschäftigen setzten (und zwar wiederum zu einem vorher Lohn) wie es seinem Anteil am festge- gesamten Steuer- aufkommen der Gemeinde entspricht, oder anderenfalls den 13 entsprechenden Betrag an die Gemeinde abzuführen. Wie gesagt, dies sind idealtypische Beschreibungen. der Praxis begegnen wir häufig Mischformen, überhaupt im Einzelfall meindlichen bleibt Armenpflege nämlich die schlossenen Maßnahmen Näheres aus erschließen konkrete den Akten läßt. der Häufig Operationsweise undeutlich, fern hat die klare begriffliche Unter Scheidung, vorgenommer sich. Von längst nicht so haben, durchaus den Zeitgenossen eindeutig selbst und 22 etwas der be- vor allem für Insodie wir Künstliches wurden ge- genug was insbesondere die vielen Spielarten des roundsman-Systems gilt. hier In sofern sich an die Begriffe nicht einheit- lieh verwendet. In der Polemik gegen das Alte Armenrecht begegnen wirrung, wir sogar wobei 1834 dahinter sich ziemlichen im Falle des fahrlässige, rung verbirgt. schaftlichen einer Oarüber hat sich dieses Ver- Poor Law Reports von wenn nicht bewußte hinaus Literatur begrifflichen Irrefüh- in der wissen- terminologische Durch- einander fortgeschleppt, und obwohl die neuere Forschung hier vieles heute noch Hinsicht zur Klärung keine ist beigetragen begriffliche unsere hat, besteht 14 Einigkeit. idealtypische In dieser Beschreibung extrapolierende Lesart des gegenwärtigen auch als Forschungsstan- des zu verstehen. Gleichwohl zeichnen sich die entscheidenden historischen und ökonomischen Konturen der Unterstützungspraxis in den letzten fünfzig Jahren des Alten Armenrechts immer deutlicher ab. 1^ sie sich wie folgt skizzieren. In groben Zügen lassen Das Speenhamland-System war im wesentlichen auf die Zeit der Napoleonischen Kriege beschränkt und ist als Antwort auf die im ausgehenden schweren Subsistenzkrisen der Zuschüsse bildet es den direkt 18. Jahrhundert zu werten. an die logischen einsetzenden Indem es die Höhe Preisentwicklung Schlußpunkt einer koppelte, Entwicklung, die bereits um 1760 mit dem Beginn des säkularen Preisanstiegs einsetzte und zunächst in Form von weniger geklügelten Maßnahmen in Erscheinung getreten war, runter etwa die Bewilligung von Sonderleistungen money") ventioniert wurde, zu rechnen sind. wo- ("bread an die Armen oder die Verteilung von Mehl, von der Gemeinde in größeren Mengen eingekauft aus- und das sub- Aus solchen Unter- stützungsf ormen entwickelten sich schließlich die "bread scales", die tung fanden, in den akuten Krisenjahren weite Verbreiin denen es zu einem besonders drastischen Preisanstieg kam, also vor allem während der drei großen 23 Krisen von Abb. 1 ) . 1 6 den 1795/96, Dagegen "normalen" 1800/1801 scheint das und 1809-12. (Vgl. Speenhamland-System Jahren eine weitaus geringere in Bedeutung besessen zu haben, obwohl es nach wie vor unklar ist, in welchem Umfang es zwischen den Höhepunkten der Preisentwicklung jeweils zurückgenommen und, vor allem, wann genau es endgültig fallengelassen wurde. Demgegenüber labour rate lassen als sich das typische roundsman-System Erscheinungen der und die Nachkriegs- zeit deuten, und zwar als Antwort auf die nach 1815 vorherrschende der Arbeitslosigkeit Landwirtschaft, nachweisbar sind. und während Unterbeschäftigung sie zuvor nur in vereinzelt Dabei war die anfängliche Zunahme der Arbeitslosigkeit durch die Überschwemmung des Arbeits- marktes mit demobilisierten Soldaten durchaus das geringere Problem. Als weitaus schwieriger zu bewältigen er- wies saisonale sich die Arbeitslosigkeit, die erst Verlauf der 1820er Jahre als strukturelles Problem in Erscheinung trat, d.h. nach der inzwischen im voll erfolgen Anpassung des Arbeitsmarktes an die neuen, durch die Demobilisierung hervorgerufenen Bedingungen. Die stigen in Ursachen veränderungen dieser der Entwicklung Landwirtschaft, liegen die durch langfriStruktur- den Krieg eine Beschleunigung erfuhren, aber bereits vorher eingesetzt hatten. weitung des Nach 1750 war es zu einer ständigen AusGetreideanbaus gekommen, also derjenigen landwirtschaftlichen Produktionsform, die sich durch besonders krasse saisonale Unterschiede des Arbeitskräftebedarfs auszeichnete. Der kriegsbedingte Boom hatte mal bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel zenzeiten der Produktion) (zu- in den Spit- die Auswirkungen dieses lang- fristigen Umstellungsprozesses auf die landwirtschaftli- che Beschäftigung zunächst noch verdeckt, 24 doch nach dem Krieg brachen sie dann um so deutlicher hatten, hervor,17 Zudem mit dieser Entwicklung eng zusammenhängend, die Einhegungen des Gemeindelandes während des Krieges ihren Höhepunkt erreicht, Teil der breite und wodurch in der Folgezeit ein großer bäuerlichen Masse der squatters) Kleinbesitzer unterbäuer1ichen endgültig verwandelt wurden, in ein und vor allem Schichten (cottagers ländliches Proletariat das nicht nur besitzlos war, sondern auch seine traditionellen kommunalen Nutzungsrechte loren die ver- hatte.18 Beide Faktoren zogen insbesondere während der Wintermo- nate ein zuvor unbekanntes Ausmaß an saisonaler Arbeits- losigkeit innerhalb der Landwirtschaft nach sich, und es war angesichts dieser neuen Erfahrung, daß die Farmer in ihren Gemeinden zum roundsman-System und zur labour rate übergingen. Diese Formen der Armenunterstützung wenn auch nur im lokalen Maßstab, öffentliche gungsprogramme, hauptsächlichen "guten" Steuerzahler Jahreszeiten beitgeber satzweise waren) die Landarbeiterschaft die verteilen trostlose zu Situation der zumindest Ökonomisch sinnvollste und treideproduktion beitskräftebedarf die Mehrzahl festhielt, der Aran- pauperisierten gesehen billigste dem Problem der saisonalen Arbeitslosigkeit solange "überauf die hauptsächlichen und damit lindern. die gleichmäßig (die natürlich während der wiederum zu dies wahrscheinlich jedenfalls Beschäfti- die dazu dienten, die periodisch schüssige" Arbeit mehr oder weniger waren, Farmer war Art, beizukommen, der Ge- die einen extrem hohen an Ar- während der Erntezeit mit sich brach- te.19 Die einzige Alternative wäre die saisonale auswärtiger Arbeiter gewesen. 25 Rekrutierung Tatsächlich hat es Versu- che in dieser Richtung gegeben. Die Anfänge des berüch- tigten die "gang system" fallen in 1820er Jahre, und auch die geschickte Ausnutzung der settlement laws durch die Abschottung der eigenen Gemeinde zum "closed parish" bei gleichzeitiger kräftereservoirs Ausschöpfung umliegender des "open verarmten parishes" Arbeitsgehört diesen Zusammenhang. Doch solche Steuerungspraktiken in des regionalen Arbeitsmarktes waren nur unter außergewöhn 1ichen Bedingungen meinden möglich und außerhalb des lagen für die meisten organisatorisch wie Ge- finanziell PO Machbaren. III. Die Kosten der Armenrecht, Auch wenn man ArmenunterStützung unter dem Alten 1790-1833 die Entwicklung der Armenunterstützungs- ausgaben einer genaueren Analyse unterzieht, zeigt sich, daß die traditionelle Vorstellung, wonach die zunehmende Ausbreitung des Speenhamland-Systems plosion geführt habe, Neuen Armenrechts gestoppt der Langzeitdatenreihen, die Diskussion nicht zu halten ist. die nachhaltig zusammengefaßt. verschiedenen Serien in der neueren beeinflußt {Um direkt den liegen über die für ganz als kontinuierliche Zeit davor Wales Serie vor, (Serie 1). in der vergleichen zu unterteilt.) Armenunterstützungsausgaben und mit verstreuten begnügen müssen sind Wachstumsrhythmus miteinander jährlichen England rückEinige Forschung haben, können, ist die Ordinatenachselogarithmisch Angaben Kostenex- und schließlich wieder gängig gemacht worden sei, Abb. 1 zu einer die erst durch die Einführung des leider erst ab 1812 während wir uns für die Angaben für drei Zeitpunkte Immerhin belegen aber selbst 26 diese Daten, daß von einer stetigen Zunahme der Unter- stützungskosten vor 1834 keine Rede sein kann. Ein steiler Anstieg zeigt sich, dem Krieg, kaum verwunder lieh, direkt nach und der herausragende Höhepunkt der gesamten Serie liegt im Jahre 1817. Die weitere Entwicklung nach einem Abschwung einem langsamen Jahre 1831, in Anstieg den auf frühen einen 1820er zweiten führt Jahren zu Höhepunkt im aber von da an geht es in steigendem Tempo abwärts, und diese Bewegung ist bereits in vollem Gange, bevor es das Neue Armenrecht zu keiner überhaupt wirksam wird. langfristigen hier nur am Rande Kostendämpfung (Daß führte, sei vermerkt.) Ferner belegen diese seit langem verfügbaren Daten, wenn man sie nach dem Verbreitungsgrad tems aufschlüsselt, lung ab 1812 des Speenhamland-Sys- daß der Verlauf der kaum auf dessen Kostenentwick- angeblichen "Schneebai1- effekt" zurückgeführt werden kann. Zwar lagen die Unterst ützungsausgaben pro Kopf der Bevölkerung schaften, in denen nach das Speenhamland-System im Durchschnitt höher zeitgenössischer in den GrafEinschätzung besonders stark verbreitet als in den übrigen war, Grafschaften (12s 3d gegenüber 8s 4d im Jahre 1802). Doch erstens ist dieser Befund als solcher kaum verwunder lieh, bedenken, daß die Gruppe der im wesentlichen mit den fällt, in denen vor saisonaler natürlich Getreideanbauregionen allem wegen Arbeitslosigkeit schwerwiegender industriellen Wachstums. scheidende Punkt, fristigen das war wenn wir Speenhamland-Grafschaften zusammen- des hohen Ausmaßes an Problem als in den der Verarmung Gebieten des Zweitens, und das ist der ent- zeigen sich beim Vergleich der Kostenentwicklung keine wesentlichen langUnter- schiede zwischen den Speenhamland- und den übrigen Grafschaften (Serien 2 und 3). Der prozentuale Anstieg zwi- 27 Abb. 1: Armenunterstützungsausgaben und Weizenpreise, 1771-1850 ro <o 1 Ausgaben für ArmcnunterStützung in dor Gemeinde Ardfeigh, 177O-1033. Angaben pro Kirchenjahr in Pluml Sterling x 10. Quellen: 1770-1789: Essex Record Office, Chelmsford, D/P 263/8/1-2 (Ardleigh Vestry Minutes); 1790-1833: unveröffentlichte Daten von Professor D.A. Baugh, Cornell University, zusammengestellt naet» derselben Quelle wie 1770-89 sowie D/P 263/12/1-16 (Ardleigti Overseers' Accounts). Entsprechend der von Baugh vorgenommenen Bereinigung wurden die Rohwerte für 1770-1789 um lO Prozent reduziert, um die dokumentierten Gesamtausgaben der Armenpfleger in solche ausschließlich für Armenunterstützung (d.h. ohne Verwaltungskosten, County Rates u.a.) zu verwandeln. An dieser Stelle mein herzlicher Dank an Prof. Baugh für die bereitwillige Überlassung seines gesamten Essexer Materials. Ausgaben für Armenunterstützung in der Grafschaft Essex, 1790-1833. Angaben pro Kirchenjahr in Tausenden Pfund Sterling. Quelle; O.A. Baugh, The Cost of Poor Relief in South-East England, 1790-1834, in: Economic History Review, 2nd ser., 28 (1975), S. 55 (nach Fiq. 2). Jahresdurchschnittpreise für Weizen in England und Wales, 1771-1850. Angaben pro Kalenderjahr in Schillingen pro Quarter x 10 (1 Quarter * 2,91 Hektoliter). Quelle: Mitchell/Deane (wie Serie 1), S. 488. Index der Ausgaben für Armenunterstützung in Speenhamland- und Nicht-Speenhamland-Grafschaften, 1802 und 1812-1833. Angegeben sind Blaugs Indexwerte x lO, wie bei Serie 1 bezogen auf Kirchenjahre (Basis: 1802 « l.OOO). Für die Klassifizierung der einzelnen Grafschaften, siehe S. 178-79 des Artikels von Blaug. Quelle; Mark Blaug, The Myth of the Old Poor Law and the Making of the New, in: Journal of Economic History 13 (1963), S. ISO. (Auch in: M.W. Plinn/T.C. Smout, Hrsg., Essays in Social History, London 1974, S. 146) Ausgaben für Armenunterstützung in England und Wales, 1775-1850. Angaben pro Kirchenjahr {Jahresbeginn 25. März) in Tausenden Pfund Sterling. Der für 1783 notierte Punkt gibt den Durchschnittswert der Jahre 1782-84 an. Quelle: B.R. Mitchell/l'hyllis ücauo, Abstract of British Historical Statistics, Cambridge 1962, S. 4to. Quo 11 co und Anmerkungen zu den einzelnen Serien: - Abb. 1: Ariwcnunterstntxungsausgaben und Woir.cnpreise, 1771-1850. sehen 1802 und auch und 1812 die ist für Wendepunkte beide Gruppen fast der nachfolgenden bis zum Neuen Armenrecht sind identisch. Untersuchungszeitraumes Gegen Ende des liegen die Indexwerte cherweise sogar in den Grafschaften höher, Speenhamland-System keine Rolle Es ist klar, daß diese erstaunli- in denen das spielte. hochaggregierten Daten äußerst grobes Bild zu vermitteln vermögen. wir vom Problem gleich, Entwicklung regionaler Unterschiede nur einmal absehen und uns mit einer Analyse der Entwicklung im Durchschnitt erscheint eine zufriedengeben angemessene rücksichtigung wollen, historische so Deutung ein Selbst wenn nationalen zumindest der Bevölkerungsentwicklung die und der wicklung der Lebenshaltungskosten unumgänglich. für BeEnt- Bekannt- lich fällt in den behandelten Zeitraum der größte Wachstumsschub der englischen Bevölkerungsgeschichte sie rekonstruierbar tung des (sagen wir) um 1770 erreichten dards der Armenfürsorge wäre ten ein (so weit ist), d.h. allein zur Aufrechterhal- kontinuierlicher Leistungsstan- in den folgenden Jahrzehn- Anstieg der Armenunterstüt- 21 zungsausgaben erforderlich gewesen. Andererseits läßt bereits ein flüchtiger Vergleich der Serie 1 mit Serie 4 die Annahme gerechtfertigt erscheinen, terstüt zungsausgaben ebenso haltungskostenentwicklung nicht nur 1817), ders bei daß die Armenun- nachhaltig beeinflußt Aufschwüngen (etwa von der Lebens- wurden, und zwischen 1814 sondern auch bei rückläufigen Bewegungen deutlich beim Abschwung nach 1831). zwar und (beson- Tatsächlich aber sind diese beiden Faktoren weniger entscheidend als man zunächst meinen könnte, oder genauer gesagt: im Zu- sammenspiel gleichen sie sich weitgehend aus und zwingen allenfalls zu geringfügigen Modifikationen herigen Interpretation, ohne diese 30 im Kern unserer bis- anzutasten. Beispielsweise Serie 1 in verschiebt sich bei einer Umrechnung wöizenpreisbereinigte Pro- Nachkriegshöhepunkt von 1817 nach 1822 Kopf-Werte (weil, wie an Abb. 1 leicht ablesen läßt, der Preisverfall 1817 und 1822 stärker stützungsausgaben). ist als der Rückgang daß dieser frühzeitige Höhepunkt, punkt einer telbaren sich zwischen der Unter- Aber abgesehen davon bleibt es da- bei, durch von der die ökonomischen Nachkriegszeit bedingten der den Schluß- Probleme der unmit- Kostenexplosion bil- det, im Hinblick auf den Verlauf der Entwicklung im ganzen zugleich einen eindeutigen Wendepunkt markiert. der zweiten Hälfte der 1820er Jahre stabilisieren In sich auch die "berichtigten" Werte auf einem deutlich niedrigeren Niveau» ten das bis in die frühen 1830er Jahre Der eigentliche Nachteil stik verfügbaren Zeit vor Die erhal- bleibt.22 1812 Daten nur Zeitgenossen die Jahre 1775, der über die offizielle liegt darin, bruchstückhaft besaßen nur die sie Auskunft Stati- über die vermitteln. isolierten 1782-84 und 1802. Armenunterstützungsausgaben daß Werte für Die Entwicklung der zwischen diesen Punkten kannten sich nicht, und insofern kann man es ihnen nicht einmal verdenken, daß sie der Vorstellung eines stetigen Wachstums, die diese punktuellen Daten in der Tat suggerieren (zumal sich die fiktive Trendlinie nahtlos bis 1817 verlängern läßt), erlagen und demgegenüber den komplizierteren verlauf der Linie ab 1817 gar nicht zur 23 Kenntnis nahmen. Das gleiche gilt (oder galt zumindest bis vor zehn Jahren) es nicht Wunder, der auch für die Historiker. daß innerhalb der früheren, traditionellen Methologie verhafteten sich selbst die "Linken" wie Tawney, Webbs oder Generationen die Hammonds, Polanyi bei aller wohlbegründeten 31 So nimmt noch ganz die ideologie- kritischen nern des Skepsis Alten gegenüber Armenrechts den zeitgenössischen Geg- vernichtendem Verdikt 24 doch nicht ganz entziehen konnten. Und was die jüngere Generation der statistisch deren versierten Sozial- und Wirt- schaf tshistor iker betrifft, so war selbst Blaug» dem es durch die sorgfältige quantitative Analyse der offiziellen Daten gelang, den überkommenen "Mythos des Alten Armenrechts" sozusagen vom "Schwanz" seiner lung her aufzubrechen, traditionellen schätzung der nicht Kostenentwick- in der Lage, Interpretation die mit einhergehende Armenunterstützungspraxis der Fehlein- in ihrem vollen 25 Umfang Eine einzuschätzen. positive Neubewertung der Erweiterung dagegen der bisherigen ergab sich Datenbasis erst für die vor 1812. Baugh legte 1975 für die drei Grafschaften sex, Kent und Sussex eine auf den Akten der chen Armenpfleger fußende Berechnung menunterst ützungsausgaben Seine Angaben stellt, für für Essex, verdeutlichen die ab Es- gemeindli- der jährlichen Jahre aus Zeit 1790 Ar- vor.^6 in Abb. 2 als Serie 5 darge- exemplarisch die veränderte Per- spektive. Als Charakter istisches Merkmal der Entwicklung vor 1815 erweist sich nunmehr die auffällige Paralleli- tät in der Bewegung von Armenunterstützungsausgaben Weizenpreisen, ihr Anstieg und als zu Beginn 1800/1801, schwung folgt. auch das Aber diese bestimmendes der beiden dem jeweils Moment großen Krisen ein ebenso der von und steile 1795/96 deutlicher Ab- Zwar steigt von einer Krise zur anderen "normale" Niveau Verschiebung der folgt Trend der Preisentwicklung, Unterstützungsausgaben. genau stechendste Befund liegt darin, Unterstützungsausgaben im dem langfrist igen und der vielleicht Jahre 32 hervor- daß der Gipfelpunkt der 1800 in der gesamten Folgezeit auch nicht annähernd mehr erreicht denn überschritten) Zu ergänzen wenn die ist, daß sich auch dieses Unterstützungsausgaben Kopf-Werte (geschweige wird. umgerechnet werden. Bild verändert, in preisbereinigte Baugh Konnte Pro- diesbezüg- lich in allen drei Grafschaften drei Phasen der Kosten- entwicklung ausmachen: vor 1813 liegen die realen Unterstützungsausgaben Niveau; pendeln pro Kopf auf einem relativ von 1813 bis 1822 steigen sie an; sie sich nach einem deutlichen konstanten und ab 1823 Abschwung einem gegenüber der Zeit vor 1813 leicht erhöhten, 27 wiederum konstanten Niveau ein. unserer eben nur scheinbar vorgetragenen der Gesamtentwicklung Dieser Befund steht zu Interpretation im Widerspruch. Zwar der liegt der Serie 5 Höhepunkt nun nicht mehr im Jahre 1800, son- dern (wie bei der bereits bereinigten Serie 1) 1822. auf aber im Jahre Doch der bereits ein Jahr später erreichte Level, der bis 1833 gleich bleibt, liegt wieder deutlich darunter. Zu einer kräftigen Aufwärtsbewegung kommt es nur in der mittleren kriegsbedingte Phase, in die nicht Umstrukturierung zufällig des die nach- Arbeitsmarktes fällt, auf die wir bereits hingewiesen haben. Im übrigen interpretiert Baugh das leicht erhöhte Niveau der drit- ten Phase ebenfalls in unserem Sinne, druck eines gegenüber der Levels chronischer Unterbeschäftigung 28 liehen Sektor. 33 nämlich als Kriegszeit im Aus- angestiegenen landwirtschaft- c*> 'Floor bill1 1756 1757 1758 Lapp ape's Familien, be ih ilfen 1793 list\ 1500 ISO! (Quellen und Anmerkungen am Fuß der folgenden Seite.) 2: Ardleigh, Jan. 1794 - Dez. 1801: Ausgaben der Armenpfleger (Gesamtausgaben und ausgewählte Einzelposten) in Vergleich zum Weizenpreis in Essex (jeweils in gleitenden 5-Monats-Durchschn i tten) OUL JFMAMJJASftJlP 179h 1795 50- Wtiztnpreis 100- Essex 150" Gesamtausjabtn der Armenpßi 250- £ Oa 5' -32 et 36 ur w» n> • 129 - 160 S/q IV. "Speenhamland" und der Lebenszyklus der Armut: das Beispiel Ardleigh, 1794-1801 Unsere bisherige Darstellung hat, entsprechend der die neuere Forschung zum Alten Armenrecht schen Orientierung, ihr besonderes für Charakteristi- Auggenmerk auf die ökonomische Logik der zwischen 1780 und 1834 angewandten Unterstützungspraktiken gelegt. Aus dieser Perspektive erweisen sich der um 1760 einsetzende und zwischen gerechnet) 1790 und 1815 durch akute akzentuierte Preisanstieg einerseits, verstärkt hervortretenden saisonalen (rund Subsistenzkrisen und die nach 1815 Nachfrageschwankun- gen auf dem ländlichen Arbeitsmarkt andererseits als die entscheidenden Faktoren. Wir haben behauptet, das Speenhamland-System, das "roundsman"-System und die "labour rate" als diese Faktoren sen. Als weitere spezifische hervorgerufenen These daß sich Antworten auf Probleme verstehen läßt sich, die insbesondere sichts der Kostenentwicklung des Alten Armenrechts, durch lasangeda- ran anschließen, daß diese Antworten in der Tat höchst Quellen und Anmerkungen zu Abb. 2 Ausgaben der Armenpfleger Essex Record Office, Chelmsford, D/P 263/8/2 (Ardleigh Vestry Minutes) und D/P 263/12/1-3 (Ardleigh Overseers1 Accounts). Angaben in Pfund Sterling. Die Ausgabenposten "Flour Bill", "Familienbeihilfen" und "Mrs. Lappage's list" sind nicht in gleitenden Durchschnittswerten, sondern in Höhe der einzelnen Monatsbeträge angegeben. Weizenpreis Essex Gentleman's Magazine und London Gazette (letztere nur für die Monate, in denen ersteres keine Notierung liefert). Notiert wurde der monatliche Durchschnittspreis auf dem Kornmarkt von Colchester, die Angaben sind in Schillingen pro Winchester Quarter (« 2,82 Hektoliter). 35 angemessen waren» um die anstehenden Probleme in den Griff zu bekommen. Um diese These näher zu begründen, rer Darstellung müssen wir sere Argumentation verlagern. Als Beispiel diene Ardleigh, von Essex, un- auf die Ebene der einzelnen Gemeinde nordöstlich schaft in unse- noch einen Schritt tiefer gehen und Colchester dessen gelegenes ein etwa 8 km Dorf in der Graf- Armenunterstützungsausgaben zwiOQ sehen 1771 und 1833 in Abb. 1 als Serie 6 erscheinen. Allerdings wollen zunächst riode, Auf außer wir acht diese lassen längerfristige und uns einer Entwicklung kürzeren nämlich den Jahren von 1794 bis 1801, die Zeit vor 1794 unten zurückkommen, demographischen wir erst dann und nach 1801 werden Charakteristika dieses stellen, weiter in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. gen der "kurzen Dauer", Dorfes für die und wollen wenn es gilt, Bedeutung der "Speenhamland"-Erfahrung in dieser Gemeinde wir und auch die sozialökonomischen in Rechnung Pe- zuwenden. die Menschen sozialhistorischen Den Blick auf die Entwicklundie sich für die acht Jahre von 1794 bis 1801 rekonstruieren lassen, eröffnet Abb. 2. Die beiden oberen Kurven zeigen, der Armenpfleger abhingen. Natürlich Korrelation deshalb, beider den kosten es unsinnig, eine Serien zu erwarten, nicht erfaßt sind, kurzfrist igen gar vielmehr, von Weizenpreises wäre perfekte zuletzt weil hier sämtliche Aufwendungen der gemeind- lichen Armenpflege von wie stark die Ausgaben vom Stand des regionalen nicht daß 1795/96 Preisanstieg tangiert während und also auch solche, Schwankungen Entscheidend der großen auf eine entsprechend 36 beiden die Lebenshaltungs- werden. jeder 1799-1801 der ist Krisen den explosionsartigen starke Erhöhung der Aus- gaben für die schließende Armenpflege Rreisverfall erfolgt, daß aber ebenfalls mit einer der an- deutlichen Ausgabenkürzung beantwortet wird. Den Schlüssel Musters zum liefern Verständnis die während dieses der bemerkenswerten Krisenperiode auftau- chenden Ausgabenposten des Typs "Speenhamland", terhalb der zeigen, zu beiden Hauptkurven in welcher weise dieser aufgeführt im Oktober Armenpfleger 1795, einen in Sie Ardleigh übergingen. finden wir Hinweise auf die Zahlung einer beginnend sind. die Armenpfleger Unterstützungspraxis die un- Zunächst "flour bill", als die Rechnungsbücher Betrag von £60 4s Od der ausweisen: "Paid the Poor 4 Weeks to help them buy Flower in Har30 vest". Es folgen Ausgaben desselben Typs in ähnlicher 31 Höhe für jeden erscheint, der Anfang drei anschließenden Januar 1796, Monate. Dann eine namentliche Liste von 83 armen Familien mit Kindern, mit dem prosaischen d r Titel: Child "The under über die Paying the Poor 12 years", Zahlung 242 Kindern). von 6 p . begleitet £12 2s Od Offenbar zwei pr. die ab. mit bei Beihilfesatz (Hervorhebung von mir), meisten der Kinder (und wöchentliche im April danach 33 Wochen, später und selbst erhöhte Satz wurde in der Praxis großzügiger hielten die one Child for all C h i l d 0 , handhabt als es auf dem Papier stand, ihrer above Eintragung denn bereits drei Wochen ist die Rede von "giving 1 s . under 12 years old" (für Child einer erwies sich dieser bald als unzureichend, dieser von 1796 bricht Da Bezug nicht nur für Unterstützung wurde dieser diese bereits auf betroffenen die Ende Form von der 37 unter für 12 1 Schilling. Doch wieder der Familienbeihilfe 1795 die halbiert, erste Armenfamilien jedes Jahren) 32 Satz Dezember Liste denn de facto erFamilien die ge- und ganz Zahlung verzeichnet ist (also noch bevor die Liste selbst auftaucht), nen wir sagen, daß diese systematischen leistungen vier gut Monate maximal sieben Monate, lang Unterstützungs- gewährt wurden, Ausgabenposten jedenfalls tauchen vor Oktober 1795 April 1796 nicht mehr auf, schen diesen beiden und 1794 und Sommer Fa- solche oder ähnliche noch nicht und ein vergleich Zeitpunkten blocks mit den Gesamtausgaben Anfang oder wenn wir davon ausgehen, daß die meisten der Zahlungen per "flour bill" an dieselben milien gingen. kön- des liegenden zwi- Ausgaben- der Armenpfleger 1799 zeigt, nach zwischen daß der enorme An- stieg der Gesamtausgaben während der Krise von 1795/ 96 eindeutig auf die grundnahrungsmittelbezogenen Famili- enbeihilfen zurückzufUhren ist. Dasselbe Muster wiederholt sich noch einmal während der Krise 1799-1801. Zwar sind Listen von Armenfamilien der nicht sagen können, diesmal dokumentiert, Praxis fen wurde, tionen sind. in einer Familienbeihilfen sondern lei- Familien Krise Form, nicht zurückgegrif- in der Mehlsubvenmehr aufeinander von vorneherein miteinander kombiniert In den Rechnungsbüchern der Armenpfleger sind die entsprechenden Zahlungen unter aussagekräftigen Titel fen, so daß wir Aber es ist klar, daß vorangegangenen und zwar und folgen, der namentlichen wie viele (und welche) in den Genuß der Beihilfen kamen. auf die keine in fast "flour perfekter dem ebenso einfachen wie list" verbucht. Dieses Verlaufsmuster lau- die ist bereits in sich, der ohne daß wir etwa über den genauen Kreis der Unter- stützungsempf änger , bestätigt mit Sie Weizen34 Preisentwicklung, von Oktober 1799 bis Oktober 1801. weitere Details, Parallelität kennen, Ergebnisse höchst aufschlußreich. bisheriger 38 Es Langzeitanalysen, macht aber zugleich sichtbar, Feinstruktur (breite Zeitintervalle hindurchfallen mikroanalytischen messen, der bei hohem mußten. Perspektive Die läßt wenn wir unser Beispiel Aggregations- Bedeutung sich am "Revolution der steigenden eine Erhöhung der sah darin die OK Erwartungen". Armenunterstützung Krisenzeiten sei zwar an sich nichts einzuwenden; das sei, Problem daß eine anschließende sich nur um den Preis gewaltsamer diese Report erreichen Art der lasse.36 Argumentation von 1834, sozialer Ein bezeichnenderweise liege und Auseinander- schönes findet in doch Verringerung jenseits der Grenze des sozial Durchsetzbaren setzungen er- betrachten. Eines der subtileren Argumente der Kritik Gefahr einer dieser besten im Kontext der zeitge- nössischen Kritik am Speenhamland-System Gegen Entwicklung die durch das grobmaschige Datennetz solcher Analysen grad) die Beispiel sich im Poor für Law gegen Ende des Ab- schnitts über "out-door relief to the able-bodied", wo es um die Gründe für den Ausbruch der Swing-Revolte von 1830 geht. Dort heißt es: "Whatever addition is made to allowances (...) excites the expectation of still further allowances, increases the conception of the extent of the right (to relief - Th.S.), and ensures proportionate disappointment and hatred if that expectation J is not s a t i s f i e d . " ' Daß dies auf lange reits gesehen. ber hinaus, Sicht nicht stimmte, daß die Armenunterstützungsausgaben innerhalb kürzester Zeiträume dem Verlauf der wicklung angepaßt werden konnten. der Auf- und Abschwünge Preisen zogen haben wir be- Das Beispiel Ardleigh belegt aber darü- die Ein genauer Vergleich ist instruktiv. Armenpfleger mit den Bei steigenden Unterstützungs- ausgaben erst mit einer gewissen zeitlichen 39 selbst Preisent- Verzögerung nach - wird, was kaum verwundert, terung der Lebensbedingungen standen werden kann. gibt sich davon ausgegangen genau das umgekehrte Verhaltensmuster bensturz während lesbar, einfachen Bild: Verbesserung Unterstützungsausgaben Dieses der Leute ver- Bei fallenden Preisen dagegen er- nur eine geringfügige die wenn daß ihr Verhalten als Antwort auf die Verschlech- sofort ist der ersten am sobald sich abzeichnete, drastisch reduziert. deutlichsten Hälfte des auch wurden am Ausga- Jahres 1800 ab- der einen tiefen Einschnitt zwischen den beiden Höhepunkten im Winter 1799/1800 und im Winter 1800/1801 markiert. Unsere Analyse läßt sich noch weiter verfeinern, wenn wir die von solchen Entwicklungen Betroffenen, men selbst, in den Blick nehmen. Im Zeitraum, der hier zur Debatte steht, bildeten Kindern weitaus größten den zungsempfänger. in Ardleigh Kreis Es wäre aber der die Familien Armit Armenunterstüt- falsch, hierbei nur die bisher angesprochenen Zahlungen während der beiden großen Subsistenzkrisen sie ger, die auch in im Auge "normalen" zu haben. Zeiten in den am konkreten Bedarf orientierter in den Rechnungsbüchern Überschrift "occasional Vielmehr Genuß der Armenpfleger relief" aufgeführt Standard entsprechen, den wir aus anderen, kennen alltägliche rend Bettzeug) der ebenso Schwangerschaft die Ausbildungsförderung Übernahme der als unter ähnlich gut typisch für unter dem Alten Möbel und Hausrat bewilligt wie oder längerer bei der Kinder Beerdigungskosten 40 und (insbe- Beihilfen die die Armen- wäh- Krankheit, (Lehrgeld) oder durch der sind und dem Danach wurden Kleidungsstücke Schuhe (besonders im Winter), sondere und Unterstützungspraxis recht ansehen können. vielfälti- Einzelleistungen, dokumentierten Fällen kamen die Gemeinde (einschließlich des 3R Trauergästen).. Daneben (aber gab Bieres es für auch junge "pensions", für ältere Leute, Witwen und damit die mit sind wir Armenunterstützungsempfängern: in wurden, pro "weekly überdies dieser Witwen zweiten "weekly gesonderten Gruppe paupers", Liste geführt im Schnitt 20 Personen, von denen die meisten 2 Schillinge als einer den wöchentliche bei der von auf unter insbesondere Kindern), die Ardleigh Armen Woche list" einen Liste Stichwort erhalten. besonderen wurden Titel. von den Lappage's andernorts wird, hat Die Ardleigh Zahlungen Armenpflegern list" zumeist in gemäß unter dem verbucht, so benannt nach der Frau des dörflichen Ladeninhabers. Ob dies be- deutet, "Mrs. Was bezeichnet daß die Betroffenen im Dorfladen liche Unterstützung abholten, land Rentner wir leider Jedenfalls erstmals im Oktober gesamten Zeitraum Die leichten stanten die der veränderte, Woche sind auf und für Woche blieb. 2 Die Schillingen "weekly in heißt, war also nicht der auf diese sen. in doch waren regelmäßigen stärkerem über den qq weiterverfolgen. insgesamt ab wissen Zahlungen sich und relativ pro zu Kopf wie 57 kon- daß sich geringfügig Unterstützung phonetischer von weitgehend es an einer Schreibweise Lebenshaltungskostenentwickihre Empfänger nicht Unterstützungszahlungen Daneben bezogen auch sie, weitaus lassen lowance", charakter istisch angepaßt, gehen, diese zurückzuführen, paupers" Stelle lung des darauf "weekly Postamt tauchen während die wöchentliche durchschnittlich gleich 1794 Verschiebungen Niveaus Zahl so wie noch heute in Eng- zum nächstliegenden nicht. ihre wöchent- Maße als 41 allein angewie- und zwar pro Kopf wohl die Armenfamilien mit Kindern, vielfältige Leistungen aus dem grcßen Topf des "occasional relief". Durch eine inoffizielle, Volkszählung Ardleighs im Oktober 1796 kennen wir unterstützungsempf änger genauer untersuchte Armenpopulation als daß keine page's älteren geführten sondern die meisten von ihnen rateten Töchter. daß Ardleigh in Familienhaushalte Und im das Jahre unter te hier derer Stelle bereits falls von entnehmen höchstem eines bisher einer 1796 der den So wis- "Mrs. Lap- allein lebte, ihrer verhei- Gründe dafür, der Anteil erweiterter ArmenunterstützungsempfänBevölkerung. die Struktur der geschehen Armenhaushal- zumal dies an an40 die Daten die sich dieser Volkszählung eben- lassen, Interesse. lebenszyklischen sind ist. in Sie erlauben so unser Verständnis der unter Alten Armenrecht extremen Bedingungen Doch unserem Armutsprofils erweitern dem Armen- im Haushalt ist im einzelnen zu analysieren, zur Altersstruktur, der andere der auf Witwen gern höher war als in der übrigen Es würde zu weit führen, jede Englands vor 1800. sen wir beispielsweise, list" aufgezeichnete den Kreis Zusammenhang die der Darstellung Gemeinde und Unterstützungsformen (Abb. 3). Selbst der Subsistenzkrisen unter des den ausgehen- den 18. Jahrhunderts erweist sich hiernach das Alte Ar- menrecht sozialen gezielt als Höhepunkten nicht Im System etwa Falle im zu Lebenszyklus einer Ardleighs gesellschaftlich in der der Sicherung, an den für die jeweilige Situation Familien, deren finden anerkannter Altersgruppe der wahllosen noch 42 ansetzte Ausgabenpolitik wir die Armut zwischen Kinder Armut 30 zu das spezifischen und führte. höchsten Raten bei den Kindern und und 50, d.h. bei jung waren, um durch Abb. 3: Lebenszyklusprofile der Armut in zwei englischen Gemeinden Ardleigh, % 70 1736 \ pop.m1096 60 50 HO - 30 20 , 1 1 1 I I I !1 1 1 1 £l I I II I I I Quellen: Essex Rccord Office, D/P 263/ 1/5 (nichtoffiziell« Volkszählung im Pfarregister)} D/P 263/12/1 (Rechnungsbuch der Armenpfleger). Agt group Braintrti, 1821 5: o «ar group i i i i ii rp O «n Age i Quellen: Essex Record Office» D/DU 65/ 83 (Ausführliche Rohfassung der offiziellen Volkszählung)t D/DO 09 ("Poor Book", 1821). \ 43 Arbeit zum Jugendliche ihre und familiären einem Kind) dagegen Dabei ist dies eben Einkommenspool erst waren noch nicht land"-Lebenszyklusprofil deutlich einmal der Dennoch wäre es falsch, (mit weniger ein Armut, Armenunterstützungsempfänger, älteren "weekly paupers", 41 schlössen haben. beizutragen. Verheiratete reines da also auch maximal betroffen. "Speenham- wir die sämtliche vorwiegend in unsere Berechnungen einge- hierin den für das Alte Armen- recht typischen Lebenszyklus der Armut zu vermuten. ser Kontrastbeispiel die sich Anglia nach zum dem zeigt Braintree, Untergang regionalen trum entwickelte. der Handels- ten Kern" in East Dienstleistungszen- Im Jahre 1821, einem "guten" Jahr vgl. nur 12 Prozent der der Un- Kleinstadt, Tuchindustrie und Ende einer Deflationsperiode, gehörten dort eine Abb. 1, Bevölkerung Armenunterstützungsempfänger, zum im "harUnter- schied zu den 43 Prozent Ardleighs 25 Jahre zuvor. hier finden alte Menschen, troffen wir vornehmlich die sind. von Jugendliche der Die prekäre Armut den kann. Profils Doch des regionalen das charakteristischste Und allem stark Jugendlichen die hier nicht weiter Alter. zungsempfänger sondere Witwen. Der größte Teil sind ältere Ehepaare 42 gegenwärtigen vermessen, Stand Armenrechts der be- hängt Arbeits- erläutert werMerkmal dieses Armenunterstüt- und Frauen, unseres sagen zu wollen, schen Verteilungen ten vor ist ohnehin der Anstieg der Armutsquote mit zu- nehmendem Beim besonders Lage der in diesem Fall mit der Struktur marktes zusammen, und (am Serie 4), Wissens welche dieser insbe- wäre der Armut das für die Epoche des "klassische" 44 Profil es lebenszykli- darstellt. AlDoch wahrscheinlich falsch ist gestellt. zifisch für eine die Frage bestimmte bestimmten sozialen Armut und Bewältigung, "Speenhamland-Kontext" verarmung, ohnehin und ist spe- Situation, und ökonomischen für Kontext der sowohl der beide, als auch der Kontext der Alters- Eher wäre zu fragen, lebenszyklischen denn Form dürfen durchaus als typisch für die Zeit vor 1834 gelten. zifische dieser beiden Profile historische einen ihrer in Jedes dieser Akzentuierung Erscheinungen junge Familien ob diese Formen der von Armut überhaupt "vor industrieller" mit Kindern und spe- Armut alte sind, Menschen scheinen zu allen Zeiten zu den Gruppen zu gehören, nen es am ehesten an dem fehlt, schaftlich anerkannter wendigen" Gütern und Minimalstandard Dienstleistungen an im 17. Jahrhundert sehr wohl bewußt pflege "vor stützung von verweisen, tree spricht, war. Und genau dem Beispiel sellschaften auf einer innerhalb gilt umgekehrt gesetzlich läßt entwickelten kapitalistischer und auch sich gar darauf Modell für das 44 ist. heutige Rownent- Armuts- IndustriegeGroßbritan- Zwar bestand Rowntree noch "objektiv" definierbaren, absoluten "poverty während wir uns hier an den Maßstab dessen halwas innerhalb der als Subsistenzstandard tem öffentlicher weder Unter- solche rund 80 Jahre später von Yorks) nien bestätigt worden ten, Armen- obwohl die das seitdem als "klassische" Form des lebenszyklus line", als Problemgruppen gemeindliche ihrer annahm, Armenfamilien 43 Wales daß man sich be- beiden daß die Tim daß unser Lebenszyklus der Armut für Brain- ziemlich (am und Ort" sich nicht vorgesehen tree war, dieser "lebensnot- gilt. hat an Beispielen aus Norfolk gezeigt, reits de- was jeweils als gesell- von uns galt, Unterstützung im Falle Braintrees noch 45 untersuchten Gemeinden unterhalb dessen das Syseinsetzte. Doch gibt es in dem Ardleighs Hinwei- se darauf, daß durch diese gesellschaftlich Armutsgrenze definierte zugleich bestimmte Gruppen von Armen "aus- gegrenzt" wurden, schen" Ausmaß die an sich, d.h. gemessen am "physi- ihrer Verelendung, der Unterstützung durft hätten. Im Gegenteil - es sieht so aus, ten beiden in diesen recht die für die Verantwortliehen tatsächlichen Gemeinden unter Organisation ein wohlwollend Ausmaß der dem der Alten sozialen Armen- Fürsorge realistisches Bild Bedürftigkeit be- als hät- unter den vom "la- bouring poor" gehabt. Zugegeben, diese Schlußfolgerung erscheint ebenso aben- teuerlich wie zwei naiv. isolierte auf eines, ben); Abenteuerlich, Beispiele da wir stützt Braintree (im nur sich auf sogar nur berührt ha- Grunde am Rande und naiv, weil sie ein Bild friedlicher ziehungen suggeriert, entsprechen mag, durch Klassen das aber der historischen Realität ei- massive ich diesen Alte Armenrecht Kapitel einer Ausbeutung und Unterdrückung Beitrag mit beschließen, positiven einem Plädoyer Neubestimmung im Hinblick auf unser Leistungen des "modernen" V. Ausblick: gekenn- Gleichwohl da mir scheint, "für" das daß das seiner histori- ist, insbeson- schen Bedeutung noch nicht abgeschlossen dere Selbst- im 18. Jahrhundert zeichneten Gesellschaft völlig widerspricht. möchte Sozialbe- das dem paternalistischen verständnis der herrschenden ner weil sie Verständnis der sozialen Wohlfahrtsstaates. "Moderne" Seiten der "Alten Armut" und ih- rer Bewältigung So wenig ein einzelnes zes Land sein kann, Dorf repräsentativ so erstaunlich 46 für ein gan- ist es, daß Ardleigh in vielen Punkten durchaus als ein verkleinertes Abbild des frühen agrarischen 19. Jahrhundert seiner rung Größe nach) dersetzungen ten, Englands im späten gelten kann. der Fläche lediglich die Tatsache, um die enclosures als auch die typischen Merkmale die hier keine und zwar einfach deshalb, Grafschaft der daß neben BevölkeAuseinan- Rolle spiel- weil Ardleigh wie Essex bereits um gut wie vollständig eingehegt war. es und Außergewöhnlich war (sowohl alle Gemeinden der 18. eines fast 1600 so Ansonsten aber Dorfes auf, wies das den Übergang vom alten System des open field farming zu m o dernen landwirtschaftlichen hatte. reiche Produktionsformen Variante selwirtschaft , zeigte sich der und klassischen kein Auch die Sozialstruktur von "moderne" 1800 Form bereits um profitorientierter voll der Dorfbevölkerung Arthur Young Frotschrittlichkeit Experimentierfreude. wies keine Besonder- ist allenfalls, ländlichen Klassenstruktur ausgeprägt ländliches Proletariat ertrag- Fruchtwech- Verblüffend der Gruppe als der Ardleighs heiten auf - im Gegenteil. die Norfolker Geringerer beeindruckt ihrer Anbaumethoden und ihrer daß vollzogen Um 1800 betrieben Ardleighs Farmer eine tenant gegenüber, ausmachte, war. Einer farmers kleinen stand ein das den größten Teil und bestechenderweise bestand zwischen diesen beiden Klassen dasselbe Größenverhältnis von 1:5, 1851 ausmachen läßt. das sich für ganz England Ähnliches gilt für die demographi- sche Entwicklung Ardleighs, lelität zur im Jahre Entwicklung die in erstaunlicher im nationalen zügiges Bevölkerungswachstum ab 1760, Maßstab mit einer 45 gen Beschleunigung zwischen 1790 und 1820. 