Weltweit einzigartig!

Titelthema | Report I
Über eine Spezialvorrich­
tung werden Emissionen,
die bei der Schmelze­
behandlung entstehen,
abgesaugt und gefiltert.
Weltweit einzigartig!
Nach langer Vorplanung war es im März endlich soweit: Der Kurtz Ersa-Konzern
hat seine neue Eisengießerei „Smart Foundry“ am Standort Hasloch offiziell
in Betrieb genommen. Rund zwölf Millionen Euro sind in den Bau der neuen
Gießerei geflossen. Ganz wichtig: Die Projektplaner haben viele Elemente von
„Gießerei-Industrie 4.0“ bei diesem Vorhaben realisiert.
Von Michael Franken, Düsseldorf
I
rgendetwas ist hier anders. Nur was? Sind
es die Transportwege? Könnte schon sein!
Sie sind auffällig breit angelegt. Wirken
durchdacht, exzellent miteinander verbunden.
Was ist sonst noch auffällig? Ist es der in der
Tat fast staubfreie Bodenbelag? Sicher, findet
man auch nicht jeden Tag in einer gut ausgelasteten Gießerei, die in Handformguss macht.
Fakt ist: Für eine Eisengießerei ist der Anblick
schon recht ungewöhnlich. Und auch das fällt
auf: Für eine klassische Handformerei ist die
neu gebaute Produktionshalle nicht nur licht-
durchflutet sondern im wahrsten Sinne des
Wortes klar strukturiert, sie wirkt regelrecht
aufgeräumt. Hier ticken die Uhren anders, so
der erste Eindruck. Und dann taucht am Ende
der Halle, in der unzählige Formkästen in Reih
und Glied aufgereiht zwischengelagert sind,
LENA auf. LENA blinkt rhythmisch im Sekundentakt. Links und rechts außen leuchten
Signallampen und zeigen jedem, der es sehen
will, hier kommt ein mächtiges, tonnenschweres „Etwas“ auf den Betrachter zugeschwebt.
„Wir haben lange getüftelt, überlegt und uns
Blick in die systemgesteu­
erte Auskühlhalle, die
ebenfalls über ein ausge­
feiltes Be- und Entlüf­
tungssystem verfügt.
Fotos: Klaus Bolz/Kurtz Ersa
LENA mit Transportpalette
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BDG report 02/15
und Formkasten auf dem
Weg zur nächsten Bear­
beitungsstation. Das Sys­
tem funktioniert seit sei­
nem offiziellen Startschuss
reibungslos.
BDG report 02/1511
Titelthema | Report I
Man steht dabei und
glaubt es nicht: vollauto­
matisch laufen die Trans­
portsysteme von einem
abgekühlten Formkasten
zum nächsten.
Während LENA sich noch
zentimetergenau unter
das Transportgestell
schiebt, schwebt MARIE
fünf Meter weiter schon
mit dem nächsten abge­
gossenen Formkasten in
die Abkühlhalle.
viele Transportsysteme in der Praxis angesehen,
bis wir auf diese Lösung, die bereits in der Luftfahrtindustrie eingesetzt wird, gekommen
sind“, erklärt Rainer Kurtz, Vorsitzender der
Geschäftsführung der Kurtz Holding GmbH &
Co. KG. Während der CEO der Kurtz-Gruppe
seinen Blick rechts in die Formerei wirft, rauscht
von hinten, in knapp 30 Meter Entfernung, TINA
heran. Ebenfalls schwergewichtig, satte 9,6
Tonnen bringt das von vier Elektromotoren
angetriebene Transportsystem auf die Waage.
