1. Kapitel: Der Anfang allen Übels ist Tomatensuppe Das Übel in

Aus: Die 13-Dinge-Liste oder perfekt ist voll langweilig © Corinna Wieja www.corinnawieja.de
1. Kapitel: Der Anfang allen Übels ist Tomatensuppe
Das Übel in Gestalt der 13-Dinge-Liste ereilt mich an einem
Freitag, dem 13. Ja, ich weiß, das ist voll das Klischee, aber
so ist es nun mal. Alles hat damit angefangen, dass ich mich
in der Speisekammer der Schulküche versteckt habe. Stellt euch
also vor, wie ich dort stehe und auf Zehenspitzen durch das
Glasfenster in der Tür luge. In der Hand halte ich mein
Multifunktionshandy und flüstere meine Gedanken hinein. Das
Teil kann nämlich auch aufnehmen. Echt praktisch. Und ich kann
damit filmen, was in der Küche alles passiert. Ich halte das
Handy also an das Glasfenster und drücke den Aufnahmeknopf.
Mein Anhänger mit dem Engelchen und Teufelchen baumelt hin und
her und kann mal wieder die Klappe nicht halten. (Fragt lieber
nicht. Das Teil redet mit mir, seit meine allerbeste Freundin
Miri es mir geschenkt hat. Allerdings kann nur ich die Stimmen
hören. Also erzählt bloß niemandem davon, sonst hält man mich
noch für völlig gaga.)
Teufelchen: Hm, lecker, wie der Koch sich in der Nase bohrt.
Hey, gib Bescheid, wenn du oben angekommen bist!
Engelchen: Oh, wie eklig. Jetzt mischt er doch tatsächlich den
Salat. Ohne sich vorher die Hände zu waschen. Vermutlich
verteilt er den Popel jetzt übers ganze Essen. Bäh!
Teufelchen: Ach stell dich nicht so an, du Weichengel, Dreck
reinigt den Magen.
Ich heiße übrigens Nele und habe den Auftrag, einen Bericht
über das miese Kantinenessen für unsere Online-Schülerzeitung
zu schreiben. Für verdeckte Reportagen bin ich super geeignet,
weil ich so extrem unauffällig bin. Ich bin weder dick noch
dünn, trage stinknormale Jeans und T-Shirts und den Farbton
meiner Haare könnte man als unauffälliges
Schokoladenpuddingbraun bezeichnen, wenn man nett ist. Weniger
nette Leute – wie mein nerviger kleiner Bruder – sagen dazu
matschbraun. Nur damit ich mich ärgere. Was mich auch ärgert,
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ist die Tatsache, dass ich recht klein für meine zwölf Jahre
bin. Meine Freundin Miri überragt mich locker um einen Kopf.
Gut, sie ist auch schon dreizehn. Sie hatte vor ein paar Tagen
Geburtstag. Seitdem reibt sie mir ihren neu erworbenen
Teenagerstatus ständig unter die Nase und tut so, als hätte
sie die Queen persönlich in den Adelsstand erhoben. Aber lang
kann sie mir nicht mehr damit kommen. In genau drei Wochen und
drei Tagen steige ich ebenfalls vom Kind zum Jugendlichen auf.
Dann hab auch ich die magische Dreizehn erreicht. Die
Abergläubischen unter uns könnten jetzt meinen, dass die
Dreizehn in Kombination mit meinem Tollpatschgen nichts Gutes
verheißt. Aber zum Glück ist es ja nur eine Zahl. Völlig
bedeutungslos und nichts Besonderes. Man muss trotzdem weiter
zur Schule gehen, wo man sich über die gleichen Korknasen
ärgern kann, darf abends immer noch nicht länger wegbleiben
und auch sonst ändert sich nicht viel – außer der Kleidergröße
vielleicht. Wie’s ausschaut, darf ich auf den berühmt
berüchtigten Wachstumsschub allerdings wohl noch ne Weile
warten. In jeder Hinsicht, seufz, vor allem auch oben rum.
Mein Kleinsein hat allerdings auch Vorteile. In der Menge gehe
ich leicht unter und ich passe bequem in Speisekammern rein.
Was echt nützlich für meine zukünftige Karriere als Reporterin
ist. Tja, und als gründliche Reporterin will ich natürlich
genau rausfinden, warum sie uns in diesem Luxusrestaurant, das
sich Schulkantine nennt, so einen Fraß vorsetzen. Warum man
den Kartoffelbrei auch gut als Tapetenkleister verwenden kann,
weiß ich inzwischen. Die nehmen tatsächlich Fertigpulver und
davon reichlich. Von wegen selbst gekocht. Haha! Mein Artikel
wird ein echter Enthüllungsbericht werden. Vor Freude führe
ich meinen kleinen Siegertanz auf: Hände hochheben und den Po
im Takt zu „Oh yeah, oh yeah“ schwingen. Zum Abschluss drehe
ich noch eine Pirouette. Böser Fehler! Denn ich komme aus dem
Gleichgewicht und falle in einen Stapel Kartoffelsäcke (mal so
nebenbei – wozu stehen hier eigentlich Kartoffeln rum, wenn
der Kartoffelbrei aus der Tüte kommt? Da bin ich wohl einer
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ganz heißen Sache auf der Spur). Die Säcke fallen natürlich
prompt um. Holter-di-polter-di-polter rumpelt es. Na prima! Ob
man das gehört hat?