47 Paral- verlief: kräfti- weitere Elemente der ließen sich nennen, ses Ortes "politischen unterstreichen. wir wiederum durch Arthur Young, beiter, die Jahrhundert dort nennenswert dem zu für sein. (und Ardleighs ausgehenden der 18. Sie anderen für Landar- und frühen entsprachen Essex', Situation zahllose der wiederum Gerade vielleicht in dieser das des Hinsicht ist "Normalität" Ardleighs von Belang: Süd- poor" Gemeinden eindrucksvollste) da- nicht bezüglich "labouring ländliche 19. dem Grafschaften seiner andere die- beispielsweise, Demnach scheint Ardleigh auch ökonomischen pisch kennen die Lohnsätze wurden. innerhalb von ostens abwich. der im gezahlt maligen Standard Ökonomie" die den Durchschnittscharakter ein Indiz ty- gewesen weiteres für die die Serie 6 unserer Abb. 1, auf die wir nun kurz zurückkommen müssen. Ein Vergleich wicklung der Serien der weitgehend dem für alle ermittelten Muster weichungen gibt, tengerüst 5 und 6 zeigt, einer ren Aggregat ionsebene Gemeinde zusammen) ökonomische Kontext, gezwungen sahen, wirtschaftlichen Daß Essex ist Ab- denn im Da- immer mit immerhin Zuhöhe- die Daten ausgleichen. Ent- übereinstimmen wie Darüber hinaus entspricht innerhalb pfleger Ardleighs sich zu einer haben. in daß die markanten Punkte der Entwicklung in beiden Serien ebenso deutlich auf Ent- Ardleigh die sich auf einer (Serie 5 faßt ren langfristiger Trend. marktes, die Daß es geringfügige ist nicht verwunderlieh, einzelnen von mehr als 250 Gemeinden scheidend ist, in agrarischen Gemeinden entspricht. fallsschwankungen zu rechnen, der daß Armenunterstützungsausgaben dessen solchen den allgemeinen die wir oben dem Beispiel Armen- Ausgabenpolitik Bedingungen der Produktion und des ländlichen die (Abschnitt II) land- Arbeits- hingewiesen Ardleighs zum Verständnis 48 deauch des "Speenhamland"-Systems im 1795-96 und 1799-1801 kommt, Zusammenhang der eine grundsätzliche Krisen dürfte deutlich genug geworden sein; nicht schwierig, und es ist dasselbe auch im Hinblick auf die Pro- bleme der Nachkriegszeit zu zeigen. meindeversammlung Ardleighs im gesetzlich vorgeschriebenen gern "assistant einen von Bedeutung zu- So beschloß die G e - März 1832, den ehrenamtlichen overseer" zur beiden Armenpfle- Seite zu stellen, für den eine jährliche Vergütung von £ 25 vorgesehen - unter der Bedingung, "that he attends pect to the paupers and unemployed". res- Und ein Jahr spä- ter einigte man sich auf eine "labour rate", le Farmer, deren Land mit einem Pachtwert £5 oder mehr zur Armensteuer wonach al- von jährlich veranlagt wurde, ein schäftigungsvolumen von 4s pro veranlagtem Pfund wert zu übernehmen hatten, bei einem Lohnsatz chentlich 10s für den erwachsenen Arbeiter. veranlagter Farmer hatte demnach war in every die Be- Pachtvon w ö - Ein mit £ 1 0 Wahl, entweder (mindestens) vier Arbeiter zu beschäftigen oder 40s di~ 4fi rekt an die Armenpfleger abzuführen. Dieses Beispiel ziegt zweierlei. schließen, daß schaftliche Unterbeschäftigung zu einem nur durch beitsmarktes licht es, war, auch strukturellen noch Rahmen sich der eine der die landwirt- außerhalb der Erntezeit Problem entwickelt war. angewandte gegebenen Erstens läßt es darauf Ardleigh systematische beizukommen daß in Zweitens dem des aber Ar- verdeut- Steuerungsmechanismus Möglichkeiten ökonomisch im sinnvoll wie überhaupt die Unterstützungspolitik dieser G e - meinde dem ideologischen Zerrbild tungslosen Armenrechtsverwaltung, 1834 vorschwebte, eine hatte, Steuerung kleine Gruppe völlig widerspricht. von wohlhabenden 49 einer verantwor- das den Reformern von Davon etwa, daß Farmern das Alte Armenrecht "labour nere korruptiv rate" Farmer instrumentalisierte einen Teil und Gewerbetreibende kaum die Rede sein. keine fremde versteckte über abwälzte, die auf klei- kann hier Denn diejenigen Dorfbewohner, Arbeitskraft nicht betroffen, und ihrer Arbeitskosten beschäftigten, die waren gar vielmehr wurde diese "labour rate" als Form der Arbeitslosenunterstützung von denen finanziert, die zugleich die führenden Arbeitgeber 47 in- nerhalb Gemeinde sie der waren. aus Ökonomischem Interesse, daß es "unterm Strich" Natürlich handelten wenn sie sich ausrechneten, das Günstigste sei, "überschüssiger" Arbeitskräfte zu haben, den Spitzenzeiten der Produktion greifen konnten. Aber indem sie rend Monate der stungen flauen finanzierten, Landarbeitern men", das als das, werden bei hier das wäh- Armenunterstützungslei- Familien sie den zugleich Dürftigkeit eingenommenen immer Perspektive Alte Armenrecht auf scheint tion, zurück- auch besitzlosen ein noch "Auskomhöher was ihnen unter dem Neuen Armenrecht "Pauperismus blick aller Belieben diesen Pool sicherten ihren Pool lag zugemutet sollte. Aus der Sinn, und durch nach einen auf den sie in der seine es eher als letzten Rückständigkeit" ökonomische als eine es wenig Ausläufer 48 macht eines Im Hin- Steuerungskapazität anzusehen. er- ziemlich "moderne" mit einem hohen Maß an Rationalität lität, wenn Rahmen der auch nur einzelnen Gemeinde. Neuen Armenrecht wesentliche Für diese weil sie den treideproduzierenden Farmer in der 50 Einschätzung Strukturelemente ökonomischen Flexibi- beschränkten daß auch unter dem Armenrechts unter der Hand weiterliefen, deshalb, und im zugegebenermaßen spricht nicht zuletzt die Tatsache, Institu- des Alten und zwar genau Interessen gleichen der Weise geent- 4g gegenkamen wie soziale bereits vor Seite' des Alten 1834. Was Armenrechts schließlich betrifft, der Begriff des "Pauperismus der Rückständigkeit" minder problematisch. gung, wenn der Bedürftigkeit geht. Natürlich hat er seine es um die Unterschiede Es wäre absurd, endgültige Beseitigung storische Konto halb voll der der bestreiten Armut auf sozialstaatlichen entfalteten Ausmaß ihrer Linderung zu wollen, der "nackten" daß die das hi- Agenturen inner- Industriegesellschaft geht. Dennoch besteht keine Veranlassung, die keit überzubewerten des "modernen" gar historisch d.h. gemessen am gesellschaftlichen mens, Umfang des Reichtums Leistungsfähig- Denn relativ zur oder gesehen, Umverteilung in Frage kommenden des Einkom- erscheinen die Errungenschaften des modernen Sys- tems der läufer Sozialstaates zu mystifizieren. ist nicht Berechti- im absoluten und den Möglichkeiten die so sozialen Sicherung durchaus im Vergleich als mager. Den zu seinem gesamten Vor- Einkommensum- verteilungseffekt des Alten Armenrechts kennen wir noch nicht. Doch für zwei "Problemgruppen" der sozialen Für- sorge, nämlich hende Eltern, den. für alte ist Menschen und die Probe für aufs Exempel alleinerzie*gemacht In beiden Fällen wurden die heute üblichen stüt zungssätze mit denen unter verglichen, jeweils kommen Arbeitnehmers. eines in Relation dem Alten zum DurchschnittseinFällen war war 51 in beiden Armenrecht unter dem Alten Armenrecht 50 die Unterstützung großzügiger als heute. das Resultat eindeutig: Und wor- Unter- Anmerkungen 1 Vgl. die Schlüsselpassagen zum "less eligibility"Prinzip und zum "workhouse test" im Armenrechtsreport von 1834: The Poor Law Report of 1834, hg. v. S.G. u. E.O.A. Check land, Harmondsworth 1974 (Pelican Classics), S. 335 u. 377-78. Ich zitiere den Report nach dieser Ausgabe, die leichter zugänglich ist als das Original (in: Par1iamentary Papers 1834 XXVII) und überdies dessen editorische Mängel beseitigt. Zum ideologischen Hintergrund der Armenrechtsreformbewegung siehe J. R. Poynter, Society and Pauperism: English Ideas on Poor Relief, 1795-1834, London 1969; Gertrude Himmelfarb, The Idea of Povirty. England in the Early Industrial Age, London 1984; Brian Inglis, Poverty and the Industrial Revolution, London 1972. 2 Zit. nach Asa Briggs, The Age of Improvement 17831867, London 1959, p. 278. Die Materialsammlung der Untersuchungskommission war in der Tat bahnbrechend, insbesondere, was die Erhebung gemeindlicher Rohdaten auf der Basis standardisierter Fragebögen betrifft. Siehe dazu die umfangreichen Anhänge des Reports: Parliamentary Papers 1834 XXVIII-XXXVIII. (Der Report mit Anhängen ist jetzt als Nachdruck komplett verfügbar in der 1. OOO-bändigen British Parliamentary Papers-Serie bei Irish Universitiy Press, als Bde. 8-18 der Unterserie "Poor Law"). Daß die Kommission anschließend das Material nicht systematisch auswertete, sondern sich bei der Niedersehr ift des Reports hastig aus den eingehenden Berichten der Assistant Commissioners die Fälle herauspickte, die ihre bereits vorher feststehende Position stützte, steht auf einem anderen Blatt. Der Report war bereits im Druck, bevor die Rohdaten überhaupt komplett vorlagen. In dieser Hinsicht wird man also kaum sagen können, die Untersuchung habe "wissenschaftlichen Prinzipien" entsprochen. 3 Mit Abstand der beste Überblick: Geoffrey W. Oxley, Poor Relief in England and Wales 1601-1834, Newton Abbot 1974 (mit reichhaltiger Bibliographie der bislang weitgehend vernachlässigten Lokal- und Regionalstudien). Daneben, vor allem unter dem Aspekt der Lokalverwaltung: W.E. Tate, The Parish Chest. A Study of the Records of Parochial Administration in England, Cambridge, 3. Aufl. 1969. Die ausführlichste Gesamtdarstellung ist nach wie vor Sidney und Beatrice Webb, English Poor Law History, Part I, The Old 52 Poor Law, London 1927 (repr. London 1963). Ob es aber noch als Standardwerk zu betrachten ist, darf bezweifelt werden, und zwar weniger hinsichtlich der vielen Details, in denen es mittlerweile überholt ist, als vielmehr wegen seiner "institutionalistischen" Gesamtkonzeption, die wenig Spielraum für ein adäquates Verständnis der Armenunterstützungspraxis "vor Ort" läßt. 4 Noch 1831 betrug die durchschnittliche Einwohnerzahl pro Gemeinde in ganz England und Wales 898 (bei einem Median von 368), in den landwirtschaftlichen Grafschaften sogar nur 534 (Median « 394). Mark Blaug, The Poor Law Report Reexamined, in: Journal of Economic History 24 (1964), S. 244. Siehe auch Peter Laslett, The World We Have Lost - further explored, London 1983, Kap. 3 zur Dorfgemeinde im fruhzeit 1ichen England. 5 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten Passagen der Armengesetze von 1601 bis zum Neuen Armenrecht siehe Maurice Bruce (Hrsg.), The Rise of the Welfare State. English Social Policy, 1601-1971, London 1973, S"I 39-49 (und S. 50-68 zum Neuen Armenrecht); für die Zeit ab 1780 auch Michael E. Rose (Hrsg.), The English Poor Law 1780-1930, Newton Abbot 1971. 6 Vgl. nach wie vor die Pionierstudien von W.A. Ashby, One Hundred Years of Poor Law Administration in a Warwickshire Village, Oxford 1912 (Oxford Studies in Social and Legal History, hg. v. Paul Vinogradoff, III); F.G. Emmison, The Relief of the Poor at Eaton Socon, 1706-1834, in: Publications of the Bedfordshire Historical Record Society 15 (1933i , S"I 1-98. Emmison kam unter anderem zu dem Ergebnis, daß "no connection between legislation and the changes of methods (of poor relief - Th.S.) can be traced at Eaton"(S. 7). 7 Das Beispiel der Arbeitshäuser ist besonders instruktiv, weil es scheinbar so gut zur landläufigen Vorstellung von der Zunahme des Arbeitszwangs in der Übergangsphase zum industriellen Kapitalismus paßt. Dabei wird leicht übersehen, daß z.B. das Gesetz von 1723 überhaupt nicht als Vorläufer des "workhouse test"-ModelIs gelten kann, da es nichts dergleichen verbindlich machte, sondern nur den Zusammenschluß mehrerer Gemeinden zum Betrieb eines Arbeitshauses sanktionierte. Auch wäre es verfehlt, das Netz der immerhin rund 4.000 "workhouses" um 1800 als Indiz für den Stand der frühkapitalistischen Disziplinierung der "labouring poor" anzusehen. Tatsächlich wa- 53 ren die meisten nämlich einfache "poorhouses", in denen jeweils eine relativ kleine Anzahl von Waisen, Behinderten und älteren Leuten untergebracht und von der Gemeinde versorgt wurden. Siehe James S. Taylor, The Unreformed Workhouse, 1776-1834, in: E.W. Martin (Hrsg.), Comparative Development in Social Weifare, London 1972, S. 57-84; Oxley, Poor Relief, Kap. 5. 8 Zur Veranschaulichung: wir meinen in etwa die Gebiete südöstlich der Linie Boston-Exeter. Auf Cairds berühmter Karte der englischen Landwirtschaft um 1850 liegen sie südlich der "high wage"/"low wage"-Linie und östlich der "pasture"/ "arable"-Linie: J.H. Clapham, An Economic History of Modern Britain, Bd. 1, Cambridge 1939, S. 467. 9 Instruktive Beispiele bei K.D.M. Snell, Annals of the Labouring Poor. Social Change and Agrarian England, 1660-1900, Cambridge 1985, S. 104-06. Gute zusammenfassende Darstellung bei Oxley, Poor Relief, Kap. 4. 10 Peter Clark, Migration in England during the Late Seventeenth and Early Eighteenth Centuries, in: Past and Present, Nr. 83 (1979), S. 57-90; Peter Laslett, Clayworth and Cogenhoe (zuerst 1963), erweiterte Fassung in seinem Band Familiy Life and Illicit Love in Earlier Generations, Cambridge 1977, Si 50-101, und zwar dort S. 65-77; Laslett, world We Have Lost, S. 75-77. Siehe auch die wichtigen Untersuchungen zur regionalen Mobilität der jungen Landarbeiter von Ann Kussmaul: The Ambiguous Mobility of Farm Servants, in: Economic History Review, 2nd series, 34 (1981), S. 222-35; Servants in Husbandry in Early Modern England , Cambridge 1981, Kap. 4. 11 James S. Taylor, The Impact of Pauper Settlement, in: Past and Present, Nr. 73 (1976), S. 42-74, markiert den wesentlichen Neuansatz. Für die ältere Auffassung besonders notorisch Dorothy Marshall, The English Poor in the Eighteenth Century, London 1926, S. 2463T; Webb, Old Poor Law, S. 315, 396, 399. Unter den wenigen älteren Arbeiten, die der traditionellen Orthodoxie mit wohlbegründeter Skepsis begegneten, ragt hervor: E.M. Hampson, Settlement and Removal in Cambridgeshire, 1662-1834, in: Cambridge Historical Journal 2 (1928), S. 273-89. 12 Der klassische "Speenhamland scale", den die Friedensrichter von Berkshire am 6. Mai 1795 im Pelican Inn in Speenhamland (einem Tithing der Gemeinde Speen in der Nähe von Newbury) beschlossen, ist häufig zitiert worden, z.B. in Webb, Old Poor Law, S. 178; 54 J. L. und Barbara Hammond, The Village Labourer (zuerst 1911), London 1978 (nach der revidierten Ausgabe von 1927), S. 108-09; Karl Polanyi, The Great Transformation (zuerst 1944), Boston 1957, S. 78. Jedes dieser Werke enthält zudem eine Diskussion des historischen Kontextes, doch die genaueste Darstellung ist die bei Mark Neumann, Speenhamland in Berkshire, in: Martin (Hrsg.), Comparative Development, S. 85-89, und in erweiterter Fassung in seinem Buch: The Speenhamland County. Poverty and the Poor Laws in Berkshire 1782-1834, New York 1982, S. 72-109. Die beste Analyse der zeitgenössischen Diskussion liefert Poynter, Society and Pauperism, Kap. 3. Anzumerken bleibt, daß der Begriff "Speenhamland-System" neueren Datums ist. Die Zeitgenossen sprachen von "allowances" oder vom "allowance system" (auch, mit Bezug auf die lineare Anpassung der "allowances" an die Preisentwicklung, vom "allowance scale") und machten übrigens bis zum Ende der Napoleonischen Kriege wenig Aufhebens davon. Auch war der "scale" von Speenhamland beileibe nicht der erste. Doch "Speenhamland" wurde zum Synonym für "allowance system", nachdem der Report von 1834 im Kapitel über die vermeintlichen paternalistischen Entgleisungen der Friedensrichter der "Speenhamland scale" vom 6. Mai 1795 argumentationsstrategisch geschickt plaziert hatte (Poor Law Report of 1834, S. 206-17 für die Argumentationslinie, der "scale" selbst auf S. 209), und er dann von George Nicholls, einem der vehementesten Armenrechtsforscher "von unten", als Prototyp des systematischen "out-relief to the ablebodied" zum dramatischen Wendepunkt der Geschichte des Alten Armenrechts hochstilisiert wurde (A History of the English Poor Law, London 1854, Bd. 2, S. 13739), Siehe hierzu auch den interessanten historiographischen Abriß bei Neumann, Speenhamland in Berkshire, S. 89-99. 13 Gute Darstellung bei Neumann, Speenhamland County, S. 185- 88. Beispiele im Poor Law Report of 1834, S. 102-06 (roundsman system! und S. 294-333 (labour rate). Doch diese sind, ebenso wie die Beispiele für "allowances" (S. 90-102), mit Vorsicht zu genießen, denn es wurden vornehmlich solche ausgewählt, die den Mißbrauch der Unterstützungspraktiken durch einzelne Interessengruppen (z.B. bei der "labour rate" durch größere Farmer auf Kosten der kleineren) zeigen. Die ältere Literatur bietet, im auffälligen Gegensatz zum Speenhamland-System, relativ wenig zu diesen Unterstützungsformen. Eine Ausnahme bilden die Webbs, Old Poor Law, S. 189-96, wo sie eine erstaunlich positive Darstellung liefern, während sie, offensichtlich ohne 55 es selbst zu merken, in ihrer Darstellung des Speenhamland-Systems (S. 170- 89) die Vorurteile der Reformer von 1834 voll übernehmen. Mehr dazu weiter unten. 14 Unklar ist vor allem die Zuordnung der modelltheoretischen Begriffe des Lohnzuschusses (wage subsidy) und der Familien- oder Kinderbeihilfe (familiy allowance; child allowance), und zwar vor allem deshalb, weil das Speenhamland- System in gewisser weise beide Momente miteinander verknüpfte. Insofern war es durchaus zutreffend, wenn die Zeitgenossen von "allowances in aid of wages" sprachen und damit zwei unterschiedliche Aspekte begrifflich kurzschlössen. Es scheint, daß genau darauf die anhaltende Verwirrung zurückzuführen ist. So klassifiziert etwa Blaug das Speenhamland-System ausschließlich als "wage subsidy" und besteht darauf, es dürfe nicht mit "familiy allowances" verwechselt werden (Poor Law Report Reexamined, S. 231-32); an anderer Stelle geht er sogar noch weiter und spricht vom Roundsman-System als dem "Speenhamland System pure and simple" (S. 238). Demgegenüber scheint es mir sinnvoller, im Hinblick auf die eindeutige Einbeziehung der Kinderzahl das Speenhamland-System als "familiy allowance" zu verstehen, selbst wenn es durchaus die Form eines Lohnzuschusses annehmen konnte. (Dann nämlich, wenn die "allowance" an einen beschäftigten Arbeiter ging; doch dies war keineswegs zwingend, denn einem Arbeitslosen stand sie ebensogut zu). Umgekehrt ging es beim RoundsmanSystem und der Labour Rate ausschließlich um die (beschäftigungspolitisch ergänzte) systematische Subventionierung der Löhne, völlig unabhängig von der Kinderzahl . Eigenartigerweise sind diese begrifflichen Unstimmigkeiten bisher kaum diskutiert worden. Fast alle Autoren sind Blaug unbesehen gefolgt. Eine Ausnahme bildet Karel Williams, From Pauperism to Poverty, London 1981, S. 44-51 und 147- 55, dessen wichtige Einwände gegen Blaug allerdings dadurch weitgehend vernebelt werden, daß er sich als strukturalistischer "antiempiricist" (seine eigene Einschätzung, S. 41 ü.ö.) offenbar unsicher ist, ob er sie selber ernst nehmen soll oder nicht. Dagegen hat Donald N. McCloskey die Analyse Blaugs von einer anderen Seite her kritisiert. Er wirft ihm vor, die Frage offengelassen zu haben, ob Speenhamland als "wage subsidy" oder als "income subsidy" zu interpretieren sei (McCloskey entscheidet sich für letzteres): New Perspectives on the Old Poor Law, in: Explorations in Economic History 10 (1973), S. 41936. Doch seine Argumentation ist rein theoretisch und 56 führt hinsichtlich der Frage nach der konkreten gestaltung und Wirkungsweise des Speenhamlandtems kein "Stück weiter. AusSys- 15 Sofern nicht anders vermerkt, bezieht sich die folgende Darstellung auf Mark Blaug, The Myth of the Old Poor Law and the Making of the New, in: Journal of Economic History 23 (1963), S. 151-84, auch in: M.W. Flmn/T.C. Smout (Hrsg.), Essays in Social History, Oxford 1974, S. 123-53 (Zitate nach der Erstpublikation); Blaug, Poor Law Report Reexamined; James S. Taylor, The Mythology of the Old Poor Law, in: Journal of Economic History, ig (1969), S. 292-97; Neumann, Speenhamland in Berkshire; J.D. Marshall, The Old Poor Law 1795-1834, London 1972 (inzwischen 2. Auf 1. (erweitert?)) , die mir leider nicht zugänglich war); D.A. Baugh, The Cost of Poor Relief in SouthEast England, 1790- 1834, in: Economic History Review, 2nd ser., 28 (1975), S. 50-68; K.D.M. Snell, Agricultural Seasonal Unemployment, the Standard of Living, and Women's Work in the South and East, 1690-1860, in: Economic History Review, 2nd ser., 34 (1981), S. 407-37; George R. Boyer, The Economic Role of the English Poor Law ca. 1780-1834, Diss. Univ. Wisconsin/ Madison 1982; Neumann, Speenhamland County, Teile II und III; Anne Digby, The Poor L a w T n Nineteenth-Century England and Wales^ London 1982 (Historical Association Pamphlet); Snell, Annals of Labouring Poor, Kap. 1 und 3; George R. Boyer, An Economic Model of the English Poor Law ca. 1780-1834, in: Explorations in Economic History 22 (1985), S. 129-67. Angemerkt sei, daß ich die begrifflich und sachlich kontroversen Punkte bewußt ausgeklammert habe und sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner der auch methodisch sehr unterschiedlichen Beiträge präsent iere . 16 Zu betonen ist, daß keine dieser drei großen Subs istenzkrisen des ausgehenden 18. Jahrhunderts dem "type ancien" entspricht. Die klassische Verbindung von Mißernte und Getreidepreisexplosion auf der einen, steigender Mortalität und Abnahme von Geburten und Eheschließungen auf der anderen Seite fehlt - was übrigens nicht nur für diese Jahre gilt, sondern vermutlich als spezifisches Charakteristikum der "Bevölkerungsweise" des frühneuzeitlichen Englands schlechthin gelten kann; Laslett, World We Have Lost, Kap. 6 und S. 325- 36; E.A. Wrighley/R.S. Schofield, The Population History of England, 1541-1871: A Reconstruction, London 1981, S. 332-42 und 645-93; Roger Schofield, The Impact of Scarcity and Plenty on Population Change in England, 1541-1871, in: Journal 57 of Inderdisc iplinary History 14 (1983), S. 265-91. Zu den Subsistenzkrisen und Tnren sozialen Auswirkungen vgl. im übrigen John Stevenson, Food Riots in England, 1792- 1818, in: R. Quinault/J. Stevenson (Hg.), Popular Protest and Public Order, London 1974, S. 3374; John Stevenson, Popular Disturbances in England 1700-1870, London 1979, Kap. 5, bes. S. 91-112; Walter M. Stern, The Bread Crisis in Britain, 1795-96, in: Economica, N.S., 31 (1964), S. 168- 87. 17 A.H. John, Farming in Wartime: 1793-1815, in: E.L. Jones/ G.E. Mingay (Hrsg.), Land, Labour and Population in the Industrial Revolution, London 1967, S. 28-47; E.L. Jones, The Agricultural Labour Market in England, 1793-1872, in: Economic History Review, 2nd ser., 17 (1964-65), S. 322-38; n I Gash, Rural Unemployment, 1815-34, in: Economic History Review, 1st ser., 6 (1935-36), S. 90-93; E.J.T. Collins, Harvest Technology and Labour Supply in Britain, 17901870, in: Economic History Review, 2nd ser., 22 (1969), S. 453-73; G.W. Fussell/M. Compton, Agricultural Adjustments after the Napoleonic Wars, in: Economic History 3, Nr. 14 (Feb. 1939), S. 184-204; G. Huckel, Agriculture during Industrialisation, in: Roderick Floud/Donald McCloskey (Hrsg.), The Economic History of Britain since 1700, Bd. 1, Cambridge 1981, S. 198-^01. 18 Zu den Einhegungen und ihren Auswirkungen auf den Umbruch der ländlichen Klassenstruktur siehe jetzt Snell, Annals of the Labouring Poor, Kap. 4. Nach dieser gründlichen Abrechnung mit der "optimistischen" Interpretation, wie sie etwa in J.D. Chambers/ G.E. Mingay, The Agricultural Revolution 1750-1880, London 1966, Kap. 4 oder G.E. Mingay, Enclosure and the Small Framer in the Age of the Industrial R e v o l ~ tion, London 1968 zum Ausdruck kommt, wird sich die Auffassung, die Einhegungen hätten sich, insbesondere durch ihre positiven Arbeitsmarkteffekte, letztlich positiv auf die Lage der agrarischen Unterschichten ausgewirkt, schwerlich aufrecht erhalten lassen. 19 In dieser Richtung argumentiert vor allem Boyer, Economic Role, Kap. 4; Economic Model, S. 46-62, wobei es letzten Endes noch nicht einmal entscheidend ist, ob die beschäftigungsorientierten Formen des Roundsman-Systems oder der Labour Rate voll zum Zuge kamen. Seiner am Modell der "implicit contracts" orientierten Analyse zufolge war selbst die "offene" Arbeitslosenunterstützung während der Wintermonate, ohne jeglichen Beschäftigungszwang, also z.B. die Zahlung einfacher "allowances", für die landwirtschaftliehen 58 Arbeitgeber noch billiger als z.B. der Abschluß jährlicher Arbeitsverträge. Genau daraus erklärt sich ja auch die Tatsache, daß in den ländlichen Regionen die Praxis des "outrelief to the able-bodied" selbst nach 1834 erhalten blieb, obwohl dies dem Neuen Armenrecht und den fortgesetzten Anordnungen der Poor Law Commission direkt widersprach. Siehe dazu die wichtigen Arbeiten von Anne Digby: The Labour Market and the Continuity of Social Policy after 1834: the Case of the Eastern Counties, in: Economic History Review, 2nd ser., 28 (1975), S. 69-83; The Rural Poor Law, in: Derek Fräser (Hrsg.), The New Poor Law in the Nineteenth Century, London 1976, S. 49-70; Pauper Palaces, London 1978, S. 3-7 und 105-14; Poor Law in Ninetee'nth-Century England and Wales, S. 19-26. 20 B.A. Holderness, "Open" and "Close" Parishes in England in the Eighteenth and Nineteenth Centuries, in: Agricultural History Review 20 (1972), S. 126-39; Dennis R. Mills, Lord and Peasant in Nineteenth-Century Britain, London 1980, S. 23-25 und 119-20; Cambers/Mingay, Agricultural Revolution, S. 193-94; Clapham, Economic History^ Bd. *l, S. 468-69; Bd. 2, Cambridge 1932, S. 291-92. 21 Nach Wrigley/Shofield, Population History, S. 208-09, stieg die Bevölkerung Englands zwischen 1771 und 1831 von (rund) 6,5 auf 13,3 Millionen. Der größte Wachstumsschub, mit jährlichen Wachstumsraten von 1,30 % und mehr, fiel in die ersten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. 22 Eigene Berechnungen unter Verwendung der bei B.R. Mitchell/ Phyllis Deane, Abstract of British Historical Statistics, Cambridge 1962, S. 8 angegebenen Bevölkerungsdaten für England und Wales. 23 Die Ausgaben für die Armenunterstützung in den Jahren 1775, 1782-84 und 1802 (jeweils Kirchenjähre, beginnend am 25. März) waren die Zeitgenossen Uber die Parlamentsberichte zugänglich, und zwar: Abstract of the Returns made by the Overseers of'the Poor, 17777 Abstracts of Overseers' Returns, 1787; Abstract of Answers and returns relative to the Expense and MaiTP tenance of the Poor, in: Parliamentary Papers 1803-4 XIII. Diese drei Abstracts enthalten oie Armenunterstützungsausgaben für jede Gemeinde in England und Wales. Die für 1777 und 1787 wurden komplett nachgedruckt in Reports from Committtees of the House of Commons ( = Parliamentary Papers, First » Bd. 9, Provisions; Poor: 1774 to 1802 (ersch. 1803). (Sie sind mittlerweile auch verfügbar in House of 59 Commons Sessional Papers of the Eighteenth Century, hg. v. Sheila Lambert, Bde. 31 und 60). Die "Summary Statements" aller drei Abstracts, mit den Armenunterstützungsausgaben für jede Grafschaft und für England und Wales im Ganzen wurden nochmals nachgedruckt, und zwar im Abstract of Returns relative to the Expense and Maintenance of the Poor" in: Parliamentary Papers1818 XIX. Dort fand sich auch eine Schätzung der Armenunterstlitzungsausgaben in den Jahren 1747-49, die aber auf lükkenhaften Angaben beruht und nicht als verläßlich angesehen werden kann. Die Armenunterstützungsausgaben ab 1812 schließlich waren den Zeitgenossen für jedes Jahr (und wiederum für jede Gemeinde) bekannt, fortlaufend verfügbar (mit geringfügiger Wartezeit) in den Par 1iamentary Papers, und zwar: 1818 XIX (Daten für die Jahre 1812-14); 1822 V (für 1815-20); 1825 IV (für 1821-23); 1830-31 XI (für 1824-28), 1835 XLVII (für 1829-33). Auch diese Angaben gelten für Kirchenjahre mit Jahresbeginn am 25. März, während die Daten in den Quellen selbst und auch die meisten Autoren sich auf das Jahresende am 25. März beziehen. 24 R.H. Tawney, Religion and the Rise of Capitalism (zuerst 1926), Harmondsworth 1938, S. 251-70; Hammond, Village Labourer, S. 110-11 und 164-75; Webb, Old Poor Law, S. 418 und 424-25; Polanyi, Great Transformation,"*Kap. 7 und 8. Selbst Eric Hobsbawm/George Rude, Captain Swing, Harmondsworth 1973, S. 27-31 teilen diese Sicht: nach Speenhamland sei die "traditional social order degenerated into a universal pauperism of demoralized men who could not fall below the relief scale whatever they did (and) who could not rise above it" (S. 30). Interessant ist ihre Entgegnung auf Blaug. Zwar bescheinigen sie ihm, daß die Interpretation des Alten Armenrechts als eines ökonomisch sinnvollen Systems zur Steuerung agrarischer Unterbeschäftigung durchaus etwas für sich habe ("on paper this makes sense"). Doch dann heißt es: "Speenhamland was not intended to achieve the results which Keynesxan or socialist economists have in mind. (...) It was an instinctive escape of country gentlemen into the world they knew best - the self-contained parish dominated by squire and parson - and indeed it reinforced that supremacy, by making the village totally dependend on the decision of its rulers" (S. 30). 25 Blaug, Myth of the Old Poor Law; Poor Law Report Reexamined. Diese beiden Aufsätze markieren den eigentlichen Beginn der modernen Forschung zum Alten Armenrecht. 60 26 Baugh, Cost of Poor Relief. Für die Jahre 1800-1816 hat Baugh die 1817 vom Select Committee of the House of Lords on the Poor Laws angeordneten Aufstellungen über die Armenunterstützungsausgaben in jeder Gemeinde ausgewertet. Diese Aufstellungen scheinen das House of Lords nie erreicht zu haben und fanden sich in den von Baugh untersuchten Grafschaften unter den Akten des Clerk of the Peace. Sie dürften auch für andere Grafschaften verfügbar sein, doch erstaunlicherweise gibt es bislang keinerlei Folgestudien. Für die Jahre 1790-99 hat Baugh eine Auswahl besonders gut dokumentierter Gemeindeakten (Rechnungsbücher der Armenpfleger) konsultiert und die daraus gewonnenen Daten hochgerechnet. 27 Baugh, Cost of Poor Relief. S. 56-57. 28 Ibid., S. 64. 29 Zu allem, was Ardleigh betrifft, vgl. demnächst ausführlich: Thomas Sokoll, Household and Familiy among the Poor: the case of two Essex communities in the late eighteenth and early nineteenth centuries, Diss. Univ. Cambridge, Kap. 3-6. 30 Essex Record Office, E.R.O.), D/P 263/12/1, (unpaginiert). Chelmsford (im folgenden Ardleigh Overseers'Accounts 31 E.R.O., D/P 263/12/1, Eintragungen vom 14. Nov. und 26. Dez. 1795 und vom 25. Jan. 1796. 32 Ibid., Eintragungen vom 4. Jan. und 27. Jan. 1796. Eine weitere Liste von Armenfamilien mit Kindern unter dem Datum 24. Feb. 1796. Daß tatsächlich alle noch im elterlichen. Haushalt lebenden Kinder der betroffenen Familien berücksichtigt wurden und nicht nur die unter 12 Jahren, geht aus einem Vergleich der in diesen Listen aufgeführten Kinderzahl mit den Angaben einer im Oktober 1796 aufgezeichneten inoffiziellen Volkszählung Ardleighs hervor, in der alle Bewohner der Gemeinde, nach Haushalten gegliedert, mit ihrem vollen Namen und ihrem Alter auftauchen. Zu dieser Volkszählung weiter unten mehr. 33 Die letzte Eintragung im Rechnungsbuch der Armenpfleger, die sich auf die Liste der Armenfamilien mit Kindern bezieht, datiert y.om 26. April 1796: "Paid the Poor 2 weeks pay at 6. p. Child - 11-0-0" (D/P 263/12/1). 34 Um die Darstellung der 61 gleitenden 5-Monats-Durch- schnitte ebenfalls im Oktober 1799 beginnen und im Oktober 1801 enden zu lassen, wurden die Eckwerte jeweils um zwei Monate weitergeführt. An dieser Stelle noch ein Wort zu den Weizenpreisen. Sie wurden den verschiedenen Lebenshaltungskostenindizes, die für diesen Zeitraum berechnet worden sind (Schumpeter/Gilboy, Phelps/Brown/Hopkins und Gayer/Rostow/Schwarz), nicht nur deshalb vorgezogen, weil diese (abgesehen von letzterem) nicht auf einer monatlichen Basis verfügbar sind. Einfache Weizenpreise sind in unserem Fall darüber hinaus ein besserer Indikator der Lebenshaltungskosten, weil Getreide (produkte) in den Warenkörben der gängigen Preisindizes mit einer im Vergleich zu den Konsumgewohnheiten der ländlichen Bevölkerung um diese Zeit viel zu geringen Gewichtung vertreten sind. Vgl. zu diesem Punkt N.F.R. Crafts, Regional Price Variations in England in 1843: An Aspect of the Standard-ofLiving-Debate, in: Explorations in Economic History 19 (19825, S. 58-59. 35 Zum Argumentationsmodell der "revolution of rising expectations" siehe James C. Davis, Toward a Theory of Revolution, in: American Sociological Review 27 (1962), S. 5-19 (deutsche Ubers.: Eine Theorie der Revolution, in: Wolfgang Zapf (Hrsg.), Theorien des sozialen Wandels, Köln '1971, S. 399-417). 36 In gewisser Wiese ist dies nur eine Variation des alten Themas, daß Löhne nach Möglichkeit nicht erhöht werden sollten, weil sie anschließend nur schwer wieder zu reduzieren seien. 37 Poor Law Report of 1834, S. 123. 38 Reichhaltiges Material bei F.H. Erith, Ardleigh in 1796. Its Farms, Families and Local Government, East Berholt 1978. An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, mich ganz herzlich bei Felix Erith zu bedanken - für seine vielen Hinweise zur Geschichte Ardleighs und zur Landwirtschaft in der Region, für die Überlassung von reichhaltigem Archivmaterial, und schließlich für seine Gastfreundschaft auf vince's Farm in Ardleigh, seinem Zuhause seit über 50 Jahren. 39 Die erste "weekly list" taucht am 12. Feb. 1796 in den Rechnungsbüchern der Armenpfleger auf, es folgen acht weitere bis zum Jan. 1800. Zahlungen unter dem Titel "Mrs. Lappage's list" sind aber bereits ab September 1794 verzeichnet (für die Zeit davor sind keine Bücher erhalten geblieben) und lassen sich bis Januar 1803 weiterverfolgen. Vermutlich geht "Mrs. Lap- 62 page's list" auf die wöchentliche Armenkollekte zurück, deren Einnahmen bis 1780 im Pfarregister dokumentiert sind. 40 Thomas Sokoll, The Pauper Household Small and Simple? The Evidence from Listings of Inhabitants and Pauper Lists of Early Modern England Reassessed, in: Ethnologia Europaea 17 (1987), S. 33-36. 41 Dargestellt ist für jede Altersgruppe der Prozentsatz der Armenunterstützungsempfänger an der Gesamtbevölkerung. Die Daten wurden durch die Kombination der Armenlisten mit der inoffiziellen Volkszählung ermittelt. Dieses Verfahren ist aussagekräftiger als die einfache Darstellung der Altersstruktur einer Armenpopulation, wie sie bei der Auswertung sog. "Pauper censuses" bereits verwandt worden ist, da es die Altersstruktur der übrigen Bevölkerung mit in Rechnung zu stellen erlaubt. Es setzt aber den seltenen Fall voraus, daß die Volkszählung jeden Einwohner namentlich und mit Alter registriert, und daß für den gleichen Zeitpunkt eine komplette Aufstellung aller Armenunt erstützungsempf änger vorhanden (oder zumindest rekonstruierbar) ist. Für weitere Einzelheiten, nebst einer Kritik der bisherigen Forschung auf der Basis von "pauper censuses", siehe Sokoll, Pauper Household, S. 30-33; für eine Zusammenstellung des bisher vorliegenden Materials zur Altersstruktur von Armenpopulationen, Richard M. Smith, Some Issues Concerning Families and their Property in Rural England 1250-1800, in: Richard M. Smith (Hg.), Land, Kinship and Life-Cycle, Cambridge 1984, S. 75-78. 42 Für alle weiteren Einzelheiten zu Baintree vgl. demnächst Sokoll, Household and Family, Kap. 7-10. Die Zusammenstellung der Daten für das Armutslebenszyklusprofil erfolgte nach dem gleichen Verfahren wie im Falle Ardleighs. 43 Tim Wales, Poverty, Poor Relief and the Life-cycle: Some Evidence from Seventeenth-Century Norfolk, in: Smith (Hrsg.), Land, Kinship and Life-Cycle, S. 351404. Vgl. auch, im selben Band, W. Newman Brown, The Receipt of Poor Relief and Family Situation: Aldenham, Hertfordshire 1630-90, S. 405-42, vor allem aber, in übergreifender Perspektive, die Arbeiten von Richard Smith: Some Issues, S. 68-86; Transfer Incomes, Risk and Security: The Roles of the Family and the Collectivity in Recent Theories of Fertility Change, in: David Coleman/Roger Schofield (Hg.), The State of Population Theory: Forward from Malthus, Oxford 1986, S. 188-211. 63 44 8« Seebohm Rowntree, Poverty: A Study in Town Life, London 1901, S. 171. Zu beacnten ist, daß unser graphisches Profil das Spiegelbild desjenigen von Rowntree ist, da sich bei ihm der Einzelne oberhalb der "primary poverty line" befindet, wenn er nicht arm ist, während unsere Linie an den Stellen des Lebenszyklus ihre Höhepunkte erreicht, wenn sich besonders viele in Armut befinden. Übrigens ist Rowntrees Profil nur eine graphische Veranschaulichung des Zyklus, und der Verlauf seiner Linie ist nicht berechnet. Für Darstellungen des Lebenszyklus der Armut heute, vgl. z.B. Peter Townsend, Poverty in the United Kingdom, Harmondsworth 1979, S. 285-88; A.B. Atkinson, TKe Economics of Inequality, Oxford 1975, S. 199-202. 45 Die vorangegangenen Bemerkungen stützen sich auf die ausführliche demographische und sozialökonomische Analyse Ardleighs in Sokoll, Household and Family, Kap. 3-5. 46 E.R.O., D/P 263/12/3, tragung 23. März 1832; Rate, 14. Feb. 1833. 47 Einzelheiten Kap. 5. bei Ardleigh Vestry Minutes, EinD/P 263/11/7, Ardleigh Labour Sokoll, Household and Family, 48 So, wenn auch nicht explizit auf das Alte Armenrecht, sondern auf den Pauperismus des frühen 19. Jahrhunderts als gesamteuropäische Erscheinung bezogen, die Argumentation bei Wolfram Fischer, Armut in der Geschichte, Göttingen 1982, S. 56-62, und natürlich bei Wilhelm Abel, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis, Hamburg/ Berlin 1974; Massenarmut und H u n g e r k r i s e n T m vorindustriellen Deutschland, Göttingen 1972. 49 Vgl, dazu insbesondere Digby, Labour Market; Poor Law; Pauper Palaces, S. 3-7 und 105-14. Rural 50 David Thomson. The Decline of Social Welfare: Falling State Support for the Elderly since Early Victorian Times, in: Ageing and Society 4 (1984), S. 451-82; K.D.M. Snell/J. Millar, Lone-parent Families and the Welfare State: Past and Present, in: Continuity and Change 2 (1987), S. 387-422, insbes. S. 398-414. Siehe auch den programmatischen Aufsatz von David Thomson, Welfare and the Historians, in: Lloyd Bonfield/ Richard M. Smith/Keith Wrightson (Hg.), The World We Have Gained. Histories of Population and Social Structure, Oxford 1986, S. 335-78. 