Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de 1. Kapitel: Der Anfang allen Übels ist Tomatensuppe Das Übel in Gestalt der 13-Dinge-Liste ereilt mich an einem Freitag, dem 13. Ja, ich weiß, das ist voll das Klischee, aber so ist es nun mal. Alles hat damit angefangen, dass ich mich in der Speisekammer der Schulküche versteckt habe. Stellt euch also vor, wie ich dort stehe und auf Zehenspitzen durch das Glasfenster in der Tür luge. In der Hand halte ich mein Multifunktionshandy und flüstere meine Gedanken hinein. Das Teil kann nämlich auch aufnehmen. Echt praktisch. Und ich kann damit filmen, was in der Küche alles passiert. Ich halte das Handy also an das Glasfenster und drücke den Aufnahmeknopf. Mein Anhänger mit dem Engelchen und Teufelchen baumelt hin und her und kann mal wieder die Klappe nicht halten. (Fragt lieber nicht. Das Teil redet mit mir, seit meine allerbeste Freundin Miri es mir geschenkt hat. Allerdings kann nur ich die Stimmen hören. Also erzählt bloß niemandem davon, sonst hält man mich noch für völlig gaga.) Teufelchen: Hm, lecker, wie der Koch sich in der Nase bohrt. Hey, gib Bescheid, wenn du oben angekommen bist! Engelchen: Oh, wie eklig. Jetzt mischt er doch tatsächlich den Salat. Ohne sich vorher die Hände zu waschen. Vermutlich verteilt er den Popel jetzt übers ganze Essen. Bäh! Teufelchen: Ach stell dich nicht so an, du Weichengel, Dreck reinigt den Magen. Ich heiße übrigens Nele und habe den Auftrag, einen Bericht über das miese Kantinenessen für unsere Online-Schülerzeitung zu schreiben. Für verdeckte Reportagen bin ich super geeignet, weil ich so extrem unauffällig bin. Ich bin weder dick noch dünn, trage stinknormale Jeans und T-Shirts und den Farbton meiner Haare könnte man als unauffälliges Schokoladenpuddingbraun bezeichnen, wenn man nett ist. Weniger nette Leute – wie mein nerviger kleiner Bruder – sagen dazu matschbraun. Nur damit ich mich ärgere. Was mich auch ärgert, Seite 1 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de ist die Tatsache, dass ich recht klein für meine zwölf Jahre bin. Meine Freundin Miri überragt mich locker um einen Kopf. Gut, sie ist auch schon dreizehn. Sie hatte vor ein paar Tagen Geburtstag. Seitdem reibt sie mir ihren neu erworbenen Teenagerstatus ständig unter die Nase und tut so, als hätte sie die Queen persönlich in den Adelsstand erhoben. Aber lang kann sie mir nicht mehr damit kommen. In genau drei Wochen und drei Tagen steige ich ebenfalls vom Kind zum Jugendlichen auf. Dann hab auch ich die magische Dreizehn erreicht. Die Abergläubischen unter uns könnten jetzt meinen, dass die Dreizehn in Kombination mit meinem Tollpatschgen nichts Gutes verheißt. Aber zum Glück ist es ja nur eine Zahl. Völlig bedeutungslos und nichts Besonderes. Man muss trotzdem weiter zur Schule gehen, wo man sich über die gleichen Korknasen ärgern kann, darf abends immer noch nicht länger wegbleiben und auch sonst ändert sich nicht viel – außer der Kleidergröße vielleicht. Wie’s ausschaut, darf ich auf den berühmt berüchtigten Wachstumsschub allerdings wohl noch ne Weile warten. In jeder Hinsicht, seufz, vor allem auch oben rum. Mein Kleinsein hat allerdings auch Vorteile. In der Menge gehe ich leicht unter und ich passe bequem in Speisekammern rein. Was echt nützlich für meine zukünftige Karriere als Reporterin ist. Tja, und als gründliche Reporterin will ich natürlich genau rausfinden, warum sie uns in diesem Luxusrestaurant, das sich Schulkantine nennt, so einen Fraß vorsetzen. Warum man den Kartoffelbrei auch gut als Tapetenkleister verwenden kann, weiß ich inzwischen. Die nehmen tatsächlich Fertigpulver und davon reichlich. Von wegen selbst gekocht. Haha! Mein Artikel wird ein echter Enthüllungsbericht werden. Vor Freude führe ich meinen kleinen Siegertanz auf: Hände hochheben und den Po im Takt zu „Oh yeah, oh yeah“ schwingen. Zum Abschluss drehe ich noch eine Pirouette. Böser Fehler! Denn ich komme aus dem Gleichgewicht und falle in einen Stapel Kartoffelsäcke (mal so nebenbei – wozu stehen hier eigentlich Kartoffeln rum, wenn der Kartoffelbrei aus der Tüte kommt? Da bin ich wohl einer Seite 2 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de ganz heißen Sache auf der Spur). Die Säcke fallen natürlich prompt um. Holter-di-polter-di-polter rumpelt es. Na prima! Ob man das gehört hat? Die Antwort auf diese Frage erhalte ich einen Herzschlag später. Die Tür zur Speisekammer fliegt auf und der dicke Koch steht vor mir. Ich versuche noch, mich hinter Dosen und Blumenkohl zu verstecken. Allerdings bin ich zwischen all dem Gemüse ungefähr so unauffällig wie ein Maulwurfshügel in einem gepflegten englischen Rasen. !Achtung Peinlichkeitsfalle! Bei verdeckten Ermittlungen in Speisekammern unbedingt ein Brokkolikostüm tragen. Der Koch bekommt einen hochroten Kopf und ich fürchte schon, ihm kommt gleich Dampf aus den Ohren. Er fährt den Zeigefinger aus wie ein Klappmesser und fuchtelt mir damit vor der Nase rum. Vielleicht hat er vor, bei mir weiterzupopeln. „Du! Was hast du hier verloren?