Die Antwort auf diese Frage erhalte ich einen Herzschlag
später. Die Tür zur Speisekammer fliegt auf und der dicke Koch
steht vor mir. Ich versuche noch, mich hinter Dosen und
Blumenkohl zu verstecken. Allerdings bin ich zwischen all dem
Gemüse ungefähr so unauffällig wie ein Maulwurfshügel in einem
gepflegten englischen Rasen.
!Achtung Peinlichkeitsfalle! Bei verdeckten Ermittlungen in
Speisekammern unbedingt ein Brokkolikostüm tragen.
Der Koch bekommt einen hochroten Kopf und ich fürchte schon,
ihm kommt gleich Dampf aus den Ohren. Er fährt den Zeigefinger
aus wie ein Klappmesser und fuchtelt mir damit vor der Nase
rum. Vielleicht hat er vor, bei mir weiterzupopeln. „Du! Was
hast du hier verloren?“, kreischt er in höchsten Tönen und ich
mache mir Sorgen um mein Trommelfell.
„Ich … äh … nix“, stottere ich. „Ich bin neu hier und hab mich
verlaufen.“ Hinter meinem Rücken kreuze ich die Finger.
Engelchen: Oh nein, sie hat gelogen. Dafür wird sie bestimmt
bei deinem Vater in der Hölle auf dem Grill braten.
Teufelchen: Ey, du alter Übertreiber. Niemand wird hier
braten. Mein Vater ist Setarier.
Engelchen: Was soll das denn sein?
Teufelchen: Na, er futtert nur Seelen und die meist
ungeröstet. Das ist viel bekömmlicher.
Engelchen: Oh Gott! Mir wird übel.
Mir wird übel, denke ich, denn der Koch packt mich mit seiner
Rotzehand am Arm und zieht mich aus der Speisekammer. Zum
Glück hat er nicht den Arm erwischt, in der ich das Handy mit
den Beweisfotos für seine Betrügereien halte. Den lasse ich
vorsorglich mal auf dem Rücken.
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„Verlaufen? Soso.“ Er mustert mich mit strenger Miene. „Na,
dann zeig ich dir mal den Weg zum Direktor.“ Er zieht mich
hinter sich her und hält mir einen Vortrag über Kinder, die
sich der Hygienevorschriften wegen nicht in der Küche
aufhalten dürfen und blah und blubb. Hygiene, dass ich nicht
lache. Sagt ausgerechnet der Mann, der seinen Salat mit Popel
würzt. Inzwischen sind wir in der Mensa angekommen und alle
Augen richten sich auf uns. Manche recken sogar die Hälse, um
besser sehen zu können, und grinsen, als wir an ihnen
vorbeikommen. Kein Wunder, denn der Koch zieht mich ja auch
wie der Schlepplift einen Skifahrer hinter sich her.
„Gut, ein Besuch beim Direx ist mir recht“, erwidere ich und
stemme beide Beine fest in den Boden, denn allmählich geht mir
das Geziehe auf den Keks. „Dann kann er gleich erfahren, wie
ernst Sie es mit der Hygiene nehmen.“ In meiner Aufregung
fuchtele ich unklugerweise mit dem Handy vor seiner Nase rum.
„Was hast du da? Gib das sofort her!“, schreit er mich an.
Darauf entbrennt ein wilder Kampf zwischen uns. Er versucht,
das Handy in die Finger zu bekommen und ich zappele und winde
mich, um das zu verhindern. Denn der
Fertigkartoffelbreianrührer hält mich immer noch am Arm fest.
Im Eifer des Gefechts fluppt mir das Handy allerdings aus der
Hand wie ein Stück Seife. Ich schaue nach oben. Unglaublich,
wie weit so ein Teil fliegen kann. Gleich darauf höre ich es
platschen. Oh nein! Wenn du denkst, es könnte nicht schlimmer
kommen, setzt die Schicksalsgöttin garantiert noch einen
drauf. Mein Handy ist elegant in einem Teller Tomatensuppe
gelandet. Die Suppe hat sich in blutroten Spritzern auf der
schneeweißen Bluse der Palme verteilt. Die Palme ist unsere
Englisch- und Sportlehrerin Frau Palmers. Wir nennen sie so,
weil ihre Haare irgendwie wischmoppartig abstehen wie die
Blätter einer Palme. Ihre Wutanfälle sind in der ganzen Schule
gefürchtet. Mit Sorge betrachte ich daher, wie ihr Kopf
dieselbe Farbe annimmt wie ihre Suppe.
„Nele!“, brüllt Frau Palmers. „Was zum Teufel soll das?“
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Tja, das wüsste ich allerdings auch gern. Warum nur ziehe ich
das Pech an wie ein Kuhfladen die Schmeißfliegen. Und jetzt
kommt mir nicht damit, dass das an meiner matschbraunen
Haarfarbe liegt. Ha-ha!
„Die da hat bei mir in der Küche spioniert“, plappert der Koch
eifrig. Die alte Petze!
Die Palme tupft derweil mit der Serviette hektisch auf ihrer
Bluse herum. Sie sieht aus, als hätte sie gleich einen
Auftritt in einem Horrorfilm. Selbst auf ihrer Stirn und ihren
Wangen entdecke ich ketchuprote Flecken.
Hinter uns wird gekichert. Klar, so eine Sensationsvorstellung
bekommen meine lieben Mitschüler auch nicht jeden Tag geboten.