64 Bernd Weisbrod "NEUE ARMUT". MARKT UND MORAL UNTER DEM NEUEN ARMENRECHT I "The Poor Law Reform of 1834 did away with this obstruction of the labour market: the "right to live" was abolished... Never perhaps in modern history has a more ruthless act of reform been perpetrated; it crushed multitudes of lives while merely pretending to provide a criterion of genuine destitution in the workhouse test. Psychological torture was cruelly advocated and smoothly put into practice by mild philanthropists as a means of oiling the wheels of the labor mill ," 1 So beschrieb Karl Polanyi die zentrale Rolle des rianischen Armenrechts men Vorgang, Übergang den er für den welthistorisch "The Great Transformation", zum "regime of economic man", klassische Urteil eines vikto- bedeutsa- radikalen nannte. Kritikers der den Dieses Markt- wirtschaft steht in seinem moralischen Pathos dem Urteil des viktorianischen nichts nach. "offenste Er sah Zeitgenossen Friedrich Engels in Armenrecht die der englischen Bourgoisie ge- im viktorianischen Kriegserklärung gen das Proletariat", die damit ihren eigentlichen, menschenverachtenden Charakter offenbarte: "So ist die Ausstoßung des Proletariats aus Staat und Gesellschaft ausgesprochen: so ist es offen erklärt, daß die Proletarier keine Menschen s i n d p u n d nicht als Menschen behandelt zu werden verdienen." Das Neue Act", Armenrecht von 1834, das "Poor Law Amendment das derartige Verdammungsurteile der Zeitgenossen wie der Nachwelt auf sich zog, fer und Kind der neuen Zeit, 65 war zugleich Geburtshelder Königin Victoria ihren Namen gab. Es erhob die beiden Eckpfeiler des viktoria- nischen Wertesystems, Arbeitsamkeit und Respektabi 1ität, zu gesamtgesellschaftlichen Normen, indem es ein öffentliches System schuf, das die Anpassung sozialer Sicherung und Disziplinierung an die Gesetze des freien Ar- beitsmarktes zur moralischen Pflicht jedes Einzelnen erhob. Es zeigte aber auch, in der sozialen Theorie wie in der sozialen Praxis, Die "Two Nations", beschrieb, waren das Bild einer gespaltenen Nation. die Disraeli in seinem Roman "Sybil" nur notdürftig unter dem Dach dieses viktorianischen Wertesystems zu vereinen. Erst im Verlauf der langen viktorianischen Epoche ver- mochte die Krone jenen traditionellen Nimbus für sich zu gewinnen, der das britische 3 symbolisch befestigt. Als Nationalgefühl die 1837 die Thronfolge antrat, junge im Sommer des heute im Jahre Königin hielt sich die Begeisterung ihrer Untertanen noch in Grenzen. Die keiten bis folgenden Krönungsfeierlich- Jahres offenbarten die Zerrissenheit der Nation: Während London der Königin zujubelte, seits. Industriestädte Nordenglands ab- Große Teile der Arbeiterschaft standen die in Manchester und Leeds boykottierten die Feier1ichkeiten, kleineren Textilstädten tungen abgehalten. Proteste galten, wurden sogar Das unpopuläre sollte in zahlreichen Protestveranstal- Armenrecht, einen langen Schatten 4 gesamte Viktorianische Zeit werfen. dem die auf die Bis heute steht das viktorianische Armenrecht als Wendemarke für die Entwicklung der modernen Wirtschafts- und SozialVerfassung durchaus Mit in Großbritannien. widersprüchliche seiner Dabei Auswirkungen individualistischen werden ihm zugeschrieben. Sozialphilosophie, die den Empfänger öffentlicher Unterstützungsie istungen sys- 66 tematisch stigmatisierte, Marktgesellschaft nierungsapparat stellte nelle Grundausstattung bereit. verhalf zum Durchbruch, es einerseits mit seinem es andererseits die institutio- für den modernen Wohlfahrtsstaat Das Viktorianische Arbeitshaus, abschreckendes Sinnbild des Zwangs zur freien Lohnarbeit, fand lich nach Pflegeheim einer und langen historischen Krankenhaus seinen Das Neue Armenrecht scheint Platz gen neu entdeckt wird: und im als Nationalen für all jene "Victorian lues" zu stehen, deren Hinterlassenschaft pektabilität schließ- Metamorphose Nachkriegszeit.6 Gesundheitsdienst der Gleichzeitig jene viktorianischen die man in einem modernen Va- in unseren Ta- Arbeitsamkeit, Selbsthilfe, Freiheitsliebe. aber auch als Beleg für dienen, der Diszipli- Res- kann es Untugenden wohlfahrtsstaatlichen Gemeinwesen überwunden zu haben glaubte: soziale Diskriminierung, moralische Unmenschlichkeit tuelle und Idealisierung schen Wertekanons soziale Logik Selbstgerechtigeit, und Politisierung des Die Kontext ak- viktoriani- sollte jedoch nicht den Blick und den historischen zes verstellen, kalkulierte politische Unterdrückung. auf die eines Geset- das den rasanten Wandlungsprozesses zur Marktgesellschaft quasi, vom Rande her zu definieren und abzusichern versuchte und damit selbst maßgebend an der Umorientierung der moralischen Werthierarchien im vikto- rianischen England beteiligt war. II Das "Poor Law umfangreichen Amendment Act" Bestandsaufnahme von 1834 des beruhte Alten durch eine königliche Untersuchungskommission, 67 auf der Armenrechts die von Edwin Chadwick, dem wohl koordiniert letzten Sekretär Jeremy Benthams, und mit Hilfe der theoretischen Vorga- ben des Oxforder Ökonomen Nassau Senior zu dem berühmten "Poor Law Report" ein Klassiker gilt allgemein als o and wildly unhistorical". der sich Dieser der "wissenschaftlichen" inzwischen pitulation wurde.7 kondensiert der "brilliant, Pauperismus-Debatte, inspirierte genüberstanden. Er Friedensrichter gewann seine Philanthropen der Basis eines lich Objektiven, statistisch untermauerten Das Alte Armenrecht Prinzipien spruchs der und unÜbersicht 1 ich. schiedentlich mit viktorianischen of hatte und war jedoch "calcu- die des Industry" Armenrechts eingerichtet, zur in der etabliert. die der späteren worden. So "Houses ursprüngliche einzulösen. zugunsten der Blütezeit des übergemeindliche um Die uneinheitlich Jahrhundert war ver- experimentiert Arbeitsbeschaffung kantil ist ische Kalkül nur bahnbrechenden Unterstützungsan- durchaus Schon im 18. eco- vermeint- Befundes. einzelnen Versatzstücken in einigen Grafschaften pflichtung jedoch 1601 im Armenwesen auf Gemeindeebene Unterstützungsprax is wurden von Steuerpflicht ge- sozialphilosophischen lus of pleasure and pain" mit der neuen "political the free market" auf und andererseits Maximen aus der Verbindung des utilitaristischen nomy of in Abolitionsten leidgeprüfte Steuerzahler einerseits sowie und sicherheitsbewußte influential Er verzichtete auf eine Reka- traditionellen malthusianisch Bericht, Politikberatung, Ver- Das mer- Gemeindekassen ging Verlagsindustrie vor- übergehend auf. Der eigentliche Wert des Unterstützungswesens mußte sich jedoch in Krisenzeiten zeigen, der Zeit der schiedenen, napoleonischen Kriege, klassichen Armutsursachen als sich wie in die verhängnisvoller Weise bündelten: die lebenszyklisch 68 ver- auf dem Lande in be- dingte Armutserwartung, gung in den vollständig die chronische eingehegten Unterbeschäfti- Getreidegraftschaf- ten im Süden und Osten England und die allgemeine Q rung. Teue- In Berk- dieser Situation zeigten die Magistrates von shire als letzte Instanz in Armenfragen einen Ausweg aus der drohenden Verpflichtung, Mindest löhnen zu das sichern, durch die Festsetzung Überleben indem der sie 1795 landlosen von Unterschicht die Einführung einer inde- xierten Unterstützungsskala empfahlen. Dieser erste Vorläufer der modernen "scala mobile", der als "Speenham- land-system" in die Literatur einging, stellte faktisch eine einkomensabhängige, an die Lebenshaltungskosten koppelte Familienbeihilfe dar, sich aus dem ortsüblichen der Kinderzahl deren Lohn, ge- Unterstützungssatz dem Getreidepreis und errechnete. Die "Speenhamland-allowances", nicht die Rechtsgrundla- gen des Alten Armenrechts insgesamt, gerieten der Königlichen Untersuchungskommission von 1832 zum eigentlichen Feindbild. Dabei hätten sie aus ihren eigenen Erhebungen entnehmen können, in den Ge- daß sich die "allowances" treide -Grafschaften längst rückentwickelt hatten, zu einer Art Kindergeld zu- um kinderreichen Familien in der "child poverty period" - der Phase des Lebenszyklus mit dem geringsten Familieneinkommen und den höchsten lienausgaben - das Überleben zu sichern. mographische keineswegs Befund den entsprach, alarmierenden wie wir Fami- Auch der deheute wissen, des Berichts Behauptungen über die demoralisierenden Folgen des Alten Armenrechts. Weder für die vermeintliche dent marriages", der Arbeitskräfte Immoralität, die noch für die vermeintliche läßt sich 69 ein direkter "improvi- Immobilität Bezug zu der Unterstützungspraxis festellen, die selbst in den soge- nannten Speenhamland-Grafschaften in Süd- und Ostengland 12 von Ort zu Ort Das Alte variierte. Armenrecht Organisation erwies jedoch sich insgesamt mit nicht seiner parochial'en nur als ein bles Instrument der sozialen Sicherung in Alter, heit und Not. soziale ty", auf Rechten und Krank- Es gewährleistete darüber hinaus auch die Ordnung die flexi- der traditionellen Unmittelbarkeit Pflichten "deferential und in einem socie- Gegenseitigkeit streng hierarchisch von ge- gliederten und überschaubaren Ortsverband gegründet war. Die Kostenexplosion des Armenwesens krise dem von mag der 17g5 Anlaß der Der politische aus der und Ende großen zwischen der Agrar- napo leon ischen Kriege 11 Reformdebatte Reformdruck zunehmenden der erwuchs Erosion jener gewesen jedoch sein. hauptsächlich systemstabi1iserenden Funktion und dem wachsenden Bedürfnis einer marktgläubi- gen "gentry elite" nach einer Konsolidierung der sozia- len Herrschaftsverhältnisse nicht auf der Grundlage der "customary rights", sondern auf der Grundlage der "pro14 perty rights". Vor allem die "Swing riots" von 1830 in Süd- und Ostengland machten unmißverständlich deutlich, wie gefährlich das Subsidiäritätsprinzip der "allowances" war. Die Aufständischen forderten sowohl als auch ihre menser gänzung "regular wages wet or traditionellen für "allowances" ihre Familien. sich der Versuch der Magistrates, Darüber dry" als Einkom- hinaus erwies die sozialen Unruhen durch paternal istische Konzessionen abzufedern, nur als ein trügerischer, wenn nicht gar gefährlicher Notbehelf. Der Grenznutzen erschöpft, des alten Systems hatte sich nämlich die Löhne niedrig, die Leute 70 am Leben und die soziale Ordnung in Takt zu halten und gleichzeitig alle Vorzüge der kapitalistischen Entwicklung auszunutzen: "at bottom an attempt to maintain the ancient ideal of a stable but unequal society, while combining it with concepts of agrarian capitalism advantageous to landlords 15 and farmers." Der unmittelbare Alten Armenrechts ten oder Grund die umfassende lag somit nicht primär relativen meintlich für Höhe der Armenlasten mobilitätsfeindlichen und Reform in der oder des absoluder ver- demoralisierenden Wirkung der "allowances", einem Urteil des "Poor Law Report", dem sich erstaunlicherweise liberale wie marxi- stische Historiker bis heute anschließen, sondern in der bedrohlichen politischen Leistungsschwäche des alten Systems: "Almost from the moment the Swing rioters took their revenge for years of deprivation and the erosion of their customary rights, the deep concern of the Whigs for the sources of social cohesion in r u r a l England stood at the heart of the poor law problem." Vor diesem Hintergrund formulierten former von 1832 ein Programm, die Armenrechtsre- das versprach, eine neue soziale Ordnung auf der Grundlage von freien Marktbeziehungen zu errichten. Öffentliche Unterstützungsie istun- gen sollten in Lohn, bedürftige Arme in freie Lohnarbeiter verwandelt werden. Das Entpauperisierungsprogramm beruhte im Kern auf der Annahme, daß die Armut letztlich der Verfälschung der freien Lohnbildung durch "relief in aid of wages" anzulasten sei. War erst das Unterstüt- zungssystem selbst, von den Reformern irrtümlich mit den "Speenhamland-allowances" identifiziert, als Ursache der Armut ausgemacht, so schien aus deren Beseitigung los die system Beseitigung has made the der Armut class and 71 selbst ... zwang- zu folgen: if You destroy "The the the class will cease' 1 , system, mer. 17 so glaubten die Refor- Die sozialen Kosten und Umverteilungsfolgen die- ses Paradigmawechsels von der traditionellen "moral economy" (E.P.Thompson) "political economy" zur neuen wurden marktwirtschaftlichen dabei ignoriert oder bewußt in Kauf genommen. Der ökonomische Schlüssel für die gesamte Armenrechtsre- form lag somit in der radikalen Beseitigung subsidien für Schlüssel und der sten in arbeitsfähige der einer auf lokalen und des zentral Das Instrument, Arme nicht wie Lohn- Armenwesens zugun- überwachten Ebene in den Ar- neuen das beides ermögli- war das Arbeitshaus. Solange arbeitsfähige aller administrative Friedensrichter übergemeind1 icher "Poor Law Unions". für der professionellen chen sollte, der Entparochialisierung Entmachtung menverwaltung Arme, bisher Unterstützung als "outdoor allowances" sondern nur im Arbeitshaus gewährt wurde und die Lebensbedingungen schlechter - waren dort als "less eligible" diejenigen des - ärmsten Lohnarbeiters, war ein automatischer Armutstest fen: Wer nicht wirklich bedürftig zum Marktpreis verkaufen, der sich vom geschlossenen Arbeitshaus Anstalt und abschrecken mußte seine wer sich dem unterwarf, geschaf- ließ, war Arbeitskraft Zwangsreglement war markt entzogen und gleichzeitig moralisch d.h. freien dem Arbeits- diskreditiert. In den Augen der Reformer hatte der "worhouse-test" aber vor allem den Vorteil, system über versprach: den daß er das ganze Marktmechanismus Einerseits entzog das Unterstützungs- überflüssig zu Arbeitshaus machen dem Ar- beitsmarkt die überzähligen Arbeitskräfte und verteuerte damit die Ware Arbeitskraft, andererseits verschärfte es den Steuerdruck, weil die Arbeitshausverwahrung 72 bedürf- tiger Familien teuerer kam als die traditionellen subsidien. Nach dem marktwirtschaft1ichen entstand somit für die Arbeitgeber reiz, statt der Armensteuern len. Die Abschreckung erhoffte der zusätzlichen des arbeitsfähigen Armen und die Lohnerhöhungsautomatik Arbeitshäuser für An- lieber höhere Löhne zu zahdurch das Arbeitshaus sollten gleichzeitig die Voraussetzungen dafür die Lohn- Glückskalkulus die Arbeitsunfähigen schaffen, und damit wirklich Bedürftigen, vor allem elternlose Kinder, Kranke und Alte als professionelle Pflege- und Bewahranstalt nutzen zu können. Trotz der widersprüch1ichen Doppelfunktion des Arbeits- hauses - Abschreckung und Fürsorge - bestach der Entpauperisierungsplan der frühviktorianischen Reformer durch seine Einfachheit und Radikalität. Er beruhte jedoch auf einer recht kruden Lohnfondstheorie chanizistischen Verständnis von sowie auf einem me- gesamtgesellschaftlicher Steuerung. Hinter der neuderdings wieder von neo-liberaler Seite geprießenen Ökonomisierung des Armutsbe18 griffs verbarg sich letztlich ein grandioses Zwangserziehungsprogramm dessen keit Die höchste zur Verfertigung moralische Tugend des "economic in seiner man", Marktfähig- bestand. sozialdisziplinierende Funktion des viktorianischen Armenrechts trat in dem Maße in die Erscheinung, in dem die selbstgestellte Zivilisationsaufgabe auf politischen Widerstand stieß und die marktwirtschaft1iche Erwartung an der sozialen Praxis gemessen werden konnte. Schon die Beratung dem und Implementierung Hintergrund eines populären Widerstands. des Gesetzes erfolgten weitverbreiteten Mißtrauens Im Parlament hatte eine vor und Minder- heit von Radikalen, Konservativen und Vertretern des in- 73 dustrialisierten Nordens unter Führung William Cobbetts ohne Erfolg gegen die Gesetzesvorlage opponiert. Cobbett sah nicht nur verheerende wirtschaftliche Folgen für die Arbeiterschaft the land- lords to receive more and the labourers to receive voraus - "...namely to cause less" - er kritisierte darüber hinaus die Beschneidung der unveräußer liehen Rechte des "freeborn Englishman" und die Zerstörung der lokalen Selbstverwaltung durch dieses un-englische und diktatorische Gesetz, das mit dem Recht der Armen auf Unterstützung alle Besitztitel auf denen der Gesellschaftsvertrag zerstöre, beruhe: "..to pass any law to abrogate, to nullify, or to lessen this right of the poor was a violation of the contract upon which all the real property of the Kingdom was h e l d . " 1 9 In den Getreidegrafschaften in Süd-und Ostengland, zuerst mit einem Netz von Arbeitshäusern den, regte sich nach den schmerzlichen Erfahrungen "Swing-riots" kaum organisierter Widerstand. häusern behindert, wohner fremden sogar dem in eini- an den Arbeits- vereinzelt stellten sich die DorfbeAbtransport Arbeitshäuser ihrer entgegen. Alten Der in rasche die Absicht sogar noch in der orts- Ausbau Arbeitshaussystems auf dem flachen Lande enthüllte provokatorische der Es kam je- doch zu zahlreichen kleineren Boykott-Aktionen: gen Marktstädten wurden die Bauarbeiten die überzogen wur- des seine architektoni- schen Gestaltung der festungsartigen Neubauten: der Prototyp des ländlichen Arbeitshauses wies mit Ausnahme des Sitzungszimmers über dem Tor keine Außenfenster Tatsächlich fürchteten einige ArmenVorsteher, System könne durch die sinnfällige auf. das ganze Herrschaftsarchitek- tur der Arbeitshäuser gefährdet werden: "If there be riots this winter they will be the points of attack and the centres of discontent, and when the paupers see in the single new building of a Union the single instrument (in their apprehension) with which 74 this change is to be effected, it wants but very little to persuade them that in the destructi»on of that they effect the destruction of the system." Solche Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Deportation der Aufständischen von 1830 sichtlich ihre Wirkung nicht verfehlt. hatte Die offen- Die Beschneidung der traditionellen Rechte und die Aufkündigung des moralischen Wertgefüges der "deferential society" jedoch zu elementaren Existenzängsten, führten die sich in wil- den Gerüchten niederschlugen: angeblich sollten die Kinder in den gast, die Arbeitshäusern sterilisiert oder Alten zu Dünger verarbeitet sogar oder nach verihrem 21 Tod tomy für Anatomie-Studien Act" von 1832 Law Commissioners", London, verwendet und die ersten werden. Die "Ana- Maßregeln der "Poor der neuen Zentralbehörde im fernen schienen die schlimmsten Befürchtungen der Pro- vinzbevölkerung zu bestätigen, jedenfalls trug die tiefsitzende Verunsicherung durch das Neue Armenrecht zu einzelnen gewaltsamen Aktionen mit chiliastisch auch über- höhten Erwartungen bei, etwa im Zusammenhang mit den w a lisischen . 22 Wood". "Rebecca-riots" oder der "Battle of Bossenden Erst als der Verwaltungsapparat des Neue Armenrechts gegen Ende der 30er Jahre auch Nordens ausgedehnt wurde, auf die Text i lstädten entwickelte politischer Widerstand. Die Führer der sich ein des breiter Fabrikschutzbewe- gung, wortgewaltige Prediger und lokale Honoratioren mobilisierten in den Industriestädten und -dörfern im West Riding von Yorkshire Volksbewegung, und in Lancashire eine breite deren Versammlungs- und Agitationsformen dem Chartismus im Norden den Boden bereiten sollten. Dabei widersetzten sich einige Gemeinden recht den Anweisungen der Zentralbehörde und erfolgreich ihrer Inspekto- ren, indem sie die vorgeschriebenen wählen für die neuen 75 Armenvorstände boykottierten, die Ernennung von Armen- pflegern verweigerten oder in den Steuerstreik und - wie in Todmorden - in den politischen Ausstand traten. Einsatz der neuen Londoner Polizei, die Süden Angst und Schrecken verbreitete, im Der ländlichen wirkte hier eher als Provokation. Es war kennzeichnend für diese Protestbewegung, die eine breite Volksallianz zwischen Radikalen und Tories schmiedete und sich rasch mit chart istischen Forderungen politisch aufzuladen Beteiligung begann, daß sie unter von Frauen und Kindern den traditionellen armenrecht 1ichen Familienschutz in denen zur die einklagte. Heimweber Sicherung der ums Gerade Überleben Familieneinkommen in den und unerlässliche derarbeit in den Fabriken den konjunkturellen gen schutzlos preisgegeben war, Gegenden, kämpften Schwankun- schien die Rezeptur des Neuen Armenrechts völlig unagemessen. Tatsächlich die örtlichen Armenvorsteher die Kin- in Notlagen hatten Unterstützungen zur Aufrechterhaltung des Gewerbes oder zum Zusammenhalt der Familien gezahlt. wesen wären, Arbeitshäuser, die groß genug ge- um das Heer der Konjunkturarbeitslosen ab- zuschrecken - von der Flut der Iren ganz zu schweigen waren offensichtlich Die Krise Anfang der 40er Jahre einerseits Scheitern des von den Chartisten halbherzig ten ersten Generaistreiks in der Geschichte verhalfen folg. der Protestbewegung zu einem Die städtischen Armenverbände ten Norden nahmen "workhouse-test" ersatzweise ebenfalls arbeitsfähige aus. einem kaum zu - unrealistisch. im Frauen realisieren 76 Er- industrialisierprinzipiell mußten unterziehen, war. das andererseits verspäteten Arbeitsfähige Männer "labour-test" und unterstütz- Als der vom sich aber Abschreckung diente in den rasch wachsenden Städten vielmehr das Heimat-Prinzip des Armenrechts, das allen zugereisten Be- dürftigen die Abschiebung androhte - den Iren und Schotten sowieso. der Aber angesichts der rasanten städtischen rechtlichen In den Arbeitsmärkte erwiesen Steuerungsinstrumente 60er Jahren stützungswohnsitzes. galt überall 24 als Umschichtung sich die wenig armen- hilfreich: das Prinzip des Unter- III Die Konflikte, die mit der Implementierung des Neuen Armenrechts verbunden waren, gaben der Armenrechtsreform die in der als frühviktorianischen politische Bedeutung Verwaltungswissenschaft zurück, verkleideten ideologie seiner Erfinder verborgen lag. Darüber die Markthinaus enthüllte die soziale Praxis des Neuen Armenrechts schon bald, daß dessen Kritik unbegründet war. am Alten Armenrecht verfahren konnten, sahen sie sich in ihren hochfliegen- den Erwartungen enttäuscht. So mußte schon nach wenigen Monaten das Experiment eingestellt werden, Familien aus dem weitgehend Selbst dort, wo die Reformer nach Plan Süden dens zu vermitteln, kinderreiche in die Industriestädte des wo insbesondere die Mädchen Nor- in den Fabriken mehr verdienen konnten als ihre Väter oder Mütter auf dem Land. Sie wurden als Lohndrücker gemieden und mußten schon bei den ersten Krisenanzeichen Heimatorte zumal 25 Arbeit finden konnten. Die zurück, Probleme dieser ihre Eltern zahlenmäßig kaum völlig in ihre langfristig unbedeutenden "home migration" unter dem Neuen Armenrecht machten grundlegende Dilemma der ländlichen 77 Massenarmut das deut- lieh, das auch die Reste des Speenhamland-Systems am Leben erhalten hatte: In einer "family-wage-economy" hing das Überleben der Familie von den Zusatzverdiensten Frau und Kindern ab, da die Löhne auf die von Mindest- Bedürfnisse des alleinstehenden Mannes zugeschnitten w a ren. Anders als in den Gegenden mit Weide- und Viehwirtschaft oder im Einzugsbereich der aber in den Getreide-Grafschaften Erwerbsmöglichkeiten Intensivierung für Frauen großen Städte waren im Süden und Osten die und der Landwirtschaft Kinder infolge langfristig der zurückge- gangen.26 Die Beseitigung der "allowances" als Familienunterstützung für arbeitsfähige Arme mußte daher nicht nur zu einer bewußten Umwandlung von chronischer Unterbeschäftigung in Arbeitslosigkeit führen. Sie trieb auch Frauen und Kinder zu verstärkter Arbeitsmarktpartizipation, wodurch die Arbeitsmarktposition von Männern weiter ver27 schlechtert wurde. Tatsächlich in landwirtschaftlichen nahm die Frauenarbeit Gangs zu und Kinder verließen - durchaus im Sinne des Arbeitserziehungsprogramms der Reformer einen - früher kleinen zahlte als sonst die Zusatzverdienst Hilfsarbeiten wurden Schule, sofern erzielen konnten. Unbe- Weise einen auf diese recht bescheidenen "cash-nexus" einbezogen, dings die entgangene Familienunterstützung sie in nur ohne allervoll ersetzen zu können. Selbst dort, wo das Armensteueraufkommen nach der Beseitigung der "allowances" drastisch zurückging, verharrten die Löhne ganz entgegen der Erwartung auf ihrem unzureichenden Niveau. chungsausschuß von Vor einem parlamentarischen 1837 gestand 78 ein Großbauer Untersuaus Kent auf die Frage, ob die Löhne für männliche Landarbeiter nicht entsprechend angehoben worden seien: "No, we could get them at our price. - Before the New Act came into operation? Yes, and so we can now." Der als Folge des Neuen Armenrechts prophezeite trieb blieb jedenfalls aus. den marktwirtschaftlichen Alten Armenrechts, Lohnauf- Selbst die als Sünde wider Geist denunzierte ein örtliches Praxis des Arbeitskräftereservoir durch Beschäftigungsquoten zu erhalten, lebte vielerorts wieder auf. Unbeschäftigte Kinder nach der Art des alten "roundsman wurden gelegentlich system" reihum unter- gebracht, anderenorts mußten arbeitslose Männer erst den Nachweis führen, daß sie sich mehrmals vergeblich um Arbeit zum ortsüblichen den Genuß solcher Die Männerlöhne im späten 19. Lohn bemüht hatten, bevor sie in 29 Arbeitsstreckungsmaßnahmen in der Landwirtschaft Jahrhunderts der kamen. sollten sich erst "male-breadwinner-norm" annähern. Dies war aber sicherlich weniger dem viktorianischen Armenrecht als den veränderten dingungen und der wiedererstandenen Arbeitsmarktbe- Landarbeiterbewegung zu verdanken. Neben den lohnpolitischen lienpolitischen Annahmen der als fragwürdig erweisen. sammenhalt sollten sich auch die fami- Armenrechtsreformer rasch Sie hatten versichert, der Zu- der Familien werde durch die Beseitigung der "allowances" gestärkt, aus "domestic animals" verantwortungsbewußte Familienmitglieder, terhalt nur Praxis zwang ihrer freien Lohnarbeit verdankten. jedoch zu dem Eingeständnis, weigerung der "family-allowances" 79 Die daß die Ver- die Gefahr des ly-breakdown" eher noch vergrößerte, würden die ihren Un30 "fami- als sie zu verrin- gern. Das armenrechtliche Instrumentarium, das primär auf den arbeitsfähigen Ernährer einer Normalfamilie aus- gerichtet war, ver- sprochenen vermochte offensichtlich weder den Lohnauftrieb spezifischen Problemen herbeizufUhren, von Teil- und noch mit Restfamilien den fer- tigzuwerden. Dies zeigte sich deutlich in der Auswirkung der Reform auf die neben den Alten absolut größte Gruppe der Unterst ützungsempf änger: bedürftige Frauen und ihre Kinder. Wo die "allowances" für kinderreiche Familien wegfielen, litten sie unter dem Zwang, zu beinahe jedem Preis Lohnarbeit suchen und annehmen zu müssen, um den Ausfall des öffentlichen Teils des Familieneinkommens "Cottage industries" Strohflechten über fallverwertung, und Nebenerwerb auszugleichen. jeder private Dienstleistungen waren jedoch schon immer Art, vom bis zur eine zichtbare zusätzliche Einkommensquelle in den Ab- unver- ländlichen Regionen gewesen. In gewissem Sinne hatten die traditionellen "allowances" marktfernen solche Gebieten nur Nebenerwerbsmöglichkeiten substituiert. Nun in verstärkte die vaterzentrierte Marktlogik des Neuen Armenrechts den 31 Konkurrenzdruck auch auf diesem Gebiet. Frauen und Kinder litten darüber hinaus direkt unter dem Druck, übte, den die Reform auf den Ernährer der Familie auswenn dieser es vorzog, eine Familie, die er ohne öffentliche Unterstützung nicht mehr ernähren konnte, zu verlassen. Die familiäre Notbehelfswirtschaft des Exestenzminimums, schon immer von einem nur prekären gekennzeichnet gewesen. am Rande die "economy of makeshift", war Familienzusammenhalt Der Zwang zur Wanderarbeit für Männer, zur frühzeitigen Auflösung der Familienbande für Kinder und die pragmatische Adaptation an durch Tod und 80 Krankheit bedingte Krisen der Familienkonstellation ten Uberall im vorindustriellen Europa eine op ge "Kultur der Armut" entstehen es fami 1ialistischen Werte zu den den Entwicklungsländern poverty", weit daß Überzählige die Vaterfigur Die viktorianischen lassen. machen, familienpolitisch Dies galt ihr im Hinblick auf "culture mußten auf ver- die Er- Sanierungsfeldzug zeitigte. auf die erzwungene von Frauen und Kindern, die in of oder vollständig Nebenwirkungen im Hinblick beitsmarktpartizipation auch oder moralischer unerwünschte nicht nur gehörte noch Kinder preisgegeben Armenrechtsreformer daß Dabei heute verbreiteten zwischenzeitlich 33 ziehtet werden konnte. fahrung dieser hat- eigenständi- abschreckende Ar- sondern Arbeitshausver- wahrung von Familien. Die Richtlinien sahen nämlich vor, daß jede Unterstützung für Frau oder Kind eines arbeitsfähigen Familienvaters als dessen Unterstützung zu gel- ten habe und deshalb nur im Arbeitshaus zu gewähren sei. Eine verheiratete befugt, Frau war juristisch überhaupt nicht für sich und ihre Kinder Unterstützung zu bean- spruchen, solange ihr Mann arbeitsfähig und am Leben war. Konnte sie jedoch glaubhaft machen, daß er die Fa- milie verlassen hatte, was unter einer Strafandrohung der "Vagrancy Act" stand, und halb ihre des Kinder Anspruch Armenhauses. verlockend: entweder auf Die über den Umfang so hatten Armenunterstützung Alternative war Arbeitshausverwahrung Familie oder Außenarmenunterstützung Obwohl beträchtlichen in der der sie außerTat ganzen der Teilfamilie. der "desertion rate" nur Mutma- ßungen angestellt werden können, so verraten die Quellen der zentralen nis.34 Die Armenbehörde Armenfamilien doch wurden 81 eine wachsende durch den Besorg- verstärkten SelbstversorgungsdrucK Keineswegs automatisch zu Verant- wortungsgemeinschaften zusammengeschweißt, former gehofft einer steigenden tiert, ten. hatten. die für vielmehr Zahl von wie die Re- sahen sie sich nun mit verlassenen Frauen ihre Familien Unterstützung konfron- beanspruch- Man einigte sich schießlich darauf, verlassene Fa- milien wie Witwenfamilien zu behandeln, wobei allerdings nur verlassene unterstützung Frauen mit rechnen Kleinkindern konnten, auf Außenarmen- Unterstützung für sie selbst oder für ältere Kinder, sofern sie marktfähig waOK ren, sollte es nur im Arbeitshaus geben. Arbeitsfähige alleinstehende Frauen galten prinzipiell als ebenso marktfähig wie alleinstehende Männer, die Frauenlöhne ja Familieneinkommen stieß die in der Regel nur als obwohl Ergänzung zum in Betracht kamen. Im Falle von Witwen strikte Marktdoktrin jedoch heftigen Widerstand der örtlichen sofort auf den Armenvorstände. Eine für Witwen zugunsten einer Arbeitshauseinweisung wäre undurchführbar gewesen. Auch Beseitigung der "allowances" arbeitsunfähigen älteren Arbeitshaus erspart, ebenfalls auf der Paaren blieb obwohl man strikten beitsfähige beitshaus von der Frauen wie unterstützt Regel Witwen mit mehreren Zwangsvorschrift, Männer werden das in ihrem Fall zunächst Geschlechtertrennung beitshaus bestanden hatte. Kindern wurden in der nach prinzipiell durften, von im Ar- kleinen der ar- im Ar- nur vornherein ausgenommen. AIleinstehenden arbeitsfähigen Witwen räum- te man darüber hinaus nach dem Tode des Mannes eine Gnadenfrist von einigen Monaten ein, bis sie sich auf die Notwendigkeit der Erwerbsarbeit eingestellt hätten. Dies führte im großen und Unterstützungspraxis, ganzen so daß zur Fortsetzung im Zensusjahr der 1851 alten schät- zungsweise etwa 40% aller Witwen zwischen 20 und 45 Jah- 82 ren Armenunterstützung erhielten, und zwar in der Regel außerhalb des Arbeitshauses. Auf diese Weise war sichergestellt, den anderen Teilfamilien daß Witwenfamilien nicht mit gleichgestellt den, die der Armenpflege am häufigsten zur Last fielen: den Familien unverheirateter Frauen. Im Fall der Mütter, wur- ledigen deren Rechtsposition durch das Poor Law Amend- ment Act von dem Unterstützungsanspruch abgekoppelt wurde, zeigte sich die moralische Brechung des Marktprin37 zips besonders deutlich. ter, Beide, Witwen und ledige Müt- galten prinzipiell als arbeitsfähig. Witwen wurden aber, insbesondere, wenn sie Kinder zu versorgen hatten, generell außerhalb des Arbeitshauses unterstützt, Mütter auf und ihre Kinder Unterstützung konnten in der Regel dagegen nur ihren im Arbeitshaus tend machen. Auch in den Fällen, in denen Frauen, sich der auf und räumliche nächst gel- alleinstehende Witwen und ledige Mütter, zusammen in den Frau- enabteilungen setzte ledige Anspruch Arbeitshäuser Dauer eine Trennung durch, erfolgreich gegen untergebracht moralische äußere obwohl wurden, Diskriminierung die Reformer Zeichen der zu- Schande in Kleidung und Haarschnitt Einspruch erhoben hatten. Von einer "Ökonomisierung des Armutsbegriffs" konnte somit im Hinblick auf die Unterstützung von arbeitsfähigen Frauen und cher trat ihren Kindern der moralische keine Rede sein. Zwangscharakter menrechts in den Fällen zutage, gitimen und spruchten: illegitimen in der Noch deutli- Neuen Ar- in denen Witwen mit le- Kindern des Unterstützung f rühv iktor ian ischen Zeit galt beandie Faustregel, daß eine Witwe, die mit ihren legitimen Kindern "outdoor allowances" erhielt, sofern sie ein weiteres illegitimes Kind gebar, nur zusammen mit ihrer gan- 83 zen Familie Verstarb im Arbeitshaus jedoch dieses unterstützt illegitime Kind was leider nur zu oft der Fall war, werden im durfte. Arbeitshaus, so mußte sie wieder entlassen werden. Die Begründung der Diskriminierung zwischen ledigen und verwitweten Müttern und zwischen deren legitimen und illegitimen Kindern ließ erkennen, daß der Marktwert der Frau offensichtlich einer moralischen Nachprüfung unter- lag: "The allowance of out-relief to widows with only legitimate children does not tend to increase the number of widows, whereas the allowance of out-relief to mothers of bastards tends directly and powerfully to increase the number of bastard, and t h u ^ to produce extensive evils, both economic and moral. Auch die Behandlung der Armenkinder, deren keit ja nicht im einzelnen zu testen war, moralischen Kategorien. Dies ergab Marktfähig- folgte primär sich schon aus der Diskriminierung der ledigen Mütter: 1851 erhielten etwas mehr als 300.000 Armenkinder Armenunterstützung (38% aller ünterstützungsempfänger), 40.000 davon im Arbeitshaus (42% aller Arbeitshausinsassen), alle der 120.000 Witwenkinder während aber fast zuhause unterstützt wur- den, war die Mehrheit der unehelichen Kinder auf das Arbeitshaus angewiesen: Armenkinder etwa 60% der 13.000 3Q lebten 1851 im Arbeitshaus. unehelichen Die Arbeitshauskarriere von unehelichen Kindern war aber keineswegs vorgezeichnet. Über die Unterstützungsquote der unehelichen Kinder insgesamt können leider keine genauen Angaben gemacht werden. Die Altersverteilung der im Arbeitshaus versorgten unehelichen Kinder legt jedoch den Schluß nahe, und uneheliche daß das Arbeitshaus für Kinder nur ein 84 ledige vorübergehender Mütter Aufent- haltsort war; 1862 stellten die unehelichen Kinder fast 60% der Arbeitshauskinder unter 3 Jahren, 30% der rend 3-7jährigen und die Mütter zusammen mit der unehelichen ihren Kindern aber nur noch Uber 7 j ä h r i g e n . 4 0 15% der Kleinkinder im Arbeitshaus dies bei den über 7 jähr igen nur für fast waren, etwas mehr Das heißt, daß ledige Mütter, sie entbinden Arbeitshaus mußten, nur galt als die Hälfte der Mütter. im sofern während Stillphase der Armensteuer zur Last fielen, Wähalle der danach aber schrittweise als arbeitsfähige Arme entlassen wurden, um zu ihrem Unterhalt selbst beizutragen, und zu einem großen Teil ihre Kinder mit fortschreitendem Alter dem Ar- beitshaus wieder entzogen. Dieser Befund, der aus Bruchstücken der Statistik erschlossen werden kann, anhängern, sprach. weil er ihrem Arbeitsfähige zeitgenössischen entging den moralischen Eltern, die Reform- Weltbild wider- ihre Kinder dem Ar- beitshaus überantworten mußten, hatten in ihren Augen ja schon wirkt. allein dadurch Kinder - ebenso strikt Männer von mit Ausnahme von den den Doktrin gingen ism" aus, den ihr moralisches Elternrecht ver- Die Reformer hatten deshalb auch keine Bedenken, der Säuglinge Erwachsenen Frauen. Ganz sie dabei von zu entgegen einem der nur auszurotten sei, moralischen - im Arbeitshaus trennen, der wie die offiziellen "hereditary pauper- wenn die Kinder von Ansteckungsherden, und seien es die eigenen Eltern, ferngehalten würden. Sie glaubten daher, nicht nur für Waisenkinder, Arbeitshauskinder Grundsatz der in "loco Kinderfürsorge sondern parentis" generell zu alle Als im Arbeitshaus "parental substitution" und nicht "parental 85 für stehen. galt daher 41 support". Während sich die Armenrechtsreformer hung die der Außenarmenkinder Erstattung Eingriff das Schulgeld in die elterliche Lohnzuschuß sie von sogar aus bei heraushielten Armensteuern Autonomie ausdrücklich Elternrecht aus der Schulerzie- vollständig war als und als indirekter verboten - usurpierten Arbeitshauskindern, auch wenn von diesen nur etwa jedes fünfte beide Elternteile ver42 loren hatte. Immerhin konnte aber auf diese Weise die Notwendigkeit stalt einer begründet staatlichen werden. Die Entpauperisierungsan- Armenkindererziehung des Neuen Armenrechts geriet damit unter der Hand zum Expe- riment ierf eld der viktorianischen Erziehungreformer, die das bunte schafts- Elementarschu1-Gemisch und Kirchenschulen europäischem Vorbild als privaten nach verstaatlichen staatliche Armenschulen haus von endlich wollten. sollten unabhängig pädagogische Modellanstalten 43 and moral training" dienen. Dieser groß angelegte moralische zug verlief nach beträchtlichen Nachbar- kontinentalGroße vom für Arbeits- "industrial EntpauperisierungsfeldAnfangserfolgen im San- de. Er scheiterte am politischen Widerstand der sen Schulgesellschaften Steuerzahler, die das und auch für die Ware Erziehung in der Nachbarschaft Grundlage bestehender der Prinzip der Empfindlichkeit der gelten großen "less Nur Städte der und schools" sierungsschub de3 Lehrerberufs, durchschlug. 