“, kreischt er in höchsten Tönen und ich mache mir Sorgen um mein Trommelfell. „Ich … äh … nix“, stottere ich. „Ich bin neu hier und hab mich verlaufen.“ Hinter meinem Rücken kreuze ich die Finger. Engelchen: Oh nein, sie hat gelogen. Dafür wird sie bestimmt bei deinem Vater in der Hölle auf dem Grill braten. Teufelchen: Ey, du alter Übertreiber. Niemand wird hier braten. Mein Vater ist Setarier. Engelchen: Was soll das denn sein? Teufelchen: Na, er futtert nur Seelen und die meist ungeröstet. Das ist viel bekömmlicher. Engelchen: Oh Gott! Mir wird übel. Mir wird übel, denke ich, denn der Koch packt mich mit seiner Rotzehand am Arm und zieht mich aus der Speisekammer. Zum Glück hat er nicht den Arm erwischt, in der ich das Handy mit den Beweisfotos für seine Betrügereien halte. Den lasse ich vorsorglich mal auf dem Rücken. Seite 3 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de „Verlaufen? Soso.“ Er mustert mich mit strenger Miene. „Na, dann zeig ich dir mal den Weg zum Direktor.“ Er zieht mich hinter sich her und hält mir einen Vortrag über Kinder, die sich der Hygienevorschriften wegen nicht in der Küche aufhalten dürfen und blah und blubb. Hygiene, dass ich nicht lache. Sagt ausgerechnet der Mann, der seinen Salat mit Popel würzt. Inzwischen sind wir in der Mensa angekommen und alle Augen richten sich auf uns. Manche recken sogar die Hälse, um besser sehen zu können, und grinsen, als wir an ihnen vorbeikommen. Kein Wunder, denn der Koch zieht mich ja auch wie der Schlepplift einen Skifahrer hinter sich her. „Gut, ein Besuch beim Direx ist mir recht“, erwidere ich und stemme beide Beine fest in den Boden, denn allmählich geht mir das Geziehe auf den Keks. „Dann kann er gleich erfahren, wie ernst Sie es mit der Hygiene nehmen.“ In meiner Aufregung fuchtele ich unklugerweise mit dem Handy vor seiner Nase rum. „Was hast du da? Gib das sofort her!“, schreit er mich an. Darauf entbrennt ein wilder Kampf zwischen uns. Er versucht, das Handy in die Finger zu bekommen und ich zappele und winde mich, um das zu verhindern. Denn der Fertigkartoffelbreianrührer hält mich immer noch am Arm fest. Im Eifer des Gefechts fluppt mir das Handy allerdings aus der Hand wie ein Stück Seife. Ich schaue nach oben. Unglaublich, wie weit so ein Teil fliegen kann. Gleich darauf höre ich es platschen. Oh nein! Wenn du denkst, es könnte nicht schlimmer kommen, setzt die Schicksalsgöttin garantiert noch einen drauf. Mein Handy ist elegant in einem Teller Tomatensuppe gelandet. Die Suppe hat sich in blutroten Spritzern auf der schneeweißen Bluse der Palme verteilt. Die Palme ist unsere Englisch- und Sportlehrerin Frau Palmers. Wir nennen sie so, weil ihre Haare irgendwie wischmoppartig abstehen wie die Blätter einer Palme. Ihre Wutanfälle sind in der ganzen Schule gefürchtet. Mit Sorge betrachte ich daher, wie ihr Kopf dieselbe Farbe annimmt wie ihre Suppe. „Nele!“, brüllt Frau Palmers. „Was zum Teufel soll das?“ Seite 4 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de Tja, das wüsste ich allerdings auch gern. Warum nur ziehe ich das Pech an wie ein Kuhfladen die Schmeißfliegen. Und jetzt kommt mir nicht damit, dass das an meiner matschbraunen Haarfarbe liegt. Ha-ha! „Die da hat bei mir in der Küche spioniert“, plappert der Koch eifrig. Die alte Petze! Die Palme tupft derweil mit der Serviette hektisch auf ihrer Bluse herum. Sie sieht aus, als hätte sie gleich einen Auftritt in einem Horrorfilm. Selbst auf ihrer Stirn und ihren Wangen entdecke ich ketchuprote Flecken. Hinter uns wird gekichert. Klar, so eine Sensationsvorstellung bekommen meine lieben Mitschüler auch nicht jeden Tag geboten. Hoffentlich gibt das keinen blauen Brief an meine Eltern. In der Menge entdecke ich Miris schwarze Stachelfrisur. Sie kämpft sich nach vorne und wirft mir einen mitleidigen Blick zu. Tapfer lächle ich zurück. Und verziehe gleich darauf schmerzhaft das