Hoffentlich gibt das keinen blauen Brief an meine Eltern. In
der Menge entdecke ich Miris schwarze Stachelfrisur. Sie
kämpft sich nach vorne und wirft mir einen mitleidigen Blick
zu. Tapfer lächle ich zurück. Und verziehe gleich darauf
schmerzhaft das Gesicht. Denn direkt hinter ihr stehen Eric
und Finn. Ausgerechnet Finn! Der tollste Junge der Schule,
Basketballstar und mein heimlicher Schwarm. Er deutet auf mich
und lacht sich krumm. Tja, freu dich, Nele, sage ich mir mit
Galgenhumor, jetzt nimmt er dich wenigstens mal wahr.
Insgeheim bete ich, dass sich die Erde auftut und mich
verschluckt. Zu allem Unglück streckt mir jetzt Eric auch noch
den Daumen hoch und zwinkert mir zu. Wir kennen uns schon
ewig. Eric wohnt bei uns nebenan, ist zwei Jahre älter als ich
und fast so was wie ein älterer Bruder für mich. Und ebenfalls
im Basketballteam. Außerdem ist er in derselben Klasse wie
Finn. Jetzt dreht sich Finn zu ihm um und redet auf ihn ein.
Vermutlich fragt er ihn, ob er mich kennt. Ja, jetzt nickt
Eric und antwortet etwas. Toll! Super! Meine Chancen bei Finn
habe ich damit wohl bis in alle Ewigkeit versemmelt. Der will
bestimmt keine Lachnummer wie mich zur Freundin. Ich seufze
abgrundtief. Und als hätte ich nicht schon genug gelitten,
macht jetzt auch der Breipanscher wieder Stress.
„Ich verlange, dass dieses Mädchen einen Verweis erhält“,
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giftet er. „Sie hat meine ganze Küche in Unordnung gebracht.“
„Ich habe ihre Küche nicht in Unordnung gebracht. Ich ermittle
für die Schülerzeitung in Sachen Körperverletzung durch mieses
Essen.“ Ob ich das allerdings jetzt noch beweisen kann, wissen
nur die Sterne. Schließlich ist mein Handy in der Suppe baden
gegangen.
„Also das ist doch, das ist doch … so eine Unverschämtheit“,
empört sich der Koch und fuchtelt wild mit den Händen.
Die Palme hat das Herumfuchteln mit der Serviette inzwischen
eingestellt. „Nele, diese Frechheit hat ein Nachspiel“, sagt
sie. „Folge mir unverzüglich zum Direktor.“ Zum
Schmierschürzenkoch gewandt meint sie: „Keine Sorge, Herr
Kortes, ich kümmere mich um die Angelegenheit.“
Mit gesenktem Kopf folge ich der Palme aus der Mensa. Vorher
fische ich noch mein Handy aus ihrem Teller. Dummerweise sorgt
das für weiteres Gekicher auf den Zuschauerbänken. Denn jetzt
ziehe ich eine blutrote Tropfspur hinter mir her. Oh Mann,
schlimmer kann es nun wirklich nicht mehr kommen, denke ich.
Tja, was soll ich sagen – ich habe mich gründlich getäuscht!
!Achtung Peinlichkeitsfalle! Handys und andere NFOs (nicht
flugfähige Objekte) möglichst am Handgelenk festbinden, wenn
sie nicht versehentlich zu Wurfgeräten werden sollen.
2. Kapitel: Ein Übel kommt selten allein
Bedrückt stapfe ich also hinter der Palme her zum Büro des
Direx. Und dort wartet gleich die nächste Überraschung auf
mich. Vor dem Schreibtisch sitzt Sandra, die Chefredakteurin
der Schülerzeitung. Sie blickt wie ich ziemlich bedröppelt
drein. Oh nein! Hat sie etwa schon von dem Zwischenfall in der
Mensa erfahren? Wird sie mich jetzt aus dem Team werfen? Das
wäre eine Katastrophe. Aber eigentlich kann das ja nicht sein.
Dann müsste Sandra über hellseherische Fähigkeiten verfügen.
Die Stimme der Palme reißt mich aus meinen Gedanken.
„Ah, wunderbar. Das trifft sich gut, dass du auch hier bist,
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Sandra“, sagt sie. Und zum Direx gewandt: „Herr Kowatzki, wir
müssen dringend über die Schülerzeitung sprechen. Sie hat
meine Bluse ruiniert.“
„Die Zeitung?“, fragt der Direx verwirrt und mustert Frau
Palmers von oben bis unten. Sie sieht immer noch aus, als
hätte sie mit einer Ketchupflasche gekämpft und verloren.
„Nein, natürlich nicht die Zeitung, sondern Nele“, erwidert
sie. „Dieses Mal hat sie sich in die Küche geschlichen,
angeblich weil sie dort ermitteln wollte. Ja, sind wir hier
denn bei der Kripo?! Diese Zeitung verleitet die Kinder zu den
wildesten Aktionen. Das geht so nicht weiter! Ich verlange die
sofortige Abschaffung! Das Geld könnten wir für mein
Basketballteam viel besser gebrauchen. Wir benötigen neue
Trikots und Bälle. Außerdem müssen die Körbe und die Halle für
die nächsten Meisterschaften hergerichtet werden.“
Waaaaaaass?!! Die tickt ja wohl völlig aus. Die Zeitung
abschaffen wegen so ein paar blöder Trikots – geht’s noch?!