86 der kam die es jedoch diskreditiert profitierten mehr von dem staatlicherseits geförderten Arbeitshausschulen auf in London zu solchen armenrecht 1ichen Modellanstalten, bald zurecht als "barrack 44 wurden. Die Arbeitshauskinder der eligibility" lassen wollten. Schulfarmen wie schon religiö- letzlich Professionali- indirekt auch auf Der moralische Entpauper isierungsfeldzug schon deshalb zum Scheitern verurteilt, war aber auch weil die Armen- recht sreformer trotz des statistischen Befundes an ihrer Fehlwahrnehmung der Zielgruppe festhielten: Marktdoktrin und die Idee der "parental produzierten ein statisches Bild der Die strikte substitution" Arbeitshauspopula- tion. Die Wirklichkeit war nicht nur im Hinblick auf die wichtige Gruppe der ledigen Mütter und unehelichen Kin- der weit davon entfernt. Noch in den 60er Jahren rechne- te man mit jährlichen Fluktuationsraten bis zu 100%, bis zu zwei Drittel aller Arbeitshauskinder galten als "ins 45 and outs", Angesichts solcher Fluktationsraten waren nicht nur alle armenrecht 1iche Scheitern verurteilt, Erziehungsreformen zum auch die Funktion des "workhouse- test" als Wasserscheide zwischen "poverty" und "labour" stand in Frage. IV In der Frühzeit des Neuen Armenrechts scheint beitshaus trotz - oder gerade wegen - der Abschreckung nur eine kleine einer größeren fluktuierenden das Stammbelegschaft Klientel Ar- beabsichtigten gehabt zu neben haben. Viele der festungsartigen Neubauten, in denen selbst der Schrift- und verboten war, Blickkontakt aus den Namen "poor tisch gesinnte auch das zwischen den Geschlechtern verdienten mit ihrem Hunger-Regime law bastille", Opposition verpaßt philanthropische durch- den ihnen die polihatte. Daran konnte Selbstdarstellungsbedürfnis nichts ändern, das sich beispielsweise in East Anglia in pompösen Bauten niederschlug, "pauper palaces" schreckung und für sich die den Gegenbegriff 46 reklamierten. Zwangsregelment 87 fanden die Trotz Insassen der Abdes Arbeitshauses jedoch» wie diejenigen anderer ner Anstalten auch, geschlosse- Wege der Kommunikation und - in be- schränkten Maße - der eigensinnigen Nutzung. Davon zeugte schon der deutlich höhere Belegungsstand sowie die große Fluktuation der Wie das Abschreckungsprinzip einzelnen durch funktioniert eine neue hat des und Nachfrage im Winter Arbeitshausinsassen, nach Neuen ob es Armenrechts vielleicht öffentlichen im sogar Leistungen etwa im Bereich der medizinischen Versorgung unterlaufen wurde, ist schwer nachzuweisen. Die wenigen Befunde sind durchaus widersprüchlich. So sollte das Angebot, Kinder aus kinderreichen Familien als Ersatz für die entgangene Familienunterstützung in zweifellos abschrecken. das Arbeitshaus aufzunehmen, In einem Fall wurde befriedigt registriert, daß nur drei von 152 EinweisungsVerfügungen 47 angenommen wurden. Andererseits fürchtete man die Vei— suchung zur Kindesaufgabe, so daß schließlich nur die moralische Einzelfallprüfung übrigblieb. Auch die Androhung der Arbeitshausverwahrung umfunktioniert werden: für ganze Familien konnte In einem Fall tauchten auf Anra- ten des Ortsgeistlichen alle bisher lien im Arbeitshaus auf, unterstützten Fami- um das System ad absurdum zu führen.48 Die zweifellos beabsichtigte Sozialdisziplinierung funktionierte hier wie anderenorts keineswegs nur als Ein49 bahnstraße. lisierung Die Institutionalisierung der viktorianischen und Professiona- Armenpflege schuf darüber hinaus langfristig auch die Möglichkeit zur Anpassung an die sich wandelnde Bedürfnisstruktur der Armut. Arbeitshaus stalt, so zunächst noch entwickelte multifunktionale es später Zweckanstalt für Alte und Kranke, 88 sein War das Zwangsan- Potential als Kinder und Irre, Pro- stituierte und Obdachlose. Dabei ging die Nachfrage nach solcher institutioneller Fürsorge keineswegs nur von den um Markt und Moral besorgten Sozialreformern aus. liche Arbeitshäuser, Länd- wie das der Bridge Union in Kent, hatten besipielsweise 1837/38 einen relativ hohen, fluktuierenden Anteil von jüngeren Familien zu die oft mehrmals im Jahr Schutz verzeichnen, im Arbeitshaus suchten. Fünfzig Jahre später diente es fast nur noch als Alten50 heim und Refugium für ledige Mütter und ihre Kinder. w Trotz der ingeniösen automatisches Erfindung des "workhouse test" als Entpauperisierungsinstrument bot Aremnrecht in der Praxis für große Teile der schen Unterschichten, der, die der insbesondere letzte Zuflucht, Markt die für Frauen und Kin- wenn weder die Familie noch erforder 1iche Subsistenzsicherung währleisten vermochte. Zwar schuf das rasch de Netzwerk privater das Neue viktoriani- "charities" eine zu ge- expandieren- gewisse Entla- stung. Die Grundsätze der christlichen Nächstenliebe ge- rieten jedoch auch hier zunehmend in den Bann der armen51 rechtlichen Marktprinzipien. Dabei Ausmaß der Armutsproblematik durch die offizielle Statistik, geschlechtsspezifische wurde das im viktorianischen ganze England die weder alters- noch Langzeitreihen aufwies, eher ver- schleiert. Bis zur Mitte des Jahrhunderts zählte man nur die Unterstützungsfälle im Winterquartal. Das Ergebnis - 8-10% der Bevölkerung - wurde stigeren noch der in den konjunkturell 50er Jahren einfach dadurch halbiert, Mittelwert Winterst ichtag zwischen festgestellt einem wurde. SommerUnter gün- daß nur und einem Berücksichti- gung der Fluktuation kann man jedoch davon ausgehen, daß selbst in der hochviktorianischen Zeit die Zahl derjenigen, die im Laufe eines Jahres in irgend einer Form Ar- menunterstützung in Anspruch 89 nahmen, drei bis vier mal höher lag: 52 keryng. Erst die etwa ein Sechstel bis ein Fünftel der Bevöl- Verbesserung der Arbeitsmarktchancen infolge der rasanten Urbanisierung und die Angleichung der familiären Lebenszyklus-Erwartungen führten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem Rückgang der Fluktua- tion und damit zu einer gewissen Verfestigung der unterstützten veau, Armutspopulation auf deutlich Gleichwohl stellten die ersten Armutsenqueten um die Jahrhundertwende ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Einkommen sowie "poverty niedrigerem fest, daß etwa von London und York an oder KO line" lebten. * und Altersarmut Kinder- Ni- wissenschaftlichen Unregelmäßiges blieben nach dem Siegeszug der Industrialisierung rakter ist ika der Massenarmut. die auch Hauptcha- Das viktorianische Armen- recht hatte weder das Problem des "casual labour market" noch das der "life cycle poverty" zu lösen vermocht. bedurfte eines neuen politischen und moralischen ses, der Es Konsen- bis - nach der Empfehlung des Minderheitsberichts königlichen viktorianische "framework Untersuchungskommission "framework of von 1909 repression" of prevention" ersetzt und die - durch das ein Fürsorge-Ele- mente des Neuen Armenrechts unter dem Schutz der gleichzeitig einsetzenden Versicherungsgesetzgebung in den mo54 dernen Wohlfahrtsstaat überführt werden konnten. Vielleicht und war der populäre menschenverachtenden Mythos des unbarmherzigen viktorianischen langfristig wirkungsmächtiger als die Armenrechts keineswegs rosige Realität. Die moralische Stigmatisierung des Marktversagers war jedenfalls gewollt, auch wenn Frauen und Kinder für das zu zahlen hatten, insbesondere was Nassau Senior als das Hauptziel des Neuen Armenrechts definier- 90 te: "to destroy the mischievous and oppressive tion between the single "workhouse-test" diente die Beseitigung selbst einer and the married distinc55 man." Der als moralische Legitimation Familienunterstützung, im modernen Wohlfahrtstaat die als unverzichtbar für sich er- wiesen hat: "It is quite legitimate to point out that the architects of the New Poor Law of 1834 were attacking not only the abuses of the Old Poor Law, but al1 welfare payments to families whose breadwinner is at work, i.e. the vecv principle on which modern Britain is constructed."5,6 Das Neue Armenrecht erwies sich nur insofern als erfolgreich, als es den arbeitsfähigen männlichen langfristig drückte, aus der traditionellen Lohnarbeiter Armenpflege allerdings nur zu dem Preis einer Stigmatisierung, Feminisierung und heraus- zunehmenden Institutionalisierung der Armut. Das viktorianische Armenrecht spiegelte somit die dop- pelte Utopie der viktorianischen Gesellschaft, die heute wieder mit der Berufung schworen wird: auf die "Victorian values" be- die Moralität des Marktes und die Markt- fähigkeit der Moral. schen Armenrechts Die soziale Logik des zeigt jedoch, daß der viktoriani- selbstregulie- rende Markt ebenso wie die selbstregulierende Normalfa- milie geblieben eine Illusion gewesen sind. 91 und wohl auch Anmerkungen 1 Karl Polanyi, The Great Transformation, 1957, S. 82. (1944) Boston 2 Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klassen in England, MEW 2, Berlin 1962, S.493ff. Zitat auf S. 502. 3 David Cannadine, The Context, Performance and Meaning of Ritual: The British Monarchy and the 'Invention of Tradition' c.1820-1977, in: Eric Hobsbawm, Terence Ranger (Hg), The Invention of Tradition, Cambridge 1983, S. 101-164. 4 John Knott, Popular Opposition to the 1834 Poor Law, London 1986. 5 Sidney und Beatrice Webb, History of the Poor Laws. The Last Hundred Years, Bd. 2, London 1929; Derek Fraser (Hg), The New Poor Law in the Nineteenth Century, London 1976. 6 M.A. Crowther, The Worhouse System 1834-1929. The History of an English Social Institution, London 1981. 7 S.G. und E.A.O. Checkland (Hg), The Poor Law Report of 1834, Harmondsworth 1974. Der Bericht umfaßte mit allen Anlagen 13 Folio-Bände: Report from His Majesty's Commissioners on the Administration and Practical Operation of the Poor Laws, Par1iamentary Papers (P.P.), 1834 XXVII-XXXIX. 8 R.H. Tawney, Religion and the Rise of Capitalism, (1938) Harmondsworth 1977, S. 269; vgl. Mark Blaug, The Poor Law Report Re-examined, in: journal of Economic History 24 (1964), S. 229-245. 9 Den besten Gesamtüberblick über das Alte Armenrecht liefert Geoffrey W. Oxley, Poor Relief in England and Wales 1601-1834, Newton Abbot 1974. 10 Vgl. den Beitrag von Thomas Sokoll in diesem Band. 11 Mark Blaug, The Myth of the Old Poor Law and the Making of the New, in: journal of Economic History 23 (1963), S. 149-184. 12 James P. Huzel, Malthus, the Poor Law and Population 92 in Early 19th Century Review 2nd ser. 22 Demographic Impact of tions on Malthus, in: England, in: Economic History (1969), S. 430-452; ders., The the Old Poor Law: More Reflecebenda 33 (1980), S. 367-381. 13 J.R. Poynter, Society and Pauperism. English Ideas on Poor Relief, 1795-1834, London 1969; Raymond G. Cowherd, Political Economists and the English Poor Laws. A Historical Study of the Influence of Classical Economics on the Formation of Social Welfare Policy, A Athens/Ohio 19?7. 14 Anthony Brundage, The Making of the New Poor Law. The Politics of Inquiry, Enactment and Implementatio7T7 1832-391 London 1 9 7 8 ; Peter Dunkley, The Crisis of the Old Poor Law in England 1 7 9 5 - 1 8 3 4 . An Interpretative Essay, New York 1982; Peter Mandler, TKe Making of the New Poor Law Redivivus, in: Past and Present 117 ( i g 8 7 ) , S. 1 3 1 - 1 5 7 . 15 E.J.Hobsbawm, S. 48. G. Rude, Captain Swing, London 1969, 16 Peter Dunkley, Whigs and Paupers. The Reform of the English Poor Laws 1830-1834, in: Journal of British Studies 20 (1981), S. 124-149, Zitat auf S. 128. 17 Assitant Commissioner Gilbert in: Second Annual Report of the Poor Law Commissioners, P.P. 1836 XXIX/1, S. 3 « . 18 Gertrude Himmelfarb, The Idea of Poverty. England in the Early Industrial Age, London 1984, S. 147ff. 1 9 Parliamentary Debates, und 386. Hansard 3rd series XXIV, 335 20 Zit. im Bericht des Armeninspektors Tufnell an die Poor Law Commissioners, 24. Febr. 1836, PRO M.H. 32/69. 21 Knott, Popular Opposition, S. 225ff.; vgl. jetzt auch Ruth Richardson, Death, Dissection and the Destitute, London 1987. 22 David Williams, The Rebecca Riots. A Study in Agrarian Discontent, Cardiff 1953; P.G. Rogers, Battle of Bossenden Wood, London 1961. 23 Knott, Popular Opposition, S. 87ff. 24 David Ashforth, The Urban Poor Law, in: Fräser 93 (Hg), The New Poor Law, S. 128-148; Michael E. Rose (Hg), The Poor and the City: the English Poor Law in its Urban Context 1834-1914, Leicester 1985, 25 Arthur Redford, Labour Migration in England 18001850, (1926) 3. Aufl. Manchester 1976, S. 97ff. 26 Keith D.M. Snell, Agricultural Seasonal Unemployment, the Standard of Living and Women's Work in the South-East 1760-1860, in: Economic History Review 2nd ser. 34 (1981), S. 407-43?; ders. , Annals""oT the Labouring Poor: Social Change in Agrarian England 1660-1900, Cambridge 1985. 27 Osamu Saito, Labour Supply Behaviour of the Poor in the English Industrial Revolution, in: The Journal of European Economic History 10 (1981), S. 633-651. 28 Report from the Select Committee on the Administration of the Relief of the Poor under the Provisions of the Poor Law Amendment Act, P.P. 1Ö37 XVII/1, 8. 29 Anne Digby, The Rural Poor Law, in: Fraser (Hg), The New Poor Law, S. 149-170; dies., The Labour MarFet and the Continuity of Social Policy after 1834. The Case of the Eastern Counties, in: Economic History Review 2nd ser.28 (1975), S. 69-83. 3 0 Poor Law Report, S, 177. 31 Ivy Pinchbeck, Women workers and the Industrial Revolution 1750-185Ü1 (1930) London 1969, S. 67ff.; Pat Thane, Woman and the Poor Law in Victorian and Edwardian England, in: History Workshop 6 (1978), S. 29-51. 32 Olwen H. Hufton, The Poor of Eighteenth Century France 1750-1789, Oxford 1974; Stuart Woolf, The Poor in Western Europe in the Eighteenth and Nineteenth Centuries^ London 1986. VgTT auch Volker Hunecke, Uberlegungen zur Geschichte der Armut im vorindustriellen Europa, in: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 480-512. 33 Oscar Lewis, The Culture of Poverty, in: J.J. TePaske, S.N. Fischer (Hg), Explosive Forces in Latin America, Ohio 1964, S. 149-173. 3 4 P o o r L a w Continuance Report, P.P. 1840 XVII, S.235ff. 35 Die rechtliche Gleichstellung mit den Witwen erfolgte im Poor Law Amendment Act von 1844. 94 36 Karel Williams, 1981, S. 198f. From Pauperism to Poverty, London 37 Ursula Henriques, Bastardy and the New Poor Law, in: Past and Present 37 (1967), S. 103-129. 38 PLC Minute, 5. März 1839, PRO M.H. 4.2. 39 4 AR PLB App.22, P.P. 1852 XXIII. 40 Return of the Number of Children in Workhouses, 1862 XLIX/1, S. 268. P.P. 41 A.M. Ross, The Care and Education of Pauper Children 1834-1896, Ph.D. London 1955; Francis Duke, Pauper Education, in: Fräser (Hg), The New Poor Law, S. 6786. 42 Report on the Training of Pauper Children, London 1841; Returns o? the Number o? Chi ldren in Workhouses, P.P. 1849 XLVII. 43 D.G. Paz, The Politics of Working-Class Education in Britain 1830-1850, Manchester 1980; Richard Johnson, Educational Policy and Social Control in Early Victorian England, in: Past and Present 49 (1970), S. 96111. 44 Patrick McCrory, Poor Law Education and the Urban Pauper Child: The Theory and Practice of the Urban District School 1840-1896, in: John Hurt (Hg), ChildhftrtH Ynnth ariH Friuratiftn in the Late Nineteenth Cen— 45 Reports made to the Poor Law Board on the of Pauper Children, P.P. 1862 XLIX. Education 46 Anne Digby, Pauper Palaces, London 1978. 47 Report from the Select Committee on the Administration of the Relief of the Poor, P.P. 1837 XVII/1, 18345. 48 Ebenda, 7204 und 7208. 49 F.M.L. Thompson, Social Control in Victorian Britain, i n : Economic History Review 34 (1981), S. 189-208. In selbstkritischer Absicht: Michael Ignatieff, State, Civil Society, and Total Institutions: A Critique of Recent Social Histories of Punishment, in: Stanley Cohen und Andrew Scull (Hg.), Social Control and the State. Historical! and Comparative E s s a y ~ 95 Oxford 1983, S. 75-105. 50 Crowther, The Workhouse System, S. 232ff. 51 Zur Bedeutung der "Charity Organisation Society" vgl. den Beitrag von Karl H. Metz in diesem Band. 52 Webb, Poor Law History, S. 1036ff.; Williams, From Pauperism to Poverty, S. 145ff.; P.F.Aschrott, Das englische Armenwesen in seiner historischen Entwicklung und in seiner heutigen Gestalt, Leipzig 1886, S. 411ff. 53 P. Seebohm Rowntree, Poverty. A Study of Town Life, (1901) London 8 1 9 0 2 ; Charles Booth, Life and Labour of the People of London, 18 Bde., London 1889-1903. 54 Gerhard A. Ritter, SozialVersicherung in Deutschland und England. Entstehung und Grundzüge im Vergleich7 München 1983. 55 Nassau Senior an Lord Normanby, Febr./März 1840, University College London, Chadwick papers, box 23. 56 Hobsbawm, Rude, Captain Swing, S. 50. 96 Karl H. Metz "SELBSTHILFE". ANMERKUNGEN ZU EINER VIKTORIANISCHEN IDEE 1 * Die Apologie der Selbsthilfe "I do not know any thing more dreadful than a state of mind which is, perhaps, the character istic of this country and which the prosperity of this country so miserably fosters. I mean that ambitious spirit ... that low ambition which sets everyone on the lookout to succeed and to rise in life." Was einer der großen Moralisten des viktorianischen Zeitalters, Henry Newman, in diesen Worten so bitter beklagte, war die Umkehrung des sozialen Wertemusters und seiner Begründung, wie sie sich im Zusammenhang des In- dustrialisierungsprozesses gann. immer mehr durchzusetzen be- In den Beziehungen zwischen Menschen ging man nun vom Wettbewerb als Maxime aus und wenn es sich dabei um Lebensziel und Lebensführung handelte, so sprach man vom Erfolg in der Welt, hen. gemessen an Geld und sozialem Anse- Von einer "Seele" des Menschen war nicht mehr Rede, was die Kritiker dazu veranlaßte, die die Verfolgung der Ambition mit der Anti-Ethik Kains zu vergleichen, in der jeder nur noch Selbstzweck war und ein "Mitmensch" nicht mehr vorhanden zu sein schien. Sie alle, ein Henry Newman ebenso wie ein Charles Dickens, ridge wie ein Thomas Carlyle, den "Mitmenschen" unfähig sein werde, auskommende ein Samuel C o l e - fürchteten, daß eine ohne Gesellschaftsverfassung ihre moralische Ordnungsaufgabe zu erfüllen. Aus der Idee der Mitmenschlichkeit, dem A l t r u ismus, sahen sie gewissermaßen jenes moralische r » *Bayerische Staatsbibliothek 0? ^ Surplus hervorgehen, nerlich das als Gesamtgefühl eine Gesellschaft zusammenhielt und ihr über Krisen der in- Zweckmä- ßigkeitseinschätzungen hinweghalf. Die freigesetzte bition schien lediglich über solche Zweckmäßigkeitserwä- gungen integrieren machte. zu können, was sie krisenunfähig Das zumindest fürchteten die Kulturkritiker nicht wenige der Freunde der neuen Gesellschaft ihnen insgeheim bei, Am- und stimmten auch wenn sie nicht recht zu sagen wußten, wie dieser Altruismus beschaffen sein sollte. Zu leicht verband sich für sie ein solcher dem verabscheuten Paternalismus, Altruismus mit wie denn auch die Kul- turkritiker erklärten, eine derartige Verbindung sei natürlich, weil ursächlich begründet. In der neuen Gesellschaft hatte die "ambition" als Ethik der Unzufriedenheit mit dem persönlichen status quo die Ethik statusbezogener Zufriedenheit abgelöst. Der Wett- bewerb war damit zum regulativen Mechanismus einer flexiblen Sozialverfassung des 18. Jahrhunderts geworden. wie Hannah Hatten Philanthropen More oder Jonas Hanway in ihren Traktaten die Armen noch ermahnt, mit ihrem Los zufrieden zu sein, so ging es in der entstehenden sozialen Pathosidee darum, der bürgerlichen Wettbewerbsgesellschaft also zur Verinner1ichung neuen sie zum Ergeiz im Wertgefüge zu bewegen von deren ambitionöser und Psycho- logie. Hier begann also eine neuartige Moral Gestalt anzunehmen, individualistisch angelegt, doch ohne eigentlich altruistische Idee, wes- halb die sprachen. Kritiker ihr um den Ambitionskern den Namen einer herum "Moral" auch ab- Wo es Altruismus gab, blieb er in der älteren Form der Philanthropie, die freilich zunehmend ihre persönliche Färbung einbüßte, die andere Barzahlung Beziehung zur neuen zum auch, Pathosidee 98 "cash nexus" wurde und die keine besaß. Denn wie reflektierte von dieser Idee aus, keine dem Individualismus der Selbsthilfe, eigentlich altruistische bezüglich der Armen. Armut wurde Bewußtseinszustand aufgefaßt, gab es Wahrnehmungsmöglichkeit in ihr wesentlich d.h. als mangelnder zur ambitionösen Bewältigung der eigenen Lage, im Fehlen bestimmter Tugenden - wie britische Gesellschaft des Wille was sich Sparsamkeit, beitsamkeit oder Vorsorge - bemerkbar machte. die als Ar- Diese für 19. Jahrhunderts kenn- zeichnende Charakterdefinition der Armut gründete in der Erfahrung wachsender Mobilitätschancen eben der den Armen zugeschriebenen einerseits fehlenden und Ambitions- bereitschaft andererseits. Die Armen entzogen sich weitgehend der moralischen Auseinanderlaufen des Moralismus die Distanz des Vergesellschaftung, Altruismus der Selbsthilfe. zu den Armen erneut daher das der Philanthropie und Von letzterer war diskursfähig her geworden, nicht freilich von der Philanthropie her. Diese Diskursfähigkeit der Distanz aber war bedeutsam für die "besseren Leute", wenn eine Mehrheit der Bevölkerung genössischen Sinne als "arm" gelten mußte, von der brachte Hand die in den Mund lebte. Charakterdefinition im zeit- weil sie nur Pädagogisch der Armut gedeutet die soziale Frage zum Verschwinden, indem sie jene als vorrangig dividuellen auch Sachverhalt bestimmte; ihre weltanschauliche zenden Klassen. darin Attraktivität bestand für die indann besit- Der Altruismus blieb abseits, eine Pri- vatangelegenheit , versehen mit dem alten Glanz kratischer Gnade, doch ohne rechten Platz in der neuen individualistischen Ideologie. Sozialphilosophisch gründete verwandten Denkansätzen, hams und den Überlegungen der utilitaristischen diese Ideologie dem Menschenbild 2 Adam Smiths. Im auf Jeremy zwei Bent- Mittelpunkt Menschen lehre stand das, 99 aristo- was man den "homo benthamiticus" nennen könnte, den Menschen nämlich des glatt ablaufenden "felicific calculus", dem asozialen mit Residuum des "homo panopticus" zur Erklä- rung und Behandlung nicht-funktionaler Störfälle. Ratio- nalität bedeutet hier die Fähigkeit des individuellen Glücksrechnens, das vom Glückshandeln der anderen eingegrenzt wurde, nicht durch über die "unsichtbare den Altruismus der Allerdings gab es Personen, Hand" etwa, aber Menschenfreundlichkeit. die hartnäckig versuchten, ihr Glück unter Mißachtung der Mechanismen von Markt und Leistung zu erreichen und ihnen mußte eine Unglücksrechnung aufgemacht werden, in Form von züchtigenden ten wie Gefängnis oder Arbeitshaus. die Abwägung von Lust und Leid, Anstal- Dort versuchte man, "pleasure" und "pain", für den abweichenden Menschen, den "homo panopticus" also, so zu instrumentieren, daß künftige Abweichungen den erwünschten Die sozialen Verhaltensregeln "schweigende verinner licht, zugewiesen hier das chische Allgegenwart" unterblieben. des Wärters wurde eine Aufgabe, die der Erziehung blieb. Aus dem christlichen Respektabilitätsbewußtsein Mechanismus des sichtbare Hand Optimierungszwecke dabei generell "Gewissen" geworden, "man within", von der der wie erfüllte. die war psyun- "Ambition" und "propensity to trade and barter" bedingten sich demnach gegenseitig. Das dabei entstehende Sozialwesen wurde dann als "free individual agent" festgelegt, Mensch, der seine Interessen selbständig, stimmung mit der regulativen Wertidee doch verfolgte. solchem Verhalten wuchs ihm soziales Ansehen, als in AbAus "respecta- bility" zu, und um sie ging es da, wo Menschen mehr verlangten als schiere Subsistenz. "Ambition" war demnach kaum mehr als Streben nach Respektabilität, und all jene in dieses Streben einzubinden, "mehr zu verlangen", die in der Lage waren, mußte Ziel der neuen Sozialverfas- 100 sung sein. Gelang ihr das, so konnte der Altruismus ohne Gefahr vernachlässigt werden, als Beschäftigung mit Personen außerhalb formierenden Kind und der die artikulationsfähigen Gruppen Selbsthilfe-Idee. Pauper waren gleichermaßen die Gegenfiguren dieser Idee, wobei nicht zufällig ökonomische und soziale Eigenständigkeit fehlten. sche Souveränität, wenn er Ein Mensch besaß nicht bloß ökonomi- von der Hand in den Mund lebte. In Bezug auf einen lohnabhängigen Arbeiter hieß das, daß er bei zeitweisem Lohnausfall infolge von Krankheit oder Erwerbslosigkeit über Reserven gen mußte, einer als Ersparnisse Hilfskasse. verfügte er, Über verfü- etwa oder als Unterstützung gesellschaftliche Souveränität wenn er als sein eigener Erzieher im sozi- al- konformistischen Sinne zu wirken vermochte und nicht unter äußerer Überwachung stand. war Teil des "self-help"; bürgerliche Variante des Das "self-improvement" es verkörperte "achievement" sozusagen die für den kleinen Mann. Für die neuen Mittelklassen ging es beim Ringen um die neue Macht Orientierungsmoral und um die ökonomischen Ausgehend rischen Stellung von Standes, um einen ideologische der gegen Kampf Absicherung Adel Vorstellung wie eines um soziale ihrer sozio- Armenbevölkerung. "ganzen" Dritten in welcher der Unterschied hin zum unternehmeBürgertum für die arbeitende Bevölkerung als Orientierungsdifferenz wirken sollte, war es Aufgabe der Leistungsethik, heranzufUhren scharfe für die Arbeiterschaft an die Mittelklassen und die Abgrenzung welche eine zeichnend war, Abdie Erwerb und Leistung te. Diese wesentliche von der bzw. Einheit Aristokratie beider Ausgrenzungsdifferenz lediglich durch Gnade, individuell Mittelklassen-Idee 101 ganzen kenn- nicht durch überbrückt werden vom durch darzustellen, Dritten konnStand mündete folgerichtig in den Arbeiter1iberalismus ein, in die Absage an Sozialismus und Arbeiterpartei und in die Verbindungsaufnähme beiterschicht Europa der mit dem war diese artikulationsfähigen liberalen Bürgertum. Verbindung wirksamer oberen Ar- Nirgends in und dauerhafter gewesen als in Großbritannien. Erinnert man sich kurz der Erfahrungen der anderen europäischen Länder so stellt man fest, daß ihr jeweils de- mokratisches Potential von der Rolle - oder der Schwäche - des Arbeiterliberalismus nachhaltig was wiederum davon abhing, zung eine ob der politische Modernisierung Dabei wird lich, daß im Falle die einerseits war. gleichfalls deut- der Selbstzuständigkeit in Verbindung mit dem protestantischen vidualbezug stand, andererseits mit der 3 dieses Bezuges zu tun hatte. drückte, war, Umwäl- vorausgegangen Großbritanniens Moralisierung beeinflußt industriellen hatte der Schreckens abgelöst. Wie Thomas Carlyle es aus- Mißerfolg 4 die Hölle Menschen gilt, einer der derartigen in Umdeutung eine als Ort des Ernsthaftigkeit, die gemeinhin als 5 Merkmal des viktorianischen "salvation" Indi- Profanisierung bürgerliche wurzelte christlichen der Moral in der "respectability", Ihr entsprach das demonstrative Tätigsein, die ernsthaft verrichtete Arbeit. tete nicht einfach, Denn der respektable Mensch arbei- um sich am Leben zu halten bzw. er hörte nicht auf, zu arbeiten, wenn er auf andere Art leben konnte. Das wäre die Verächtlichkeit der Aristokra- ten oder des Pauper. Arbeit ist Voraussetzung wie Demonstration der Selbsthilfe, druck innerer racter" die Nichtarbeit hingegen der Aus- Zuchtlosigkeit hauptsächliche und als Ursache "poorness von of "poverty" chaund "pauperism". Dabei dient die Ethisierung der Arbeit ganz entschieden der Einbeziehung 102 der respektablen Arbeiter- schaft in die bürgerliche Erwerbsgesellschaft• Denn jede Kollektivierung des Gleichheitsgedankens als Behauptung einer Klassenstruktur der Ungleichheit hätte die Universalgeltung müssen des und Erwerbsindividualismus ihm somit als in integrierende Frage stellen Sozialidee ge- sprengt . Die wirkungsvollste Verteidigung dieser Idee kam von Samuel Smiles, der in seinem Buch "Self-Help" von 1859 anhand zahlreicher biographischer Beispiele die Vernetzung von Selbsthilfe len suchte. und "elevation of character" Nicht die quasi-aristokratische scheinung des Genies stand im Mittelpunkt, schen mit "ordinary durch Aneignung qualities", root of all genuine woraus sich ergab, gleichwohl zu "The spirit of growth in the Höchst- self-help individual",^ daß jede Hilfe von außen die Betrof- fenen längerfrist ig nur schwäche, zur Selbsthilfe sondern Men- sich der Tugenden der Selbsthilfe leistungen befähigen k o n n t e n . 6 is the die darzustelAusnahmeer- nur abtöte. weil sie den Der Charakter Antrieb von Menschen werde im wesentlichen von diesen selber gestaltet, nicht von der Gesellschaft, wie das Robert Owen behauptet te. So zeigte sich Smiles tief beeindruckt nossenschaftlichen schaft, die Selbsthilfeversuchen eine Verbesserung der der ein hervorgegangen. cieties" und glaubte er die Mittel für Improvement erschein Rechtsgleichheit die als soziale auf So- Selbsthilfe-Vereinigungen eine immer umfassendere Selbsthilfe unter den Arbeitern zu erblicken. nommen, Lage Sein eigenes Arbeiterbildungsver- In solchen "Mutual den ökonomischen ge- Arbeiter- individuellen durch Zusammenarbeit zu erreichen suchten. Buch war aus einem Vortrag in einem hat- von den Problematik bei Wie angeformaler innergesellschaftliche Weise lösbar und eben nicht (sozial)politisch über die Beizie- 103 hung des Staates. Dieser Nachweis aber galt dem klassi- schen Liberalismus als wesentlich. führen, Smiles suchte ihn zu indem er die Hoffnungen der Arbeiterschaft, nauer: ihres sozial aktiven, nach Aufstieg ge- strebenden Teils, mit dem Aufstiegswillen der unteren Mittelklassen und dem Interesse Verallgemeinerung te. der gehobenen Mittelklassen ihrer Moraleinstellung an einer zusammenbrach- Die Enttäuschung der Arbeiterschaft über das Versa- gen der charakteristischen Methode und die mit dem Boom der spürbar werdende einer fünfziger Verbesserung Klassenpolitik und sechziger der Lebensumstände Jahre insbe- sondere des oberen Arbeitersegments und der unteren Mittelschichten unterstützen ihn dabei. Das außerordentli- ehe Wachstum der ökonomischen Selbsthilfe-Vereinigungen, der Hilfskassen 8 und der Konsumvereine, 9 wies in die gleiche Richtung. Doch blieb die Mehrzahl der arbeiten- den Bevölkerung von Ideologie und Praxis der Selbsthilfe nahezu unberührt. tätslinie ihrer Damit verschob sich die Respektabi 1i- in die Arbeiterschaft Artikulations- wie hinein. Sie hielt Organisationsfähigkeit die wegen wichtigen höheren Schichten der Arbeiter im weiteren Zusammenhang der Ausbildung des Arbeiterliberalismus Entstehung scharfer ideologisch Mittelklassen und beförderte Klassenlinien zu somit ebenso wie den sie die die Mittelklassen überdeckte.* 1 0 II. Die Krise des Selbsthilfe-Gedankens Gegen Ende des 19. Jahrhunderts Infektion" der britischen schien die Arbe iterschaft "bourgeoise allmählich an Wirksamkeit zu verlieren. Die Bewegung unter den bis dahin schweigenden ter, Massen der un- und angelernten die offenkundig werdende Abwanderung weiter 104 ArbeiTeile der Mittelklassen eines zu den Konservativen sich umgestaltenden waren gesellschaftlich- Anzeichen politischen Verhältnisses. Das Vorhandensein ausgeprägter sozialöko- nomischer rechtlich- Ungleichheit politischer Gleichheit unter dem Vorzeichen wurde immer mehr derung kollektiver Natur aufgefaßt, dividuell die geprägte vielmehr che. Selbsthilfe staatliche begegnet Anstrengungen Die Sozialpolitik begann ihre zipatorische" Bedeutung einzubüßen als Herausfor- der nicht durch inwerden könne, erforderlich ma- instrumentell-"emanund bekam immer mehr wohlfahrtspolitische Züge. Damit erhielten die "ordinary contingencies of life", insbesondere Krankheit, Arbeitslosigkeit und Altersgebrech 1 ichkeit, politisches Ge- wicht. Dieser Vorgang lief offensichtlich den Voraussetzungen des Selbsthilfegedankens zuwider und mit ihm auch der Grundüberzeugung des klassischen Liberalismus, der die umfassende Ich- Zuständigkeit des Einzelnen zum Ausgangspunkt seiner Freiheitsidee gemacht hatte. Ohne eine derartige, heit galt grundsätzlich ihm jede von jedermann ausübbare Freiheit im Politischen als Freisozial und ökonomisch in der Luft schwebend. Im Sozialen wie im Politischen blieb demnach die Freiheit etwas Formales, sie wurde inhaltserfüllt erst als Freiheit "für mich" in ihrer jeweils personengebundenen Ausgestaltung. So gesehen lebte freilich ein bedeutender weiterhin im Zustand bloß wachsende n Zahl Teil der formaler von Bevölkerung Freiheit Zeitgenossen und es schien einer zwe ifel- haft, ob sie sich je aus eigener Kraft in einen Zustand der materiell erfüllten Freiheit würden fortbewegen können. Sie verstanden das als Herausforderung an die Ge- sellschaft, der sie - wie einst die Kulturkritiker industriellen Revolution - eine nicht nur der funktionale, sondern ebenso eine altruistische Zweckbestimmung unter- stellten. Provo- Die Armut wurde so erneut zur sozialen 105 kation, erörtert einer die Drei Argumentationsmuster das bald in zung, heftige armensoziologische, rale. Ihnen stand der Selbsthilfe in drei genannten schieden, um die sie dem eingetretenen ihren anonymen, Der solch riesigen, stand die hilflosen das weil Frage er nach den oder Unglück wie ist, ging Menschen von das Thema Auslese Gedanken in d e r m o d e r n e n wiederum heitsbegriff den und denn schlössen von Struk- agierte. Auswirkungen als die in derart In von C h a r l e s um einer variierte mangelnden 12 den Booth Wirkungen Eugenik Gesellschaft. biologi- Die Neuli- allgemeinen sozialkritisch um der "Residuum1 das ihm a u s g e h e n d e n Die Dabei Sorge Menschen. allem verinhalt1ichten im mit Kreuzungspunkt dem Namen Gruppen. sie Verhältnisse Beziehungsgeflechten wirklicher und die unter- Vorrangstellung Abhängigkeit Blickpunkt vor die Verstädterung winziger es nachbarschaft1iche sehen und von sich entsprachen sozialen negativen im sehr in d e r zappelte sie m i t auf beralen eher eher durch als Verbindung voneinander unüberschaubaren Daseins 11 asozialer der altliberalen So Damit kollektiven wurde in d e n e n Armensoziologie, verbunden Wandel Einzelne Glück doch Industrialisierung turen. aufgefaßt, schwierige einig. neulibe- Philanthropismus bemühte. sich heraus, das des Argumentationsmuster so w a r e n dabei und rationale Altruismus Gesellschaftsbezuges von sich Verteidigung des Fortgang bildeten der sich und Auseinanderset- annahm. das eugenische Selbsthilfe-Gedankens entgegen, öffentlichen Formen vom Freigesell- 13 schaftlichen Reichtum Allenthalben erschien sozialer Verhältnisse Selbstbestimmung auf die der Mensch denn bemühtes fortbestehende als mehr das Ergebnis ich-bestimmtes, Individuum. 106 als Armut. Hiergegen nun um be- zogen sich jene Liberalen selbst in der immer entschiedener Nachfolge des Stellung, "klassischen" die Libera- lismus der Gladstone-Ära sahen, freilich nicht verhehlen konnten, führte daß die weltanschauliche und auch innerhalb des disch zu werden begannen, Drift von ihnen weg- liberalen wie Carles Lagers S. Loch altmoes voll Mißmut zugestand. Dieser Loch war Sekretär der "Charity 14 Organisation Society" (C.O.S.), die zum Sprachrohr des altliberalen Widerstandes sellschaftung der sog. gegen sozialen die zunehmende Probleme während die Kritiker des sozialpolitischen mus diese chen, Probleme als Erscheinungen in der Gesellschaftsverfassung Verge- wurde. Denn Individualis- eines einheitli- liegenden Mißstan- des deutete, gingen seine Verteidiger davon aus, daß die Ursachen ebenso vielfältig seien wie die Probleme, sie eben wesentlich dem Charakter wie individueller der Lebensführung Personen zugeschrieben werden müßten. satz der Problembewältigung ein weil Natur wären und damit der betreffenden Damit war der An- völlig verschiedener. 15 Die Philanthropen setzten auf Sozialarbeit (case work) und sie bestanden darauf, daß die sog. gewöhnlichen Un- sicherheiten die des Lebens, "ordinary contingencies" also, weiterhin in die volle Verantwortung des Einzelnen gehören sollten. Die Neuerer hingegen setzten auf staatliche Sozialpolitik und verlangten, diese in die Zuständigkeit Unsicherheiten des Staates zu überführen. ging es um die Gestaltung der Gesellschaft im Beiden weiteren Sinne und nicht bloß um die rechte Art, der Hilfsbedürftigkeit zu begegnen. Das macht die Auseinandersetzung die Zukunft wie sie wende der in dem sozialen Jahrzehnt geführt wurde, weil Hilfeleistungen vor und nach der so um bedeutsam, Jahrhundert- es dabei zugleich um die Zu- kunft der Gesellschaftsordnung 107 ging. Charles S. L o c h , 1 6 der Philosophieprofessor Bernard Bo17 1ß sanquet und seine Frau Helen Bosanquet, sowie Octa19 via Hill, alles wichtige Mitglieder der C.O.S., waren die hauptsächlichsten Vertreter einer auf der altliberalen Freiheitsidee als deren gegründeten Leitsatz die rationalen "Hilfe zur Philanthropie, Selbsthilfe" Weltanschaulich war sie demnach der überfällige Selbsthilfe und Altruismus zusammenzubringen, Altruismus einen legitimen Platz hilfe-Gesellschaft zuzuweisen. von aus, verursachenden der dem Selbst- den die Hilfsbe- Charakterdefekt zu befesti- schob dann aber ihre Methode der Sozialarbeit ein, die mit der alten sentimentalen darauf abzielte, Philanthropie abzuhelfen. ihrer Lebensumstände Notstand Das geschah eine genaue Untersuchung des Einzelfalles. Kenntnis brach und mit der Hilfe zugleich einem wie einem Charakterdefekt che Versuch, d.h. So ging sie zunächst da- daß jede Hilfe Gefahr laufe, dürftigkeit gen, im Gefüge galt. über Die gründli- ermöglichte es zum Beispiel, Arbeitsscheue abzuweisen, den Familien von Alkoholikern nur Lebensmittel, kein Geld zuzuweisen, oder einer Wäscherin mit abhängigen Kindern durch einen kleinen Kredit die Führung eines Geschäftes zu ermöglichen. Kurzum, richtet, auch die Wohltätigkeit mußte pädagogisch ausgeselbst im Altruismus sollten "habits of self20 control" eingeübt werden. Denn die eigentliche Ursache der Vorsorgeunfähigkeit Leistungsfähigkeit, der Armen sei deren mangelhafte was wiederum mit einem Fehlen cher "habits" zu tun habe. "It sol- is the man who must be 21 changed if his 'circumstances' are to be avoided." her hatte die rationale etwa zu verlangen, Philanthropie vom Armen "moralische" Anstrengung Daebenso eben, als 22 ihm etwas zu geben. Der Arme brauchte nicht mehr seine demütige Dankbarkeit zu zeigen, wie in der gefühlsbeton- ten alten Philanthropie, er sollte sich schämen und über 108 die Scham den weg zur Selbständigkeit finden. Eine Wohltätigkeit, die es nur sentimental gebe, erzeuge die hilfsbedürftigen Armen selbst und zwar im genauen Ver23 hältnis zu ihrer Großzügigkeit. Besonders heftig wand- ten sich die altliberalen Verlangen dem nach aus populärsten Philanthropen dabei gegen das Steuern sozialpolitischen Die Altersgebrechlichkeit sicherheit, bezahlten Altersrenten Anliegen sei eine bleiben. Gerade letzteres innerhalb der bedeutete der thropie viel, spielte doch die Festigung der ziehung eine sozialen Lebensun- ihr abzuhelfen müsse Sache der privaten Vor- sorge und der Generationensolidarität milie der erwartbare als 24 Zeit. große Rolle bei der Eigenständigkeit eines Fa- Philan- Familienbe- Wiederherstellung hilfebedürftig der geworde- nen Menschen. Kaum sonstwo wird die Innenseite des weltanschaulichen Selbst Verständnisses der neuen, rationalen Philanthropie so deutlich wie hier. Diese Innenseite entsprach dem Altruismus, dem Wunsch, mit "Wir-Beziehung" zu treten, sierung der Wohltätigkeit den Armen in eine um so die wachsende in den Großstädten Art von Anonymizu durch- brechen, die ein Ergebnis der Abwanderung der wohlhabenden Mittelklassen in die Vororte war. Dieser Impuls deutlich daran, Tradition des persönlichen wird daß die Methode der Sozialarbeit an die 25 "friendly visiting" anknüpfte, an den Kontakt zwischen Geber und Empfänger von wohltätigen Leistungen. Um so zu werden "wie wir", muß- ten Werte die Armen zwar schaft anerkennen, bi 1itätsherrschaft die der bürgerlichen Gesell- sich sozusagen unter deren Respektabeugen. Selbsthilfe-Ideologie Das war der Machteffekt und zugleich das der Entree-Billet diese Gesellschaft. Anders als etwa das Armengesetz in ver- mochte die Wohltätigkeit aber ein derartiges Respektabi- 109 litäts-"Wir" nicht zu erzwingen. Das führte sie auf ih- ren eigentlich altruistischen Kern zurück: ein "Wir" anknüpfen, das bereits Sie mußte an menschlich vorhanden war, wo es gesellschaftlich noch fehlte. Man könnte dies das "Wir der Mitmenschlichkeit" Consympathie, Armen als Vater, sprach, Bruder, Verhältnisse, waren.26 eine Ebene der Gatten, Sohn oder Tochter an- die ihm selber "menschlich" nahe Die Sozialarbeit lung bzw. nenne, auf der der philanthropische Besucher den zielte auf die Wiederherstel- Festigung des Altruismus der Verwandtschafts- beziehungen als der elementarsten schaftlicher Solidarität, Form innergesell- sodann auf den Ausbau der ge- nossenschaftlichen Selbsthilfe, kurz, sie zielte auf die Stärkung der gewissermaßen der Nächstenhilfe. lanthropie und horizontal liegenden Quellen Deren vertikale Einrichtungen, Armenpflege, sollten hingegen gehalten werden; sie durften die horizontale allenfalls unterstützen, keinesfalls sie Phi- marginal Solidarität irgendwie er- setzen. Die Absage an den Gedanken einer Wohlfahrtspolitik war damit eindeutig und wurde so auch zuletzt noch einmal im Mehrheitsbericht ausgesprochen, der Royal Com- mission on the Poor Laws von 1909. Diese Kommission hatte die Regierung an der Wende des Jahres 1905 eingesetzt, um sich über die Lage der Armenpflege in England und Wales berichten zu lassen. Die C.O.S. war in ihr insbesondere durch Helen Bosanquet und Charles Loch vertreten, die beide einen nachhaltigen Einfluß auf die Mehrheit der Kommissionsmitglieder übten. In Abgrenzung regten Minderheit von der reformsozialistisch und ihrem Gesellschaftsbezug ausange- betonten die Philanthropen erneut den Individualbezug für die Lösung der sozialen Probleme, dem zufolge ein "failure of social maintenance" bei einem Menschen die Vermutung auf 110 einen "defect in the citizen character" nahelege und eben nicht auf einen derartigen Defekt in der sozialen 27 Organisation. Daraus ergab sich, daß die Hilfsbeziehung moralisch und also zugleich ganzheitlich werden müsse. Bei jeder Hilfeleistung für einen einzel- nen Menschen hatte man seine familiären aufgebaut Verhältnisse ebenso zu berücksichtigen wie seine Wohnsituation, Beschäftigung, schaft, seinen heit sauffassung sein Einkommen, Umgang mit