Beide, LENA und TINA, tragen in diesem
Moment tonnenschwere abgegossene Formkästen huckepack. Im Flugzeugbau bei Airbus
sind die „Mädels“ Garanten für eine kontinuierliche Fließproduktion. Bei Airbus treffen die
kooperativen Transportsysteme ihre Entscheidungen autonom, sie ordnen sich dennoch dem
gemeinsamen Produktionsziel unter und tragen
ihren Teil zur Lösung der fließenden Fertigung
bei. Wenn man mit den kubischen, stets blinkenden orangefarbenen Dingern Airbussteile
vollautomatisch Just-in-time in Serie produzieren kann, warum sollte dies dann nicht auch
mit Gussteilen möglich sein? „Auf diese Frage
haben wir eine passende, eine überzeugende
Antwort mit der Smart Foundry gefunden“,
erklärt Rainer Kurtz selbstbewusst.
Alles passt perfekt zusammen
Rainer Kurtz ist stolz auf
die Leistung seines Teams.
Innovationen, dazu zählt
aus seiner Sicht auch
die Smart Foundry, sind
für ihn Motor des Fort­
schritts.
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BDG report 02/15
Wie von Geisterhand getrieben manövrieren
die schwebenden Transportsysteme des Herstellers WFT die mächtigen Formkästen zum
Abkühlen an ihre vorgesehene Position. Es geht
praktisch von A nach B, von dort nach C und
dann weiter nach D. Wobei jeder Großbuchstabe für eine mögliche Station, einen zuvor
berechneten ausgewählten Platz in der Produktionskette steht. Was so einfach aussieht ist
bestens getimt. Alles ist bis ins kleinste Detail
berechnet und per SAP-Datenpool gespeichert.
Und alles passiert nahezu vollautomatisch!
TINA und LENA wissen durch sorgfältige Programmierung, wo es in der fast 3000 Quadratmeter großen Abkühlhalle in den nächsten
Minuten langgeht. Sie ecken nirgendwo an. Die
Kollisionsgefahr ist gleich Null. Das ist auch
wichtig! Denn die mobilen Transporteinheiten
können einiges heben. Bis zu 80 Tonnen Nutzlast macht den Systemen nichts aus, schränkt
ihre Bewegungsfreiheit nicht ernsthaft ein.
Neben TINA und LENA sind mit MARIE und
EMMA noch zwei weitere „schwere“ Mädels mit
dem Transport von wuchtigen Formkästen an
diesem Tag während der Frühschicht beschäftigt. Es blinkt, es surrt und zwischendurch rast
eine Kehrmaschine über den fast blank polierten
Betonboden. Im Gegensatz zu den mannlosen
Transportsystemen wird die nagelneue Kehrmaschine von Menschenhand durch die Hallen
gescheucht. Die „starken Vier“ schweben im
Schneckentempo zwischen den logistischen
Epizentren der Kurtz´schen Gussproduktion,
also zwischen Formerei, Gieß-, Auskühl- und
Ausleerhalle, hin und her. Einziges Manko: Die
vier Hubsysteme sind staub- und schmutzempfindlich. Genau deswegen ist die Kehrmaschine mehr oder weniger regelmäßig im
Einsatz,und zieht hektisch ihre Runden.
Fließfertigung perfekt getaktet
Seit 2007 ist in einer internen Arbeitsgruppe
an diesem völlig neuen Materialflusskonzept
gearbeitet worden. „Die Zielsetzung war klar
vorgegeben: eine getaktete HandformgussFließfertigung auf der Grundlage des in der
Automobilindustrie längst bekannten ToyotaPrinzips“, sagt Geschäftsführer Rainer Kurtz.
Das Kunststück ist der Kurtz-Truppe gelungen.
Aus einem ambitionierten Projekt ist eine echte
smarte Gießerei geworden. Kurzer Blick zurück:
Am Anfang existierte zunächst nur der nachvollziehbare Wunsch, die abgegossenen Formkästen nach dem Gießen so schnell wie möglich
aus der Gießhalle herauszubekommen – um
Platz zu schaffen. Kein Stau in der Gießhalle
war das oberste Gebot!