Sandra schaut mich mit großen Augen an. „Was hast du jetzt
wieder angestellt?“, zischt sie mir zu.
Ich zucke nur mit den Schultern. Von wegen „jetzt wieder“. Als
ob mir ständig solche Missgeschicke passieren würden. Also
echt! Ich konnte schließlich nichts dafür, dass ich beim
Bericht über das Schulkonzert die Notenständer von der Bühne
gefegt habe. Irgendwer muss die einfach hinter mich gestellt
haben. Hinten habe ich schließlich keine Augen. Und dass ich
beim Versuch, herauszufinden, wer heimlich die Klos
verschandelt, die ganze Toilette geflutet habe, dafür kann ich
auch nichts. Das war ein Unfall! Ehrlich. Ich bin vom
Toilettenrand abgerutscht. Dabei habe ich festgestellt, dass
ich einen Hummelhintern habe, der mich im Klo nach unten
zieht, wenn ich mit dem Kopf auf der Spülung liege. Dass
daraufhin das Wasserrohr abgerissen ist, an dem ich mich
festhalten wollte, um mich rauszuziehen, ist auch nicht meine
Schuld. Das ist ja wohl ganz klar ein Konstruktionsfehler.
Ich schenke Sandra einen finsteren Blick und schaue zum Direx.
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„Darüber habe ich gerade mit Sandra gesprochen“, sagt der
Direx zur Palme. „Die Gelder, die uns zur Verfügung stehen,
sind einfach zu knapp, um beides zu finanzieren. Wenn uns
keine Lösung einfällt, werden wir die Schülerzeitung
einstellen müssen.“
„Warum denn ausgerechnet die Schülerzeitung?“, frage ich
entrüstet. Ich schäume vor Wut. „Das blöde Basketballteam kann
doch auch mal zurückstecken. Wozu brauchen die überhaupt neue
Trikots und Bälle? Haben sie die alten verloren?“
„Mäßige dich, Nele. Das Basketballteam hat es in die Kreisliga
geschafft und macht die Schule im ganzen Umkreis bekannt. Die
Leserzahlen der Schülerzeitung dagegen haben in letzter Zeit
stark abgenommen. Ich hab mir erst kürzlich die
Webseitenstatistik angesehen. Euer Onlineportal wurde letzten
Monat nur 57-mal besucht. Davor sieht es nicht viel besser
aus. Offenbar besteht kein Interesse an euren Berichten.
Außerdem bringt das Basketballteam der Schule einfach mehr
Renommee.“
Pft – Renommee. Was soll das denn sein? Genervt verdrehe ich
die Augen. Wozu braucht denn eine Schule Renommee? Da Sandra
weiterhin beharrlich schweigt, muss ich mich eben für die
Schülerzeitung einsetzen. Mir ist da nämlich ein Gedanke
gekommen. „Die Zeitung kann der Schule ganz bestimmt genauso
viel Renommee einbringen“, sage ich.
„Ach ja? Und wie?“, fragt die Palme. „Meine Mannschaft hat
zahlreiche Pokale gewonnen. Im Gegensatz zu euch.“
Alle Augen richten sich auf mich.
„Also“, setze ich an. „Da gibt es diesen landesweiten
Wettbewerb für Schülerzeitungen. Wenn wir den gewinnen, wird
über uns sogar im Fernsehen berichtet. Na, wenn das kein
Renommee für die Schule ist und die Leserzahl würde dadurch
sicher auch wieder steigen“, sage ich.
Der Direx schaut Sandra fragend an. „Stimmt das?“
Na, also ehrlich. Als würde ich lügen.
Sandra nickt. „Ja, eine Jury aus bekannten Zeitungsredakteuren
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vergibt den Preis. Bewerbungsschluss ist nächsten Monat. Wir
hatten vor, mitzumachen.“
„Bitte bitte, geben Sie uns doch eine Chance“, sage ich und
setze meinen flehendsten Hundeblick auf.
„Wie viele Redaktionen werden wohl mitmachen? Hundert? Mehr?
Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr gewinnt, ist ziemlich
gering“, sagt die Palme. „Das wäre Zeit- und
Geldverschwendung. Geld, das wir für die Erneuerung der
Schulsportausrüstung dringender brauchen.“
„Von wegen. Unsere Chancen stehen topp. Wir haben einen
Knallerbericht“, erwidere ich heftig. „Wollen Sie sich
wirklich die Chance entgehen lassen, dass das Fernsehen über
unsere Schule berichtet?“ Ich hole tief Luft, werfe der Palme
einen Seitenblick zu und sage nicht ohne Schadenfreude: „Wie
wahrscheinlich ist es, dass über das Basketballteam im
Fernsehen berichtet wird? Außerdem sind die Meisterschaften
erst in drei Monaten.“ Das weiß ich von Eric.
Der Direx schaut von einem zum anderen. „Tja, ein
Fernsehbericht wäre natürlich schon eine gute Werbung für
unsere Schule“, meint er zögernd.
Die Palme schnaubt.
„Ja“, stimme ich ihm rasch zu. „Bestimmt bekommen wir dann
auch Sponsoren.“
„Nun, mit Sponsorengeldern könnten wir die Schülerzeitung
natürlich weiter betreiben“, sagt der Direx. „Also gut. Bis
der Wettbewerb vorbei ist, bleibt alles beim Alten. Danach
werde ich entscheiden.“
„Aber zumindest eine Strafe werden sie Nele doch wohl geben?