Gesicht. Denn direkt hinter ihr stehen Eric und Finn. Ausgerechnet Finn! Der tollste Junge der Schule, Basketballstar und mein heimlicher Schwarm. Er deutet auf mich und lacht sich krumm. Tja, freu dich, Nele, sage ich mir mit Galgenhumor, jetzt nimmt er dich wenigstens mal wahr. Insgeheim bete ich, dass sich die Erde auftut und mich verschluckt. Zu allem Unglück streckt mir jetzt Eric auch noch den Daumen hoch und zwinkert mir zu. Wir kennen uns schon ewig. Eric wohnt bei uns nebenan, ist zwei Jahre älter als ich und fast so was wie ein älterer Bruder für mich. Und ebenfalls im Basketballteam. Außerdem ist er in derselben Klasse wie Finn. Jetzt dreht sich Finn zu ihm um und redet auf ihn ein. Vermutlich fragt er ihn, ob er mich kennt. Ja, jetzt nickt Eric und antwortet etwas. Toll! Super! Meine Chancen bei Finn habe ich damit wohl bis in alle Ewigkeit versemmelt. Der will bestimmt keine Lachnummer wie mich zur Freundin. Ich seufze abgrundtief. Und als hätte ich nicht schon genug gelitten, macht jetzt auch der Breipanscher wieder Stress. „Ich verlange, dass dieses Mädchen einen Verweis erhält“, Seite 5 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de giftet er. „Sie hat meine ganze Küche in Unordnung gebracht.“ „Ich habe ihre Küche nicht in Unordnung gebracht. Ich ermittle für die Schülerzeitung in Sachen Körperverletzung durch mieses Essen.“ Ob ich das allerdings jetzt noch beweisen kann, wissen nur die Sterne. Schließlich ist mein Handy in der Suppe baden gegangen. „Also das ist doch, das ist doch … so eine Unverschämtheit“, empört sich der Koch und fuchtelt wild mit den Händen. Die Palme hat das Herumfuchteln mit der Serviette inzwischen eingestellt. „Nele, diese Frechheit hat ein Nachspiel“, sagt sie. „Folge mir unverzüglich zum Direktor.“ Zum Schmierschürzenkoch gewandt meint sie: „Keine Sorge, Herr Kortes, ich kümmere mich um die Angelegenheit.“ Mit gesenktem Kopf folge ich der Palme aus der Mensa. Vorher fische ich noch mein Handy aus ihrem Teller. Dummerweise sorgt das für weiteres Gekicher auf den Zuschauerbänken. Denn jetzt ziehe ich eine blutrote Tropfspur hinter mir her. Oh Mann, schlimmer kann es nun wirklich nicht mehr kommen, denke ich. Tja, was soll ich sagen – ich habe mich gründlich getäuscht! !Achtung Peinlichkeitsfalle! Handys und andere NFOs (nicht flugfähige Objekte) möglichst am Handgelenk festbinden, wenn sie nicht versehentlich zu Wurfgeräten werden sollen. 2. Kapitel: Ein Übel kommt selten allein Bedrückt stapfe ich also hinter der Palme her zum Büro des Direx. Und dort wartet gleich die nächste Überraschung auf mich. Vor dem Schreibtisch sitzt Sandra, die Chefredakteurin der Schülerzeitung. Sie blickt wie ich ziemlich bedröppelt drein. Oh nein! Hat sie etwa schon von dem Zwischenfall in der Mensa erfahren? Wird sie mich jetzt aus dem Team werfen? Das wäre eine Katastrophe. Aber eigentlich kann das ja nicht sein. Dann müsste Sandra über hellseherische Fähigkeiten verfügen. Die Stimme der Palme reißt mich aus meinen Gedanken. „Ah, wunderbar. Das trifft sich gut, dass du auch hier bist, Seite 6 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de Sandra“, sagt sie. Und zum Direx gewandt: „Herr Kowatzki, wir müssen dringend über die Schülerzeitung sprechen. Sie hat meine Bluse ruiniert.“ „Die Zeitung?“, fragt der Direx verwirrt und mustert Frau Palmers von oben bis unten. Sie sieht immer noch aus, als hätte sie mit einer Ketchupflasche gekämpft und verloren. „Nein, natürlich nicht die Zeitung, sondern Nele“, erwidert sie. „Dieses Mal hat sie sich in die Küche geschlichen, angeblich weil sie dort ermitteln wollte. Ja, sind wir hier denn bei der Kripo?! Diese Zeitung verleitet die Kinder zu den wildesten Aktionen. Das geht so nicht weiter! Ich verlange die sofortige Abschaffung! Das Geld könnten wir für mein Basketballteam viel besser gebrauchen. Wir benötigen neue Trikots und Bälle. Außerdem müssen die Körbe und die Halle für die nächsten Meisterschaften hergerichtet werden.“ Waaaaaaass?!! Die tickt ja wohl völlig aus. Die Zeitung abschaffen wegen so ein paar blöder Trikots – geht’s noch?! Sandra schaut mich mit großen Augen an. „Was hast du jetzt wieder angestellt?