Mit SAP-gesteuertem Produktionskonzept,
parzellierter Produktionsfläche und einem
fahrerlosen, universell beweglichen Transportsystem ist dann nach und nach eine flexible
Prozesskette konzeptionell gewachsen, in der
sich manuelle Fertigungsschritte und das automatisierte Logistiksystem optimal kombinieren
lassen. Wie das in der Praxis, in der rauen Umgebung der Gießerei funktioniert, sieht der Besucher in diesem Moment im Hintergrund in der
„aufgeräumten“ Abkühlhalle. Langsam und sehr
behutsam schiebt sich LENA seitwärts unter
eine Transportpalette, auf dem ein ausgekühlter Formkasten zum Abtransport bereit steht.
„Die Fahrzeuge wissen immer exakt ihre Position“, klärt uns Graziano Sammati, Geschäftsführer der Kurtz Eisenguss GmbH & Co. KG auf.
Sammati, so erzählt er am Rande, habe es
gereizt, bei diesem Projekt eingefahrene Pfade
zu verlassen, eben Neues zu schaffen. TINA &
Co. verfügen über autonomes Wissen, sie entscheiden, gestützt auf Daten der SAP-Programmierung, wo es langgeht. Kommunikationsund Sensortechnologie ermöglichen es, dass
sie kollisionsfrei agieren und zu kollektivem
Verhalten fähig sind. Alle paar Meter werden
die knapp zehn Zentimeter über dem Boden
schwebenden Transportsysteme der Firma WFT
neu ausgerichtet. Es gibt fest definierte Pacours,
also klar vorgegebene Strecken, von denen die
vier fahrerlosen Transportsysteme nicht abwei-
chen. Diese Pacours enden immer an bestimmten Punkten, die nummeriert sind, ein ausgefeiltes System, das sich als sogenannte Fahrkursübersicht auf dem zentralen Leitrechner
darstellen lässt.
Dank generalstabsmäßiger Planung durch
das Kurtz Ersa-Projektteam „Smart Foundry“,
dazu zählten auch Experten aus der konzerneigenen IT-Abteilung, konnte eine der weltweit
modernsten Handformgießereien ein Jahr und
einen Monat nach dem ersten Spatenstich
Anfang März dieses Jahres in Betrieb gehen.
Seit ungefähr acht Jahren ist im Hause Kurtz
Ersa intensiv diskutiert worden, wie die Handformgießerei des 21. Jahrhunderts aussehen
könnte. Das Hammer Innovation Programm,
kurz HIP, beschäftigte sich mit den Zukunftsfragen am Standort in Hasloch. Auf den Punkt
gebracht lautet die Arbeitsgrundlage: Maschinenbau hat in Deutschland Zukunft und damit
hat auch eine effiziente äußerst flexibel atmende
und produzierende Handformgießerei am
Industriestandort Deutschland eine gute Perspektive. „Es kommt nur darauf an, die internen
Prozesse und Abläufe zukunftsfähig zu organisieren“, weiß Rainer Kurtz. Völlig unaufgeregt
Nach dem Füllen der
Formkästen übernimmt
MARIE den Transport in
die Gießhalle.
Geschäftsführer Graziano
Sammati hat im Leitstand
der Smart Foundry alle
Teilprozesse genau im
Blick.
Klar zu erkennen: der
„schwebende“ Transport in diesem Fall mit LENA durch das Rolltor, das die
Gießhalle von der Abkühl­
halle trennt.
BDG report 02/1513
Titelthema | Report I
hat. Gesunder Pragmatismus, der sich an den
Bedürfnissen der laufenden Gussproduktion
orientiert, ist in Zeiten von Industrie 4.0 schlussendlich auch weiterhin gefragt. Die Steuerung
des gesamten Produktionsprozesses läuft über
das Herzstück, über das Logistiksystem – ohne
Papier! Unmittelbare arbeitsgangbezogene
Informationen gibt es weiterhin auf Papier – das
ist die aktuelle Trennlinie, die sich in der Smart
Foundry in Hasloch derzeit bewährt hat.