Sie hat sich immerhin verbotenerweise in die Küche geschlichen
und anschließend meine beste Bluse ruiniert.“
Boah, muss die Palme jetzt damit anfangen?! Ich hatte schon
gehofft, der Suppenzwischenfall sei vergessen. Zerknirscht
schaue ich den Direx an.
„Verbieten Sie Nele die Mitarbeit in der Schülerzeitung. Das
Kind stiftet dort nur Chaos“, fordert die Palme den Direx auf.
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Der schaut fragend zu Sandra.
„Naja, Nele hat uns überhaupt erst von dem Wettbewerb
erzählt“, sagt sie. „Außerdem kann ich für den Wettbewerb auf
kein Redaktionsmitglied verzichten.“
Uff, habt ihr es plumpsen gehört? Mir ist ein ganz dicker
Steinbrocken vom Herz gefallen. Sandra ist ein echter Schatz.
„Nun ja“, sagt der Direx. „Das leuchtet mir ein. Nele, du
wirst dich in Zukunft von der Schulküche fernhalten und
außerdem erwarte ich von dir, dass du die Reinigungskosten für
Frau Palmers Bluse übernimmst. Ich werde einen Brief an deine
Eltern schreiben.“
Damit muss sich auch die Palme zufriedengeben. Mit
verkniffener Miene verlässt sie das Büro. Sandra und ich
bedanken uns noch artig beim Direx, dann gehen wir auch.
!Achtung Peinlichkeitsfalle! Direktoratssekretärinnen lassen
sich nicht bestechen. Auch nicht mit Nugatpralinen. Esst die
lieber selbst. Mit Schokolade im Magen lässt sich auch jede
Strafpredigt leichter ertragen!
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3. Kapitel: Schlimmer geht immer
„Hey, danke, dass du dich für mich eingesetzt hast“, sage ich
zu Sandra, während wir den Flur entlanglaufen.
„Ist doch selbstverständlich. Wir müssen jetzt zusammenhalten.
Aber sag mal, warum war die Palme so rot?“
„Ach, die hat ne Tomatenkur gemacht. War ein Unfall.“
„Oh je, ich will’s lieber gar nicht so genau wissen. Deine
Unfälle kenn ich“, antwortet Sandra. „Los beeil dich, wir
kommen zu spät zur Redaktionssitzung.“
Kurz darauf laufen wir in unserer Redaktion ein. Das Zimmer
ist zwar klein, aber dafür urgemütlich. Vier Tische mit
Computern stehen im ganzen Raum verteilt und es riecht hier
immer so wunderbar nach heißem Kakao. Vor dem Fenster haben
wir ein altes rotes Sofa aufgestellt, das wir vom Sperrmüll
gerettet haben. Die Polster sind zwar schon ein wenig
verschlissen, aber immer noch bequem. Auf dem Sofa sitzen
schon die anderen Teammitglieder: Miri, sie macht die Fotos
und unterhält unsere Leser jede Woche mit einem Comic. Einfach
herrlich witzige Karikaturen von Lehrern und Schülern. Dann
sind da noch Basti und Timo, die für Sportberichte und
Videospieltests zuständig sind. Sie sind echte Computer-Nerds
und auch jetzt tippt Timo wieder auf seinem Nintendo herum.
Auf dem Stuhl neben ihm hockt, die Beine elegant
übereinandergeschlagen, unsere Modekönigin Mona. Sie gibt
Schminktipps und schreibt über diesen unnötigen
Modequatschkram. Und so schickimicki, wie das klingt, sieht
sie auch aus. Enge, schwarze Leggins und darüber ein langes TShirt im – Achtung jetzt kommt's – Color-Blocking-Style. Das
heißt, auf dem Shirt sind dicke Streifen in verschiedenen
Farben, meist solchen, die in den Augen wehtun. Orange und
Lila zum Beispiel. Würg! Dazu trägt sie Klimperohrringe mit
rosa Federn, die ihr fast bis auf die Schultern fallen. Sie
behauptet, das sei trendy. Ich behaupte, sie leidet an
Geschmacksverirrung.
Ich quetsche mich zwischen Miri und Basti.
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„Na, wie war’s beim Direx? Bekommst du Ärger?“, fragt Miri.
„Tja, meine Eltern bekommen zumindest einen Brief. Aber ich
krieg's schon irgendwie gebacken, dass Mam und Paps keinen
Stress machen.“
„Hey, klasse Show, Nele.“ Basti klopft mir anerkennend auf die
Schulter. Er ist klein und rund und hat Segelohren.
„Ja“, meint auch Timo und grinst breit. „Die Palme hat
buchstäblich rot gesehen.“ Lässig streckt er seine langen
Beine aus.
Sandra klatscht in die Hände. „Können wir uns jetzt mal auf
die Zeitung konzentrieren“, sagt sie. „Wir haben ein Problem.
Wie Ihr wisst, sind unsere Leserzahlen gesunken. Wir haben ja
schon darüber geredet, dass wir die Zeitung aufpeppen müssen.
Es reicht eben nicht, wenn wir nur Schmink- und Spieletipps
bringen und über ein paar Schulveranstaltungen berichten. Wir
brauchen Berichte, die mehr Jugendliche interessieren.