Geld usw. Aber diese Das "Ganze" war das nicht die Gesellschaft. Individualismus Die Kritiker des behaupteten seine Arbeitsbereit- bezog sich stets auf die Person, auf eine soziale Lage. schen seine Ganznicht Individuum, sozialpoliti- gerade das Gegenteil und forderten demgemäß eine gegliederte Organisation der sozialen Dienstleistungen, durch den Staat, stehen sollten. schiedenheit finanziert die praktisch und kontrolliert jedermann zur Verfügung Das lehnten die Philanthropen mit ab; sie traten für eine Ent- Beibehaltung der bisherigen, marginalisierenden Dienste ein. Hierin kommt in der Tat ein entscheidender Unterschied zum Vorschein. Die Philanthropen banden das Staatsbürgertum an die stete Aufrechterhaltung Einzelnen, die Reformisten bereits der sozialen Eigenständigkeit an seine "social self- maintenance", in Umkehrung gegebenen dieses Gedankens von einem (politischen) Anspruch auf soziale Absicherung Staatsbürgertum ableiteten. sehen bestand der Struktur nach zwischen der nahme sozialpflegerischer Leistungen Gefängnisstrafe Vergleichbarkeit, überlieferte tionen, jemand seine des während und einen Genau be- Inanspruch- dem Modus der denn in beiden Fällen Eigenständigkeit an Institu28 die sich "in loco parentis" um ihn kümmerten. Das war die klassische liberale Begründung der Interpretation der gewinnenden sozialen Hilfe und sie war wohlfahrtspolitischen 111 mit der Begründungen Gestalt nicht zu vereinbaren, die - wie Winston S. Churchill es einmal nannte - die "Moral" durch "Mathematik" ersetzte, durch Sozialversicherung, die bilanzierte und im klassifizierten Versicherungsfalle zahlte, ohne sich um den "Charakter" der Betroffenen zu sorgen. Nicht alle unter den Gegnern der C.O.S. wollten indes so weit in ihrer Ablehnung gehen. Darin aber waren sie sich einig, daß nämlich der Individualbezug zur Erklärung und Behandlung des "sozialen Problems" gänzlich sei. Dabei nahmen sie alle unzureichend "soziologisierend" von Klassenlage der betroffenen Personen ihren Ausgang. der Das alte Owensche Schlagwort vom Charakter als etwas von den Umständen, nicht dem individuellen willen Geformten er- hielt neuen Zuspruch. Beide Seiten waren sich des Grundsätzlichen in ihrer Auseinandersetzung wohl bewußt, weshalb sie trotz mancher Übereinstimmung in den Einzelhei- ten der sozialen Hilfe zu keiner Übereinstimmung kommen wollten. So stimmten die Philanthropen den Kritikern der bestehenden Armenpflege darin von 1834" ihres "negativen", zu, daß die "Prinzipien die Armen abwehrenden Cha- rakters wegen unzeitgemäß seien, aber sie schlössen daraus lediglich auf deren "positive" Erweiterung, wegs jedoch abzuschaffen auf ein und satz Uberzugehen. Erfordernis, zu einem das keines- Armengesetz wohlfahrtspolitischen ganz Neuan- Die gesamte soziale Hilfe sollte auch weiterhin marginalisierend angelegt sein, d.h. auf Randgruppen und ungewöhnliche Notfälle Wo jedoch Hilfen gegeben wurden, chend sein sten stehen, dann der und beschränkt in Verbindung mit "restaurativen" mit der Sozialarbeit also. positive Aspekt einer bleiben. da sollten sie ausreiDien- Hierin bestand zeitgemäßen Fortbildung des Armenwesens. Von einer "Less Eligibility" der Armenpflege war nicht länger die Rede, wohl aber von der Auf- 112 rechterhaltung marginalisierender Mechanismen, der Einzelfalluntersuchung, liensolidarität oder der wie eben der Reaktivie rung der Famifortbestehenden gesellschaft- lichen Verächtlichkeit der Abhängigkeit. Die Sozialarbeit war demnach die methodologische rung aus der Überzeugung, sentlichen spiel Charakterreform von Octavia Hill zeigen, alle Sozialreform und in den die Tätigkeit Slums von Folge- sei im wezum London Bei- sollte daß es sich beim Bestreben nach Beseitigung der Elendsviertel um eine eher moralisch-regenerierende um eine strikt städtebauliche als 2Q handelte. Angelegenheit Dennoch erweist gerade dieses Beispiel die Schwierigkeit des ganzen philanthropischen bzw. marginalisierenden An- satzes. am Rande der Armutslinie le- Durch Gesellschaft und benden Gruppen zialen seine Beschränkung an oder unterhalb der erhielt die Verbesserung auf die einen ganze Angelegenheit pauperistischen der so- Beigeschmack: sie erschien als Beschäftigung mit sozial minderwertigen Personen. Eine Politik der sozialen Sicherung der abhängigen Bevölkerung Staates, der sich insgesamt entstehenden Massengesellschaft neue Legitimität erwarb, blieb damit die kung obgleich unverkennbar geworden war, daß genossenschaftliche "ordinary Selbsthilfe Abdek- andererseits der Gedanke einer derartigen Abdeckung von vorgängig immer vorhandenen mehr als nicht breiten und Arbeiterschaft contingencies" zur ausreichte der der Weise des in der ausgeschlossen, auf diese lohn- als Dienstleistung Bestandteil ihres - Staatsbürgerturns aufgefaßt - wur- de. Octavia Hill etwa begab sich mit ihrer Ablehnung je- der der Art von sozialem Wohnungsbau Wirk lichkeitsverweigerung philosophische Wahrheit die lediglich Störfälle, im der in eine Vertrauen eigenen auf die sozial- Gesellschaftsidee, keine inhaltlichen 113 Position Korrekturen zuließ. Daß das Wohnungsproblem letztlich die Entstehung der in den Großstädten - und Slums - mit einem ausge- prägten Mangel an Wohnraum in den unteren Mietklassen zu tun hatte, dem nur durch massiven - und bezuschußten Neubau solcher Wohnungen begegnet werden konnte, 30 sie auf keinen ihre Fall zugestehen, Sozialarbeiterischen gigem gemacht hätte, nicht zu etwas bloß Zweitran- sondern mehr noch einen Bruch mit dem Weltanschauungssatz tenance" weil dies Bemühungen - wollte herbeigeführt von der umfassenden haben würde. Zum "self-main- anderen blieb selbst der Bezug auf die an oder unter der Armutslinie lebenden Menschen, wie Charles Booth sie 1889 erstmals 31 definiert hatte, marginalisierend, eben auf die bloße Notfallhilfe ausgerichtet. Wenn Octavia Hill nach rund vier Jahrzehnten angestrengter Tätigkeit kaum 4.000 M e n schen in ihren Häusern untergebracht hatte, so bedeutete dies für sie gewiß nenswerten nungsnot Beitrag der einen Erfolg; zur ärmeren einen Linderung Schichten der in irgendwie nen- bedrückenden Woh- London kann man das aber kaum nennen. Freilich Krise lag hierin nicht der des Krise der Philanthropismus, viktorianischen 20. Jahrhundert die Ausweitung eigentliche Grund der nur werte die am für die umfassendere Übergang zum nachvollzog. Ein Moment dieser Krise war der sozialen Kluft und die damit einher- gehende Beschädigung der Respektabilitätsvorstellung Orientierungsideologie. te von auf die Die rationale Philanthropie Überbrückung Altruismus und dieser Selbsthilfe Kluft ihr als hat- durch Verbindung soziales Selbstvei— 32 ständnis gerichtet. Ihr soziales Problem war der perism", nicht die "poverty", die Armut jener 31 an der amongst Armutsgrenze lebenden riches" aber war diese 114 "Bürger". Armut Als zu Ende "pau- Prozent "poverty des Jahi— hunderts provokativ Reichtum einer Armut an geworden: Der industrialisierten außerordentliehe Gesellschaft sich zu einem Paradox werden. ließ die Es ging in den sozialpolitischen Erörterungen zunehmend um die Abschaffung der Armut und nicht - wie früher - um die fung der bloßen Diesen Wandel Einige ihrer schaft, Abschaf- Hilfsbedürftigkeit. vermochte die Mitglieder C.O.S. verließen nie zu deshalb begreifen. die Gesell- so Samuel Barnett, der Gründer der Bewegung zur Errichtung von Universitätssiedlungen in den städtischen 33 Slums. der Was nottue, staatlich sei ein gewährleistete "practicable socialism", Mindeststandards dienstausfällen oder zu geringem Verdienst bei Ver- sicherstelle. Solche Hilfen würden die Armen nicht demoralisieren, wie das behauptet werde. Eine derartige Demoralisierung ge vielmehr von einem "abschreckend" gestalteten wesen und einer inquisitorischen Philanthropie gin- Armen- aus. Um die Gefühle der sozialen Zusammengehörigkeit zu stärken, mußte der Staat altruistische Aufgaben übernehmen, wobei Barnett an eine staatlich bezuschußte Arbeitslosenunter- stützung, an freie Altersrenten, öffentliche Arbeiten in Zeiten größerer Arbeitslosigkeit sowie an die Abschaf- 34 fung der Arbeitshäuser dachte, in völligem standen. Gegensatz In Gesellschaft alles Forderungen, den Vorstellungen verloren freiwillig und der wohlfahrtspolitisch hätte die freie Wohltätigkeit punk t st el lung Armen einer zu und aus was Gnade gegründeten ihre die besseren gaben, die C.O.S. Mittel- Kreise den dann zur wäre stumpfen Steuerpflicht und zu einem Anspruch der Empfänger geworden, wenn man weiß, daß in London etwa Ende der sechziger Jahre gesetzlichen Pfund von der zwei Millionen Armenpflege, freien Pfund hingegen Wohltätigkeit 115 jährlich sieben ausgegeben von der Millionen wurden, dann wird die 35 klar, auch wenn wohltätigen war. eines als help" et im T o p f e Barnett sich für fen. finden sie den Deutschen Mit ihrer immer weniger, Partei sen denen nicht geöffnet stoneschen chen, und glaubten, ohne die einem sich bei Zuckungen Für der ausging, allen möglich den eigentlich hatte in d e r wie V. nicht ihre Klagen das Wort freilich einem wäre. 116 oder "Feu- womöglich Briten. hingegen die bei den immer im mehr des zu Altliberale Kritiker der des soziLager, handelte die es letzten Selbsttäuschung, einigen Glad- beanspru- liberalen um mehr Mittelklas- Erbschaft redeten, den fühlten, konservative im S c h a f s p e l z individualistischen was neuen verbunden bittere Widersacher ergab bedür- sozialpolitischen enttäuschte der Al- Samuel zu der Innenpolitik viele ihn freilich sich die Dicey, Liberalism" daß, wie und der Freiheit freien erfolgreich dabei, das Bosanquets in e i n e n eines "Kollektivismus" solchen davon führe aber doch nun das zurecht, "New der Sinne für zwischen Staates Konservativen Liberalismus Reform.36 des Zeiten Mühe, so A l b e r t Weg Philanthropen sich den und war die Ethik Abweisung sie Peels heraufziehenden alen Die nicht die bei Seit Loch, durch im Freiheit "Staatssozialismus", anstehe, fanden Politik "Abhängigkeit", vom Staate einen unbedingten Neuansatzes Anklang. oder suchte. derartige "self-help" dem die mit ausgestattet eine der dritten aus dem Stolz, oder Liberalen, bei werde. keinen Anhängigkeit dalismus" von Wandels natürlich reich buchstabierten circensis", sahen Hauptstadt besonders Korrumpierung "Freiheit" zu als vorgeschlagenen Ersetzung als verhökert Hill ternative die und "panem Octavia London Philanthropen Veränderung "state dieses Einrichtungen Die Huhn Bedeutung möglich die sei, Für den vermutlich gewichtigsten Intellektuellen, unter den neuliberalen für John A. Hobson, bildete die Spren- gung dieser allgegenwärtigen "individualist fallacy" die Voraussetzung für jede das Leben der arbeitenden Bevöl- kerung nachhaltig verbessernde Reformpolitik, sei es nun als wirtschaftswissenschaftliche sätzlichen auf Hochschätzung die Selbsthilfe Frage. durch Demgemäß den des als Mittel ersetzte Hobson indem der oder der den er grund- als zur Lösung auch Gesellschaftsbezug daß die Armut zuerst Zerstörung Sparens Angriff sozialen Individual- darauf bestand, und vor allem ein Ergebnis der zialökonomischen Verhältnisse sei, dem individuellen Charakter eine gewisse Bedeutung me. So habe die Arbeitslosigkeit einfach mit einem Überangebot so- innerhalb derer dann als soziales zukä- Problem an Arbe itskräften zu tun, aber wer im Einzelfall arbeitslos werde, hänge unter anderem davon ab, er sei. wie leistungsfähig und leistungswillig Beobachtungen dieser Art wurden von den Philan- thropen gerne als Beweis ihrer Charakterthese angeführt, sie gingen jedoch - Hobson zufolge - an den eigentlichen 37 Ursachen stände vorbei. und das Alle Reform soziale Problem sei Reform sei daher sozialer ein problem, kein um Personendefekte angeordnetes blem. Um- SingularPluralpro- Daraus folgerte er, daß "die Gesellschaft nie zu- viel für das Individuum tun kann", da nur sie die indi38 viduelle Freiheit umfassend substantivieren könne. Erst über eine neue Sozialpolitik wurde also aus der negativen Freiheit des eines Tun-Könnens. sons Vorstellungen ralismus werden cherheit und Tun-Dürfens die positive Freiheit Eine solche Politik sollte nach Hobzum Jungbrunnen des britischen ihn herausführen, aus seiner die sich gegenwärtigen aus Krise der viktorianischen werte ergab. der LibeUnsi- einsetzenden Der individualistische Liberalismus war - das glaubten die Neuliberalen - in einer von den arbeitenden Massen zunehmend beeinflußten Gesellschaft reformunfähig geworden, d.h. er verfehlte - im Wettbewerb mit den Konservativen - seine funktionale Aufgabe, eine Partei der Bewe3Q gung zu sein. Die neue, "bewegende" Politik Hobson als Streben nach Verwirklichung einer deutete umfassenden Gleichheit der Lebenschancen durch Abbau der krassen Ungleichheit der Vermögensunterschiede und möglichst weit- gehende Demokratisierung. Die soziale Absicherung gehör- te selbstverständlich dazu. Den Sozialismus im engeren Sinne lehnte er als der Idee der persönlichen Freiheit 40 entgegenstehend ab, denn das, was den Liberalismus den alten wie den neuen - von einem derartigen Sozialis- mus trenne, sei das Verlangen nach individueller Selbst- bestimmung und Freizügigkeit, das im Sozialismus zu kurz komme. Die Behauptung der Alt 1iberalen, eine derartige Freiheit sei nur im Rahmen einer Ordnung der Selbsthilfe möglich, wiesen die Neuliberalen der Industriewirtschaft zurück. Der Reichtum erlaube die Abschaffung der Ar41 mut als Abschaffung der Ungleichheit der Lebenschancen und damit die Überwindung der in den Umständen Leistungsschwäche der Deutung wurde der Armut so von Beatrice Webb, quets in der Armen. Diese von anderen liegenden soziologisierende Kritikern geteilt, Gegenspielerin Helen Bosan42 Armenkommission. Es war die Sichtweise des anbrechenden 20. der Jahrhunderts, in dem die thropen von Anfang an auf verlorenem Posten III. Schlußbemerkung Philan- standen. Die Ursache dieses Wandels ist unschwer zu erkennen. Sofern es die Funktion einer verschiedene Gruppen zu einem Gesamtgefühl verbindenden sozialökonomisch Ideologie führenden Gruppe ist, als die Werte der allgemeinverbind- lich erscheinen zu lassen, dann gerät diese Ideologie in eine Krise, wenn sie diese Funktion nicht mehr oder nur mehr unzureichend dem, von zu erfüllen vermag. einer entschiedenen statt konsensfähig. ses Sie schrumpft was sie einmal war, eine Fokus-Ideologie, auszudrücken sucht; digung und damit dissens- In ihrer Angriffsperiode hatte die- Dissenspotential schaft Minderheit zu geglaubt die Zukunftserwartung - und in Beschlag zu der Gesell- nehmen - ge- nun diente es der - nicht unkritischen - Verteides Bestehenden Sozialkonservatismus "im Prinzip", die alte so wie Ordnung gegen einst den der wirt- 43 schaftsliberalismus verteidigt Wo eine Gruppenideologie strukturierte, ihr wo ausrichteten, da wuchs gruppe soziale Macht zu. stimmte den sich also hatte. gesellschaftlichen die sozialen der entsprechenden Ihre Ideologie, soziale wie wirtschaftliche drückte, erhielt Konsens Leitideen Verbindlichkeit die ihre Interessen läge auch für an Trägerbeaus- Gruppen mit anderen Interessen lagen, zumindest solange es keine eine solch abweichende Lage wirksam ideologisierende Dissens- theorie gab. je weiter damit eine Gruppe vom Interessenbezug der vorherrschenden Ideologie entfernt war, "defekter" mußte sie erscheinen. mochte sie sich als Ganzes desto Von diesem Defekt ver- nicht zu lösen, wohl aber konnten das einzelne ihrer Mitglieder. Daß die Beschreibung dieses Defektes moralisierend dem Anspruch Eigenheit auf jeder Allgeltung Moral, zu erfolgte, tun, ist es hatte mit doch die ideal istisch-imperativisch zu verfahren, was macht, daß kaum einer ihr gerecht zu werden vermag, daß jedoch die Mehrheit der ziemlich eindeutig an ihr scheitert. Angesprochenen Darin liegt gewissermaßen der Herrschaftseffekt ral, genutzt von jenen, ihr verbreitetster Name ist "Sünde". Diskurses, über die der Mound Im liberalen Indi- vidualismus war es die "Seif"-Zentrierung schen der die ihr eher entsprechen, des ideologi- Sündennachweis geführt wurde. "Self-help", "self-discipline", "self-denial" und die sie wie Versagen. umkreisenden Die Selbstverständnis Armut. Die Begriffe C.O.S. - die buchstabierten bekämpfte "Sünde", Abstraktheit ihres - nicht Forderung nach eigenem eigentlich empirischen Redens die Armen ergab sich aus diesem imperativischen mus, das Moralis- der das Rechte doch so eindeutig benannte und über unrechte letztendlich nur verwundert sein konnte. Eine "Hermeneutik" des Unrechten konnte es nicht wie die über denn auch die Auseinandersetzung mit den geben, Kritikern durch ihr Bestehen auf Grundsätzlichem den Zweifel ver- mied, denn am Grundsätzlichen durfte man nicht zweifeln. Die Entsprechung zur Erhebung einer Gruppenideologie zur Allgemeingültigkeit deren Gruppen. Seine die Aufblicksbeziehung der während "Sünde" einleitenden mit an- Respektabilität weiterhin verharrten. des Emanzipationsgedankens sie wurde die Armen sozialen Sündhaftigkeit der der Der Arbeiterliberalismus gehört hierher. Vermeidung vergolten, wäre im Zustand der Mit der Neudeutung vom Kollektivprinzip Soziologisierung her der und Armut schrumpfte die Sünde allmählich auf das eine Prozent der Asozialen, deren Verächtlichkeit Philanthropen selbst. Die mutsschwelle die soziale muts- und kaum minder dreißig von den Kritikern betont Prozent wurde der nach wie von der jenen Booth an der Ar- lebenden Menschen zogen auf diese Weise in Normalität ein; die Gleichsetzung Respektabilitätslinie ständlichkeit. Damit wurde die verlor ihre positive von Ar- Selbstver- Einbeziehung dieser Bevölkerungsgruppierung in die Gesellschaft mög- lich, die aus politischen Gründen dringlich schien. Die Machtlage in der Gesellschaft dig im Wandel: befand sich offenkun- Ein vager "Sozialismus" lag in der Luft, den zu einem - im Kontext der bestehenden Gesellschaft "praktikablen" Sozialismus zu machen, die große weltan- schauliche Herausforderung der Zeit zu sein schien. Ideologie der der Lage. Selbsthilfe war Im Laufe des dazu weder 19. Jahrhunderts hatte wichtige integrative Aufgabe erfüllt, Die fähig noch in sie die den Fokus der die industrielle Revolution tragenden Gruppe zu verallgemeinern und damit die weltanschaulich kapitalistische abzusichern. Der Industrialisierung Arbeiter1iberalismus war ein wichtiges Ergebnis dieses Vorganges gewesen. Die durch ihn erleichterte Demokratisierung wiederum über zur schaft Entstehung und damit einer proletarischen längerfrist ig zur Fortbildung zialreform zur Sozialpolitik. cherheit wurde die neue, betonte zu einer der So- die soziale Si- Angelegenheit und Kurzum, politischen auf die Gesamtgesellschaft zielende demgemäß lohnabhängigen die Bürgers Interessenbeziehung zum Staat, leitete Wahlbürger- sofern Ideologie gerade dieser des Staat nur Sozialstaat werde. Die Selbsthilfe-Idee trat zurück, wurde zu etwas Zweitrangigem im Bereich der sozialen Sicherheit, wie die freie Wohlfahrtspflege Inzwischen freilich eine Krise geraten, ist der auch. Wohlfahrtsstaat selbst die nicht allein eine Krise Finanzen, sondern kaum minder eine solche seiner gie ist. in seiner Ideolo- Anonymisierung, Bürokratisierung, eine oftmals geringe Leistungsbereitschaft der Sozialverwaltung, Me- dikai isierung und anderes mehr beschädigten die Pracht- fassade soziale des Wohlfahrtsstaates merklich. Seine Teilung, wie ohnehin stets vorhanden, die verstärkt sich eher, Erfolge des privaten Versicherungswesens, Zusatzversorgung und der privaten Sozialdienste Diese Kritik des Wohlfahrtsstaates, der zeigen. in Schweden so gut wie den Vereinigten Staaten oder Großbritannien, nimmt Denkformen und Schlagworte pismus wieder auf, in der Hoffnung cherung des durch Philanthro- variiert sie und artikuliert auf Konsens. bei gleichbleibenden besondere altliberalen die Dissens Eben weil die soziale Siund hohen Standards, Wohlfahrtspolitik, zur ins- Mentalität fast jeden Bürgers geworden ist, und weil mit der Veränderung der Arbeitswelt herqualif izierte erscheint einer mehr Menschen gutbezahlte heute vielen die Zwangs- Debatte und um Selbsthilfe für alles, kehrt in gewisser weise unsere wohlfahrtspolitische und AIlversicherung staatliche historische denn je zuvor Tätigkeiten als bei was Mindeststandards zu jenem Erörterung Krise Die privater übersteigt, Punkt zurück, der Methode fragwürdig. Grundsicherung hö- ausüben, des an dem Selbst- hilf e-Gedanke ns endete, zur Debatte innerhalb und außerhalb der Royal Commission von 1905-1909 um Selbstzuständigkeit und sozialstaatliche Verantwortung, um Freiheit und um die Vereinbarkeit von Individualismus und Kollektivismus in der Sozialpolitik. Anmerkungen 1 Henry Newman, Parochial and Plain Sermons 8, Nr. 1 (1836), zit. nach Walter E. Houghton, The Victorian Frame of Mind 1830-1970, New Haven 1986, S. 183. 2 Vgl. zu diesem Sachbereich meine demnächst in der Schriftenreihe des Deutschen Historischen Instituts zu London erscheinende Studie über "Industrialisierung und Sozialpolitik in Großbritannien 1795-1911". 3 Zit. nach Houghton, Victorian Frame, S. 51. 4 Thomas Carlyle, Kap. 2. 5 Houghton, Victorian Frame, S. 218. 6 Samuel Smiles, Self-Help, With Illustrations of Conduct and Perseverance (1859), London 1906, S. 11114. 7 Ebd., S. 1. 8 P.H.J.H. Gosden, The Friendly Societies in England 1815-1875, Manchester 1961, S. 17, 90ff., passim. 9 G.D.H. Cole, A Century of Co-operation, 1945, S. 10, 79ff*, 95, passim. Past and Present (1843), Buch III, Manchester 10 Vgl. Robert Gray, The Aristocracy of Labour in Ninetee nth-Century Britain 1850-1914, London 1981, s: 35ff., passim. 11 Vgl. T.S. und M.B. Simey, Charles Booth. Scientist, Oxford 1960, bes. Kap. 8 u. 9. Social 12 Vgl. K.H. Metz, "The Survival of the Unfittest": Die sozialdarwinistische Interpretation der britischen Sozialpolitik vor 1914, in: Historische Zeitschrift 239 (1984), S. 565-601. 13 Vgl. Michael Freeden, The New Liberalism. An Ideology of Social Reform, Oxford 1978, Kap. 4. 14 Zur Geschichte der 1869 gegründeten C.O.S. vgl. Helen Bosanquet, Social Work in London. A History of the C.O.S., London 1914; Charles L. Mowat, The Charity Organisation Society 1869-1914, London 1961; Madeline Rooff, A Hundred Years of Family Welfare London 1972. 1869-1914, 15 Vgl. E.T. Ashton/A.F. Young, British Social Work in the Nineteenth Century, London 1956, bes. S. 98-111, passim; Kathleen Woodroofe, From Charity to Social Work in England and the United States, London 1974, Kap. 2. 16 Charles S. 1910. Loch, Charity and Social Life, London 17 Bernard Bosanquet (Hg.), Aspects of the Social Problem, London 1895, bes. S. 4-16, 104-11, 294-318. 18 Helen Bosanquet, The Strength of the People. A Study in Social Economics, London (1902) 1903. 19 Vgl. Ashton/Young, Social Work, Kap. 7. 20 H. Bosanquet, Strength, S. 1f. 21 Ebd., S. 55, VIII, 120. 22 Ebd., S. 98. 23 Ebd., S. 163. 24 Ebd., S. 231-57; C.S. Loch, Pauperism and Old-Age Pensions, in: B. Bosanquet, Aspects, S. 127-65; vgl. auch G. Abbott et. al., Old-Age Pensions. The Case against Old-Age Pensions Schemes, London 1903. 25 Zur Vorgeschichte vgl. Bernd Weisbrod, "Visiting" and "Social Control", in: Christoph Sachf3e/Florian Tennstedt (Hg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, Frankfurt/M. 1986, S. 181- 206. 26 Octavia Hill, District Visiting, London 1877, S. 6; B. Bosanquet, The Duties if Citizenship, in: ders., Aspects, S. 6. 27 Bernard Bosanquet, The Majority Report of the Poor Law Commission, in: Sociological Review 2 (1909), S. 114f; vgl. auch A.W. Vincent, The Poor Law Reports of 1909 and the Social Theory of the C.O.S., in: Victorian Studies 27 (1984), S. 343-63. 28 Ebd., S. 117. 29 Vgl. Antony S. Wohl, The Eternal Slum. Housing and Social Policy in Victorian London, London 1977, S. 183ff. 30 Ebd., S. 194ff• 31 Vgl. Simey, Charles Booth, S. 80-90; siehe auch Charles Booth, The Life and Labour of the People in London, London 1902-1903, Poverty Series, Bd. I, S. 33-36. 32 Wohl, Eternal Slum, S. 198; vgl. auch Gareth Stedman Jones, Outcast London. A Study in the Relationship between Classes in Victorian Society, Oxford 1971 , S. 241-61. 33 Vgl. Ashton/Young, Social Work, S. 224-34. 34 Samuel A. und Henrietta Barnett, Towards Social Reform, London ig09, S. 63-85, 154, 176. Zur Haltung der C.O.S. vgl. Mowat, The C.O.S., S. 139-44, 145-57. 35 Stedman Jones, Outcast London, S. 244f. 36 Albert V. Dicey, Lectures on the Relationship between Law and Public Opinion in England during the Nineteenth Century, London 1909. 37 P.F. Clarke, Introduction, in: John A. Hobson, The Crisis of Liberalism (1909), New York 1974, S. Xllf. 38 Zit. bei ebd., S. XIX. 39 Hobson, Crisis, S. IX, XI, 3, 92, 113-18. 40 Ebd., S. 95, 155, passim. 41 Ebd., S. 164-67, 216. 42 Vgl. Sidney Webb, The Minority Report of the Poor Law Commission, in: Sociological Review 2 (1909), S. 12739; J.S. Clarke"! The Break-up of the Poor Law, in: Margaret Cole (Hg.), The Webbs and their Work, Brigh2 ton 1 9 7 4 , S. 101-14. 43 K. H. Metz, The Social Chain of Respect. Zum Topos des sozialen Konservatismus, in: Archiv für Kulturgeschichte 68 (1986), S. 151-83. 12 6 Alastair Reid VIKTORIANISCHE WERTE IN DER ARBEITERBEWEGUNG I Bis vor Kurzem wurde die Position in der hochviktorianischen der kulturellen Inkorporation und bürgerliche Werte untersucht. leicht immer der Arbeiterbewegung Zeit vor allem in Kategorien Unterwerfung unter Am Anfang stand die viel- noch am weitesten verbreitete Lesart mehr oder weniger orthodox-marxistischer Historiker, die "Arbeiteraristokratie" sierten Gewerben heren Einkommensniveaus zichten, entkommen bürgerlichen 60er auf revolutionäre der unmittelbaren vorübergehend einer den in den gewerkschaftlich Jahren gut organi- habe vor allem dank ihres deutlich höPolitik kapitalistischen und sich Lebensweise empfanden somit den Historiker Zugang können.*1 eröffnen ver- Ausbeutung insbesondere zu Seit der Neuen Linken diesen Erklärungsansatz zunehmend als unbefriedigend, sche weil er sich zu ausschließlich auf ökonomi- Kategorien und Arbeiterschaft nur auf eine kleine Inzwischen hat sich das Augenmerk kulturellen Inkorporation spielsweise im Mechanismen der 2 wurden, wo oder hegemoniale Minderheit der bezog. Arbeitsprozeß Überwachung im Bereich auf andere Formen verlagert. der selbst und Sie gesucht, Kontrolle umfassenden Wert anforderungen, wurden wo der beineue ausgemacht Systemzwänge, Strategien sozialer Kontrolle oder althergebrachte Verhaltensmuster der Ehr- erbietung diagnostiziert wurden. Untersuchungsrichtung für die Anerkennung den, wenn klasse. auch blieb es Hauptziel dieser neuen jedoch, eine Erklärung der bürgerlichen Herrschaft zu nunmehr seitens der gesamten fin- Arbeiter- In diesem Zusammenhang konnte eine reiche sozi- algeschichtliche Ernte eingebracht werden: so wissen wir inzwischen erheblich mehr über die Bedeutung der Ausbildungs- und Qualifikationsstruktur che Entwicklung des schränkte Reichweite über Einfluß den für die 19. Jahrhunderts, volkstümlicher einiger wirtschaftliüber Kultur bürgerlicher die und be- Politik, Pressure Groups mit erklärtermaßen moralischer Zielsetzung, über die Bedeutung von schaften klassenübergreifenden sowie traditionellen politischen selbstverständlich Gemein- auch über die wie Fragen der Arbeiterbewegungsthemen differentiellen Lohnentwicklung oder der gewerkschaftli- chen Organisation. Trotz über des beachtlichen die Art und die Ertrags der Formen der zahlreichen kulturellen Studien Inkorpora- tion erscheinen deren Voraussetzungen jedoch in mancherlei Hinsicht zunehmend fragwürdig. Erstens gehen sie offensichtlich davon aus, politischen daß die gesellschaftlichen Verhältnisse in 19. Jahrhunderts ernsthaft neue Inkorporation Formen der des Systems erforderlich der bedroht für gemacht und ersten Hälfte des gewesen seien, was die habe. Restabilisierung Zweitens setzen sie voraus, daß sich die industrielle Bourgeoisie um die Mitte des Jahrhunderts als dominante habe, so daß der Prozeß der Inkorporat ion lediglich als Verbreitung bürgerlicher Werte terschaft Gruppe etabliert in den Reihen der vorstellbar erscheint. Arbei- Drittens wird oft un- terstellt, die Arbeiterschaft habe, nach der Überwindung ihrer früheren, grundsätzlichen 128 Opposition gegen das neue System den Status quo und das damit verbundene Wertesystem mehr oder weniger passiv hingenommen. einfachende Formulierung solcher rechtigte Zweifel wecken: Die ver- Grundannahmen muß war die Arbeiterschaft be- wirk- lich bereit, sich mit dem neuen Status quo mehr oder weniger passiv abzufinden, und können die bürgerlichen Werte im Lichte der neueren Forschung wirklich als hegemonial betrachtet werden? Vor allem aber muß der 4 Kern der nahmen neu durchdacht werden, der Status quo derts einer sei, die nur bis in die 40er ernsthaften durch eine Werthaltungen und verschiedenen Grundan- die Annahme nämlich, Jahre Bedrohung des ausgesetzt massive Gezeiten-Wende Organisationen der daß 19. Jahrhungewesen in den Arbe iterbewegung überwunden werden konnte. Dieser Annahme liegt die Übei— zeugung zugrunde, die immer noch von und Historikern der Arbeitebewegung Sozialhistorikern der verschiedensten politischen Couleur geteilt wird, daß der Chartismus eine über das System hinausweisende, klassenbewußte und konsistente Herausforderung gewesen sei, und daß die gemäßigten und keinesfalls der Arbeiterbewegung, grund traten, revolutionären Organisationen die seit etwa 1850 in den Vorder- eine genuin revolutionäre Gelegenheit zu- gunsten der Bourgeoisie verspielt hätten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei es marxistischen Historikern seit den 50er Jahren hier wie in anderen britischen Bereichen der Geschichte relativ erfolgreich gelungen, neue Parameter zu setzen. Entgegen der traditionellen sellschaftliche friedlichen Whig-Interpretation, Fortschritt Reformprozeß einem wonach der allmählichen zu verdanken sei, lenkten geund sie die Aufmerksamkeit auf Epochen gewaltsamer Konfrontat ion und raschen Umbruchs, 17. Jahrhundert lichen als Revolution vor allem auf den Bürgerkrieg einer und Erscheinungsform auf den der Chartismus im frühen 19. Jahrhundert als Anzeichen zumindest für eine che proletarische aus erscheinen Beziehungen, Revolution. Epochen Von diesem relativ im bürgermögli- Gesichtspunkt konfliktfreier sozialer wie etwa die hochviktorianische Zeit, eher als Ausnahme denn als die Regel. Dies ist zweifellos das Verdienst einer herausragenden Historikergeneration, die hier nur Christopher Hill, für Eric Hobsbawm und Edward Thompson als drei prominente Vertreter genannt seien. Es gelang ihnen, marxistische Glaubenssätze mit dem empirischer Forschung zu erfüllen und zu einem den und herausfordernden Tatsächlich rief Geschichtsbild ihre allgemeine zu verdichten. Einschätzung 17. Jahrhunderts lebhaften Widerspruch hervor, des 19. Jahrhunderts wurde Leben anregendes ihr Bild jedoch zur herrschenden Leh- re: die historiographische Debatte dreht sich seither um die Frage, wie die proletarische Herausforderung dämmt werden konnte, aber nicht darum, Herausforderung überhaupt Erst in für eine jüngster Zeit schichtsbildes: Es bestand. finden fundamentale einge- ob eine solche sich Revision gilt deutliche des inzwischen Anzeichen etablierten beispielsweise gesichert, daß vom Chartismus als nationaler Geals Massenbewe- gung nur in der relativ kurzen Zeit vom Sommer 1838 bis zum Sommer 1842 gesprochen werden kann, wonach die Bewegung einen andauernden Verfall und Common ihr endgültiges Fiasko erlitt. auch langsam wieder daran, bis 1842 keineswegs nur 1848 in Kennington Man erinnert sich daß die vier Jahre von im Zeichen von und weitreichenden politischen Aktionen standen, insbesondere für die Arbe iterschaft von 1838 selbstbewußten sondern Arbeitslosig- keit, dem Verlust gewerkschaf11 icher Organisationen politischer Isolierung geprägt waren. und Selbst auf seinem Höhepunkt war der Chartismus wenig mehr als der Ausdruck des massenhaften Defensive. Protests einer Arbeiterbewegung Schließlich ist bekannt, in der daß der Chartismus in verschiedene Lager gespalten war und daß selbst seine militantesten die Führer, die in der kritischen Anhänger Phase den Feargus rhetorisch auf Gewaltmittel beriefen, zu lassen, und sich demokr at isc hen immer noch Diskurses O'Connors, Ton angaben, ohne Taten folgen im Rahmen bewegten: sich nur des selbst radikal- die fraktion des Chartismus stand dem liberalen Gewalt- Radikalismus 5 näher als dem revolutionären Sozialismus. Es scheint, als hätten die marxistischen Historiker in ihrer nung mit der Whig-Interpretation des schritts eine kurze Phase verstärkter nungen nur überschätzt deren und Androhung gewalttätige mit der Abrech- friedlichen Fort- politischer Span- Aktionen sozialen oder Revolution gar ver- wechselt. Die überwiegende Mehrheit der jüngsten sozialhistori- schen Forschung zur Geschichte der Arbeiterbewegung daher von einem Chartismus-Mythos aus, geht der die histori- sche Bedeutung der beiden Epochen geradezu in ihr Gegenteil zu verkehren Chartismus wegung und der sind droht. Die Gegensätze hochviktorianischen sicherlich unübersehbar Hinsicht aufschlußreich. Entstehungsbedingungen stellte, der von der und des Chartismus ein "eigentlichen mit vielerlei wenn man die ergründen Arbeiterklasse" in den hochviktorianischen Sozialist dem will, daß er die politische Er- noch Abweichungen möglich gewesen seien. immerhin in Man muß jedoch, nicht unbedingt unterstellen, sehe inungsform zwischen Gewerkschaftsbe- Jahren nur G.D.H. revolutionären darCole, Sympathien, fand die 1820er und 30er Jahre um einiges als seine Vorgänger interessanter Sidney und Beatrice Webb und kam in seinem Klassiker A Short History of the British Class Movement dennoch über ihre langfristige zu einem Working realistischen Urteil Bedeutung: "Revolt failed. Vainly did the workers kick against the pricks of the new order ... Their movements were, for the most part, reactions of starvation and despair, rather than constructive attempts at economic reorganisation ... It was, indeed, impossible for the working class of the early nineteenth century to devise a policy at once practical and constructive. They were too weak ... In this survey (of the period after 1848, A.R.), we shall be studying the real beginnings of modern organisation ... These Victorian pioneers built narrow houses; their plans lacked the space and grandeur of the earlier conceptions. But they built on firm foundations - so firm that, even under the vastly changed conditions of our own time, their buildings take a great deal of breaking, and their policy still survives, built round and aver by the exponents of more up-to-date methods." Dieses Urteil hat auch noch ein halbes Jahrhundert ter Bestand: sierten Anfang nicht Die ununterbrochene Geschichte der organi- Arbeiterbewegung in von der spä- in Großbritannien hochviktorianischen Anfang an "Verrat" an Zeit. den nimmt Wenn ihren wir Interessen ihr ihrer Mitglieder unterstellen wollen, muß sie in einem anderen Licht betrachtet werden, als dies in letzter zeit üblich war. Einige der folgenden Überlegungen sollten dabei für ihre Entwicklung zwischen den 40er in der und den langen Hochkonjunkturperiode 70er Jahren, der Zeitspanne von den ersten Apassung an die industriestadtischen dingungen bis zum Auftreten einer ernsthaften tionalen Konkurrenz, in Betracht gezogen werden. 1 32 Be- interna- II Das erste und vielleicht wichtigste Phänomen der Gewerkschaftsbewegung das man sich Größe, in der hochviktorianischen im Klaren sein sollte, ihr permanentes Wachstum und ihr Bedeutungszuwachs. Zwar bestanden Mitte des 18. Jahrhunderts lokale Zeit, ist ihre über schiere unübersehbarer spätestens seit die in der Phase von etwa 1790 bis 1820 mit Hilfe regionalen Stützpunktsystems be it smarktregu 1 ie rung reitstellen konnten. und ein gewisses Bildung von Ar- Arbeitslosenunterstützung be- In den 1830er Jahren zeigten sich dauerhaften überwunden werden Jahre sah Maß ihres an jedoch Auflösungserscheinungen, der der Gese1lenvereinigungen, konnten: beispielsweise die erst nach 1842 mit nationalen Die die zweite Gründung Organisationen Hälfte der der 40er Amalgamated Society of Engineers (ASE) aus dem Restbestand einer Anzahl von Berufsverbänden (1847-1850), die United Society of Boilermakers verwandelte Anfängen in den sich von ihren Eisenbahnwerkstätten bescheidenen von Manchester einer natonalen Organisation von Metallarbeitern lokale Drucker-Verbände gionalen (1849) Bünden und die Tischler für Bauberufe (Anfang nationaler schlössen London der und sich die begannen 50er Jahre) Ebene zu koordinieren. in zwei Provinzen zu (1852), überrezusammen nach dem Vorbild der ihre Verbände Außerhalb der auf tradi- tionellen Gewerbe bot sich ein anderes Bild: Hier wurden die Arbeitskräfte der Regel ohne bei relativ handwerkliche geringer Lehre Fluktuation angelernt, in wodurch sie in größere Abhängigkeit vom Arbeitgeber gerieten und trotz hoher regionaler Konzentration nur schwer zu organisieren ihre waren. Trotz Organisationen wachsender nicht die Stärke Statur der "craft societies" erlangen. 133 konnten festgefügte, daher nationale So blieben etwa die Bergarbeiter in den 70er Jahren nationalen Organisationsbemühungen zirksver bände , nach wiederholten auf ihre starken beschränkt. Die Verbände der Textilarbeiter wollindustrie regional Be- vor allem in Schottland und im Nordosten verdankten ihre Starke begrenzten Organisationen shire Weavers' Association in der Baum- notwendigerweise wie der North Lanca- (1858). Der Wachstumsschub der Gewerkschaften ist schwer in Zahlen zu fassen, fehlen, nicht sondern auch nur weil weil offizielle viele Statistiken Organisationen erst im Entstehen begriffen waren. gerade Der 1868 gegründete Trades Union Congress verzehnfachte seine Mitgliedschaft bis 1874 von g 100.000 auf etwa 1.000.000 angeschlossene Mitglieder. Aber auch die alten "craft unions" erlebten in dieser Zeit ein stürmisches Wachstum, derzahl verfünffachte tal1verarbeitenden höher. sich in etwa, Berufen Die Mitgliedschaft lag stieg im von unter menoch dritten von 5.000 auf 44.000, Kesselmacher-Gewerkschaft 16.000, Wachstumsrate in der ASE Quartal des 19. Jahrhunderts der die ihre Mitglie- in den neueren die 2.000 auf eine Steigerunsrate von etwa 1:8. In den tradi- tionellen Gewerben langsamer - die verlief dieser Eisenschmelzer Prozeß zwar zählten Mitte etwas des Jahr- hunderts 4.000 und 1875 12.000 Organisierte, die Drucker 2.500 bzw. 8.000 - insgesamt wuchs aber die kumulierte Mitg1iederzahl von Zeit mehr um etwas 24.737 auf 140.802 15 älteren als das Gewerkschaften 5 Mitglieder. 