Die automatisierten Logistikprozesse sind
dabei nur ein Schritt in einem übergeordneten
Innovationsprozess, der in Richtung Industrie
4.0 weist. Dass unter der Federführung von
Graziano Sammati die Smart Foundry Gestalt
annehmen konnte, hat auch etwas mit der
Innovationstradition und der Vision des kleinen
Konzerns Kurtz Ersa zu tun. Im Team will man
dort gemeinsam die Zukunft gestalten, und
zwar so, dass die Produktivität in der Fertigung
nahezu verdoppelt werden konnte und zudem
die Qualität der Arbeitsplätze um ein Vielfaches
zugenommen hat.
Neue Maßstäbe gesetzt
Durch die entkoppelten
Produktionsprozesse
konnte das Klima in den
einzelnen Abteilungen
spürbar verbessert wer­
den.
plaudert der Kurtz-Chef über den Werdegang
der Smart Foundry. Der CEO der Kurtz Holding
ist mit dem Ergebnis zufrieden. „Alles läuft bisher nach Plan“, so sein knapper Kommentar.
Man braucht schon etwas mehr als einen
Moment, um die gesamte Komplexität und die
volle Dimension des Projektes Smart Foundry
zu durchdringen. Doch die Beschäftigung mit
den ausgeklügelten Details, die das HIP-Team
in die Praxis umgesetzt hat, lohnt sich. Wie ein
Puzzle fügt sich ein Teil zum anderen. Die enge
Verzahnung der Teilprozesse ist ein Schlüssel
zum Erfolg der gesamten Smart Foundry. Halten wir fest: Es geht um eine effektive Verkopplung von SAP-System, ausgefeilter Transportlogistik, Schmelzbetrieb und den übrigen angedockten Produktionsabläufen wie kontrolliertes
Ausleeren der Formkästen, Rohgussnachbearbeitung bis hin zum Versand der Gussteile. Die
Formulierung „alles aus einem Guss“ gewinnt
mit der neuen Kurtz-Eisengießerei eine neue
Qualität und Bedeutung.
Nichts läuft ohne Software
Ganz ohne Begleitpapiere
läuft die Gussproduktion
in Hasloch noch nicht.
Man wird sehen, wie es in
einigen Jahren aussieht.
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BDG report 02/15
Über einen zentralen Leitstand, der den kompletten Produktionsprozess einschließlich
sämtlicher Prozessbestandteile abbildet, wird
die Smart Foundry gesteuert und kontrolliert.
„Wir haben durch die Kombination der Einzel-
elemente eine extrem flexible Prozesskette
erhalten, in der manuelle Fertigungsschritte wie
das Füllen der Formkästen mit einem automatisierten Logistiksystem optimal kombiniert
werden können“, erklärt Geschäftsführer Sammati. Der Leitstand ist mit acht Monitoren
bestückt, jeder einzelne liefert kontinuierlich
Prozessdaten, die optimale Durchlaufzeiten
ermöglichen. Links oben auf dem Monitor ist
die Visualisierung der einzelnen Plätze des
fahrerlos gesteuerten Transportsystems
erkennbar. Auf dem dritten Monitor in der oberen Reihe erfährt Geschäftsführer Sammati auf
einen Blick, wie der Zustand der Schmelzöfen
ist und wie es um das Feuerfestmaterial bestellt
ist. Auch die einzelnen Arbeitsaufträge werden
elektronisch an die Fertigung übermittelt.
„Noch sind wir nicht ganz weg vom Papier
gekommen. Auftragsbezogen am Arbeitsplatz
wird es auch mittelfristig noch Begleitpapiere
geben“, ist sich Sammati sicher. Die Frage, welche Kernstütze der Mitarbeiter verwenden soll,
wird also in absehbarer Zeit noch klassisch mit
Begleitpapieren und Zetteln geregelt. „Kann
sein, dass irgendwann mal jeder in der Produktion mit einem iPad herumläuft“, orakelt Sammati. Aktuell sei man davon jedenfalls noch weit
entfernt. Fakt ist: In der augenblicklichen Ausbauphase der Smart Foundry gibt es eine klare
Trennung, die sich bisher auch bezahlt gemacht
So ganz nebenbei setzt die erste Ausbaustufe
der „Gießerei 4.0 made by Kurtz Ersa“ noch neue
Maßstäbe in Sachen Arbeitsschutz. Beispiel: die
neue Gießhalle. Dort, wo heute in schöner
Regelmäßigkeit tonnenschwere Maschinenbauteile wie Maschinenbetten oder Pumpengehäuse abgegossen werden, befand sich früher die Altsandaufbereitung. Heute ist die
Gießhalle durch Rolltore vom Schmelzbetrieb
und von der Auskühlhalle getrennt. Die Entkoppelung der einzelnen Arbeitsbereiche hat
sich positiv auf die Betriebsabläufe ausgewirkt.