“, zischt sie mir zu. Ich zucke nur mit den Schultern. Von wegen „jetzt wieder“. Als ob mir ständig solche Missgeschicke passieren würden. Also echt! Ich konnte schließlich nichts dafür, dass ich beim Bericht über das Schulkonzert die Notenständer von der Bühne gefegt habe. Irgendwer muss die einfach hinter mich gestellt haben. Hinten habe ich schließlich keine Augen. Und dass ich beim Versuch, herauszufinden, wer heimlich die Klos verschandelt, die ganze Toilette geflutet habe, dafür kann ich auch nichts. Das war ein Unfall! Ehrlich. Ich bin vom Toilettenrand abgerutscht. Dabei habe ich festgestellt, dass ich einen Hummelhintern habe, der mich im Klo nach unten zieht, wenn ich mit dem Kopf auf der Spülung liege. Dass daraufhin das Wasserrohr abgerissen ist, an dem ich mich festhalten wollte, um mich rauszuziehen, ist auch nicht meine Schuld. Das ist ja wohl ganz klar ein Konstruktionsfehler. Ich schenke Sandra einen finsteren Blick und schaue zum Direx. Seite 7 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de „Darüber habe ich gerade mit Sandra gesprochen“, sagt der Direx zur Palme. „Die Gelder, die uns zur Verfügung stehen, sind einfach zu knapp, um beides zu finanzieren. Wenn uns keine Lösung einfällt, werden wir die Schülerzeitung einstellen müssen.“ „Warum denn ausgerechnet die Schülerzeitung?“, frage ich entrüstet. Ich schäume vor Wut. „Das blöde Basketballteam kann doch auch mal zurückstecken. Wozu brauchen die überhaupt neue Trikots und Bälle? Haben sie die alten verloren?“ „Mäßige dich, Nele. Das Basketballteam hat es in die Kreisliga geschafft und macht die Schule im ganzen Umkreis bekannt. Die Leserzahlen der Schülerzeitung dagegen haben in letzter Zeit stark abgenommen. Ich hab mir erst kürzlich die Webseitenstatistik angesehen. Euer Onlineportal wurde letzten Monat nur 57-mal besucht. Davor sieht es nicht viel besser aus. Offenbar besteht kein Interesse an euren Berichten. Außerdem bringt das Basketballteam der Schule einfach mehr Renommee.“ Pft – Renommee. Was soll das denn sein? Genervt verdrehe ich die Augen. Wozu braucht denn eine Schule Renommee? Da Sandra weiterhin beharrlich schweigt, muss ich mich eben für die Schülerzeitung einsetzen. Mir ist da nämlich ein Gedanke gekommen. „Die Zeitung kann der Schule ganz bestimmt genauso viel Renommee einbringen“, sage ich. „Ach ja? Und wie?“, fragt die Palme. „Meine Mannschaft hat zahlreiche Pokale gewonnen. Im Gegensatz zu euch.“ Alle Augen richten sich auf mich. „Also“, setze ich an. „Da gibt es diesen landesweiten Wettbewerb für Schülerzeitungen. Wenn wir den gewinnen, wird über uns sogar im Fernsehen berichtet. Na, wenn das kein Renommee für die Schule ist und die Leserzahl würde dadurch sicher auch wieder steigen“, sage ich. Der Direx schaut Sandra fragend an. „Stimmt das?“ Na, also ehrlich. Als würde ich lügen. Sandra nickt. „Ja, eine Jury aus bekannten Zeitungsredakteuren Seite 8 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de vergibt den Preis. Bewerbungsschluss ist nächsten Monat. Wir hatten vor, mitzumachen.“ „Bitte bitte, geben Sie uns doch eine Chance“, sage ich und setze meinen flehendsten Hundeblick auf. „Wie viele Redaktionen werden wohl mitmachen? Hundert? Mehr? Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr gewinnt, ist ziemlich gering“, sagt die Palme. „Das wäre Zeit- und Geldverschwendung. Geld, das wir für die Erneuerung der Schulsportausrüstung dringender brauchen.“ „Von wegen. Unsere Chancen stehen topp. Wir haben einen Knallerbericht“, erwidere ich heftig. „Wollen Sie sich wirklich die Chance entgehen lassen, dass das Fernsehen über unsere Schule berichtet?“ Ich hole tief Luft, werfe der Palme einen Seitenblick zu und sage nicht ohne Schadenfreude: „Wie wahrscheinlich ist es, dass über das Basketballteam im Fernsehen berichtet wird? Außerdem sind die Meisterschaften erst in drei Monaten.“ Das weiß ich von Eric. Der Direx schaut von einem zum anderen. „Tja, ein Fernsehbericht wäre natürlich schon eine gute Werbung für unsere Schule“, meint er zögernd. Die Palme schnaubt. „Ja“, stimme ich ihm rasch zu. „Bestimmt bekommen wir dann auch Sponsoren.“ „Nun, mit Sponsorengeldern könnten wir die Schülerzeitung natürlich weiter betreiben“, sagt der Direx. „Also gut. Bis der Wettbewerb vorbei ist, bleibt alles beim Alten. Danach werde ich entscheiden.“ „Aber zumindest eine Strafe werden sie Nele doch wohl geben? Sie hat sich immerhin verbotenerweise in die Küche geschlichen und anschließend meine beste Bluse ruiniert.“ Boah, muss die Palme jetzt damit anfangen?! Ich hatte schon gehofft, der Suppenzwischenfall sei vergessen. Zerknirscht schaue ich den Direx an. „Verbieten Sie Nele die Mitarbeit in der Schülerzeitung. Das Kind stiftet dort nur Chaos“, fordert die Palme den Direx auf. Seite 9 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de Der schaut fragend zu Sandra. „Naja, Nele hat uns überhaupt erst von dem Wettbewerb erzählt“, sagt sie. „Außerdem kann ich für den Wettbewerb auf kein Redaktionsmitglied verzichten.