1/2fache, 30er den Wandsl Jahre zum unions" zu erklären, von hat in ihrem Be- von der revolutionären Pragmatismus dieser 10 Die jüngere Sozialgeschichtsschreibung mühen, in nämlich der Rhetorik viktorianischen zu oft übersehen, der "craft daß die Gewerk- Schäften gleichzeitig kräftiger wurden. Gewerkschaften, ten, und die vermeintlich fünfmal Jahren. so Aber groß auch worden die Gewerkschaften, unions", zu wie der überschätzt neuen ihre Zweifellos insbesondere Abkommen nicht, daß sie Konflikten gangen wären. neuen zu schließen. Gewerkschaften begleitet: schaft wurde 1853, Die Dies halbjährigen hervorgehen, einer der und bedeutet jedoch war von heftigen reorganisierte Arbeits- Spinner-Gewerk- unmittelbar nach ihrer Gründung, Arbeitskampf die dreimonatigen Society nationalen in die Amalgamated sollte 1859 sogar aus im Arbeitgeber Amalgamated und die Herausbildung der mei- Society of Carpenters and Joiners Gründung sich "craft aus dem Wege ge- Preston in einen großen Streik gezogen, einem die mit den Arbeit- prinzipiell Im Gegenteil, den scheint verließen auf den Ausbau ihres Unterstützungswesens, gebern kämpfen in Einstellungswandel sein. hat- sie waren Vorgänger sie zeigten sich auch nicht abgeneigt, sten schlag- klein beigegeben nicht mehr um dieselben Organisationen: mindestens 30er wesentlich effektiver Im Grunde handelte es sich bei diesen Londoner Baugewerbe antworteten auf die Engineers 1852 mit wobei die of Aussperrung, letzten beiden Konflikte wegen ihrer großen Auswirkungen auf London besondere Beachtung in der Öffentlichkeit 11 fanden. Angesichts von Ausperrungsandrohungen, Streik- brechern Arbeit und wurde schwarzen sogar Listen das - bei Wiederaufnahme "document", eine der antigewerk- schaftliche Selbstverpf1ichtung, verlangt - scheinen die viktorianischen Gewerkschafter keinesfalls konfliktscheu reagiert zu haben. Gegenüber der Aufbauphase der Gewerkschaften in den 40er Jahren erscheinen die 50er geradezu als eine Periode der Gewerkschaftshatz, Jahre wobei die berühmten "Sheffield outrages" von 1866 eher als die Spitze des Eisbergs denn als die Ausnahme von der mode- raten Regel zu betrachten wären. Die Arbeitgeber solche Vorkommnisse nur zu gerne auf, feindliche Gesetze zu fordern, ihren eigenen Maßnahmen griffen um gewerkschafts- eben weil sie bisher mit gegen das Anwachsen der Gewerk- schaften auf Industriebene so erfolglos geblieben waren. III Seit den 40er Jahren des die Gewerkschaftsbewegung 19. Jahrhunderts erwies namische Kraft, die es trotz unterschiedlicher tionsdichte sich in Großbritannien als eine dyOrganisa- in den verschiedenen Gewerbezweigen mit den Arbeitgebern durchaus aufnehmen und sich in einigen heftigen Auseinandersetzungen Dieser Erfolg einer wurde drastischen seit sogar durchsetzen der Mitte Verlagerung der der 60er konnte. Jahre politischen von Gewichte auf der nationalen Ebene unterstützt, der es den Gewerkschaften erlaubte, auch im Bereich der Gesetzgebung und der ökonomischen Theorie die frühere antigewerkschaftli- che Haltung der britischen Gesellschaft Seit der Beseitigung der Combination herauszufordern. Laws von 1824/25 stand der Gewerkschaftsbewegung offiziell kein gesetzliches Hindernis entgegen, jedoch durchweg Tatsächlich mon-Law, die bedrohte die bestehenden Gesetze gewerkschaftsfeindliche die englische Sie gewerkschaft1icher ging grundsätzlich aus, und daß einen Bruch der Vertrags- und Handelsfreiheit ten, des Com- Eigentumsrechte, Organisation davon fanden Auslegung. Tradition ein Bollwerk der bürgerlichen Grundlage beit. eine Ar- Streiks darstell- und eröffnete damit den Weg für vernichtende Scha- densersatzforderungen an die Gewerkschaften. hinaus konnte jedes Kollektivdelikt Darüber dieser Art nach den scharfen Das noch Gesetzen Common-Law in gegen schob Verschwörung der anderer Hinsicht des persönlichen Grundsatz geahndet gewerkschaftlichen einen Riegel werden. Aktivität vor. Unter Freiheitsschutzes dem erschien das Streikpostenstehen als Einschüchterung und Nötigung, die strafrecht lieh verfolgt werden standen die Gewerkschftskassen, konnte. Schließlich solange der rechtliche Status der Gewerkschaften nicht anerkannt war, juristischem Eingriff sowie 12 dem Mißbrauch jeglichem der eigenen Funktionäre offen. Bei der Kampagne für die Abschaffung Laws war man wohl davon ausgegangen, sche Handhabe unschädlich gegen die gemacht Gewerkschaften werden könne. sich jedoch bis in die 60er cher erweisen, der damit daß die Arbeitgeber immer gewillt waren, zur wehr zu setzen. war der Spielraum der Gewerkschaften worden, ten, für die Rechtsprechung Darüber mit deren Hilfe die konservativen die Aufhebung des aus generellen kompensieren dem zu Rechtsbeziehung, als ein tung bedroht war, insofern Vertragsbruch Arbeiters als Straftatbestand mit durch eingeengt Kräfte hoff- Organisationsverbots können. Arbeitsvertrag hinaus gleichzeitig and Servant Act von 1825 erheblich Arbeiter machte sollte deutli- um sich auf diese Weise gegen die wachsende Gewerkschaftsmacht die Master juristiebenfalls Tatsächlich Jahre hinein juristischen Schlupflöcher durch örtliche auszubauen, Combi nat ion daß diese Dieses eine von Seiten unmittelbarer während ein Vetragsbruch Gesetz ungleiche seitens des Arbeitgebers nur als zivilrechtlicher Verstoß galt. einseitige Charakter der Maßgabe nieder, gebers gegen Arbeiter des Gesetzes ihre sich Der auch in daß wohl Beweismaterial des Arbeit- seine Arbeiter, gegen schlug des Verhaf- nicht Arbeitgeber jedoch zugelassen solches war. der Neben der einseitigen Behinderung der Arbeitskräftemobilität stellte die Master and Servant Act somit e^n reichhaltiges juristisches Instrumentarium beitsverweigerung zur gegen jede Art von Ar- Verfügung, das in den 40er und 50er Jahren auch tatsächlich zunehmend gegen die erstarkende Gewerkschaftsbewegung ins Feld geführt wurde. Jede gewerkschaftliche Vertretung von einiger Bedeutung mußte sich von dieser offensichtlich herausgefordert fühlen. schaftsbewegung war Schottland, de, ungerechten Rechtspraxis Die hochviktorianische selbstbewußt genug, Gewerk- ausgehend von wo das Gesetz noch schärfer gehandhabt wur- den Kampf gegen das Gesetz aufzunehmen. hungen wurden durch die Beseitigung Ihre Bemü- des Gesetzes (1867 und 1875) und die Verabschiedung des Employers and Workmen Act (1875) gekrönt, in dessen Terminologie schon die Gleichstellung des Arbeitsvertrages mit allen anderen 13 zivilrechtlichen Verträgen zum Ausdruck Dieser materiell und symbolisch bedeutsame nichtsdestoweniger kaum erstaunlich: die sich scheute, gegen die allgemeinen Verbotsgesetzgebung zum Schutz der heit bekannte, persönlichen Wandel war Eine Gesellschaft, Gewerkschaften mit einer vorzugehen, und die sich Freiheit und Rechtsgleich- konnte sich kaum auf Dauer ungerechtes Gesetzeswerk Arbeitgebern, kam. leisten. ein dermaßen Schließlich blieb den so könnten Zyniker einwenden, immer noch das Instrumentarium des Common Law, so daß diese auf dem individualistischen Arbeitsmarkt, der sich durch die Beseitigung des Master and Servant Act herausgebildet te, immer noch am längeren Hebel saßen. diesem Gebiet verstand es die hochviktorianische Gewerk- schaftsbewegung, in den späten 60er und 70er Jahren Position auszubauen. Indem gewerkschaftliche unter einen besonderen rechtlichen hat- Aber auch auf ihre Aktivitäten Schutz gestellt wur- den, verloren die Zugriffsmöglichkeiten des Common Law ihre Bedeutung für die industriellen Beziehungen, die in Großbritannien und nicht seither einer auf der Basis individualistischen einer kollektiven Verhandlungs- und Rechtspraxis aufgebaut wurden. Die Erfolgsgeschichte der viktorianischen bewegung in dieser Hinsicht ist Entscheidend war die sorgfältige fentlichen Kampagne, innerhalb der die beiden die die großen werkschaftlichen politischen bekannt. Koordination einer verschiedenen Gewerkschaftsbewegung eindrucken mußte, Gewerkschafts- hinlänglich zusammenbringen Parteien ausreichend um deren wachsendes Interesse Stimmen nach der Öf- Strömungen und be- an ge- Wahlrechtsreform von 1867 in einen politischen Erfolg umsetzen zu können. Die Trade Union Act von 1871 und die Conspiracy and Protection of Property Act Gewerkschaften von 1875 gewährten den eine in der Geschichte der britischen industriellen Welt einmalige Immunität gegenüber den verschiedenen Zugriff smöglichkeiten des Common Law und ihnen einen privilegierten Rechtsstatus, Thatcher-jahre hinein prinzipiell verschafften der bis in die unangefochten blieb. Die Bedeutung dieses Umbruchs, wird, wie schon die Webbs fanden, zu oft unterschätzt: "The sustained efforts of this decade, too often ignored by a younger generation of Trade Unionists, are even now referred to by the survivors as constituting the finest period of Trade Union activity. For over eight years the Unions had been subjected to the strains of a prolonged and acute crisis, during which their existence was at stake. Out of this crisis they emerged, as we have seen, triumphantly successful, 'liberated', to use George Howell's words, 'from the last vestige of the.criminal laws specially apertaining to labour'." Auch weniger begeisterte Befürworter der Gewerkschaften, wie der anti-kollektivistische liberale Staatsrechtsleh- rer A.V. und Dicey, politischen mußten den entscheidenden Durchbruch der juristischen Gewerkschaften anerken- nen: "The combination law of 1875 is, on the face of it, a compromise between the desire of col lectivists to promote combined bargaining and the concivtion of individualists that every man ought to enjoy complete contractual freedom. But the compromise makes a distinct change in the spirit of English legislation, and, though it contains some provisions for for the protection of individual freedom, is, as compared with the combination law of the past, highly favourable to trade combinations ... One thing is at any rate clear. The authors of the compromise of 1875, and the public opinion by which that compromise was sanctioned, were very far from accept^gg the Benthamite ideal of free trade in labour. " Festzuhalten ist, schaftsbewegung daß das enorme Wachstum in der hochviktorianischen nur die Kräfteverhältnisse der Gewerk- Epoche in einzelnen Branchen nicht zugun- sten der Arbeiterschaft veränderte, sondern auch die offizielle gann, laisser-faire Doktrin in Frage zu stellen be- die in den 1820er und 30er Jahren die Politik des Individualismus bestimmt hatte. Dieser Aspekt der ideol- ogischen Umorientierung spiegelte sich nach den neuesten Forschungsergebnissen auch in den Positionen der zeitgenössischen den liberalen Gewerkschaften Wirtschaftstheoretiker wieder.1® scheinen die Gewerkschaften tive "Unterwerfung oder geltend in gegenüber dieser Hinsicht keineswegs auf die Alterna- Ablehnung schränkt gewesen zu sein, Einfluß Auch des Status quo" be- vielmehr vermochten sie ihren zu machen, um eine Revision schaft st heoret isc hen Grundannahmen der Wirt- ihrer Zeit zu errei- chen . Bis in die 1860er Jahre blieb die Regulierung des Ar- beitsmarktes nach den Gesetzen von Angebot und Machfrage im Prinzip unbestritten. Die Gewerkschaften suchten dem- entsprechend nach kräfteangebots, schwerten wegen etwa oder die zur Verringerung indem sie den Auswanderung des Arbeits- Berufszugang unterstützten, er- um auf diese Weise den Preis für die Ware Arbeitskraft zu erhöhen. Es blieb ihnen angesichts der herrschenden schaftlichen Lehre und der einheitlichen Meinung kaum eine andere Wahl, zu akzeptieren, rie nur setzen engte ein, in eine Diese jedoch lektive offensichtlich jeglicher den, als von den und unbestritten Gesetzen talfonds zu bestreiten Das schiere Spielraum Druck galt, von der Erfolg Angebot Lohne und we?— Löhne aus- Nachfrage Kapi- gängige und ihr li- stellen und pragmatischeren Arbe itsmarktes kehren. Am deutlichsten Orthodoxie bei und in Frage mancher Zeit gelten Hinsicht Adam Smith zurückzu- ist dieser Wandlungsprozeß kann. als der Zunächst offizielle übernahm seiner Principles of Political gumente Henry Fawcetts sowie einiger Ökonom er in der Economy zu Weitsichtigeren viel- leicht in den Schriften John Stuart Mills zu sehen, in un- jedoch eine Gruppe die des die Gewerkschaftsbewegung veranlaßte Ökonomen, Auffassung höhere aus einem beschränkten beraler der kol- seien. Wachstum zu die empfindlich denunzuniert daß um- Orthodoxie für für egoistisch terlägen und noch dazu nur unübersehbarer den Theo- Strategie Arbeiterinteressen organisierter vergeblich solange schließlich gewerkschaftliche wirtschaftstheoretische Vertretung konnte Lohnfondstheorie obwohl sich diese wirtschaft1iche schwer ließ. als die wissen- öffentliche der seiner Ausgabe von 1862 die Ar- Gewerkschaftsakti- visten, wonach der Arbeitsmarkt alles andere als perfekt und die Lohnhöhe durchaus von kollektiven zu beinflussen sei. keln im Forthnightly Organisationen Sodann zeigte er sich in zwei ArtiReview von 1869 durchaus aufge- schlössen für die Beweisführung W.T. Thorntons gegen die Lohnfondstheorie und vertrat die Ansicht, daß sich die ausgezahlte Lohnsumme auch aus dem Verhandlungs- und Umverteilungsprozeß Zwei Passagen nungswandel von zwischen 1862 Kapital bzw. und 1869 mögen Arbeit ergebe. diesen Gesin- verdeutlichen: "Demand and suppply are not physical agencies, which thrust a fixed amount of wages into a labourer's hands without the participation of his own will and actions. The market rate is not fixed for him by some self-acting instrument, but is the result of bargaining between two human beings ... I do not hesitate to say that associations of labourers, of a nature similar to trade unions, far from being a hindrance to a free market of labour, are the necessary instrumentality of that free market." "The price of labour, instead of being determined by the division of the proceeds between the employer and the labourer, determines it ... There is no law of nature making it inherently impossible for wages to rise to the point of absorbing not only the funds which (the employer, A.R.) had intended to devote to carrying on his business, but the whole of what he allows for his private expenses, beyond the necessaries for life." IV Die wachsende Gewerkschaftsmacht zwang Rechtssystem der hochviktorianischen scheidenden Anpassung, ökonomischen sie führte nicht nur Zeit zu einer auch das ent- im Bereich der Theorie zur Aufgabe der VuIgärokonomie der 20er und 30er Jahre zugunsten der intellektuellen fertigung der kollektiven Regelung von Recht- Arbeitsverhält- nissen. Die Überwindung des extremen Individualismus war Voraussetzung schen der und Vehikel des Annäherungsprozesses organ isierten Arbeiterbewegung und zwi- bürgerli- chen Reformern, der in Gladstones Liberaler Partei seine Apotheose fand. In dem Maße, in dem die Gewerkschaftsbe- wegung als eine der Hauptstützen einer litischen Partei integriert wurde, etablierten po- erwuchs ihr ein wei- teres Faustpfand gegen mögliche Unterdrückungs- und Ausgrenzungstendenzen. Der damit verbundene politische Pro- zeß kann hier nicht im einzelnen untersucht werden, drei zentrale Aspekte können jedoch den langfristigen "18 der Gewerkschaftsbewegung beleuchten. Erstens ist die Finanzpolitik zu erwähnen, bis Gladstone Feld nicht schichten, nur für Freihandel Lebensmittel eine Politik, Ersten und praktischen die von Peel Schritten im Interesse der das Mittel- sondern auch für geringere indirekte Steuern und billigere ebnete, in kleinen Einfluß Weltkrieg zugunsten der Arbeiterklasse die der Liberalen Partei bis zum einen Massenanhang sicherte. "Glad- stonianism" in diesem Sinne ermöglichte gleichzeitig die Beseitigung der Zeitungssteuer und damit die Blüte einer volkstümlichen Durch die erschwinglichen Einführung Friedenszeiten dem die und wurde Steuerlasten der auch ersten der politischen Einkommenssteuer Prozeß langfristig Presse. auf in eingeleitet, mit die Schultern der Besserverdienenden verlagert werden konnten. Zweitens brachte die Wahlrechtsreform von 1867, sich Disraeli mit fremden, liberalen Federn mit ebenso kleinen und praktischen aber ger erfo lgreichen Ausdehnung der und nichtsdestoweni- zukunftsweisenden demokratischen Rechte bei der schmückte, für Schritten die eine Arbeiter- klasse. Zwar verabschiedeten die Konservativen die zweite Reform Act, aber Gladstone hatte zusammen mit Russell im Parlament den Weg bereitet und zusammen mit Bright in Massenveranstaltungen im ganzen Land für die Wahlrechts- reform agitiert. Sie waren damit wohl die ersten politi- schen Führer der Nation, die sich für ein Gesetzesvorha- ben direkt an das Volk wandten. die Liberalen, Darüber hinaus waren es die die Wahlrechtsreform zu ihrem logi- schen Ende führten: mit der Einführung der geheimen Wahl (1872), der Eindämmung des Wahlbetrugs (1883), der dritten Reform Act (1884) und der Demokratisierung der Kom- munalverwaltungen. Drittens verdankte einer Außenpolitik, Attitüden der Liberalismus und Rüstungsausgaben bewegungen und seine die wenig wert auf Popularität imperialistische legte und die unterdrückten Freiheits- Minderheiten in anderen Ländern unterstützte. Wenn dies auch wenig zum materiellen Wohlstand und politischen Wohlbefinden Bevölkerung beigetragen haben mag, gen dieser Art verschärften die Gegensätze Parteien und führten zu erdrutschartigen der politischen der eigenen außenpolitische Fra- zwischen den Verschiebungen Landschaft. V Die hochviktorianische eine entscheidende schaften, Epoche war somit nicht nur durch Positionsverbesserung der Gewerk- sondern auch durch deren Integration erfolgreiche nationale Politik progressiven der Partei gekennzeichnet, Besteuerung und rung sowie eine großzügige Außenpolitik politischen Prioritäten des in eine die eine Demokratisie- betrieb. Liberalismus Diese entsprachen wohl kaum dem heute gängigen Verständnis von "Victorian Values", das, wenn überhaupt, höchstens auf die frühviktorianische Zeit zutreffen mag. lisierte sigkeit Mittelschicht gegen Damals war eine radika- im Zeichen eine überholte von hoher paternalistische politik und gegen eine geschwächte ArbeitsloFürsorge- Gewerkschaftsbewegung angerannt, wobei paranoide Vorstellungen über die Arbeiterklasse in elitäre und autoritäre Gesellschaftsentwür- fe umgesetzt wurden. Damals hatte sich auch der Marktindividualismus als politische Maxime durchzusetzen ver- mocht. In den ruhigeren und reicheren Jahrzehnten um die Jahrhundertmitte, die unser Bild des Viktorianismus bis heute bestimmen, fanden dieselben jedoch institutionell wie liberalen politisch eine Prinzipien andere Aus- drucksform. Fleiß und SelbstVerantwortung wurden weiterhin von jedem Bürger eines jeden, gen und zur sieren, mehr am Erlangung eines politischen teilzunehmen neuen erwartet, aber es galt das Recht sich zur Verbesserung der Arbeitsbedingun- und gerechten Lohns zu organi- Willensbildungsprozeß schließlich wohlfahrtstaatliehen auch die und mehr und Früchte der marktwirtschaftliehen Konzepte für sich zu beanspruchen. Dieser Wandel des Liberalismus in Großbritannien war sicherlich verschiedenen Entwicklungsfaktoren zu verdanken, nicht zuletzt der Wachstumsdynamik wirtschaf t liehen Systems. aber auch mit sicherlich ihrem Gewicht. zunehmenden die des Eine wichtige industrie- Rolle Gewerkschaftsbewegung wirtschaftlichen und spielte selbst politischen In der hochviktorianischen Zeit war die Arbei- terschaft jedenfalls weit davon entfernt, vor den wohl- etablierten kapitalistischen Spielregeln kapitulieren zu müssen, sie fand sich vielmehr immer mehr in einer Position, in der sie diese Spielregeln zu ihren Gunsten mitbestimmen konnte. Anmerkungen 1 Eric Hobsbawm, The Labour Aristocracy in Nineteenth-century Britain, in: dens., Labouring Men, London 1964, S. 272-315; dens. , The Aristocracy of Labour Reconsidered, in: ders., Worlds of Labour, London 1984, S. 227-251. 2 John Forster, Class Struggle and the Industrial Revolution, London 1974, ST 224-238; Gareth Stedman Jones, Class Struggle and the Industrial Revolution, in: ders., Languages of Class, Cambridge 1983, S. 25-75. 3 Gareth Stedman Jones, Working Class Culture and Working Class Politics in London 1870-1900, in: ders., Languages, S. 179-238; ders., Outcast London, Oxford 1971; Patrick Joyce, Work, Society and Politics, Brighton 1980. 4 Vgl. den Beitrag von Pat Thane in diesem Band. 5 Kenneth D. Brown, The English Labour Movement 17001951, Dublin 1982, S. 91-127; Gareth Stedman Jones, Rethinking Chartism, in: ders., Languages of Class, S. 90-178. 6 George D.H. Cole, A Short History of the British Working Class Movement 1789-1927, Bd.2, London 1926, Si 11-20, Zitat auf S. 20. Vgl. auch Sidney und Beatrice Webb, The History of Trade Unionism 1666-1920, London 1920, S. 113-232; Alan Fox, History and Heritage. The Origins of the British Industrial Relations System, London 1985, S. 124-173. 7 Webb, History, S. 204-217, 228-232; Cole, Short History , Bd. 2, S. 59-68. 8 Cole, Short History, Bd. 2, S. 61ff. und 69ff. 9 Benjamin C. Roberts, The Trades Union Congress 18681921, London 1958, S. 379. 10 Webb, History, S. 746f. 11 Cole, Short History, Bd. 2, S. 61 und 66; ders., Some Notes "on British Trade Unionism in the Third Quarter of the Nineteenth Century, in: E.M. Carus-Wilson (Hg.), Essays in Economic History, Bd. 3, London 1962, S. 202-221. 12 Hugh A. Clegg, The Changing System of Industrial Relations in Great Britain, Oxford 1979, S"! 290-296; Kenneth D. Brown, Trade Unions and the Law, in: C. Wrigley (Hg.), A History of British Industrial Relations 1875-1914, Brighton 1982, S. 116-134. 13 Webb, History, S. 249-253; Fox, History and Heritage, S. 139?: 14 Webb, History, S. 233-298, Zitat auf S. 292; auch Cole, Some Notes, S. 212-217. vgl. 15 Albert V. Dicey, Lectures on the Relations Between Law and Public Opinions in England, London 1905, S. 268-270. 16 Vgl. Eugenio F. Biagni, British Trade Unions and Popular Political Economy 1860-1880, erscheint demnächst in: Historical Journal 30 (1987). 17 Zit. in: ebd, 18 Ich möchte an dieser Stelle E.F.Bagniani dafür danken, daß er mir die radikale Lesart des Gladstonian Liberalism wieder näher gebracht hat. Vgl. ders., Peace, Retrenchment and Reform; a Study in Popular Liberalism in the Age of Gladstone 1866-1886, unveröffentlichtes Manuskript; vgl. a. H. Colin G. Matthew, Gladstone 1809-1874, Oxford 1986, S. 112-139; Thomas C. Smout, A Century of the Scottish People 1830-1850, London 1986, S. 231-251. Sidney Pollard VIKTORIANISCHE WERTE IM BILDUNGSSEKTOR. ZUR LOGIK DES VIKTORIANISCHEN Die Schulen England für die erhalten in schlechte Noten. ELEMENTARSCHULWESENS ärmeren Klassen der im Literatur viktorianischen traditionellerweise Die einzigen Schulen, die diesen Namen verdienten, so heißt es in der Regel, seien die der zwei religiösen Schulgesellschaften gewesen, der Nat ional School Society für die Anglikaner und der British School Society für die Nonkonformisten. Aber auch an denen kann die Literatur nicht viel Gutes finden: Zwar sei das üb- liche "monitorial system" billig gewesen, dern aber nur auswendig jedes Verständnis der kirchlichen gewesen, tige gelernte beigebracht. Auch Gesellschaften habe den Kin- Phrasen und Worte seien nicht daran die ohne Schulen interessiert den Kindern der arbeitenden Klassen eine rich- Erziehung angedeihen zu lassen, auf Grund derer diese vielleicht höhere Ansprüche hätten stellen können. Die Ausbildung der Kinder in diesen Schulen sei ganz auf das Lesen konzentriert gewesen, um ihnen die Bibel und andere erbauliche Werke zugänglich zu machen, mehr sollte ihnen gar nicht beigebracht werden. Zwar gab es einige "ragged schools" für die ärmsten, verwahrlosten ßenkinder in ebenso wenig London und zu erwarten Bristol. Von gewesen wie denen sei von den als Straaber "dame school" verschrieenen Privatschulen, in denen die Kinder für ein paar Pennies die Woche unterrichtet wurden. Lehrkräfte dieser Schulen, seien selbst oft des Die hauptsächlich ältere Frauen, Schreibens nicht mächtig gewesen und hätten den Schülern höchstens ein wenig Tatsächlich kümmerte Lesen und können. 1 den Mädchen Nähen und Stricken beibringen sich der Staat zunächst so gut wie gar nicht um das Elementarschulwesen. Zwar erhielten die Schulgesellschaften Zuschüsse, Gemessen seit 1833 geringfügige öffentliche die in den folgenden Jahren rasch anstiegen. an den Gesamtausgaben war dies jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Folgt man der Literatur, so wurde der Grundstein für ein allgemeines Elementarschulwesen erst mit dem Gesetz von 1870 gelegt, das erstmals öffentliche Schulbehörden schuf. Diese "school boards" konnten in schulisch unterversorgten Gebieten selbst Schulen einrichten, um allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. Sie konnten zu diesem Zwecke sogar Lokalsteuern pflicht dazu, und etwa erheben. Erst 1880 kam die Schul- die jedoch vorerst nur eingeschränkt galt durch entsprechende Schu1leistungen verkürzt werden konnte. Diese Darstellung entspricht in etwa dem Bild des Elementarschulwesens, das die zeitgenössischen statistischen Unterlagen vermitteln. Trotz des vermeintlichen staatlichen Desinteresses wurden nämlich umfangreiche statistische Daten erhoben und zwar sowohl ad hoc als auch als Nebenprodukt der zahlreichen parlamentarischen und königlichen Untersuchungsausschüsse. Diese Daten lassen in der Tat erkennen, daß jeweils nur ein kleiner Teil der Kinder der arbeitenden Klassen die Schule besuchten, so daß anzunehmen war, daß viele überhaupt nie 2 zur Schule gingen. doch schon von den Die Erziehungsstatistiken wurden jeZeitgenossen kritisiert, weil sie keine stichhaltigen Vergleiche zuließen. Statistisch erfaßt wurde auch das Analphabetentum, das offensichtlich weiter verbreitet war als beides in Staaten, schon seit doch auf lage. langem galt. einer sehr die oder der allgemeine Schweiz, Schulpflicht Auch diese Zahlen beruhten fragwürdigen statistischen je- Grund- 3 Insgesamt impliziert über englische das Paradoxon, das dieses den Bildung für negative Zeitgenossen die ein nicht Mindestmaß arbeitenden verstärkten auch Klassen jene Urteil allerdings an ein verborgen Man ging einerseits davon aus, Industrialisierung Tatsächlich klassische Elementarschulwesen schon geblieben war. die in Preußen denen daß für schulischer erforderlich Staaten, die sei. damals ihre Industrialisierung vorantreiben wollten, ihre Bemühungen um eine Verbesserung des allgemeinen Andererseits schien gerade das Land, denden Pionierleistugen Schulwesens. das die entschei- vollbracht hatte, minderwertiges Schulwesen zu verfügen. nur über ein Merkwürdigerweise war man sich jedoch auch darüber einig, daß der relative Wettbewerbsvortei1 und schaft ausgerechnet Vorsprung der der Tüchtigkeit englischen mangelhaft ausgebildeten Arbe iterschaft und der Facharbeiterschaft bildungsstand gilt zu verdanken sei. heute sogar Wirt- seiner angeblich als ein rakter ist ikum der britischen Industrie, letzter Zeit sogar für deren spätere, so insbesondere Der hohe Aus- besonderes Cha- das man ihn in verlangsamte Ent- 4 wicklung verantwort1ich macht. Wie läßt Hat man sich die dieser Rolle scheinbare und Funktion Widerspruch auflösen? des Schulwesens in der Industriegesellschaft überhaupt verkannt? Oder wurde der Wert der Klassen schulischen Einrichtungen im viktorianischen für die England falsch arbeitenden eingeschätzt? Beiden Fragen soll im folgenden nachgegangen werden, um zu einer Revision des etablierten Geschichtsbildes über das viktorianische Schulwesen zu gelangen. I Die zeitgenössische Kritik des E lemertarschu lwesens, insbesondere der privaten Schulen, stützte sich vor allen Dingen auf das Urteil der staatlichen Bürokratie. Da die staatliche Schulaufsicht gerade erst im Entstehen be- griffen war, dürfte ihre Kritik zu einem nicht unwesentlichen Teil von Ausdehnung des dem Interesse an der Etablierung eigenen Verwaltungsbereichs und geleitet wesen sein. Zweifellos handelten die Schulinspektoren guten Glauben, verbindlichen wenn sie Standard versuchten, für die einen zen. im landesweit Schulausstattung, Lehrerqualifikation und die Unterrichtsziele ge- die durchzuset- Sie folgten dabei jedoch einem gewissen Vorurteil zugunsten der inspizierten kirchlichen Schulen gegenüber den len. unkontrollierten Aber auch die und unstandardisierten anerkannten Schulen Privatschu- suchten sie staatlicherseits verordnete Lehrpläne zu binden. lag jedoch eine offensichtliche Schwäche der Schulaufsicht, niert wurde: an Hierin staatlichen die auch schon von den Zeitgenossen moDie Schulinspektoren eine traditionelle Erziehung hatten in der Regel an den Oberschulen und den alten Universitäten genossen, derungen des Ahnung. Gänzlich verschlossen von den besonderen Anfor- Industriezeitalters hatten blieben hungsvorstellungen der Arbeiter selbst, sie nur ihnen die wenig Erzie- die offensicht- lich bereit waren, für die Erziehung ihrer Kinder an den offiziell diskreditierten Privatsc hulen zu bezahlen. Es stellt sich die Frage, teueren, wieso selbst arme Eltern aber vermeintlich minderwertigen den billigeren und angeblich besseren Schulen der giösen Schulgesellschaften Feldzug gegen jüngsten vorzogen. die privaten Literatur Der Elementarschulen je nach politischem die Privatschulen reli- offizielle ist in der Standort unter- schiedlich beurteilt worden: von rechts wurde es auf das Mißtrauen der staatlichen Bürokratie gegenüber dem freien Wettbewerb im Schulwesen zurückgeführt, von links dagegen als Ausdruck der Angst vor einer selbständigen Arbe iterkultur, die sich der staatlichen Kontrolle im Er5 Ziehungswesen entzog, interpretiert. In beiden Fällen wird jedoch möglicherweise der eigentliche Grund für die Popularität terschätzt: zeit ohne der Privatschulen in den Armenvierteln den Privatschulen konnten die Kinder großes Aufsehen fernbleiben, um un- jederprivate Dienstleistungen oder andere Arbeiten zu verrichten, den öffentlichen Schulen unter staatlicher Aufsicht in hät- te dies dagegen zu erheblichen Schwierigkeiten geführt. In der jedem Falle vatschulen dürfte zu einer jedoch Revision die Neubewertung der des englischen Erziehungswesens, traditionellen Pri- Kritik insbesondere vor 1870, beitragen. Schon die offiziellen Erziehungsstatistiken zeigen einen offensichtlichen Mangel an Verständnis für die Bedingungen der Arbeiterexistenz, schung der Tatsachen. von 1861, bis hin zur bewußten die den ausführlichsten über das Elementarschulwesen te, bei ihren Verfäl- So legte die Newcastle Commission statistischen Untersuchungsbericht im 19. Jahrhundert Berechnungen eine erstellnormale Schulzeit von acht Jahren, vom fünften bis zum dreizehnten Lebensjahr, zu Grunde. lischen Arbeiterkinder Tatsächlich gingen die eng- jedoch nur etwa vier Jahre, vom fünften bis zum neunten Lebensjahr, zur Schule. Auf diese Weise wurde der Prozentsatz der entsprechenden Bevölkerungsgruppe Eine andere statistische Schulkinder glatt Annahme verstärkte noch Eindruck einer relativ niedrigen Schulfrequenz. tersuchungskommission ließ die Schulregister und kam zu dem Ergebnis, in der halbiert. 6 den Die Un- überprüfen daß die Verweildauer der Schü- ler nur nach wenigen Jahren, oft sogar nur nach Monaten, bemessen war, woraus st ungsstandard, sich sondern nicht auch der Schüler in den entsprechenden Tatsächlich wurde jedoch der nur der de^ geringe Lei- niedrige Prozentsatz Jahrgängen erklärten. Schulbesuch der typischen Arbeiterkinder häufig unterbochen, entweder weil sie mit den Eltern wegzogen, oder oder das Familienbudget zu unregelmäßigen derselben oder und weil sie zu Hause aufbessern mußten. unbeständigen häufiger noch aushelfen Dies führte Schulkarrieren an mehreren Schulen an nach- einander, die durchschnittliche Verweildauer war dadurch jedoch deutlich länger als nicht ganz ohne Absicht ange- nommen worden w a r . 7 Korrigiert man die offiziellen Daten, so kann die englische Schulbevölkerung wie folgt geschätzt werden: 1834 1851 1859 1.294.000 2.144.000 2.535.000 Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung 1:7,7) können sich diese Zahlen (1851 auch Preußen (1:6,27) oder den Niederlanden sehen lassen. Drittel der Unterstützung 1:8,36 / 1859 im Vergleich mit (1:8,11) durchaus Im Jahre 1859 besuchten immerhin etwa ein Schulkinder Privatschulen ohne staatliche (860.000), etwa zwei Drittel gingen in die staatlich anerkannten Schulen der kirchlichen Schulge- sellschaften. In Schottland war die Zahl der Schüler von 177.000 pim Jahre 1818 auf 310.000 im Jahre 1851 angestiegen. Auch gemessen am Nationaleinkommen standen die Erziehungsausgaben nicht den entsprechenden in jenen europäischen Ländern nach, bautes staatliches ten. Der Anteil Schulsystem mit Schulpflicht aller privaten 1920, nach Q Schulsystems: vielen Jahren Alle Kinder Kinder unter 11 j. ca. ca. verfüg- und öffentlichen hungsausgaben am Nettosozialprodukt als Aufwendungen die über ein ausgeErzie- lag 1833 sogar höher des freien staatlichen 1833 1920 1,00% 0,80% 0,70% 0,58% Dabei übertrafen die Ausgaben für Privatschulen die fentlichen Aufwendungen bis 1870 bei weitem, staatlichen Zuwendungen, Summe auf von £ 33.000 £700.000 staatlich die 1833 mit der jährlich erhöht gesteuerten begonnen Schulsystems lächerlichen hatten, waren.10 worden bis 1870 Der führte öf- obwohl die Ausbau jedoch 1870 zu einem raschen Anwachsen der öffentlichen des seit Schul- ausgaben . Das Gesetz zentrale von 1880 ermächtigte Erziehungsministerium schließlich (Education das neue Department), säumige lokale Schulbehörden zur Durchführung der allgemeinen Schulpflicht zu zwingen, die allgemein bis zum 10. Lebensjahr gelten sollte. 1893 wurde die Altersgrenze auf 11 Jahre angehoben, 1899 auf 12 Jahre, und bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte man sich auf breiter 1882 Front dem schuf man Abgangsalter von die Möglichkeit, 14 Jahren zusätzlich angenähert. zu den ur- sprünglich vorgesehenen sechs Klassen eine siebte Klasse einzurichten, bevor das Gesetz für eine allgemeine Mittelschule von 1902 den Grundstein legte. 1 * 1 Die tatsächli- che durchschnittliche Schulzeit wurden wie folgt berech- Jahrgänge Geburtsjahre Schuljahre im Schnitt 5,4 1862-66 6,1 1867-71 1872-76 1877-86 1887-96 1897-1901 Daraus ergab sich für die 6,6 7.2 8.3 9,1 männliche Arbe iterschaft einem jeden Jahr eine durchschnittliche Schuldauer, in die sich aus den längeren Schulzeiten der jüngeren Jahrgänge und den kürzeren Schulzeiten der älteren Jahrgänge er- rechnet e : durchschnittliche Schulzeit in Jahren 4,21 4,69 5,32 1871 1881 1891 1901 1911 6,02 6,75 Im Schnitt gewann also die männliche Arbeitschaft in jedem Jahrzehnt etwa acht Monate Schulzeit hinzu, eine Zuwachsrate, die mit der entsprechenden Rate Schweiz und in Preußen vergleichbar war '13 in der Der Vergleich mit den kontinentalen Staaten hinkt jedoch insofern, als er nur normale Tagesschulen erfaßt. Das englische Erziehungssystem, das lediglich ein Minimum an staatlicher Reglementierung kannte, zeichnete sich je- doch gerade durch eine hohes Maß an Flexibilität aus. So konnten den, immer für die wieder neue es den etatistisch in Schulmodelle entwickelt verfaßten wer- Ländern keine Parallelen gab. landesweite der Netz Dies gilt beispielsweise Sonntagsschulen und das für das differen- zierte Angebot an Abendschulen. Die Sonntagsschulen, neut Beachtung die in der jüngsten Literatur gefunden haben, waren ursprünglich als religiöse Anstalten zur Indoktrinierung im ernur jeweili- gen Glauben gedacht. Obwohl sich insbesondere die anglikanische Staatskirche darum bemühte, das Lehrangebot auf das Lesen religiöser Schriften zu beschränken, entwik- kelten sich die Sonntagsschulen jedoch zunehmend zu allgemeinen Unterrichtsanstalten mit vielseitigem Angebot und einer großen Massenwirksamkeit. Geht man von der Annahme aus, daß sie lediglich von Arbeiterkindern wurden, so erreichten möglichen Schüler, Viertel. sie 1831 besucht 1801 etwa ein Siebtel die Hälfte und 1851 Die Zahl der Sonntagsschüler stieg aller sogar drei im Verlauf des 19. Jahrhunderts von 206.000 (1801) über 2,6 Millionen (1851) auf 6,2 Millionen den Sonntagsschulen unmittelbaren als die Bedürfnisse Curricula Manch einer, konnte der (1901). Der Unterricht vielfach der sensibler Arbeiterkinder kirchlichen und einer in die eingehen Staatsschulen. der sich im 19. Jahrhundert aus bescheide- nen sozialen Anfängen emporgearbeitet seinen auf Aufstieg nicht zuletzt 14 Sonntagsschule. der hatte, verdankte Grundausbildung in Abendkurse für erwachsene Erwerbstätige haben in England eine lange Tradition. Seit 1823 boten die Mechanics' Institutes naturwissenschaftliche und technische se für Handwerker an. sprünglichen Absicht, Jahrgängen, in Nachfrage Grundkur- Zwar scheiterten sie in ihrer ursie Abendkursen ermöglichten ihr ABC nach Kursen dieser Art ging jedoch älteren nachzuholen. Die in den zwei Jahr- zehnten nach dem Gesetz von 1870 drastisch zurück, dafür entstand eine dungsklassen neue Nachfrage sowohl an den nach übrig technischen gebliebenen Fortbilalten In- stitutes wie auch an den neueren Technical Colleges. Als nach 1893 auch Abendschulen für Schüler über 21 in den Genuß staatlicher Subventionen kamen, Zahl sprunghaft zu, von 120.000 (1893) Jahren nahm deren über 475.000 (1899) bis auf 708.000 (1911 ) . 1 5 Schließlich Entwicklung zu erwäh- nen, die bei Vergleichen mit den kontinentalen ist noch eine weitere Schulsys- temen häufig übersehen wird: das System der staatlichen Prüfungen. Auch hier beschränkte sich die staatliche tervention auf eine Minimum, um der In- Privatinitiative freien Spielraum zu gewähren. Die Prüfungen bildeten den Schlüssel für die Vergabe von staatlichen Subventionen und stellten somit für private Schulträger einen wichtigen Anreiz zur Leistungsteigerung dar. Gerade in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern, fig als relativ rückständig gelten, die häu- zeigte sich dieser Effekt besonders deutlich. Die Subventionsvergabe im Bereich der technischen und naturwissenschaftlichen Fächer fiel seit 1853 in die Zuständigkeit des neu gegründeten and Arts (DScA). und unter sofern diese in annehmbaren entsprechenden Fächer unterrichteten. Schutyp keine Rolle, eine spezielle chen und Science Seit 1859 konnten Zuschüsse zu Lehrer- gehältern ausgezahlt werden, Klassenzimmern Departments for so daß sich Unterstützung technischen ihres Unterrichts adäquaten Bedingungen die Dabei spielte der Schulen aller Art um naturwissenschaftlibewerben konnten. Grund- und Mittelschulen, Mechanics' Institutes, Fabrikschulen und Fachschulen, selbst Fachhochschulen und Pä- dagogische Hochschulen kamen so in den Genuß diesen staatlichen Subventionen. Zunächst konnten nur für sechs Fächer den, in drei Jahrgangsstufen Zuschüsse 1863 schon für 23 Fächer. beantragt 1870 wurden wer- schließlich für 1.871 Klassen mit 48.905 Schülern in mathematischen, physikalischen und technischen Fächern sowie für Klassen in biologischen und geologischen Fächern 343 Subven- tionen für die Lehrergehälter ausgezahlt. Maßgeblich war die Zahl der Schüler, die einen bestimmten, überprüfba- ren erreicht DScA mußte deshalb Prüfungen einrichten, zu denen sich später Prei- se, Leistungsstandard Das Stipendien, Inspektionen und Zulagen für technische Einrichtungen Der hatten. gesellten." 1 6 Subventionsbeschluß von 1859 legte das Ziel des staatlichen Förderung wie folgt fest: "It is hoped that a system of science instruction will grow up among the industrial classes which shall entail the least possible .cost and interference on the part of the state." In der Praxis wurde die Begrenzung auf die "industrial classes" jedoch nicht so ernst genommen. Als Bemessungsobergrenze für die Zahl der subventionsfähigen galt ein jährliches Elterneinkommen von £ 200 Schüler (später £ 400). Da dies jedoch kaum je überprüft wurde, kamen auch Lehrer von bürgerlichen Kindern in den Genuß dieser För18 derung. dieser Um 1890 profitierten indirekten Subvention, etwa 187.000 Schüler von die Zahl der Prüflinge stieg in den dreißig Jahren bis zur Jahrhundertwende von 1Q 16.000 bis auf 151.000. Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig. Sie soll lediglich die breite Angebotspalette des Schulwesens illustrieren, die bei viktorianischen einem Vergleich mit den behördlichen oder staatlichen Schulsystemen Kontinent in der Regel übersehen wird. sich lediglich auf den staatlichen auf dem Vergleiche, Sektor die beschränken, sind daher irreführend: in den kontinentalen Staaten unterlag fast das gesamte Schulsystem der behördlichen oder staatlichen Kontrolle, in England stellte die freiheitliche Tradition sicher, daß neben dem Öffentlichen Schulangebot auch eine ganze Reihe von privaten Einrichtungen verschiedener Provenienz nicht nur für die Kinder der Ober- und Mittelschichten, sondern auch für die Kinder der Unterschichten zur Verfügung standen. Die Voi— und Nachteile des kontinentalen Systems und des britischen "Chaos" stritten. Zweifellos im Schulwesen erlaubte eine frühe und vollständige der Praxis setzte setzgebung Hälfte sich des Ländern 19. Jahrhunderts Aufbau des voll um- System aller Kinder - in die frühzeitige erst in durch Lehrstoffes. englische System hatte seine Vorzüge. es, immer kontinentale Erfassung allerdings in den meisten systematischen waren schon das der - Aber Ge- zweiten sowie den auch das Vor allem vermied wie Henry Cole, der Sekretär des DScA süffisant be- merkte, die unbritische Gängelei: "The State avoids the error of continental systems, of taking the principal and dominant part in secondary education." Das schulische Angebot blieb somit flexibler und experiment ierfreudiger, Städten, die Auswahl, insbesondere in größeren breiter als auf dem Kontinent. betrachtete man es als einen entscheidenen Vorteil, daß Privatinitiative und tion gestärkt wurden: wer freiwillig bezahlen müsse, Vor allem aber pädagogischen individuelle Motiva- lerne und noch dazu lerne besser, so meinte man, die Origi- nalität werde dadurch stärker gefördert als in den chendeckenden Zwangssytemen des Kontinents. Ingsesamt scheint die schulische viktorianischen Gesellschaft, stand, jedenfalls weniger als traditionellerweise lerdings die Frage, sächlichen Mängel flä- 21 Rückständigkeit der sofern sie überhaupt ausgeprägt gewesen angenommen wird. sein, Es bleibt wieso die vermeintlichen des Schulsystems der zu beal- oder tat- wirtschaftlichen Führungsro1le Großbritanniens ersichtlich keinen Abbruch getan haben, tung der eine Frage, die ohne eine nähere Betrach- Unterrichtsinhalte schwer zu beantworten sein wi rd. II Bildungsökonomen und sich über die besondere für das wirtschaftliche teratur zur Frage des Korrelationsstudien in ternationalen Vergleich Wirtschaftswissenschaftier sind Bedeutung des Ausbildungsniveaus Wachstum einig. Die Flut der Li"human capital" und zahlreiche mehreren Ländern wie auch im inscheinen diesen Zusammenhang zu 22 bestätigen. Die viktorianischen Unternehmer waren dagegen nicht so sicher. Viele zogen es vor, bei ihren Beschäftigten quasi auf einer fachlichen tabula rasa eine eigene Ausbildung aufzubauen, manche lehnten es prinzipiell ab, junge Leute mit theoretischer Schulbildung 23 einzustellen. Gelegentlich wurde sogar bezweifelt, ob Arbeiter unterhalb der Werkmeister-Ebene überhaupt des 24 Lesens und Schreibens mächtig sein sollten. Tatsäch- lich gab es allerdings zu dieser Zeit kaum noch Analphabeten unter der erwachsenen Bevölkerung: 1890 wurde ihr Anteil in England und Wales auf 7% geschätzt, in Schott25 land sogar nur auf 3%. Betrachtete man in der Wirtschaft abstraktes Schulwissen vielerorts als irrelevant, so wußte man doch die schnelle Auffassungsgabe zen, Von und Orientierungsfähigkeit den Elementarschulen Dingen eine Ausbildung Arbeitertyp, rable." für zu schät- die durch das offene Schulsystem gefördert wurden. 26 versprach man sich vor allen zur "manual dexterity" und einen "cheaper to train or otherwise more desi- Wie immer brachte Alfred Marshall, Wirtschaftswissenschaften in Professsor Cambridge, die weit verbeitete Meinung am elegantesten zum Ausdruck. Was die Wirtschaft brauche, gacity and so postulierte er, sei "general sa- energy which are not specialised to any one occupat ion." "To be able to bear in mind many things at a time, to have everything ready when wanted, to act promptly and show resource when anything goes wrong, to accommodate oneself quickly to change in detail of the work done, to be steady and trustworthy, to have always a reserve of force which will come out in an emergency, these are the qualities which make a great industrial Diese people." Tugenden sollten das oberste Lernziel des Erzie27 hungssystems sein, ein Lernziel, das auch heute noch vielerorts für die Entwicklungsländer gefordert wird. Neben der geistigen und intellektuellen erwartete man von den Schulen aber Disziplinierung in erster Linie soziale Disziplinierung, die von den Viktorianern als "moral training" umschrieben wurde. Können oder auch nur Lernfähigkeit zu sondern um den Kindern insbesondere eine häufig Nach ihren Vor- stellungen war die Schule nicht primär dazu da, sen, 28 der um Wis- vermitteln, arbeitenden Klassen den Gehorsam, Selbstdisziplin tung der die Anpassungsfähigkeit beizubringen, sozialen Ordnung für die sie notwendig Das obige Zitat von Alfred Marshall gende gesellschaftliche Schulen schon erahnen. zur und die Aufrechterhal- erachteten. läßt diese Erwartungshaltung grundle- gegenüber Noch unmißverständ1 icher den führte er aus: "A good education confers great indirect benefits even on the ordinary workman. It stimulates his mental activity; it fosters in him a habit of wise acquisitiveness; it makes him more intelligent, more ready, more trustworthy in his ordinary work; it raises the tone of his life in working hours and out of working hours; it is thus an important means towards the production of material wealth." Ähnlich urteilte schon die Königliche Kommission zur Untersuchung der Handelsdepression von 1886: "We think that the careful and thourough training in habits of punctuality and order, of alacrity and diligence, and of close attention and prompt and implicit obedience to instructions, ought to occupy more of the time and thought of teachers in elementary schools." Gerade die besonderen Sonntagsschulen Verdienste schienen erworben zu sich haben. hier So ihre schrieb Thomas Clegg 1854: "I have always maintained ... that those parties who have been educated in the (Sunday) schools that I have been connected with, will always do more for the same money and do it better and with less trouble, than those that are not educated, or educated without religion." Henry Ashworth, ein führender Baumwollfabrikant, 1880 diese Haltung lapidar auf den Punkt: "If they have been at school, they want less licking." they're brachte obedient, Aus dieser Sicht lag die Bedeutung der Schule nicht sehr in der Entwicklung der kognitiven, so sondern der af- fektiven Eigenschaften: Arbeitswilligkeit, Ordnung, Verläßlichkeit, Pünktlichkeit - "subordinacy","receptivity to supervision and discipline","sense of discipline and 31 peaceful order". Nimmt man diesen typisch viktorianischen Wertekanon ernst, dann ist ein Großteil der Kritik am viktorianischen Schulwesen fehl am Platze, wieder den Mangel an systematischem falsche intellektuelle Ausrichtung die immer Lehrangebot des und die Unterrichts be- klagt hat. Es steht jedenfalls fest, daß sich die englischen Schulen nicht Charaktertraining minder bemüht konsequent haben Vorbilder auf dem Kontinent. pretation der als um ihre ein solches vermeintlichen Akzeptiert man die Inter- viktorianischen Schulen als Instrumente der "social control" zur Unterwerfung der Arbeiterkinder unter die bürgerliche Hegemonie, so waren sie darin nur 32 allzu oft erfolgreich. Schließlich erwartete die Industrie nichts anderes. Selbst Wertschätzung der Schule bei manchen Unternehmern auf die Vermittlung heute noch scheint sich die sol- cher moralischen Werte zu beschränken, walisische Unter- nehmer, so hieß es kürzlich, setzen bei Neueinstellungen Qualifikationen und Zeugnisse der Schulabgänger so ziemlich ans Ende ihrer Prioritätenliste: "Am Anfang standen, in dieser Reihenfolge: Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Pünktlichkeit, Lernwilligkeit, Bereitschaft zur Teamarbeit, Begei33 sterungsfähigkeit." Auch die Entwicklungssoziolgie unterstreicht Bedeutung dieser Werte, wenn sie den heute die Entwicklungsländern empfiehlt, sie brauchten "... (men) dedicated to hard work, a high pace of work, and a keen sense of individual responsibility for performance of assigned norms and tasks ... Indust r ial izat ion requires an ideology and an ethic which motivates individual workers. Strict supervision imposed on a lethargic workforce will not suffice; personal responsibility for performance must be implanted withip.workers, front-line supervisors and top managers." Im weitesten Sinne handelt es sich dabei um eine allzeit erforderliche soziale Kompetenz: "The object of socialization is to produce competent people, as competence is defined in any given society. It aims to develop a person who can take care of himself, support others, conceive and raise children, hunt boar or grow vegetables, vote, fill out an application form, drive an auto, and what Die kaum have you."35 Wahl der eine Unterrichtsfächer Rolle, wenn oberste Lernziel gilt. lich und konsequent, die spielt soziale offensichtlich Kompetenz als Es ist daher durchaus das verständ- wenn die Sozialisationsaufgäbe heutigen Schule gerade von denjenigen angegriffen der wird, die im gesellschaftlichen und politischen Leben Anarchie und Industriefeindschaft gungen folgt, predigen.36 Aus diesen daß nicht nur das Angebot, Überle- sondern auch die Aufgaben des viktorianischen Schulwesens für die ärmeren Schichten worden sind. häufig verkannt und falsch Das preußische eingeschätzt Schulsystem war sicherlich auf die Zwecke des preußischen Staates ebenso gut zugeschnitten wie das französische auf die Zwecke des zösischen freiheitlicheren Staates. Unter schaftlichen Bedingungen nische Schulsystem Unüberschaubarkeit, den Englands scheint das jedenfalls, für die fran- gesell- viktoria- trotz seiner Mängel Bedürfnisse des und technisch führenden Landes der Industrialisierung nicht minder gut geeignet gewesen zu sein. III Eine differenzierte Kritik des viktorianischen Schulwe- sens muß darüber hinaus vor allen Dingen die spezifische Flexibilität der und die vielfältigen Resourcen vikto- rianischen Gesellschaft in Rechnung stellen. Großbritannien war bei weitem das reichste sche Ausbau des Schul- hundert zeigte nicht sich schnell und Land Europas. Prüfungswesens zuletzt, daß es auf neue Anforderungen Der ra- im 19. Jahr- in der Lage war, einzustellen. Dies gilt auch für einen anderen, üblicherweise ebenso scharf kritisierten Aspekt des Unterrichtswesens: technische und naturwissenschaftliche Kaum eine Schwäche häufig angeprangert der britischen worden wie die höhere Ausbildung. Gesellschaft der Mangel an ist so naturwis- senschaf t 1 ic her und technischer Forschung und Ausbildung in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. organisierte "science wußtsein von der relativen Rückständigkeit diesem Gebiet Staaten und Eine hoch- lobby" sorgte dafür, insbesondere dem Deutschen gegenüber Reich ein daß das BeEnglands auf den Vereinigten fester Bestandteil der öffentlichen Meinung wurde. Gleichwohl ließ die Entwicklung der entsprechenden Märk- te bis in die letzten Vorkriegsjähre hinein keine Anzeichen für einen derartigen Mangel ausgebildete Naturwissenschaftler erkennen. Viele konnten keine lung finden oder mußten sich, wenn sie Arbeit gut Anstel- beispiels- weise in der chemischen Industrie fanden, mit geringeren Einkommen begnügen als ihre Kollegen im Deutschen 37 Reich. Ein spezifisches Defizit an ausgebildeten Fachkräften rung der ist demnach kaum auszumachen. Ausbildung hätte die Lage 166 Eine Intensivie- für die Absolventen schwerlich verbessert, ohnehin ins Ausland konkurrierender Überschuß zumal ein großer Teil von gehen mußten, Industrien relativiert Bedarfs. Fachkräften, Angebot sie mithalfen. sich ansteigenden wo Zwar zudem Der und Nachfrage Aufbau scheinbare angesichts herrschte ihnen beim des kein rapide Mangel nahmen jedoch an beide sehr rasch zu. Es war gerade kennzeichnend für die Lei- stungsfähigkeit des schnell das Angebot englischen Unterrichtswesens, ohne staatliche große wie Intervention verbessert werden konnte. Zwischen 1871 versität und 1902 wurden nach dem Vorbild der Uni- von Manchester Provinzuniversitäten Fast alle richtet waren und (1851) nicht weniger und University Colleges als naturwissenschaftlich-technisch somit eher den deutschen zehn gegründet. ausge- Technischen Hoch- schulen als den Universitäten vergleichbar. Darüber aus richteten die älteren Universitäten Schottland und Irland zahlreiche neue liche Lehrstühle ein, von hin- London, naturwissenschaft- und selbst Oxford und Cambridge, die Hochburgen des traditionellen Bildungswesens, mußten sich den neuen Anforderungen beugen. Das Cavendish ratory in Cambridge gewann gleich drei Labo- Nobelpreise in fünf Jahren (1904, 1906 und 1908). Imperial College, als direkte Nachahmung der Technischen Hochschule Charlot- tenburg geplant, wurde 1907 eröffnet und der Universität von London angeschlossen. In London zählte man 1914 drei "Incorporated Colleges", 23 andere Colleges lich des Imperial College nomics ) , (einschließ- und der London School of 25 andere angeschlossene Institute und Eco"aner- kannte Hochschullehrer" in 30 weiteren Colleges, u.a. im 38 Birbeck College und im Goldsmiths' College. Daneben gab es das Finsbury Technical College, das sich durchaus mit manchen Technischen Hochschulen im Ausland messen konnte, 11 Polytechnische Schulen allein in London und eine große Anzahl von privaten und städtischen Gewerbe39 und Fachschulen in der Provinz. Die Absolventenzahl in naturwissenschaftlichen und technologischen Fächern nahm entsprechend hatten in England gerade erst 13 schnell zu. bzw. Studium in diesen Fächern abgeschlossen, dagegen schon 800 bzw. 431. 1870 6 Studenten ihr 1910 waren es Die kumulierten Zahlen der jeweils vorhandenen Graduierten in beiden Fächergruppen zeichnen ein noch deutlicheres Bild von der sprunghaften Vermehrung des naturwissenschaftlich-technischen Perso- nals: 1870: 127 / 1890: 1.447 / 1914: 1 4 . 3 3 0 . 4 0 Auch die Staatsausgaben für naturwissenschaftliche Zwecke außer41 halb des Erziehungswesens nahmen sprunghaft zu: 1850-51 1869-70 1899-1900 1913-14 Eine ca. inhaltliche £ 34.000 £ 271.000 £ 618.000 £ 2.000.000 Analyse der = = = = 0,9% des Etats 2,8 2,6 3,4% des Ziviletats Unterrichtsangebots oder des erreichten Ausbildungsniveaus kann hier nicht vorgenommen werden. profil und die Die Auslesekriterien, Curricula wurden das Anforderungs- jedoch dauernd ver- schärft. Schon auf Grund dieser Tatsachen will es scheinen, als sei die viktorianische einiger Verzögerung auch der Gesellschaft Staat - sehr - und mit wohl in der Lage gewesen, selbst in dem Sektor des Erziehungswesens, der allgemein als am rückständigsten galt, auf eine entsprechende Nachfrage zu reagieren und den deutschen oder amerikanischen Vorsprung mit außerordentlichem Elan wieder aufzuholen. Um so weniger ist anzunehmen, daß man im 19. Jahrhundert mit Nachlässigkeit oder gar Inkompetenz an die Schulung der Arbeiterkinder ging, die den herrschenden Klassen wohl eher am Herzen gelegen haben dürfte als die formale technische Ausbildung für die traditionelle des Kritik Industrie. viktorianischen sens trotzdem so lange halten konnte, Daß sich ist zunächst die nicht uneigennützige Propaganda der Bürokraten und Pädagogen zurückzuführen, auf zeitgenössischen zu einem Teil aber auch auf das Mißverständnis ausländischer ter, die Erziehungswe- Beobach- die nur das suchten, was sie von zu Hause kannten. Die jüngste Forschung kommt dagegen zu einem anderen Urteil: das Grundschulangebot viktorianischen England meinhin angenommen, stungsfähigkeit für die ärmeren Klassen nicht nur breiter als im ge- es konnte sich sogar in seiner Lei- durchaus hungssystemen messen. war mit den kontinentalen Erzie- Anmerkungen 1 Stellvertretend für die Fülle der Literatur: Brian Simon, The Two Nations and the Educational Structure 1780-1870, London 1974; ders., Education and the Labour Movement 1870-1920, London 1965; Gordon W. Roderick/Michael D. Stephens, Education and Industry in the Nineteenth Century: the English Disease?, London 1976. 2 Siehe Anm. 6. 3 R.S. Schofield, Dimensions of Illiteracy in England 1750-1850, in: H.J. Graf (Hg.), Literacy and Social Development in the west, Cambridge 1981, S. 201 und 213; ders., The Measurement of Illiteracy in Preindustrial England, in: Jack Goody (Hg.), Literacy in Traditional Socities, Cambridge 1968, S. 312; Michael Sanderson, Literacy and Social Mobility in the Industrial Revolution in England, in: Past and Present 56 (1972), S. 96-107; R.K. Webb, Working-Class Readers in Early Victorian England, in: English Historical Rev iew 64 (1949), S. 335-351; ders., Literacy among the Working Classes in Nineteenth Century Scotland, in: Scottish Historical Review 33 (1954), S. 107-113. 4 Vgl. vor allem H.J. Habbakuk, American and British Technology in the Nineteenth Century, Cambridge 1967, und die sich daran anschließende Debatte. 5 E.G. West, Education and the State. A Study in Political Economy, London 1965; ders., Educational Slowdown and Public Intervention in 19th Century England: A Study in the Economics of Bureaucracy, in: Explorations in Economic History 12 (1975), S. 61-87; Phil Gardner, The Lost Elementary Elementary Schools of Victorian England. The People's Education, London 1984. 6 J.S. Hurt, Elementary Schooling and the Working Classes 1860-1918, London 1979, S. 4, 26 und 43; Schofield, Measurement of Illiteracy , S. 317; R.D. Anderson, Education and the State in Nineteenth Century Scotland, in: Economic History Review, 2nd ser. 36 (1983), S. 531; Royal Commission on the State of Popular Education in England T= Newcastle Commission), Reports, Bd. 1, S. 172f. 7 B. Madoc-Jones, Patterns of Attendance and their So- cial Significance, in: Philip McCann (Hg.), Popular Education and Socialization in the Nineteenth Century , London 1977, S. 41-66. 8 West, Education and the State, S. 137-140; Anderson, Education, S. 525; Simon, The Two Nations, S. 347; Newcastle Commission, Reports Bd. T] S*I 53f. , 79f. 9 West, Education, S. 161f.; ders., Educational Slowdown, S. 80; ders., Resource Allocation and Growth in Early Nineteenth-Century British Education, in: Economic History Review, 2nd ser. 23 (1970), S. 86; ders., Literacy and the Industrial Revolution, ebd. 31 (1978), S. 369-383; J.S. Hurt, Professor West and Early Nineteenth-Century Education, ebd. 24 (1971), S. 624-632; David F. Mitch, the Impact of Subsidies to Elementary Schooling ... in Nineteenth Century England, ebd. 39 (1986), S. 371f. 10 Newcastle Commission, Reports Bd. 1, S. 20-25. 11 D. Rubinstein, Socialization and the London Schoolboard, in: McCann, Popular Education, S. 231; Simon, Education, S. 176; David Wandle, English Popular Education 1780-1970, Cambridge 1970, S. 36f. und 74; Hans von Nost iz, Das Aufsteigen des Arbe iterstandes in England. Ein Beitrag zur sozialen Geschichte der Gegenwart, Jena 1900, S. 133f. 12 R.C.O. Matthews/C.H. Feinstein/J.C. Odling-Smee, British Economic Growth 1856-1973, Oxford 1982, S. 573. 13 Nathan Rosenberg, Inside the Black Box. and Economics, Cambridge 1982, S. 248. Technology 14 Thomas Walter Laqueur, Religion and Respecatbility. Sunday Schools and Working Class Culture 1780-1850, New Haven 1976; ders. , working Class Demand and the Growth of English Elementary Education 1750-1850, in: Lawrence Stone (Hg.), Schooling and Society. Studies in the History of Education, Baltimore 1976, S. 192205; Stanley James Curtis, History of Education in Great Britain, London 1963, S. 468. 15 Michael Argles, South Kensington to Robbins. An Account of English Technical and Scientific Education since 1851, London 1964, S. 41; Curtis, History of Education, S. 291; Roderick/Stephens, Education and Industry, S. 19; Simon, Education, S. 186; N.B. Dearie, Industrial Training with special reference to conditions prevailing in London, London 1914, S. 315-318; S.J. Nicholas, Technical Education and the Decline of Britain 1870-1914, in: Ian Inkster (Hg.), The Steam Intellect Societies. Essays in Culture, Education and Industry circa 1820-1914, Nott ingham 1985, S~. 84; Arthur Shadwel 1, England , Deutschland und Amerika. Eine vergleichende Studie ihrer Leistungsfähigkeit, Berlin 1908, Kap. TTT 16 Royal Commission on Scientific Instruction and the Advancement of Science (=Devonshire Commission), Reports, London 1873, Aussagen: Cole F. 6, Huxley F. 285, Bd. 3, S. XIX; Royal Commission on Technical Instruction (=SamueIson Commission), Reports, London 1882-1884, Aussagen: Cole und Donnelly F. 42, 53, 111, 399-401; Royal Commision on Secondary Education (- Bryce Commission), Reports, London 1895, 1st Report, S. 98, 181, Aussagen: Bd. 2, Donnelly F. 1107, Bd. 3, Forsyth und Bidgood F. 8364f. 17 Zitat in Roderick/Stephens, Education, S. 13. Scientific and Technical 18 Samuelson Commission, Reports, 2nd Report, Bd. 3, Aussagen: Donnelly F. 2844, Bd. 5, S. 185, 194; Devonshire Commission, Reports, Aussagen: G. Jarmain F. 8855-8888, 8901; Bryce Commission, Reports, 1st Report, S. 27f., Aussagen: Bd. 2, Donnelly F. 1069; Select Committee on the Provisions for Giving Instruction in Theoretical and Applied Science to the Industrial Classes (=Samuelson Committee), Reports, S*! IV, Aussagen: Cole und Donnelly F. 6-10, 401. 19 Devonshire Commission, Reports, S. XX, XXI, XXIII; P.W, Musgrave, Metallurgy and the Department of Science and Art 1870-1900, in: ders. (Hg.), Sociology, History and Education, London 1970, S. 268; Roderick/Stephens , Scientific and Technical Education, S. 15. 20 Zitat in Argles, South Kensington, S. 20; vgl. seine Aussage in: Devonshire Commission, Reports F. 122f. 21 Wardle, Popular Education, S. 211; P.W. Musgrave, The Labour Force: Some Relevant Attitudes, in: Gordon Roderick/Michael Stephens, Where did we go wrong? Industrial performance, education and the economy in Victorian Britain, Lewes 1981, S. 63; W.R. Reader, Professional Men. The Rise of the Professions in Nineteenth-Century England, London 1966, §~. 114; Max Leclerc, L'education des classes moyennes et dirigeantes en Angleterre, Paris 1899, S. 59; Gordon W. Roderick/Michael D. Stephens, The British Malaise. Industrial Performance, Education" and Training in Britain Today, Lewes 1982, S. 30; dies., Education and Industry , S. 101; Sheldon Rothblatt, The Diversification of Higher Education in England, in: Konrad H. Jarausch (Hg.), The Transformation of Higher Learning 1860-1930, Stuttgart 1983, S. 135 und 143; Michael Sanderson, The Universities and British Industry 1850-1970, London 1972, S. 64f. und 104f. 22 Stellvertretend für viele Studien: J.S. Nicholson, The Living Capital of the United Kingdom, in: Economic Journal 1 (1890), S. 95-107; Peter Lundgreen, Bildung und Wirtschaftswachstum im Industrialisierungsprozeß des 19. Jahrhunderts, Berlin 1973; E.A.G. Robinson/J . E. Vaizey ( Hg. ) , TTTe Economics of Education, London 1966; H. Correa, The Economics of Human Resources, Amsterdam 1963, ~sT 172; Theodore w 7 Schultz, Capital Formation by Education, in: Journal of Political Economy 68 (1960), S. 571-583; Gary S. Becker, Human Capital. A Theoretical and Empirical Analysis, with Special Reference to Education, New York 1975; B.F. Kiker, The Historic Root of the Concept of Human Capital, in: ders. (Hg.), Investment in Human Capital, Columbia S.C. 1971, S. 51-77. 23 Z.B. Devonshire Commission, Reports, Aussage Rees F. 475; Argles, South Kensington, S. 37; Dennis Smith, Conflict and Compromise. Class Formation in English Society 1830-1914, London 1982, S. 224; P.W. Musgrave, Technical Change, the Labour Force and Education. A Study of the British and German Steel Industries 1860-1964, Oxford 1967, S. 51; Moseley Industrial Commission to the United States of America, Oct.-Dec. 1902, Report of the Delegates, Manchester 1903, S. 29,238 und 337. 24 Vgl. Anm. 3. 25 George Haines, Essays on German Influence upon English Education and Science 1850-1919, Hamden Conn. 1969, S. 49; Anthony Howe, The Cotton Masters 18301860, Oxford 1984, S. 288; E.H. Hunt, British Labour* History 18*^ 5-1914, London 1981, S. 111; W.B. Walker, Britain's Industrial Performance 1850-1950: A Failure to Adjust, in: Keith Pavitt (Hg.), Technical Innovation and British Economic Performance, London 1980, S. 25; E.G. West, Literacy and the Industrial Revolution, in: Economic History Review, 2nd ser. 31 (1978), S. 377TT. 26 Devonshire Commission, Reports, Aussagen: Richardson F. 1808, 1851, 1919; E.W. Evans/N.C. Wiseman, Education, Training and Economic Performance: British Eco- nomists' Views, in: Journal of European Economic History 13 (1984), S. 133. 27 Michael D. Stephens/Gordon W. Roderick, Science, the Working Classes and Mechanics' Institutes, in: Annals of Science 29 (1972), S. 350 und 359; Colin A. Russel 1, Science and Social Change 1700-1900, London 1983, S. 161; Charles Babbage, The Exposition of 1851, nachgedr. London 1968, S. 5f.; Alfred Marshall, Principles of Economics, London 1964, S. 206f. 28 Russell, Science, S. 162; Charles Moore, Skill and the English Working Class, London 1980, S. 209; Mary Joan Bowman, The Cost of Human Resource Development, in: Robinson/Vaizey, Economics of Education, S. 446; Devonshire Commission, Reports, Aussagen: Fleeming Jenkin F. 1704-1706. 29 Marshall, principles, S. 211. 30 Royal Commission on the Depression of Trade, Final Report, London 1886, S. LXIII; Patrick Joyce, Work, Society and Politics. The Culture of the Factory in Later Victorian England, Brighton 1980, S. 173; Howe, Cotton Masters, S. 280. 31 David Mitch, Underinvestment in Literacy? The Potential Contribution of Government Involvement in Elementary Education to Economic Growth in NineteenthCentury England, in: Journal of Economic History 44 (1984), S. 173f., 218~ Eric E. Rich, The Education Act 1870, London 1970, S. 78; P.J.D. Wiles, Notes on the Efficiency of Labour, in: Oxford Economic Papers N.S. 3 (1951), S. 159. 32 Auswahl aus dem breiten Literaturangebot: Richard Johnson, Educational Policy and Social Control in Early Victorian England, in: Past and Present 49 (1970), S. 96-119; ders., Notes on the Schooling of the Early English Working Class, in: Roger Dale/ Geoffrey Esland/Madelaine McDonald (Hg.), Schoo ling and Capitalism. A Sociological Reader, London 1964, S. 44-54; Steven Shapin/Barry Barnes, Science, Nature and Control: Interpreting Mechanics' Institutes, in: ebd., S. 55-65; Michael W. Flinn, Social Theory and the Industrial Revolution,in: Tom Burns/S.B.Saul (Hg.), Social Theory and Economic Change, London 1967, S. 14f.; A.P. Wadsworth, The First Manchester Sunday Schools, in: M.W. Flinn/T.C. Smout (Hg.), Essays in Social History, Oxford 1974, S. 101. 33 Rudolf waiter Leonhardt, Wo die Nobelpreist rager wachsen, in: Die Zeit, 7. Juli 1987, S. 15. 34 Clark Kerr/J.T. Dunlop/Frederick Harbison/Charles A. Myers, Industrialism and Industrial Man, Cambridge (Mass.) 1960, S. 26. 35 Alex Inkeles, Social Structure and the Socialization of Competence, in: Harvard Educational Review 36 (1966), S. 265. 36 Vgl. Jürgen Zinnecker (Hg.), Der heimliche Lehrplan. Untersuchungen zum Schulunterricht, Weinheim und Basel 1975. 37 A.J. Meadows, Science and Controversy. A Biography of Sir Norman Lockyer, London 1972, S.88. Devonshire Commission, Reports, Aussagen: Forster F. 7792; Hilary und Steven Rose, Science and Society, London 1969, S. 29 und 35; Departmental Committee on the Royal College of Science, Minutes of Evidence: W. A. Tilden F. 2590; Musgrave, Technical Change, S. 36; Morris Berman,"Hegemony" and the Amateur Tradition in British Science, in: Journal of Social History (1975), S. 39; John Jewkes, How Much Science?, in: Economic Journal 70 (1960), S. 2; Evans/Wiseman, Education, S. 136; Karl Ballod, Rezension von Hesse/ Großmann, in: Schmollers Jahrbuch 40 (1916), S. 482; Gordon w. Roder ick/Michael D. Stephens, Scient ific and Technical Education in Nineteenth-Century England , Newton Abbot 1972, S. 16; F. Musgrove, MiddleClass Education and Employment in the Nineteenth Century, Economic History Review, 2nd ser. 12 (1959-60), S. 110; Michael Sanderson, The University of London and Technical Progress 1880-1914, in: Journal of Contemporary History 7 (1972), S. 259; ders., Un iversTtles, S. 27; D.S.L. Cardwell, The Organisation of Science in England. A Retrospect, London 1957, S.169. 38 Cardwell, Organisation, S. 129; Sanderson, Universities, S. 114; Roy MacLoed, The Support of Victor ian Science: The Endowment of Research Movement in Great Britain 1868-1900, in: Minerva 4 (1971), S. 228. 39 Geoffrey Millerson, The Qualifying Association. A Study in Professionalization, London 1964; A.J. Engel, From Clergyman to Don. The Rise of the Academic Profession in Nineteenth-Century Oxford, Oxford 1983, S~* 9f. ; Ian Inkster, Int roduct ion: Aspects of the History of Science and Science Culture in Britain 1780-1850, and Beyond, in: Ian Inkster/Jack Morell (Hg.), Metropolis and Province. Science in British Culture 1780-1850, London 1983, S. 40-42; Francois Beland, Du paradoxe professionell medecins et ingenieurs des annees 1880, in: Archives europeennes de sociologie 17 (1976), S. 306f. 40 Cardwell, Organisation, S. 156; Roderick/Stephens, Education, S. 108 und 136; Roy Lowe, The Expansion of Higher Education in England, in: Jarausch, Transformation , S. 52. 41 Peter Alter, Wissenschaft, Staat, Mäzene. Anfänge moderner Wissenschaftspolitik in Großbritannien 18501920, Stuttgart 1982, S. 46 und 81ff.; Charles Singer u.a., A History of Technology, 6 Bde. Oxford 19541978, Bd. 6, S.148f.; R.M. McLeod, Science and Treasury: Principles, Personalities and Policies 18701885, in: G.L.E. Turner (Hg.), The Patronage of Science in the Nineteenth Century, Leyden 1976, S. 116, 120, und 161; Cardwell, Organisation, S. 155. Pat Thane WELTLICHER UND HIMMLISCHER LOHN. DAS WERTESYSTEM DER VIKTORIANISCHEN MITTELSCHICHTEN Dieser Beitrag geht der Frage nach dem dominanten Wertesystem insbesondere der unternehmerischen Mittelschich- ten im spätviktorianischen England nach. Dies scheint um so notwendiger, tur als auch als sich sowohl die historische die aktuelle Diskussion Litera- in Großbritannien auf eine Reihe liebgewonnener Annahmen stützt, die einer kritischen Überprüfung bedürfen. Die jüngste Diskussion wurde von den Thesen des amerikanischen Historikers Mai— tin j. the wiener entfacht, dessen Buch English Culture and Decline of the Industrial Spirit 1850-1980 in den Vereinigten Staaten wie in Großbritannien zu einem Bestseller g e r i e t . 1 Angeblich soll sogar Frau Thatcher jedem ihrer Kabinettsmitglieder Aber auch der Führer Zustimmung nicht, nancial Times, der ein Exemplar überreicht haben. Labour Party die seriöse Presse, verhehlte seine wie etwa die Fi- war voll des Lobes, und selbst das Fern- sehen widmete Wieners Thesen einige Sendungen. Reaktion der Wissenschaft blieb fast durchweg Eine wissenschaftliche These, die ein solch Nur die kritisch. ungewöhnli- ches öffentliches Interesse erweckt, verdient unsere besondere Beachtung. Wie konnte Wieners Interpretation der englischen Geschichte in der Öffentlichkeit einen dermaßen breiten Widerhall finden? gegenwärtigen Niedergang auf zurück, Im Kern führt Wiener der britischen Wirtschaft den dar- daß es der Unternehmerschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht gelang, rellen Werten eine hegemoniale Stellung ihren im kultu- Wertesystem der viktorianischen Gesellschaft zu sichern. Nach seiner Darstellung begann sich der neue Unternehmensgeist, er als "the zeal for work, duction Hälfte and des inventiveness, material pro2 definiert, in der zweiten money-making" 18. Jahrhunderts 19. Jahrhunderts im und der Zusammenhang Revolution durchzusetzen. herrschenden den ersten mit der Diese Werte wirtschaftlichen, Hälfte des Industriellen schienen zur kulturellen und be- politi- schen Norm zu werden. Aber die Aristokratie, so Wiener, gab sich nicht ge- schlagen : "... the peculiar flexibility of the English aristocracy snatched a class victory from the brink of defeat."3 Sie umgarnte schichten die mit den Kinder der unternehmerischen Verlockungen stokrat ischen Wertesystems, teil von Professionalität derte, des Mittel- traditionellen ari- das nach Wiener das Gegen- und nämlich eine Vorliebe Wettbewerbsverhalten für hierarchische för- Ordnung und kultivierten Lebensstil, für politisches Ansehen und privaten Genuß, industriefeindliche Werte einer Agrargesellschaft inmitten der am meisten urbanisierten Gesell- schaft der Weltgeschichte. Mit welchen wurde, Mitteln dieser kulturelle Triumph bleibt bei Wiener allerdings unklar, den elitären erzielt obwohl er Public Schools eine führende Rolle bei der Indoktrination der nachwachsenden Unternehmergeneration mit unternehmerfeindlichen Werten zuschreibt. Auch Literatur, Kunst und Architektur werden als Träger des länd1ich-aristokratischen Wertesystems angeführt, beispiels- weise der neugothische sichtlich wurde, Stil, ohne daß allerdings wie etwa so unterschiedliche steller wie Charles Dickens, er- Schrift- Mathew Arnold oder Thomas Hardy in den Bannkreis der aristokratischen Kultur gezogen wurden. Außerdem besuchten die Söhne der rischen Mittelschichten in ihrer keineswegs die Public Schools, len, deren pädagogisches durchaus angepaßt war, unternehme- überwiegenden Mehrheit sondern städtische Konzept ihren wie die herausragende Rolle Mathematik, Sprachen und naturwissenschaftlichen in ihren Wiener Lehrplänen zeigt. Gleichwohl Schu- Bedürfnissen hatte von Fächern sich nach gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine neue kultu- relle Hegemonie entwickelt, die, national überhöht, auch das wirtschaftliche Leben bestimmte: "... a vision of a tranquilly rustic and traditional national way of life permeated English life and any understanding of British economic development must take account of the fact." Zunächst stellt sich die Frage, warum diese historische Interpretation führenden englischen Politikern von heute so einleuchtend scheint. Offensichtlich hat sie den Vorteil, die Gründe für die aktuelle Problemlage der britischen Wirtschaft in die Vergangenheit zu verlagern. storische Ursachen in der zweiten Hälfte des Hi- 19. Jahr- hunderts liegen nicht nur ersichtlich außerhalb der Kontrolle der heutigen Politikergeneration, sie lenken auch von dem Versagen der Regierungen berater ab, und ihrer Wirtschafts- die britische Wirtschaft 5 solides Fundament zu stellen. nach 1945 auf ein Im Zusammenhang mit der Diskussion um die "Victorian Values" ist die entscheidende Frage jedoch, ob Wiener in der Sache recht hat. Selbst wenn man bereit wäre, seiner These zuzustimmen, so kann man doch seiner nicht immer folgen. Argumantation Das Buch leidet vor allem darunter, daß unbewiesene Behauptungen und unsystematische Belege, noch dazu von zweifelhaftem Wert, ohne den Versuch einer stringenten Beweisführung aneinandergereiht werden. Doch ganz abgesehen vermag Sie die ist von These das ihrer auch unzulänglichen inhaltlich Ergebnis einer komplexer Zusammenhänge nicht Präsentation zu unzulässigen und Prozesse überzeugen. Vereinfachung und führt zu einem irreführenden Bild des dominanten Wertesystems der tischen Gesellschaft am Ende des ist das zentrale Anliegen seines Buches, britischen Auffassung Wirtschaft ist jedoch seit nicht 1870 zu ohne Es eine Erklärung für den seiner Auffassung nach unaufhaltsamen der bri- 19. Jahrhunderts. Niedergang liefern. weiteres Diese zutreffend. Jedenfalls sind sich die führenden Wirtschaftshistoriker in dieser Frage keineswegs einig. Kaum einer würde solch vereinfachtes Bild des andauernden wirtschaftli- akzeptieren. 6 chen Niedergangs Wieners These geht von einem ausschließlich Erklärungsansatz schen aus Klassenmodell scheint, als ein sei und der ein operiert mit englischen vielerprobtes kulturellen einem schemati- Gesellschaft. Instrument Es aus dem historiographischen Arsenal der Geschichte der Arbeiterbewegung einfach auf schen Mittelschichten die Untersuchung der übertragen worden: viktoriani- die These vom "falschen Bewußstein." 7 Wieners These setzt nämlich voraus, daß die Unternehmerschaft in einer schaft eigentlieh hegemonial, kompetitiv und klassenbe- Industriegesell- wußt hätte auftreten sollen, gerade so wie die traditionelle Arbeitergeschichtsschreibung davon ausging, daß die Arbeiterklasse eigentlich die Qualitäten eines revolutionären Proletariats hätte aufweisen sollen, was sie aber leider nie tat. Von diesem Ausgangspunkt muß allerdings stellen, die Frage wieso die sich historischen Klassen den Erwartungen der Historiker so wenig entsprachen. Argumentierten sch ichtsschreibung, einige Vertreter der die Arbeiterklasse Arbeiterge- habe in der er- sten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein wachsendes Klassenbewußstein entwickelt, so sieht wiener in derselben Zeit die Mittelschichten auf dem Weg zur Etablierung einer "distinctive, production oriented culture". Glaubten je- ne, die Zähmung der radikalen Arbeiterklasse um die Mitte des Jahrhunderts mit deren Inkorporation turelle Hegemonie die Herausbildung ren zu können, der der herrschenden einer in die Klasse - etwa durch "Arbeiteraristokratie" - erklä- so führt Wiener die mangelnde unternehmerischen kul- Mittelschichten zur Fähigkeit hegemonialen Klassenbildung auf deren seit der Mitte des Jahrhunderts fortschreitende Inkorporation in die dominante aristo- kratisch-ländliche Kultur zurück: "At the moment of its triumph, the entrepreneurial class turned its energies to reshaping itself in the image of the class it was supplanting." Von einer radikalen Umpolung der kulturellen Werte zur Harmonisierung der Klassenbeziehungen zwischen Bourgeoisie und ländlicher Aristokratie in der Jahrhundertmitte kann jedoch keine Rede sein. Von Experten zur Geschichte des 18. Jahrhunderts worden, ist zu Recht darauf hingewiesen daß sich all jene industriefeindlichen lungen und späten 19. Jahrhunderts Werthaltungen, ansieht, späten 18. 19. Jahrhundert und beispielsweise frühen die Wiener als Einstel- Produkt genausogut des schon finden im lassen, in Adam Smiths kritischen Kommentaren zum Unternehmertum oder in der in Kunst und Literatur weit g verbreiteten romantischen Vision des Landlebens. ergibt sich, daß eine stungsniveaus Element der der langfristige britischen Erklärung Wirtschaft Kontinuität abheben muß und gerade Daraus des Lei- auf das nicht etwa auf das Element des raschen, noch dazu unerklärten Umbruchs. Vielleicht, so fragen jene Experten für das 18. Jahrhundert, lag das Problem des späten 19. Jahrhunderts nicht so sehr darin, daß bestimmte Wandlungsprozesse der bri- tischen Gesellschaft unter aristokratischer werkstelligt wurden, Führung als vielmehr darin, daß sich über- haupt so wenig änderte: in Großbritannien blieb viel zu viel zu lange beim alten. Vielleicht konnten die unter- nehmerischen Werte der Frühindustrialisierung dernissen der be- Spät Industrialisierung den Erfor- einfach deswegen nicht mehr gerecht werden, weil sie sich nicht genug gewandelt hatten. Schließlich ist Großbritanniens Ge- schichte in den letzten zwei Jahrhunderten von einem außerordentlichen Maß an Kontinuität tät geprägt gewesen, ohne die und innerer Erfahrung von StabiliKrieg und Invasion oder gar von politischer Revolution, die in anderen Ländern den sozialen und ökonomischen Wandel be- schleunigt und erzwungen hat, Ist schon Wieners kultureller Paradigmawechsel histo- risch schwer zu verifizieren, so bleibt auch die soziale Trägergruppe diffus. des von ihm behaupteten Wertewandels "A straightforwardly, hegemonic elite'1 wie klar ein (Wiener) bourgeois and läßt umrissenes sich recht industrial ebensowenig revolutionäres finden Proletariat. Vielmehr scheint sich die Aristokratie überall in Europa bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges kulturell, tisch und wirtschaftlich gegenüber den Mittelschichten behauptet zu haben.