Allerdings werden wir wohl keine Gelegenheit bekommen, unser
neues Konzept auszuprobieren.“ Sandra holt tief Luft. Dabei
scheinen die Sommersprossen auf ihrer Nase zu tanzen. „Der
Direx will die Zeitung einstellen.“
„Was?!“ „Das kann er doch nicht machen!“ „Was soll das?“
schallt es aus allen Ecken.
„Tja“, sagt Sandra. „Das Basketballteam bringt der Schule mehr
Ansehen ein als wir.“
Erneut bricht ein Sturm der Empörung los, doch als Sandra in
die Hände klatscht werden alle still.
„Aber noch können wir die Zeitung retten“, ruft sie. „Ihr
wisst ja von dem Schülerzeitungswettbewerb. Wenn wir einen
Preis gewinnen, dürfen wir weitermachen.“
„Das schaffen wir doch niemals“, meint Timo skeptisch.
Hab ich schon erwähnt, dass ich seine Zuversicht mag? .
„Doch“, sage ich. „Ich hab den Knallerbericht. Hier drauf.“
Hektisch tupfe ich mit einem Tempo auf meinem Handy herum.
Engelchen: Das wird aber auch Zeit. Ich sehe ja gar nichts vor
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lauter Suppe.
Teufelchen: Wohl Tomaten auf den Augen, haha.
„Na, so toll wird dein angeblicher Knaller bestimmt nicht
sein“, sagt Mona und schüttelt ihre hexenschwarzen Haare.
Immer muss die Kuh versuchen, mir eins reinzuwürgen.
„Ist es aber“, gebe ich bissig zurück und drücke heftig auf
die Handytasten. Zum Glück funktioniert es noch. „Das ist ein
echter Enthüllungsbericht. Der Koch verwendet nämlich
Fertigbrei statt Kartoffeln. Und die gekauften Kartoffeln
verkauft er bestimmt weiter und behält das Geld. Außerdem
arbeitet er nicht sehr sauber.“ Ich halte das Handy hoch und
spiele das Video ab. Leider kann man nicht viel darauf
erkennen, irgendwie ist alles ganz dunkel. Muss wohl von der
Suppe eingefärbt sein. So ein Mist!
„Tja, sag ich doch“, giftet Mona. „Ist mal wieder ein
typischer Nele-Reinfall. Abgesehen davon ist ein Bericht aus
der Schulkantine doch voll zum Gähnen.“ Gelangweilt schlägt
sie sich mehrmals die Hand vor den weit aufgerissenen Mund.
Grrrrr. Allmählich macht sie mich richtig wütend. Doch bevor
ich etwas sagen kann, springt Miri schon für mich ein.
„Hast du vielleicht eine bessere Idee? Ach nein, durch
Nachdenken würdest du dir vielleicht die Frisur vermasseln.“
Mona sieht aus, als wolle sie sich am liebsten auf Miri
stürzen, doch Sandra kommt ihr zuvor.
„Kinder, hört auf zu streiten. Mona hat recht, mit einem
Bericht über Kartoffelbrei können wir keinen Preis gewinnen,
das bringt’s nicht. Wir brauchen etwas, das mehr Leute auch
von anderen Schulen interessiert. Irgendwelche Vorschläge?“
Ich ziehe eine Schnute und halte mich schmollend zurück. Eine
Weile herrscht Schweigen im Raum. Dann meint Basti: „Naja,
Tiere ziehen doch immer. Vielleicht können wir was übers
Tierheim bringen …“
„Ach was“, fällt Miri ihm ins Wort. „Das ist nicht besonders
genug.“
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„Wir könnten ja mit einem Bericht über die Formel-1, die
Bundesliga oder die neuesten Videospiele aufmachen. Demnächst
kommt ein neues Pokemon-Spiel raus“, schlägt Timo vor.
War ja klar, dass von ihm nur so was kommen kann.
Sandra schüttelt den Kopf. „Nee, das machen wahrscheinlich
auch viele. Wir brauchen etwas, das noch keiner hat. Einen
Knüller. Etwas ganz Außergewöhnliches.“
Mona blättert in einem Mädchenmagazin.
„Hey, dich interessiert das wohl alles gar nicht“, rufe ich
und schenke ihr einen vernichtenden Blick.
„Oh doch“, erwidert sie. „Ich such nur was.“ Nun sind alle
Augen auf Mona gerichtet. „Ah, da ist es ja.“ Sie hält die
Zeitschrift hoch. „Hier.“
Wir blicken sie verständnislos an, denn wir sehen nur eine
Tabelle. Mona verdreht die Augen. „Na, Ihr wolltet doch was
Besonderes, und das hier ist es. Solche Listen sind im Moment
echt in. Alle Mädchenzeitschriften berichten darüber. Was muss
man unbedingt gemacht haben, bevor man 16 wird oder 18 oder
14. Das könnten wir doch auch machen.“
„Was soll denn daran Besonderes sein, wenn’s alle schon
gemacht haben?“, frage ich und grinse. Miri stößt mich
anerkennend in die Seite.
Doch Mona lächelt nur kalt. Und ich kann euch sagen, ihr
Lächeln gefällt mir gar nicht.