“ Uff, habt ihr es plumpsen gehört? Mir ist ein ganz dicker Steinbrocken vom Herz gefallen. Sandra ist ein echter Schatz. „Nun ja“, sagt der Direx. „Das leuchtet mir ein. Nele, du wirst dich in Zukunft von der Schulküche fernhalten und außerdem erwarte ich von dir, dass du die Reinigungskosten für Frau Palmers Bluse übernimmst. Ich werde einen Brief an deine Eltern schreiben.“ Damit muss sich auch die Palme zufriedengeben. Mit verkniffener Miene verlässt sie das Büro. Sandra und ich bedanken uns noch artig beim Direx, dann gehen wir auch. !Achtung Peinlichkeitsfalle! Direktoratssekretärinnen lassen sich nicht bestechen. Auch nicht mit Nugatpralinen. Esst die lieber selbst. Mit Schokolade im Magen lässt sich auch jede Strafpredigt leichter ertragen! Seite 10 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de 3. Kapitel: Schlimmer geht immer „Hey, danke, dass du dich für mich eingesetzt hast“, sage ich zu Sandra, während wir den Flur entlanglaufen. „Ist doch selbstverständlich. Wir müssen jetzt zusammenhalten. Aber sag mal, warum war die Palme so rot?“ „Ach, die hat ne Tomatenkur gemacht. War ein Unfall.“ „Oh je, ich will’s lieber gar nicht so genau wissen. Deine Unfälle kenn ich“, antwortet Sandra. „Los beeil dich, wir kommen zu spät zur Redaktionssitzung.“ Kurz darauf laufen wir in unserer Redaktion ein. Das Zimmer ist zwar klein, aber dafür urgemütlich. Vier Tische mit Computern stehen im ganzen Raum verteilt und es riecht hier immer so wunderbar nach heißem Kakao. Vor dem Fenster haben wir ein altes rotes Sofa aufgestellt, das wir vom Sperrmüll gerettet haben. Die Polster sind zwar schon ein wenig verschlissen, aber immer noch bequem. Auf dem Sofa sitzen schon die anderen Teammitglieder: Miri, sie macht die Fotos und unterhält unsere Leser jede Woche mit einem Comic. Einfach herrlich witzige Karikaturen von Lehrern und Schülern. Dann sind da noch Basti und Timo, die für Sportberichte und Videospieltests zuständig sind. Sie sind echte Computer-Nerds und auch jetzt tippt Timo wieder auf seinem Nintendo herum. Auf dem Stuhl neben ihm hockt, die Beine elegant übereinandergeschlagen, unsere Modekönigin Mona. Sie gibt Schminktipps und schreibt über diesen unnötigen Modequatschkram. Und so schickimicki, wie das klingt, sieht sie auch aus. Enge, schwarze Leggins und darüber ein langes TShirt im – Achtung jetzt kommt's – Color-Blocking-Style. Das heißt, auf dem Shirt sind dicke Streifen in verschiedenen Farben, meist solchen, die in den Augen wehtun. Orange und Lila zum Beispiel. Würg! Dazu trägt sie Klimperohrringe mit rosa Federn, die ihr fast bis auf die Schultern fallen. Sie behauptet, das sei trendy. Ich behaupte, sie leidet an Geschmacksverirrung. Ich quetsche mich zwischen Miri und Basti. Seite 11 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de „Na, wie war’s beim Direx? Bekommst du Ärger?“, fragt Miri. „Tja, meine Eltern bekommen zumindest einen Brief. Aber ich krieg's schon irgendwie gebacken, dass Mam und Paps keinen Stress machen.“ „Hey, klasse Show, Nele.“ Basti klopft mir anerkennend auf die Schulter. Er ist klein und rund und hat Segelohren. „Ja“, meint auch Timo und grinst breit. „Die Palme hat buchstäblich rot gesehen.“ Lässig streckt er seine langen Beine aus. Sandra klatscht in die Hände. „Können wir uns jetzt mal auf die Zeitung konzentrieren“, sagt sie. „Wir haben ein Problem. Wie Ihr wisst, sind unsere Leserzahlen gesunken. Wir haben ja schon darüber geredet, dass wir die Zeitung aufpeppen müssen. Es reicht eben nicht, wenn wir nur Schmink- und Spieletipps bringen und über ein paar Schulveranstaltungen berichten. Wir brauchen Berichte, die mehr Jugendliche interessieren. Allerdings werden wir wohl keine Gelegenheit bekommen, unser neues Konzept auszuprobieren.“ Sandra holt tief Luft. Dabei scheinen die Sommersprossen auf ihrer Nase zu tanzen. „Der Direx will die Zeitung einstellen.“ „Was?!“ „Das kann er doch nicht machen!“ „Was soll das?“ schallt es aus allen Ecken. „Tja“, sagt Sandra. „Das Basketballteam bringt der Schule mehr Ansehen ein als wir.“ Erneut bricht ein Sturm der Empörung los, doch als Sandra in die Hände klatscht werden alle still. „Aber noch können wir die Zeitung retten“, ruft sie. „Ihr wisst ja von dem Schülerzeitungswettbewerb. Wenn wir einen Preis gewinnen, dürfen wir weitermachen.