* 1 0 Wenn dem so müssen sich die von wiener als besonders britisch nierten Werte finden in allen Unternehmerischen lassen, Hegemonie" kann und die wohl vermeintliche kaum mehr als Eliten ist, defi- Europas "aristokratische Erklärung spezifischen Schwächen der britischen Wirtschaft ten. poli- Unternehmerischen Wieners These beruht in der Tat auf einem für die herhalimplizi- ten Vergleich mit den anderen industrialisierten Län- dern, in denen eine theoretisch richtige Entwicklung genommen wird, ohne daß dies im einzelnen an- untersucht würde.*' 1 Nichts ist gewonnen, für eine Analyse der Klasenbildungsprozesse wenn man davon ausgeht, wie eine Klasse sich eigentlich hätte verhalten sollen, ohne das Selbstver- ständnis und die Interaktion der Klassen im einzelnen zu analysieren. Tatsächlich zeichneten sich die Rollener- wartungen und -zuschreibungen, die Werthaltungen und gesellschaftlichen telschichten Beziehungen ßere Vielfalt aus, Zeit noch der im viktorianischen unternehmerischen Mit- England durch eine grö- als Wiener annimmt. vergleichsweise wenig über Wir wissen zur die Sozial- und Kulturgeschichte des viktorianischen Bürgertums, insbe- sondere neuere seiner Untersuchungen unternehmerischen Elite, lassen vorläufiges jedoch einigen wichtigen Fragen zu. Da ist zunächst die Frage, weniger monolithische vergnüglichen ein 12 ob überhaupt "aristokratische und amateurhaften vom unternehmerischen durch die Absorption einige eine mehr des unabhängig bestanden der Unternehmerischen in oder Tradition" Landlebens, Wertesystem, Urteil hat, die Tugenden zum dominanten viktorianischen Wertesystem hätte werden können. Alles, was wir über die höchst innovativen und profitablen Geschäfte der Landaristokratie spätestens seit dem 18, Jahrhundert wissen, widerspricht dieser Annahme. Nicht selbst, nur in sondern der Intensivierung auch in der der Ausbeute Landwirtschaft der Bodenschätze und der Entwicklung des städtebaulichen Potentials ihrer Besitzungen erwies sie sich als Meister. land- wirtschaftliche Ertrag und die Als der Grundstücksrendite in einigen Gegenden seit den 1880er Jahren zurückging, stand sie es profitabler retten. des sogar, ihre Wertpapiere Das Besitztitel oder kolonialer Profit interesse 19. Jahrhunderts durch war ver- Ankauf Ländereien zweifellos gegen zu Ende unverzichtbaren Bestand- teil der "aristokratischen Tradition" geworden. Die an- haltende Bedeutung zu einem den der Aristokratie ten Großbritannien ist eher im auf diese industrialisierGeschäftstüchtig- keit als auf irgendeinen traditionellen Überhang zurück- 13 zufuhren. Wiener räumt durchaus ein, daß die adeligen sitzer ebenso wie die listisch dachten und industriellen handelten, Großgrundbe- Unternehmer allerdings kapita- mit einem entscheidenden Unterschied: während sich diese primär um die Produktion trachteten wird sich eine klare und technische Linie Unternehmensleitung gezogen, anderen Verfahren jene grundsätzlich zwischen dem harten Geschäft die Aufsicht über seine Einkommensquellen 14 überläßt. Uberprüft man diese Unterscheidung der City, und wettbewerbsstärksten um die Jahrhundertwen- so ergeben sich erhebliche Probleme. der City arbeitete zweifellos ein hoher Prozentsatz bürgerlichen Public Schoo1-Abso1venten , die enge schaftliche deren der der jedoch auf dem erfolgreichsten an beDamit und dem angenehmen Leben als Rentier Gebiet der britischen Wirtschaft de, kümmerten, als Rentiers. Beziehungen zur gesellschaftlichen Fuchsjagden teilnahmen und unterhielten. Diese Gruppe die Kultur ländliche Landaristokratie Leben oft mit selbst scheint gesell- pflegten, Pferderennen große und Landhäuser dem Modell einer inkorporierten In von in Unternehmerischen Elite am ehesten zu entsprechen. Gleichwohl gehörten rade sie zu den erfolgreichsten Unternehmern ge- ihrer Zeit, die die Bürde des täglichen Geschäfts keineswegs Wiener umgeht dieses Problem, indem Finanzwelt als "clean" ausgibt, scheu- er das Milieu der ein Leben von Müßiggän- gern, "associating with people of one's own class in fashionable surroundings ... processes of well removed from the actual production".16 Dieses konventionelle Bild ist jedoch ein Zerrbild der realen Arbeitswelt der City: Selbst so prominente und erfolgreiche Finanziers wie die Rothschilds, die Barings oder Sir Ernest Cassel enge Kontakte mit Industriellen, geschäftlichen Problemen sie pflegten deren technischen großes Verständnis und entge- genbrachten und denen sie erhebliche Geldmittel zur Verfügung sehr stellten. von der Ihr eigener weltweiten Geschäftserfolg Entwicklung gie-Sektoren wie dem Kohlenbergbau, der Rüstungsindustrie konnten, als hing zu Hochtechnolo- den Eisenbahnen und daß sie sich erlauben den technologischen Wandel und die geschäftli- chen Aktivitäten sie ab, der ih^e im einzelnen zu vernachlässigen, eigenen wollten. In diesem technologischen märkte konnten Investitionen relativ Wandels und langfristig frühen Stadium der des Entwicklung und mußten sich oft auf ihre eigene Erfahrung Sir Ernest Cassel, dertwende der reichste Mann für raschen der Welt- sie sich nur auf wenige Experten stützen kenntnis verlassen. antwortung wenn absichern die in der City, Einführung und Sach- um die Jahrhuntrug die des Bessemer- Ver- Verfahrens in den schwedischen Stahlwerken, an denen er führend beteiligt war. Er kümmerte sich auch um die Weiterentwicklung des Afrika, Eisenbahnbaus und der Bergwerkstechnologie in in Nord- und Südamerika sowie in den folgenden zwei Jahrzehnten auch in anderen Gegenden der Welt. Ausweislich der nicht enden wollenden Flut seiner Ge- schäftspost scheute er in dieser Hinsicht keine gung, auch wenn er auf seinem Landsitz, weilte.'' 7 oder einer Mittelmeer-Yacht Es ist kaum möglich, Unternehmerische tatsächlich integriert waren. mehr darauf solchen Männern Werthaltung in die eine authentische abzusprechen, obwohl ländlich-aristokratische schließen, daß die Übernahme Lebensstils lassen des keineswegs sie Lebensweise Ihr Leben und ihr Erfolg ar istokrat ischen Anstren- einem Jagdhaus viel- ländlich- mit dem Ge- schäft serfolg unvereinbar war. Es mag sein, daß der entsprechenden Integration der industriellen Elite größere Hindernisse entgegenstanden. Vermutlich erforderte Tätigkeit höheres beispielsweise cher Präsenz Geschäfte Dies muß Das im Betrieb, auch aus während größerer im einzelnen behauptet ein Maß ihre kontinuierli- reine Finanziers Distanz jedoch erst abwickeln gezeigt ihre konnten. und nicht nur werden. traditionelle Mißverständnis über die Arbeitsweise der City- Finanziers rührt zu einem Teil daher, daß man, wie Wiener, lediglich den vermeintlichen Mangel an engen Beziehungen mit der britischen Industrie betont. tat behauptet "abgewandt" er, und die City habe interpretiert sich von der dies als In der Industrie einen weiteren Beleg für die Dominanz eines industriefeinclichen systems. Dabei wird jedoch nicht nur die führende der bei City übersehen, der raschen es wird Expansion ihr auch eine der bewußte WerteRolle Weltwirtschaft Vernachlässi- gung der britischen Industrie unterstellt. Auch in d i e - ser strittigen in der Frage den Nachweis schuldig. sich die Industrie finanzielle bleibt die Literatur Regel Es scheint jedoch eher, als habe ihrerseits Unterstützung der ganz City bewußt nicht bemüht. Die um die erste Blüte der britischen Industrie privater Selbstfinanzierung, beruhte weitgehend indem die üppigen auf Gewinne reinvestiert oder Geld bei Freunden, Verwandten oder lokalen Banken aufgenommen wurde, die den lokalen Erfor- dernissen näher standen: die Industriellen in Manchester gingen zu ihrer eigenen Bank vor Ort. Auch hierbei gilt, daß nicht von einem Wertewandel sondern ihren daß aus die der britischen gesprochen werden Unternehmer auf Frühindustrialisierungsphase Verhaltensweisen treu blieben, während kann, lange Zeit stammenden die City die Chance ergriff, London als Herz des Empire und Haupstadt der führenden Handelsmacht den Finanzplatz In der und der weitgehenden britischen Hauptgründe zu einem weltweit operieren- auszubauen. gegenseitigen Industrie für die Abschottung ist langfristige sicherlich der City einer Problemlage der der briti- schen Wirtschaft zu suchen. Sie wird jedoch kaum auf den Einfluß einer M aristokratischen Hegemonie" oder gar auf die industriefeindliche Einstellung der krat ischen Eliten zurückzuführen länd1ich-aristo- sein. Vielmehr man, wie schon ausgeführt, die früh verfestigten heiten und schaft selbst Werthaltungen sowie expandierenden die Weltmarktes verantwort1 ich machen angesichts der dieses britischen alternativen für müssen. Befunds Unternehmer- Möglichkeiten die City Jedenfalls wenig länd1ich-aristokratischen des dafür erscheint überzeugend, meintlichen Niedergang des unternehmerischen der wird Gewohn- den es ver- Wertsystems Elite anzulasten. Sollte sich die Trennung der industriellen Sphäre von der land- wirtschaftlichen und der finanziellen Sphäre in Großbritannien als größer beweisen wäre, erweisen als anderswo, so dürfte dies jedenfalls was noch zu im Wege einer simplifizierten hinreichend KuIturanalyse, zu e r k l ä r e n Großgrundbesitzer, sich gegen Ende wie Finanziers des bei Wiener, nicht sein. und Industrielle 19. Jahrhunderts fanden allesamt in den Netzen des expandierenden Weltmarktes gefangen. Dies beeinflußte unweigerlich ihrer aller Lebensstil und Wert- horizont auf die ein oder andere Weise. Selbst jene großen Männer, scheint, die Verwalter des schen Weltreichs in das zwanzigste längern trachteten und dabei, notwendigkeit, die, wie des Jahrhundert es britizu ver- fern von jeder Geschäfts- die aristokratische Hegemonie der Briten über die Welt aufzurichten Schicksal Empire, den überholten Zivilsat ionsauftrag nicht hofften, verschont. blieben von diesem Die diplomatischen aus China und dem Osmanische Reich, Berichte den beiden Weltre- gionen, in denen Großbritannien bis zum Ersten Weltkrieg seine Vorrangstellung an die europäischen Rivalen lieren sollte, sind eindeutig von der Überzeugung gen, daß Großbritannien ohne industrielle im Bereich des Eisenbahnbaus, der Weiterverarbeitung ver- getra- Investitionen der Elektrifizierung seinen Wettbewerbern nicht oder würde Stand halten können. Unternehmensgeist und unternehmerisches Handeln waren diesen Statthaltern des Empire alles andere als suspekt, im Interesse ihrer Nation hätten sie lieber mehr davon gesehen. Lord Cromer, Generalkonsul 19. Jahrhunderts, scheint den zu ersten Blick von die Ende des Inkorporationsthese auf bestätigen: Ägypten Als am ein Sohn der Baring-Familie, einer der führenden Bankhäuser der City, gelangte er über eine Public School-Erziehung an die Spitze der Reichsverwaltung. 1895 bemühte er sich um ein verstärktes industrielles Engagement in Ä g y p t e n , jedoch vergeblich: "European capital is certainly coming into the c o u n t r y , b u t I a m s o r r y to s a y t h a t it r a r e l y c o m e s from Britain." Immer wieder tische mußte des wies er erleben, britischen Cromers gegen er a u f Unternehmungen daß Deutsche Hersteller. Er fand und sie hin und und Franzosen Chance sich zu für immer ihre steigerten inkompetenten Gelegenheiten Ägypten Desinteresses Beschwerden die günstige in bri- wieder angesichts wahrnahmen. wahren konkurrenzscheuen Tiraden britischen schließlich "careless, unenterprising and sometimes ignorant and their m e t h o d s are u 1 t r a - c o n s e r v a t i v e and f r e quently arrogant, i l l - m a n n e r e d and n e g l e c t f u l of t h e w i s h e s of t h e i r c u s t o m e r s " . Cromer schen hielt Unternehmern, neswegs hielt die offensichtlich allein er er jedcch vor und unter von den allem im Deutschen zu p r e i s e n britische Kollegen fehlen ließen. beklagte, eklatante fügen chelhaften Bild These, kratische daß allenfalls komplexen che dieser des Empire. unternehmerischen Geschäftssinn sich nötigen dies auf Begründung Großbritanniens Um eine wie der zu e i n e m daß es die den wenig er Ge- schmei- Leistungsfähigkeit immer zu d e r relative In und deren versäumte stützt britischen beitragen. mehr Franzosen und im G e g e n t e i l . Teil kei- so Wettbewerbsgesinnung Philippika kleinen für Meinung nur, industriellen - eher zu e i n e m heute briti- Werthaltungen, der störte den an U n t e r n e h m e n s g e i s t , bis Cromers sei Ihn der Inkorporation zurückzuführen mit Fehlentscheidungen der Großbritanniens. von stand wußte. an viel Beamten Der M a n g e l legenheiten die er den nicht jedoch geartete Geschäftsleute Diese These kann notwendigerweise ökonomische der kaum aristo- Literatur Schwäwerden allzu häufig geben, so zum technischen ter nur Beispiel Vergleich mit Staaten System inadäquat Erziehungssystems Wir könnten wenn wir uns einer der negativen Einige Zunächst mit einer haben, -große die dominante sollte sich deren von rung len die Die genseitigen zu die Erklärung nicht Mängel liefern einen in einem diese rückschließen nach nicht müssen werden, wir tun Unternehmsart und Dies ist liberalen um und und ist. Dessen und deren Werte der Industrialisierung Frau unternehmerische aus Tagen und gewissen der Be- Thatent- Mittel- praktischen ländlichen kompetitiven so ihre evange- worden den hier zu Gruppe Gesellschaft sich aus daß aufwies. vom und und widersprachen, und annähern, wüßten Richtung Kreditsystems Logik Vertrauen daß Erklärung etablierten des nämlich effektiven inneren der Geburt Vertragsrechts seiner je Wertehierarchie beruhte eines breite derjenigen unterschied. talismus Im V e r l a u f eine briti- und Behauptungen vergessen geprägt unterschätzt mißversteht. gilt, heterogenen und entscheidend wiener schicht, dieser viktorianische deutung Gründen in nicht regional Kultur ob d a s Hand lunsgwe isen auf Unterschiede Provinzbürgertum wickelte konkreten a u ß e r o r d e n t 1 ich als die Erziehungsangebot der angemessenen die Hinweise u.a. des exak- können. likalen cher Teil Unternehmerschaft deutliche wichtiger, hier Gesamtbilanz genügen. ein ineffizient daß w i e d e r h o l t e über würden. es einen aber könnte, und Auch ersetzen mehr Werthaltungen einer war. ebenso, nicht zeigen ge- Defizienz steht der des aber Noch entsprechenden wirklich Erklärungen vie1 g e s c h o l t e n e dem formverschieden Nachweis die aus, nur mögen, monokausale Erziehungswesens. in a n d e r e n sche einfache, Elite Industriekapi- vor der eines Grad auf nämlich Kooperation Etablie- justitiabWerten, dem unter geGe- schaftsleuten. Wollte man vertrauenswürdig sein, so war es notwendig, In allen Dingen, in der äußeren nung wie im alltäglichen Leben, scheinen. Nur so konnte man eine Reputation die erst die eigene Kreditwürdigkeit keit gewährleistete.20 Eine war weise, die Teile der Aristokratie ternheit der zur der neuen Schau mit der trugen. Lebensführung bürgerlichen und solche bilität dertwende unvereinbar Erschei- vertrauenswürdig zu ererlangen, Vertragsfähig- sichtbare Respekta- leichtfertigen Lebens- noch um die Jahrhun- Respektabilität dominierten Mittelschichten die und Nüch- Werteskala und drangen von dort schließlich auch in den Verhaltenskodex der Aristokratie und der Gentry vor. Der Siegeszug der viktorianischen Respektabilität war um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch keineswegs vollen- det. Die spätviktorianische Gesellschaft trug zweifellos nüchternere als ihr - wohlgeordnetere frühviktorianischer den 80er Jahren versteiften Kontrollmechanismen und langweiligere Vorläufer. sich die gegenüber und lebens. Dem öffentichen anderen Formen Insbesondere abweichendem eines Züge in gesellschaftlichen vor allem auf dem Gebiet der Prostitution, xualität - Verhalten, der Homose- auffälligen Privat- Leben und den privaten Verhal- tensnormen wurden im Verlauf des 19. Jahrhunderts zuneh- mend Zügel angelegt, wobei der Impuls eher von der neuen bürgerlichen Wertehierarchie ausging als von den aristo21 kratischen Werthaltungen und Bedürfnissen. Als Ergeb- nis erstand das typische viktorianische Wertesystem, das auch in die Arbeiterschaft ausstrahlte und die Beziehungen zwischen stel 1 te. den Klassen auf eine neue Grundlage Die Verhaltenskodices schen und Werthaltungen der Geschäftsleute evangelikalen sind ohne die Erweckungsbewegung viktoriani- zentrale nicht zu Hieraus floß eine religiöse Grundhaltung, Rolle der verstehen. die ein gott- gefälliges Leben und die Errettung möglichst vieler Seelen zur höchsten Lebensaufgabe machte. Immer Gruppen von Anglikanern und Nonkonformisten größere verschrieben sich im Laufe des 19. Jahrhunderts diesem Ziel, das auch in der Arbeiterschaft sowie in der Aristokratie und der Gentry zahlreiche Anhänger fand. Für viele Geschäftsleute bestimmte der religiöse Imperativ auch die Regeln des Geschäftslebens: "They had their sights set not on gentry emulation but on a Heavenly Home. The goal of all the bustle of the market place was to provide a proper moral and religious life for the family...the «cold blooded pursuit of profit was deeply suspect." Diese religiösen sten wie der Prinzipien behielten zweiten Hälfte des sowohl in der 19. Jahrhundert erihre Gültigkeit. Harte Arbeit und ein starkes soziales fühl, Verantwortungsge- das war das Credo der neuen Zeit. individualistische hilfe-Ideologie und gehöhte kompetitive jedenfalls Die enge, rein Form nicht der Selbst- in diesen tekanon. Dagegen rangierte die persönliche Wer- Verantwortung für Menschen in Not hoch auf der Prioritätenskala. Daher rührte auch Näch- stenliebe des Bedeutung und der freiwilligen würfen der zung die große der Aktion christlichen in den Lebensent- bürgerlichen Mittelschichten. Neue Armenrechts einer Gesellschaft, Wohlhabenden glaubte, von 1834 war Die die an die Selbstverpf1ichtung den Armen freiwillig ohne dazu vom Steuerstaat gezwungen zu sein. Hintergrund Durchset- nur möglich zu in der geben, Vor diesem kann das Neue Armenrecht auch nicht einfach als der Versuch der Neureichen gewertet werden, sich aus der Verantwortung für die Armen zu stehlen und diese zur Selbst-Hilfe zu zwingen. gung von einer "guten Die Vision der Gesellschaft" persönliche Entscheidung Erweckungsbewe- setzte gerade die des Einzelnen für die gute Tat voraus. Auch die Sozialreform-Debatte des späten 19. Jahrhun- derts läßt noch eine solche religiöse Grundhaltung er23 kennen. Es mag sein, daß den Armen damit weniger geholfen sen, war als mit einem staatlichen Unterstützungswe- was aber erst noch zu beweisen wäre. sein, Es mag auch daß die Einrichtung eines umfassenden Zwangssystems, staatlichen wenn dies um die Jahrhundertmitte haupt möglich gewesen wäre, über- der Stigmatisierung der Ar- men weniger Vorschub geleistet hätte als gemeinhin angenommen wird. Im Prinzip ging das Neue Armenrecht jeden- falls davon aus, daß den "würdigen Armen" auf freiwilliger Basis zu helfen sei, pflege nur als während die öffentliche Armen- abschreckendes Sicherheitsnetz dienen sollte, um die "unwürdigen Armen" vor dem Hungertod zu bewahren und zu zwingen. Die sie zu einer akzeptableren Praxis sah bekanntlich Lebensweise anders aus, aber hier geht es zunächst nur um das Prinzip. Das Armenrecht der viktorianischen Zeit kann ebensowenig nur als das Ergebnis des puren Individualismus interpre- tiert bürgerli- werden wie die chen Mittelschichten Privatwohltätigkeit nur als bürger1ich-städtische tation aristokratisch-länd1 icher Werte, auflage eines traditionellen gesellschaftlicher hatte unabhängige, der Instruments 24 Autorität. vor allem wenn sie de facto entscheidend Die Imi- quasi als Neu- zur Sicherung Privatwohltätigkeit religiöse Wurzeln, auch zur Sicherung des sozia- len Status beitrug. Ihr lag ein Gesellschaftsideal grunde, in dem Arme und Reiche durch gegenseitige zu- Rechte und Pflichten im Geiste des christlichen Glaubens aneinander gebunden entsprochen waren. haben, Nicht aber alle dürften die diesem Wohlhabenden zur Linderung der materiellen Not, lerdings auch das Recht einschloß, zu belehren und auf den Weg Ideal Selbstverpf1ichtung die Armen der Selbsthilfe der die almoralisch zu verwei- Vor diesem Hintergrund wird auch die Stärke der libera- sen, galt als gesellschaftliche len Opposition gegenüber griffen verständ1 ich, politische Norm. vermeidbaren staatlichen Ein- die bis zum Ersten Weltkrieg Entwicklung Großbritanniens bestimmte. die Zwar führten die Sozialreformen seit der Jahrhundertwende zu einer deutlichen Ausdehnung der staatlichen Sphäre, etwa durch die sorgung, Einführung der ersten staatlichen Altersver- der nationalen Kranken- und Arbeitslosenversi- cherung, der Schulspeisung oder des Öffentlichen Gesundheitswesens, im Kern blieb aber die tung ausschlaggebend dafür, liberale Grundhal- daß, wo möglich, freiwilli- gen Aktionen der Vorrang vor staatlichen und hier wiederum lokalen vor zentralstaat1ichen Regelungen gegeben wurde. Der Lokalismus bildete daher einen weiteren wichtigen Bestandteil des viktorianischen wertesystems, drückte sich darin doch das alte Mißtrauen der bürgerlichen Mittelschichten staat aus, von der gegenüber dem autoritären der im frühen 19. Jahrhundert traditionellen Aristokratie Zentral- ausschließlich beherrscht worden war. Als Beispiel für die Verbreitung liberal- evange1ikalen leuten des späten Wertekanons 19. Jahrhunderts und Wirkunsgweise unter den des Geschäfts- kann Birmingham gel- ten, die den Exponten hat. Stadt, Zwei die bis zu bis den 1880er sellschaft gegenüber machte den und Jahren, den Nöten Dale und sparte für ein Gerade Mitbürger Bedingungen auch von und der so den 1860er Ge- Verpflichtung vor. Insbesondere der Geschäftswelt Kanzel und predigte von den Birminghamer nicht moralisches Kaufleute fühlen, von moralische den kluges reiche berufen der führen- Dawson Dale hielten ihre einen hervorgebracht George R.W. ihrer mit schlägen sich Prediger, allsonntäglich sich Chamberlain Vikorianismus 1870er vertraut ren. Joseph späten wortgewaltige 1840er zu mit des mit Rat- Geschäftsgeba- Fabrikanten sollten er, " . . . to a c t a s G u a r d i a n s o f t h e P o o r . T h e y o u g h t t o w o r k o n t h e c o m m i t t e e s of H o s p i t a l s . T h e y o u g h t to be a l d e r m e n a n d t o w n c o u n c i l l o r s ... t h e y o u g h t to s e e to it t h a t t h e t o w n s a n d p a r i s h e s in w h i c h t h e y live are w e l l d r a i n e d , w e l l l i g h t e d and w e l l p a v e d ; t h a t t h e r e are g o o d s c h o o l s for e v e r y c l a s s of the population; that there are harmless public a m u s e m e n t s ; that all p a r o c h i a l and m u n i c i p a l a f f a i r s are c o n d u c t e d h o n o u r a b l y a n d e q u i t a b l y ... self-denial m u s t be e n d u r e d in t h e d i s c h a r g e o f n e a r l y every duty. Vor allem lichem aber bestand Gleichgewicht zu aber wichtiger Lösung für dieses Aktionen, bei spezifischen zum Nutzen Die örtliche einstimmung gerlichen sein Dilemma denen mit als so als die geschäft- wichtig, andere. Dale und Armen Als verwenden ferne er Lokalismus auf ideale mit Öffentliche argumentierte vermöge ein keines gerne i n n ü t z ige Geschäftsleute private traditionellen Mittelschichten, das Gemeinwohl das sei empfahl ortsansässigen dem zwischen Verpflichtung Beides führende Gemeinschaft, daß sozialer sei. Sachverstand der darauf, und halten sollte für er Gewinnstreben diese ihrem Gelder sollten. in Über- der bür- Weise mehr Zentrairegierung. Joseph Chamberlain war der Sproß einer tief nonkonformistischen Schon vor seiner Unternehmerfami 1ie Zeit als religiösen, aus Bürgerme ister Birmingham. in den 1870er Jahren tat er sich mit zahlreichen philanthropischen gemeinnützigen Werken hervor. schöpfte er die Überzeugung, Aus dieser Erfahrung daß eine Stadt wie ein ef- fizientes und humanes Unternehmen zu leiten sei, Profite aus städtischen und Gas- und dessen Wasserwerken für Verbesserung der allgemeinen Wohlfahrt reinvestiert die wer- den müßten. Auch seine weitreichenden aber letztlich er- folglosen den Reformvorschläge auf nationaler Ebene in 1880er Jahren speisten sich aus diesem Geist der lichen Sozialreform: Zusammenwirken gen, um er plädierte in der Regel für von freiwilligen und staatlichen auf diese Weise die bürger- elementaren ein Leistun- Bedürfnisse - Mindestlohn, Wohnung, Altersversorgung - so zu befriedigen, daß das Prinzip der Selbsthilfe geschwächt w ü r d e . 2 6 er beispielsweise zunächst, terstützungsvereinen einerseits weil er verstärkt und nicht Im Fall der Altersversorgung staatlich die empfahl freiwillige Einlagen in Unzu lobenswerte subventionieren, Eigenleistung hono- rieren wollte, andererseits aber weil er einsah, daß die Niedrigverdiener ausreichenden 27 können. Chamberlain später die ohne öffentliche Hilfe Unterstützungsanspruch konnte zunächst Konservativen von weder die seinem schen und halb- kollektivistischen dung sozialer Ungerechtigkeiten niemals würden Liberalen zur Überwin- wachsender sozialer Spannungen überzeugen, wahrscheinlich witterten die tischen Wähler in seinen Vorschlägen spezifische Ausprägung des bri- immer noch den un- britischen Geist des Kollektivismus. Sein Beispiel jedoch die noch halb-voluntaristi- Konzept und einen ansammeln zeigt Unternehmerischen Weltwenn und Selbstbildes auch in e i n e r Formierung falls den und Umsetzung weitgehend, der schwer mit wenn oft und der im nackten Der in eine der Bedeutung Eine in dend zur der der Die Ernsthaftigkeit ment, wie der Werte und ihr allgemein Wohlstandsdamen die bessere bevormunden. Linie auf in und Erfolg zu abzutun, denen Motiven und gewissen und gehöriges Professionalität. Hand 1unsgweise nicht Maß tangierte, dieser daß vikto- für es, nur ureigensten ihr ihre Engage- selbstgefäldaran und vielmehr gelegen die in nur persönlichem Es mag völlig sein, das Armen erster zu ungefährlichen Frauen und die Frauen, erforderte an 28 an meist der ihrer nachzuäffen nicht un- und Töchter Versuch religiösen Denk- die entsehe i- Propaganda verbieten als den und Leben Frauen. beruhte einer trug beteiligten Gesellschaft ein sich festhielten. Einsatz Großstadt, Männer der hier Hege- kapitalistischen Gruppe die Tat lagen ist verschrieben Werte bei: erbärmlichen der Geldes daß dem Ihr den in Vielleicht finden, Denken üblich, liger Ruf d e s öffentliche Zahl von Frühkapitalismus "aristokratischen Privatwohltätigkeit große jeden- wettbewerbsf^indlichen, im die war, etwa zu sich des der vernachlässigte machten Werke Aufgabe. ließen vollständig Geschäft1eute Ehefrauen guter Regel geprägten rianischen und konkurrierender Verbreitung religiös Werte Mittelschichten nie erfolgte unbeeinflußt Grundhaltungen. vermeintlichen Wettbewerbsprinzip der Werte Profitgier dafür England, gesellschaftliche gänzlich miteinander. Erklärung ternehmerischen Die dieser Ruf G o t t e s Widerstreit nicht monie" der Form. nicht viktorianischen vereinbaren. zu spätviktorianischen ländlich-aristokratischen Manche zu im extremen oft, Slums Mut und daß die Leben ihrer entgegengesetzte Wertsysteme in existierten, haft ein und derselben vielleicht sollte über die gegenteilige Familie aber nebeneinander auch einmal Möglichkeit ernst- nachgedacht wer- den . Noch ein anderes viel beschworenes Ideal der schen Zeit die muß im Lichte beispielsweise 1893 der von viktoriani- philanthropischen etwa einer Arbeit, halben Million Frauen regelmäßig und auf halbprofessioneller Basis ver29 richtet wurde, neu überdacht werden. Gerade die Vertreter der Unternehmerischen Mittelschichten gelten als die Exponenten eines historisch einmaligen und kulturell außerordent1 ich wirksamen Frauenideals: der als weiblicher Berufung. Mittelschichten Konflikt standen zwischen den Männern Die Frauen der der jedoch offensichtlich Erwartung, eine Fluchtburg Häuslichkeit viktorianischen in einem das Heim zu hüten und gegen die Anforderungen der Arbeitswelt zu schaffen einerseits, und dem religiös geprägten Arbeitsethos und gesellschaftlichen tungsbewußtsein andererseits, Verantwor- das es ihnen, oft mit el- terlicher Unterstützung, zur Verpflichtung machte, moralischen Einfluß wirksam werden zu Es ist vielleicht den evangelikalen innerhalb wie außerhalb der ihren Familie lassen. nicht verwunderlich, Mittelschichten in der daß gerade zweiten aus Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Frauenbewegung hervorging, die eine des stärkere öffentlichen fältiger nicht auch nur Stellung Lebens Art, für für eine viele ihre der Frau reklamierte. Frauen bessere Wirksamkeit Bereichen Die Ziele waren dürften persönliche spruchs gesucht haben. in allen jedoch eine Emanzipation, vielChance sondern ihres moralischen An- Das Häuslichkeitsideal wurde auf diese Weise aus den Mittelschichten heraus selbst in Frage gestellt. Angesichts staunlich, der konventionellen Stereotypen ist es daß sich auch die seriöse bürgerliche er- Presse gegen Ende des Jahrhunderts an der Öffnung des entsprechenden Wertehorizontes beteiligte. So schrieb der Daily Telegraph in einem Leitartikel von 1888: "The idea that a woman is born either to lounge through life as a lady or to drudge through it as a poor man's wife with, in both cases, narrow domestic interests is a superstition having its origins in the east. Women have souls and aspirations of their own and if ... they possess personal talents or tastes we see nothing to object to ir^their e n _ try into a fair and free labour market." Der Telegraph war ein respektables, relativ hoher Auflage, liberales Blatt mit das in den 80er Jahren seine Le- serschaft in den Mittelschichten zu erweitern suchte. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß eine solche Meinung ohne Aussicht auf breite Zustimmung innerhalb der potentiellen Leserschaft vertreten worden wäre. Tatsächlich löste der Leitartikel eine Flut von Leserbriefen aus, in denen Männer und Frauen alle möglichen Befürchtungen und Hoffnungen zum Ausdruck brachten. Erstaun 1 icherweise war die Haltung typisch, zu der sich ein "city merchant" mit bester Adresse und langjähriger schäftigung von Frauen Erfahrung in der Be- bekannnte: "... if the movement of women working for themselves goes forward, as all true men wish, thousands of women will be far too enlightened and circumstances will not make it necessary for them to rush into ties of matrinomy without due consideration ... let mothers bring up their daughters to think that it is lowering to their womanhood to look upon matrinomy as the 'one thing needful', that if they have not the dependency they must work ... are there no fathers who repent the day they saw their daughters marry? And how often do we not hear married women advise their sisters to 'keep as they are'? If a woman can marry a worthy man let her her Diese d o so, she c a n Haltung läßt "Häuslichkeit bei aussetzen, aber an könnte. Gründe den Familien teten Töchter Suche nach sitzen, der. Auch sollte deren die tiefe und und uns auch der eigenständige, werthaltungen der die Werte- so w e i t gar eine gemacht primär wir ent- werden ideologischer die des Menschen, nicht liauch unerhebliche Mittel schichten. darin, ihre unverheira- unterstützten eine sie Warnung "viktorianischen liegen bei oft nicht der sein, zu ergünden. weit Werte aufzu- auseinander vikto- ohne weiteres im oder mit Modell erschlossen erwiesen unterwürfige davor werte" Wurzeln dabei Unternehmerischen dem werden. sich nur Imitatoren, konstruktive und daß Religiosität, historische Mittelschichten daß, oder geltend waren Sinn verbreitet. werden, ohne Einfluß Klassenschemas und weit Arbeit. I n k o r p o r a t ion beflissene eine deren und Gesellschaft rigiden gerlichen auszuhalten können vor- viktorianischen keinen Wirklichkeit kulturellen als den Stereotyp ohne und rianischen eines in Ausbildung Beispiel nor- Mittelschichten von der G l e i c h h e i t sahen Wertekanon viktorianische Hegemonie eine behind den wir gezeigt haben, Geschlechtern, Frauenüberschuß erkennen, das hierfür Art: Überzeugung Viele Schein kann geprägt kulturelle dem glatten klassischen offensichtlich Beispiel struktureller zwischen Das sie war aristokratischer Die berale dem Mittelschichten ein sprechende von viktorianischen entscheidend wissen, und den diesem bürgerlichen system wenig und M ü t t e r l i c h k e i t " malerweise Auch b u t w i t h a p r o f e s s i o n <^r t r a d e look b e f o r e she l e a p s . " und Kontext der Die zu o f t bürnicht sondern innovative Verhaltensorientierungen als Kraft, lang- fristig ein großes Maß an Verbindlichkeit Gesellschaft erlangen für die ganze sollten. Kehren wir zu dem von wiener erörterten Problem zurück: es ist nicht zu bestreiten, daß die relative Erfolglo- sigkeit britischer Unternehmer nach einer Erklärung verlangt, sie wird jedoch kaum mit simplifizierten rellen Kategorien zu erreichen sein. historischen Wandels müssen schaftlicher Beziehungen von der Komplexität ausgehen, kultu- Umfassende Modelle sowohl gesell- zwischen wie innerhalb der verschiedenen sozialen Gruppen. Zweifellos entwickelte Netzwerk sich bürgerlichen sitzern. stehen, men, im 19. Jahrundert gegenseitiger ein kultureller Unternehmern und kompliziertes Adaption zwischen aristokratischen Landbe- Um diesen kulturellen Austauschprozeß zu ver- benötigen wir jedoch einen breiteren Bezugsrah- der dessen strukturellen, institutionellen und in- tellektuellen Bedingungen in Rechnung stellt. Vor allem sollten die langfristige Stabilität und relative Homogenität der werden, Position britischen in der 19. Jahrhunderts diese für Gesellschaft nicht unterschätzt die nicht zuletzt mit Großbritanniens Fragen zusammenhängen. angesichts Vergangenheit differenziertere üblich war. Weltwirtschaft und ihrer Insgesamt eine Analyse, führender Weltpolitik Bedeutung ernsthaftere als des verdienten herausragenden Gegenwart historische und dies und bisher Anmerkungen 1 Martin J. Wiener, English Culture and the Decline of the Industrial Spirit 1850-1980, Cambridge 1981. 2 Ebd., S. 13. 3 Ebd., S. 14. 4 Ebd., S. 81. 5 Eine gute Diskussion dieses Zusammenhangs bietet Sidney Pollard, The Wasting of the British Economy, London 1982. 6 Siehe die Bandbreite der wirtschafthistorischen Argumentation in: Sidney Pollard, The Development of the British Economy 1914-1980, 3. Aufl. London 1983; Roder ick Floud/Donald McCloskey (Hg.), The Economic History of Britain since 1700, vol. 2: 1860 to the 1970s, Cambridge 1981; Bernard E1baum/Wi11iam Lazonick (Hg.) The Decline of the British Economy, Oxford 1986. 7 Siehe die Kritik der traditionellen Arbeitergeschichte in: Jonathan Zeitlin, From labour history to the history of industrial relations, in: Economic History Review, 2nd ser. 40 (1987), S. 159-84. 8 Wiener, English Culture, S. 14. 9 Donald Coleman/Chnistine Mcleod, Attitudes to New Techniques: British Businessmen, 1800-1950, in: Economic History Review 39 (1986), No. 4. 10 Arno Mayer, The Persistence of the Old Regime. Europe to the Great War, London und New York 1981. 11 Derselbe Vorwurf muß auch Perry Anderson gemacht werden (Origins of the Present Crisis, in: New Left Rev iew 23 (1964)), der Wieners These in gewisser Hinsicht vorwegnahm. 12 Siehe z.B. William D. Rubinstein (Hg.), Wealth and the Wealthy in the Modern World, London 1980; Yousse Cassis, Les Banquiers de la City a l'Epoque Edouard ienne, Genf und Paris 1984; Anthony Howe, The Cotton Masters 1830-1860, Oxford 1984. 13 F.M.L. Thompson, English Landed Society in the Nineteenth Century, London 1963; ders., English Landed Society, in: Pat Thane/Geoffrey Crossick/Roderick Floud (Hg.), The Power of the Past. Essays for Eric Hobsbawm, Cambridge und P a n s 1984, S. 195-214; David Cannadine, Lords and Landlords: the Aristocracy and the Towns, 1774-1967, Leicester 1980. 14 Wiener, English Culture, S. 8. 15 Cassis, Les Banquiers. 16 Wiener, English Culture, S. 145. 17 Pat Thane, Ernest Cassel, in: Dictionary of Business Biography, vol. I A-C, London ig84, S. 604-613; dies., Financiers and the British State: the Case of Sir Ernest Cassel, in: Business History 18 (1986), No. 1; Jose Harris/Pat Thane, British and European bankers 1880-1914: an "aristocratic bourgeoisie"?, in: Thane/Crossick/Floud (Hg.), The Power of the Past, S. 215-234. 18 Thane, Financiers, S. 90. 19 Ebd. 20 Dieser Zusammenhang wird anschaulich diskutiert bei Leonone Davidoff/Catherine Hall, Family Fortunes. Men and Women of the English Middle Class 1780-1850, London 1987, S. 21. 21 F.M.L. Thompson, Social Control in Victorian Britain, in: Economic History Review, 2nd ser. 34 (1981), No. 2. 22 Davidoff/Hal 1, Family Fortunes, S. 21. 23 Katherine 1962. Heasman, 24 In diesem Sinne bei London, Oxford 1971. Evangelicals Gareth in Stedman Action, Jones, London Outcast 25 E.P. Hennock, Fit and Proper Persons. Ideal and reality in Nineteenth Century Urban Government, London 1973, S. 158. 26 Peter Fräser, Joseph Chamberlain, London 1966. 27 Pat Thane, Contributary versus non-contributary old age pensions 1878-1908, in: dies. (Hg.), The Origins of British Social Policy, London 1978, S . 89-93. 28 Frank Prochaska, Women and Philanthropy in Nineteenth Century England, Oxford 1980. 29 Die Zahl der Frauen, die sich unregelmäßig in den verschiedensten Zweigen der Privatfürsorge engagierten, war noch wesentlich größer. Prochaska, Women and Philanthropy, S. 224. 30 Daily Telegraph, 22. März 1888. 31 Ebd., 3. April 1888. VERZEICHNIS DER AUTOREN Karl H. Sidney Metz Pollard Alastair Thomas Pat Reid Sokoll Thane Bernd Weisbrod P r o f e s s o r für N e u e r e G e s c h i c h t e Universität Erlangen-Nürnberg. an der Professor für S o z i a l - und W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e an d e r U n i v e r s i t ä t B i e l e f e l d Fellow am G i r t o n College, Cambridge. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der F e r n u n i v e r s i t ä t H a g e n und D o k t o r a n d bei der C a m b r i d g e G r o u p for the H i s t o r y of P o p u l a t i o n and Social S t r u c t u r e . Principal Lecturer am Goldsmiths' C o l l e g e , U n i v e r s i t y of L o n d o n . P r o f e s s o r f ü r N e u e r e G e s c h i c h t e an d e r Ruhr-Universität Bochum. Z.Zt. Fernuniversität Hagen. VERÖFFENTLICHUNGEN DES ARBEITSKREISES DEUTSCHE ENGLANDFORSCHUNG Bd. 1 G. Schmidt/ K. Rohe (Hrg.) Krise in Großbritannien? Historische und aktuelle Dimensionen, Bochum 1982 Grundlagen Bd. 1 K. Rohe/ G. Schmidt (Hrg.) Krise in Großbritannien? Studien zu Strukturproblemen der britischen Gesellschaft und Politik im 20. Jahrhundert, Bochum 1987 Bd. 2 G. Schmidt (Hrg. ) "Industrial Relations" und "Industrial in Großbritannien, Bochum 1984 Bd. 3 B. J. Wendt (Hrg.) Das britische Deutschlandbild im und 20. Jahrhunderts, Bochum 1984 Democracy" Wandel des 19. Bd. 4 G. Niedhart (Hrg.) Großbritannien als Gast- und Exilland für Deutsche im 19. und 20. Jahrhundert, Bochum 1985 Bd. 5 K. Rohe (Hrg.) Englischer Liberalismus dert, Bochum 1985 im 19. Bd. 6 J. Osterhammel (Hrg.) Britische Übersee-Expansion vor 1840, Bochum 1987 und und 20. Jahrhun- britisches Bd. 7 B. Weisbrod (Hrg.) "Victorian Values". Arm und Reich schen England, Bochum 1988. im Empire viktoriani-
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