„Tja“, sagt sie. „Ich hab noch keine Liste gesehen, über
Dinge, die man unbedingt gemacht haben muss, bevor man 13
wird. Die Magische Dreizehn, wenn man zum Teenager wird. Wir
könnten doch unsere eigene Liste machen.“
„Nee, das ist doch voll der Quark“, meint Basti. „Wer soll
sich denn für irgendsoeine Liste interessieren? Das ist doch
voll nur was für Mädchen.“
So schnell gibt Mona aber nicht auf. „Wir könnten doch 'ne
Kombi machen und über jemanden berichten, der so eine Liste
abarbeitet. Damit hätten wir bestimmt einen echten Renner.“
„Hm“, sagt Sandra. „Die Idee finde ich gut. Aber besser wäre
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es noch, wenn die Liste von jemandem abgearbeitet wird, der
bald Geburtstag hat. Das würde die Spannung zusätzlich
erhöhen. Dann fragt sich doch jeder, schafft er die Liste noch
in der Zeit?“ Mit Seitenblick auf Basti fährt sie fort: „Und
wenn wir die Liste selbst aufstellen, dann können wir uns ja
Punkte ausdenken, die auch für Jungs interessant sind. Na, was
meint ihr?“ Sandra streicht sich eine rote Locke hinters Ohr
und blickt fragend in die Runde.
„Joa, klingt gut“, sagt Basti. „Wir können das tageweise
aufziehen. Jeden Tag stellen wir einen neuen Bericht ins Netz.
Oder jeden zweiten Tag. Wenn sich das rumspricht, bekommen wir
auch sicher mehr Leser.“
„Ja, und es gibt bestimmt einige, die die Tipps nachmachen
wollen. Die könnten dann unter den Erfahrungsberichten im
Zeitungsblog kommentieren“, stimmt Mona zu.
„Aber wo sollen wir so schnell jemanden finden, der das für
uns macht?“, fragt Timo skeptisch und zerstrubbelt sich das
dunkle Haar. Jetzt sieht er aus, als hätte er sich mit dem
laufenden Ventilator gekämmt.
„Das müsste schon jemand aus unserem Team sein“, antwortet
Sandra. „Wir können jetzt nicht noch Zeit mit der Suche nach
einer Testperson vertrödeln. Also, wer hat von euch als
Nächstes Geburtstag?“
„Ich bin letzte Woche 13 geworden“, sagt Miri und grinst
erleichtert. Mir hingegen schwant Fürchterliches. Wenn ich
mich nicht irre, hatten die anderen schon alle vor mehreren
Monaten Geburtstag. Mona im Juni, Sandra im Mai, Timo
irgendwann im Frühjahr und Basti im Januar. So wie es
ausschaut, bin ich diejenige, deren Geburtstag als Nächstes
ansteht. Nachdem die anderen auf Sandras Frage geantwortet
haben, bewahrheitet sich meine Befürchtung.
„Tja, ich denke, es gibt nur eine im Raum, die diesen Bericht
machen kann“, meint Mona. „Obendrein wird es sogar eine Liste
über Dinge, die man gemacht haben sollte, bevor man 13 wird,
so wie ich es von Anfang an vorgeschlagen habe. Wir bekommen
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zum Kuchen also das Sahnehäubchen noch dazu, nicht wahr,
Nele?“ Hämisch grinst sie mich an.
„Wann wirst du noch mal dreizehn?“, fragt Basti. Er zieht die
Augenbrauen so hoch, dass sie fast unter seinen blonden Haaren
verschwinden.
„In drei Wochen und drei Tagen“, sage ich zögernd.
„Na, das passt doch perfekt“ meint Sandra. „Da können wir eine
Liste machen, die es so noch nie gab, haben einen zusätzlichen
Höhepunkt mit deinem 13. Geburtstag und enden mit der
Berichterstattung gerade rechtzeitig für den Wettbewerb. Das
wird eine tolle Aktion.“
„Na, machst du’s?“, fragt Timo. „Denk dran, du würdest damit
die Zeitung retten.“
Alle blicken mich bittend mit großen Welpenaugen an und ich
seufze abgrundtief.
Nach einer langen Weile nicke ich schließlich. Es geht ja um
die Zukunft der Zeitung – und damit indirekt auch um meine. Wo
sonst soll ich für später Erfahrungen im Journalismus sammeln.
Im Zimmer bricht Jubel aus. Gleich darauf machen sich alle
daran, die Punkte für die Liste zu erfinden. 13 sollen es
sein, darüber ist man sich schnell einig, bietet sich ja auch
an. Es wird hin- und herdiskutiert, was man alles gemacht
haben sollte, und Sandra macht sich eifrig Notizen.
Mein Handy vibriert und eine SMS blubbert aufs Display.
Hey, Nele!
Hoffe, der Direx hat dir nicht zu viel Ärger gemacht, weil
die Palme rot gesehen hat. 
CU Eric
Rasch simse ich ihm zurück, damit er sich keine Sorgen macht:
Hey, Eric!
rote Palme = blauer Brief. Wir haben aber noch ganz
anderen Ärger, erzähle ich dir später.
CU Nele
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Ich drücke auf Senden und verziehe angeekelt das Gesicht. Die
Tasten sind immer noch verschmiert und klebrig. Also
beschließe ich, mein Handy erst mal von den letzten
Suppenresten zu befreien und verzichte vornehm darauf, weitere
Vorschläge in die Diskussion einzubringen.