“ „Das schaffen wir doch niemals“, meint Timo skeptisch. Hab ich schon erwähnt, dass ich seine Zuversicht mag? . „Doch“, sage ich. „Ich hab den Knallerbericht. Hier drauf.“ Hektisch tupfe ich mit einem Tempo auf meinem Handy herum. Engelchen: Das wird aber auch Zeit. Ich sehe ja gar nichts vor Seite 12 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de lauter Suppe. Teufelchen: Wohl Tomaten auf den Augen, haha. „Na, so toll wird dein angeblicher Knaller bestimmt nicht sein“, sagt Mona und schüttelt ihre hexenschwarzen Haare. Immer muss die Kuh versuchen, mir eins reinzuwürgen. „Ist es aber“, gebe ich bissig zurück und drücke heftig auf die Handytasten. Zum Glück funktioniert es noch. „Das ist ein echter Enthüllungsbericht. Der Koch verwendet nämlich Fertigbrei statt Kartoffeln. Und die gekauften Kartoffeln verkauft er bestimmt weiter und behält das Geld. Außerdem arbeitet er nicht sehr sauber.“ Ich halte das Handy hoch und spiele das Video ab. Leider kann man nicht viel darauf erkennen, irgendwie ist alles ganz dunkel. Muss wohl von der Suppe eingefärbt sein. So ein Mist! „Tja, sag ich doch“, giftet Mona. „Ist mal wieder ein typischer Nele-Reinfall. Abgesehen davon ist ein Bericht aus der Schulkantine doch voll zum Gähnen.“ Gelangweilt schlägt sie sich mehrmals die Hand vor den weit aufgerissenen Mund. Grrrrr. Allmählich macht sie mich richtig wütend. Doch bevor ich etwas sagen kann, springt Miri schon für mich ein. „Hast du vielleicht eine bessere Idee? Ach nein, durch Nachdenken würdest du dir vielleicht die Frisur vermasseln.“ Mona sieht aus, als wolle sie sich am liebsten auf Miri stürzen, doch Sandra kommt ihr zuvor. „Kinder, hört auf zu streiten. Mona hat recht, mit einem Bericht über Kartoffelbrei können wir keinen Preis gewinnen, das bringt’s nicht. Wir brauchen etwas, das mehr Leute auch von anderen Schulen interessiert. Irgendwelche Vorschläge?“ Ich ziehe eine Schnute und halte mich schmollend zurück. Eine Weile herrscht Schweigen im Raum. Dann meint Basti: „Naja, Tiere ziehen doch immer. Vielleicht können wir was übers Tierheim bringen …“ „Ach was“, fällt Miri ihm ins Wort. „Das ist nicht besonders genug.“ Seite 13 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de „Wir könnten ja mit einem Bericht über die Formel-1, die Bundesliga oder die neuesten Videospiele aufmachen. Demnächst kommt ein neues Pokemon-Spiel raus“, schlägt Timo vor. War ja klar, dass von ihm nur so was kommen kann. Sandra schüttelt den Kopf. „Nee, das machen wahrscheinlich auch viele. Wir brauchen etwas, das noch keiner hat. Einen Knüller. Etwas ganz Außergewöhnliches.“ Mona blättert in einem Mädchenmagazin. „Hey, dich interessiert das wohl alles gar nicht“, rufe ich und schenke ihr einen vernichtenden Blick. „Oh doch“, erwidert sie. „Ich such nur was.“ Nun sind alle Augen auf Mona gerichtet. „Ah, da ist es ja.“ Sie hält die Zeitschrift hoch. „Hier.“ Wir blicken sie verständnislos an, denn wir sehen nur eine Tabelle. Mona verdreht die Augen. „Na, Ihr wolltet doch was Besonderes, und das hier ist es. Solche Listen sind im Moment echt in. Alle Mädchenzeitschriften berichten darüber. Was muss man unbedingt gemacht haben, bevor man 16 wird oder 18 oder 14. Das könnten wir doch auch machen.“ „Was soll denn daran Besonderes sein, wenn’s alle schon gemacht haben?“, frage ich und grinse. Miri stößt mich anerkennend in die Seite. Doch Mona lächelt nur kalt. Und ich kann euch sagen, ihr Lächeln gefällt mir gar nicht. „Tja“, sagt sie. „Ich hab noch keine Liste gesehen, über Dinge, die man unbedingt gemacht haben muss, bevor man 13 wird. Die Magische Dreizehn, wenn man zum Teenager wird. Wir könnten doch unsere eigene Liste machen.“ „Nee, das ist doch voll der Quark“, meint Basti. „Wer soll sich denn für irgendsoeine Liste interessieren? Das ist doch voll nur was für Mädchen.“ So schnell gibt Mona aber nicht auf. „Wir könnten doch 'ne Kombi machen und über jemanden berichten, der so eine Liste abarbeitet. Damit hätten wir bestimmt einen echten Renner.“ „Hm“, sagt Sandra. „Die Idee finde ich gut. Aber besser wäre Seite 14 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de es noch, wenn die Liste von jemandem abgearbeitet wird, der bald Geburtstag hat. Das würde die Spannung zusätzlich erhöhen. Dann fragt sich doch jeder, schafft er die Liste noch in der Zeit?