Gleichzeitig ist modernste Absaugtechnik in
der Gießhalle verbaut worden. „Dadurch hat
sich das Arbeitsklima in der Gießhalle spürbar
verbessert“, weiß Rainer Kurtz. Unterm Strich
zählt für die 120 Mitarbeiter in Hasloch nur das
Ergebnis, und das lautet: Die Gesundheitsbelastung für den Einzelnen ist erheblich reduziert
worden, die Emissionsbelastungen konnten
drastisch gesenkt werden, Hitze und räumliche
Enge gehören im weitesten Sinne der Vergangenheit an. Durch die intelligente Steuerung
und Taktung der Gussproduktion werden
Schmelzen in höchster Qualität termingerecht
zur Verfügung gestellt.
Ob Formerei, Gießhalle, Auskühlbereich
oder Auspackhalle: Alle Teilsegmente sind als
separate entkoppelte Produktionseinheiten
organisiert. Wie das in der Praxis funktioniert,
sieht man gerade im hinteren Teil der Abkühlhalle. LENA schiebt sich vorne links unter ein
I N F O : Der Kurtz Ersa-Konzern ist ein Traditionsunter­
nehmen in Familienbesitz. 1779 als Hammerschmiede in
Hasloch gegründet und 1852 um eine Eisengießerei erwei­
tert, hat sich das Unternehmen im Lauf von über 235 Jah­
ren zu einem international agierenden Hightech- und
Zulieferkonzern entwickelt. Das Produkt- und Leistungs­
spektrum umfasst die Business-Segmente „Electronics
Production Equipment“, „Metal Components“ und „Moul­
ding Machines“.
Mit der Marke Ersa aus Wertheim bietet das Unterneh­
men Komplettlösungen für die Elektronikfertigung und
das weltweit umfassendste Leistungsspektrum an Schablonendruckern, Lötmaschinen, Handlötwerkzeugen und
Reworksystemen unter einem Firmendach. Unter der
Marke Kurtz baut und vermarktet die Kurtz GmbH erfolg­
reich Maschinen zur Verarbeitung von Partikelschäumen
und Gießereimaschinen. Mit der SMART FOUNDRY betreibt
die Kurtz Eisenguss GmbH & Co. KG die wohl weltweit
modernste Handformgießerei, in der im Kundenauftrag
Gussteile aus Eisen gefertigt werden – in erstklassiger
Qualität und mit überzeugender Lieferperformance. Das
Angebot wird komplettiert durch die MBW Metallbearbei­
tung Wertheim GmbH, die anspruchsvolle Blechbaugrup­
pen an zwei Standorten fertigt.
Der Kurtz Ersa-Konzern beschäftigt weltweit rund 1150
Mitarbeiter und hat 2014 einen Umsatz von 203 Mio. Euro
erzielt. Das Unternehmen ist dort tätig, wo in den wesent­
lichen Wertschöpfungsketten im Drittvergleich Topleistungen erbracht werden können. Daher ist man in vielen
Bereichen Technologie- bzw. Weltmarktführer.
Weitere Informationen: www.kurtzersa.de
www.smart-foundry.de
Transportgestell, das Rolltor zwischen Abkühlund Auspackhalle ist geschlossen. Dahinter wird
das Gussteil vom Restsand befreit. Sämtliche
dynamischen Vorgänge, die über das mannlose
Transportsystem abgewickelt werden, unterliegen der Feinsteuerung des Logistiksystems.
„Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass
wir ein vernetztes System im Sinne von Industrie 4.0 geschaffen haben“, sagt Rainer Kurtz.
Im selben Moment ist TINA schon wieder weitergefahren, dreht sich, bringt sich erneut in
BDG report 02/1515
Titelthema | Report I
„DIE SMART FOUNDRY ERMÖGLICHT EINE FLEXIBLE
PROZESSKETTE, IN DER MANUELLE FERTIGUNGSSCHRITTE UND AUTOMATISIERTES LOGISTIKSYSTEM
OPTIMAL KOMBINIERBAR SIND.“
„Wenn wir investieren,
dann müssen wir die modernste
Handformerei der Welt werden!“
Rainer Kurtz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kurtz Holding GmbH &
Co. KG, Kreuzwertheim, im Gespräch mit dem BDG report.
Im Bild klar zu erkennen:
die Interaktion zwischen
Mensch und Maschine
funktioniert reibungslos.
In der Ausleerhalle sind im
Zuge der Planung der
Smart Foundry mit einer
optimierten Sandgenerie­
rung neue Maßstäbe
gesetzt worden.
Position und schwebt wie ein Hovercraft-Vehikel an das andere Ende der Halle, während
gleichzeitig EMMA zwei Formkästen aus der
Formerei abholt und in Richtung Gießhalle
dahinsurrt. It‘s a kind of magic, frei nach dem
Songtext von Queen, könnte man an Magie
glauben, wenn man es nicht besser wüsste.
TINAs Fracht wird zum Abkühlen abgestellt,
und ab diesem Zeitpunkt beginnt die in SAP
eingestellte, programmierte Abkühlzeit zu laufen. Man könnte auch sagen, im gesamten fließenden Prozess ticken die digitalen Uhren eben
anders als in einer herkömmlichen, vergleichbaren Handformgießerei. Erst dann, wenn die
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vorgegebene Abkühlzeit abgelaufen ist, erst
dann und nicht vorher, übergibt das SAPgesteuerte System einen Befehl an das fahrerlose Logistiksystem zur Übernahme des abgekühlten Formkastens und zur Weiterfahrt Richtung Auspackhalle. Kann sein, dass dann EMMA
oder MARIE oder LENA und nicht unbedingt
TINA den Weitertransport übernehmen. Das
spielt im Ergebnis aber überhaupt keine Rolle,
denn letztlich sagt das Gussteil dem Mann am
Leitstand, wo es steckt und in welchem Zustand
es sich befindet.
Gießerei-Industrie 4.0 heißt für Kurtz Ersa,
man setzt noch stärker als bisher auf den
Dienstleistungsgedanken in der Wertschöpfungskette seiner Kunden. Damit ist letztlich
auch eine getaktete durchgängige Gussproduktion über SAP R3 verbunden, die über das
innerbetriebliche schienenlose Transportsystem abgewickelt wird. „Wir bringen so die Arbeit
zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen
Arbeitsplatz“, erklärt Graziano Sammati, und
wirft noch einmal einen letzten prüfenden Blick
auf die Monitore des Leitstandes. Sammati ist
zufrieden, die Systeme laufen – störungsfrei
und reibungslos!
Wie ist es überhaupt zu diesem Projekt Smart Foundry
gekommen?
Wir hatten am Anfang nicht unbedingt vor, ein Projekt Smart
Foundry oder Industrie 4.0 zu machen. An diesem Standort
in Eisenhammer betreiben wir seit 1852 eine Eisengießerei.