“ Mit Seitenblick auf Basti fährt sie fort: „Und wenn wir die Liste selbst aufstellen, dann können wir uns ja Punkte ausdenken, die auch für Jungs interessant sind. Na, was meint ihr?“ Sandra streicht sich eine rote Locke hinters Ohr und blickt fragend in die Runde. „Joa, klingt gut“, sagt Basti. „Wir können das tageweise aufziehen. Jeden Tag stellen wir einen neuen Bericht ins Netz. Oder jeden zweiten Tag. Wenn sich das rumspricht, bekommen wir auch sicher mehr Leser.“ „Ja, und es gibt bestimmt einige, die die Tipps nachmachen wollen. Die könnten dann unter den Erfahrungsberichten im Zeitungsblog kommentieren“, stimmt Mona zu. „Aber wo sollen wir so schnell jemanden finden, der das für uns macht?“, fragt Timo skeptisch und zerstrubbelt sich das dunkle Haar. Jetzt sieht er aus, als hätte er sich mit dem laufenden Ventilator gekämmt. „Das müsste schon jemand aus unserem Team sein“, antwortet Sandra. „Wir können jetzt nicht noch Zeit mit der Suche nach einer Testperson vertrödeln. Also, wer hat von euch als Nächstes Geburtstag?“ „Ich bin letzte Woche 13 geworden“, sagt Miri und grinst erleichtert. Mir hingegen schwant Fürchterliches. Wenn ich mich nicht irre, hatten die anderen schon alle vor mehreren Monaten Geburtstag. Mona im Juni, Sandra im Mai, Timo irgendwann im Frühjahr und Basti im Januar. So wie es ausschaut, bin ich diejenige, deren Geburtstag als Nächstes ansteht. Nachdem die anderen auf Sandras Frage geantwortet haben, bewahrheitet sich meine Befürchtung. „Tja, ich denke, es gibt nur eine im Raum, die diesen Bericht machen kann“, meint Mona. „Obendrein wird es sogar eine Liste über Dinge, die man gemacht haben sollte, bevor man 13 wird, so wie ich es von Anfang an vorgeschlagen habe. Wir bekommen Seite 15 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de zum Kuchen also das Sahnehäubchen noch dazu, nicht wahr, Nele?“ Hämisch grinst sie mich an. „Wann wirst du noch mal dreizehn?“, fragt Basti. Er zieht die Augenbrauen so hoch, dass sie fast unter seinen blonden Haaren verschwinden. „In drei Wochen und drei Tagen“, sage ich zögernd. „Na, das passt doch perfekt“ meint Sandra. „Da können wir eine Liste machen, die es so noch nie gab, haben einen zusätzlichen Höhepunkt mit deinem 13. Geburtstag und enden mit der Berichterstattung gerade rechtzeitig für den Wettbewerb. Das wird eine tolle Aktion.“ „Na, machst du’s?“, fragt Timo. „Denk dran, du würdest damit die Zeitung retten.“ Alle blicken mich bittend mit großen Welpenaugen an und ich seufze abgrundtief. Nach einer langen Weile nicke ich schließlich. Es geht ja um die Zukunft der Zeitung – und damit indirekt auch um meine. Wo sonst soll ich für später Erfahrungen im Journalismus sammeln. Im Zimmer bricht Jubel aus. Gleich darauf machen sich alle daran, die Punkte für die Liste zu erfinden. 13 sollen es sein, darüber ist man sich schnell einig, bietet sich ja auch an. Es wird hin- und herdiskutiert, was man alles gemacht haben sollte, und Sandra macht sich eifrig Notizen. Mein Handy vibriert und eine SMS blubbert aufs Display. Hey, Nele! Hoffe, der Direx hat dir nicht zu viel Ärger gemacht, weil die Palme rot gesehen hat. CU Eric Rasch simse ich ihm zurück, damit er sich keine Sorgen macht: Hey, Eric! rote Palme = blauer Brief. Wir haben aber noch ganz anderen Ärger, erzähle ich dir später. CU Nele Seite 16 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de Ich drücke auf Senden und verziehe angeekelt das Gesicht. Die Tasten sind immer noch verschmiert und klebrig. Also beschließe ich, mein Handy erst mal von den letzten Suppenresten zu befreien und verzichte vornehm darauf, weitere Vorschläge in die Diskussion einzubringen. Ein großer Fehler, wie ich wenig später herausfinde. Also nicht etwa das Putzen des Handys, sondern das vornehme Verzichten. Denn als ich wieder aufsehe, sind die anderen längst mit der Liste fertig. Nach einem kurzen Blick darauf bekomme ich einen Riesenschreck. Spontan teile ich die Punkte auf der Liste in drei Kategorien ein: Alles easy: 1. Im Tierheim aushelfen 2. Ein Vorher-Nachher-Styling machen 3. In Physik einen Schokokuss zum Platzen bringen 4. Im Seniorenheim die Senioren aufmuntern (egal wie) Echt peinlich: 5. Mit dem Fahrrad durch den Drive-in fahren 6. Einen Tanzkurs machen (nur mal so nebenbei, ich bin so musikalisch wie eine Buchstabennudel) 7. Eine Verkäuferin zur Weißglut bringen 8. Im Schlafanzug in der Schule auftauchen Au weia! 9. Eine Party geben, wenn die Eltern aus dem Haus sind 10. Im Unterricht jede Antwort singen (dabei kann ich mit meinem Gesang Eier abschrecken) 11. Einen Liebesbrief schreiben und persönlich übergeben (uaaaah!!!) 12.Einen Survival-Kurs mitmachen (örks, hoffentlich muss ich keine Maden essen wie die Dschungelcampler) 13. Seinen ersten Kuss bekommen (maxi-kreisch und lauf schnell weg!!!) Ich wette, die besonders fiesen Punkte 10 bis 13 stammen von Mona. Das Tierheim und die anderen einfachen Sachen garantiert Seite 17 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de von Miri. Und Timo ist so ein Physik-Ass - der hat sicherlich den Schokokuss beigesteuert, während ich den Schlafanzug und die Party sicher dem Scherzkeks Basti zu verdanken habe. Auf diese Weise kann er nämlich sichergehen, dass er zu meiner Geburtstagsparty auch eingeladen wird. Verzweifelt suche ich nach einer Ausrede, um aus der Nummer wieder herauszukommen. „Hey, dieser ganze Kurs- und Stylingkram kostet doch bestimmt einen Haufen Geld. Und Geld haben wir nicht.“ „Mach dir keine Sorgen“, sagt Sandra. „Das Survival-Camp kann ich spendieren, mein Onkel gibt solche Kurse.“ „Ja, und von mir kannst du ein kostenloses Typstyling bekommen“, fügt Mona hinzu. „Meine Mutter ist Friseurin und hat es sich wie ich zur Aufgabe gemacht, die Welt zu verschönern. Und glaub mir, bei dir gibt es eine ganze Menge zu verschönern.“ Sie verdreht die Augen. Auweia! Spontan sortiere ich das Vorher-Nachher-Styling in diese Kategorie um. Denn eine Ummodelung von Mona lässt meinen schlimmsten Albtraum wahr werden. Wie ich danach aussehe, kann ich mir ungefähr vorstellen. Pink, pinker, am pinkesten. „Bleibt aber immer noch der Tanzkurs“, sage ich muffig. „Tja, da hat sie recht. Da müssen wir uns wohl was anderes einfallen lassen“, steht mir Miri bei. „Ach was. Wir können doch mit einer Aktion Geld sammeln“, meint Timo, der Spielverderber. Er schaut bedeutungsvoll auf die Tomatenflecken auf dem Tempo, das neben meinem Handy liegt. „Wir könnten am Schulfest zum Beispiel Suppe verkaufen. Buchstabennudelsuppe.“ Er lacht. „Versteht ihr, Buchstabennudelsuppe, weil wir doch eine Zeitung machen. Und mit Suppe kennt sich Nele ja aus. Hahaha.“ Ja, haha. Der hat gut lachen. Echt witzig! „Na, was ist?“, fragt Mona. „Willst du doch noch kneifen?“ Ich seufze. Nicht zuletzt wegen meiner „Unfälle“ ist der Direx schlecht auf unser Redaktionsteam zu sprechen. Und die Palme wird ihn sicher weiter beackern. Irgendwie bin ich also in der Pflicht. Seite 18 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de Engelchen: Ja, genau, das bist du. Teufelchen: Quatsch! Mit Pflichtgefühl kommt man nicht weit. Man sollte immer zuerst an sich denken. Wenn du keinen Bock auf diese blöde Liste hast, dann lass es einfach. Andererseits könnte ich es auch lassen, denke ich. Schließlich kann mich niemand zwingen, mich für alle zum Deppen zu machen. Teufelchen: Genau! Da hast du völlig recht. Obwohl es bestimmt lustig wäre, das zu sehen. Engelchen: Aber wenn du es nicht machst, wird es garantiert bald keine Schülerzeitung mehr geben. Das ist die einzige Chance, die Zeitung noch zu retten. Grmpf. Überredet. Hugh! Die Stimme meines Gewissens hat gesprochen. „Also gut, ich mach’s“, sage ich. Die anderen johlen und kreischen erfreut. „Nele, Nele, Nele!“, ruft Basti. „Hey, super!“, schließt sich Timo an. „Du bist meine Heldin!”, sagt Miri und umarmt mich. „Danke“, meint Sandra. „Pass bloß auf, dass du nicht wieder alles vermasselst. Obwohl, dann haben die anderen wenigstens was zu lachen und Lachen soll ja gesund sein“, giftet Mona. Sie ist doch ein echtes Schätzchen, denke ich, sage es aber nicht. Mit manchen Leuten lohnt nicht mal das Streiten. Da das Wochenende vor der Tür steht, haben alle (außer mir) beschlossen, dass wir keine Zeit verlieren und gleich mit der Liste starten. Sandras Onkel hat sie nämlich just an diesem Wochenende zu einem Survival-Kurs eingeladen – echt, solche fiesen Zufälle können auch nur an einem Freitag, dem 13., passieren. Daher haben wir nicht mit Punkt 1 auf der Liste angefangen, wie ich es wollte, sondern mit Punkt 12. Zuerst Seite 19 von 20 Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de lief auch alles glatt – bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Beeren sammeln sollten. Da hat mein Tollpatsch-Gen volle Kanne zugeschlagen … !Achtung Peinlichkeitsfalle! Wenn du nicht auf Überraschungen stehst, dann lass lieber die Finger von Listen mit Dingen, die man mal gemacht haben sollte. Seite 20 von 20
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