Wir mussten vor ein paar Jahren eine grundsätzliche Entscheidung treffen, was wir mit der Gießerei in Zukunft machen
werden. Es gab drei Möglichkeiten: Wir hätten die Gießerei
verkaufen können, wir hätten sie zumachen können oder wir
investieren und machen sie fit für die Zukunft. Wir haben alle
drei Alternativen durchgespielt, denn wir standen in der Tat
vor der Alternative dichtmachen oder kräftig investieren.
einen nahezu idealen Materialfluss realisieren konnten, ist
das wichtigste Ergebnis der Umsetzung unserer Pläne. Wir
haben physisch etwas geschaffen, was wir auf der grünen
Wiese auch nicht besser hätten schaffen können – unter
Nutzung möglichst vieler bestehender Gebäude und Einrichtungen. Als speziell smart bezeichne ich, dass wir die Fertigungsfläche konsequent segmentiert haben. Im Ergebnis
haben wir ganz klar die Arbeit zu den Mitarbeitern gebracht.
Es gibt ja im Handformguss Tätigkeiten, da braucht es gute
und sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Die Fähigkeit der Menschen kombiniert mit der Just-in-time-Philosophie der Smart
Foundry, also die Arbeit dort hinzubringen, wo sie sofort
stattfinden und erledigt werden kann, das ist ohne Zweifel
smart. Nach getaner Arbeit wird der Job, zum Beispiel die
abgegossene Form, abgeholt und der nächste Job, der
ansteht, wird quasi automatisch dort wieder hingebracht.
Das würde ich ebenfalls als besonders smart bezeichnen.
Warum haben Sie sich entschieden, zu investieren?
Aus Traditionsgründen haben wir die Entscheidung getroffen,
ein Investitionsvorhaben in zweistelliger Millionenhöhe aus
der Taufe zu heben. Wir haben uns auch unseren Mitarbeitern
gegenüber verpflichtet gefühlt, den Standort Hasloch zu
retten, zu erhalten. Sie wissen selber, Gussproduktion ist ein
schwieriges Geschäft am Industriestandort Deutschland.
Hohe Löhne, hohe Energiekosten und dann auch noch personalintensiver Handformguss. Nach reiflicher Überlegung
haben wir gesagt, wenn wir investieren, dann müssen wir die
modernste Handformerei der Welt werden. Das Ziel war von
allen Beteiligten klar definiert worden. Und daraus ergab sich
zwangsläufig, dass wir uns mit dem Thema Industrie 4.0
beschäftigt haben.
Das Ergebnis kann sich heute sehen lassen. Hasloch entwickelt sich zum deutschen Mekka der Handformgießer. Wer
sich mit dem Thema Gießerei-Industrie 4.0 beschäftigt, der
pilgert nach Hasloch. Was ist so besonders smart an dieser
Gießerei?
Das Smarte ist sicher das spezielle Layout der Fabrik. Wir
haben eine bestehende Gießerei mehr oder weniger systematisch entkernt. Und gleichzeitig haben wir versucht, möglichst viel von dem alten Bestand zu belassen, um die Investitionskosten im Rahmen zu halten. Dass wir aber trotzdem
Auf den Punkt gebracht: Was unterscheidet die Smart
Foundry von anderen Handformgießereien aus Ihrer Sicht?
In herkömmlichen Handformgießereien hat man im Regelfall
viele Tätigkeiten, die mit Kranen erledigt werden. Und diese
Krane kommen sich dann häufig ins Gehege, wenn man von
A nach B will. Wenn man dazwischen eine krangebundene
Tätigkeit hat, dann entstehen Wartezeiten, die unnötig,
unproduktiv und nicht wertschöpfend sind.
Der Medienrummel rund um das Projekt Smart Foundry hat
sich ein wenig gelegt. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
Es ist ruhiger geworden. Aber viele Gießerkollegen wollen
sich unsere Produktion live ansehen. Unterm Strich haben
wir mit unserem Projekt Smart Foundry einen Beitrag dazu
leisten können, dass in der Gießereibranche nun auch über
das Thema Industrie 4.0 intensiver diskutiert wird. Die anderen Unternehmen bekommen nun einen Eindruck davon, wie
Gießerei-Industrie 4.0 in der Praxis, in unserer deutschen
Gießereibranche aussehen könnte.
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