Ein großer Fehler, wie ich wenig später herausfinde. Also
nicht etwa das Putzen des Handys, sondern das vornehme
Verzichten. Denn als ich wieder aufsehe, sind die anderen
längst mit der Liste fertig. Nach einem kurzen Blick darauf
bekomme ich einen Riesenschreck. Spontan teile ich die Punkte
auf der Liste in drei Kategorien ein:
Alles easy:
1. Im Tierheim aushelfen
2. Ein Vorher-Nachher-Styling machen
3. In Physik einen Schokokuss zum Platzen bringen
4. Im Seniorenheim die Senioren aufmuntern (egal wie)
Echt peinlich:
5. Mit dem Fahrrad durch den Drive-in fahren
6. Einen Tanzkurs machen (nur mal so nebenbei, ich bin so
musikalisch wie eine Buchstabennudel)
7. Eine Verkäuferin zur Weißglut bringen
8. Im Schlafanzug in der Schule auftauchen
Au weia!
9.
Eine Party geben, wenn die Eltern aus dem Haus sind
10. Im Unterricht jede Antwort singen (dabei kann ich mit
meinem Gesang Eier abschrecken)
11. Einen Liebesbrief schreiben und persönlich übergeben
(uaaaah!!!)
12.Einen Survival-Kurs mitmachen (örks, hoffentlich muss ich
keine Maden essen wie die Dschungelcampler)
13. Seinen ersten Kuss bekommen (maxi-kreisch und lauf schnell
weg!!!)
Ich wette, die besonders fiesen Punkte 10 bis 13 stammen von
Mona. Das Tierheim und die anderen einfachen Sachen garantiert
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von Miri. Und Timo ist so ein Physik-Ass - der hat sicherlich
den Schokokuss beigesteuert, während ich den Schlafanzug und
die Party sicher dem Scherzkeks Basti zu verdanken habe. Auf
diese Weise kann er nämlich sichergehen, dass er zu meiner
Geburtstagsparty auch eingeladen wird. Verzweifelt suche ich
nach einer Ausrede, um aus der Nummer wieder herauszukommen.
„Hey, dieser ganze Kurs- und Stylingkram kostet doch bestimmt
einen Haufen Geld. Und Geld haben wir nicht.“
„Mach dir keine Sorgen“, sagt Sandra. „Das Survival-Camp kann
ich spendieren, mein Onkel gibt solche Kurse.“
„Ja, und von mir kannst du ein kostenloses Typstyling
bekommen“, fügt Mona hinzu. „Meine Mutter ist Friseurin und
hat es sich wie ich zur Aufgabe gemacht, die Welt zu
verschönern. Und glaub mir, bei dir gibt es eine ganze Menge
zu verschönern.“ Sie verdreht die Augen.
Auweia! Spontan sortiere ich das Vorher-Nachher-Styling in
diese Kategorie um. Denn eine Ummodelung von Mona lässt meinen
schlimmsten Albtraum wahr werden. Wie ich danach aussehe, kann
ich mir ungefähr vorstellen. Pink, pinker, am pinkesten.
„Bleibt aber immer noch der Tanzkurs“, sage ich muffig.
„Tja, da hat sie recht. Da müssen wir uns wohl was anderes
einfallen lassen“, steht mir Miri bei.
„Ach was. Wir können doch mit einer Aktion Geld sammeln“,
meint Timo, der Spielverderber. Er schaut bedeutungsvoll auf
die Tomatenflecken auf dem Tempo, das neben meinem Handy
liegt. „Wir könnten am Schulfest zum Beispiel Suppe verkaufen.
Buchstabennudelsuppe.“ Er lacht. „Versteht ihr,
Buchstabennudelsuppe, weil wir doch eine Zeitung machen. Und
mit Suppe kennt sich Nele ja aus. Hahaha.“
Ja, haha. Der hat gut lachen. Echt witzig!
„Na, was ist?“, fragt Mona. „Willst du doch noch kneifen?“
Ich seufze. Nicht zuletzt wegen meiner „Unfälle“ ist der Direx
schlecht auf unser Redaktionsteam zu sprechen. Und die Palme
wird ihn sicher weiter beackern. Irgendwie bin ich also in der
Pflicht.
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Engelchen: Ja, genau, das bist du.
Teufelchen: Quatsch! Mit Pflichtgefühl kommt man nicht weit.
Man sollte immer zuerst an sich denken. Wenn du keinen Bock
auf diese blöde Liste hast, dann lass es einfach.
Andererseits könnte ich es auch lassen, denke ich. Schließlich
kann mich niemand zwingen, mich für alle zum Deppen zu machen.
Teufelchen: Genau! Da hast du völlig recht. Obwohl es bestimmt
lustig wäre, das zu sehen.
Engelchen: Aber wenn du es nicht machst, wird es garantiert
bald keine Schülerzeitung mehr geben. Das ist die einzige
Chance, die Zeitung noch zu retten.
Grmpf. Überredet. Hugh! Die Stimme meines Gewissens hat
gesprochen.
„Also gut, ich mach’s“, sage ich.
Die anderen johlen und kreischen erfreut.
„Nele, Nele, Nele!“, ruft Basti.
„Hey, super!“, schließt sich Timo an.
„Du bist meine Heldin!”, sagt Miri und umarmt mich.
„Danke“, meint Sandra.
„Pass bloß auf, dass du nicht wieder alles vermasselst.
Obwohl, dann haben die anderen wenigstens was zu lachen und
Lachen soll ja gesund sein“, giftet Mona.
Sie ist doch ein echtes Schätzchen, denke ich, sage es aber
nicht. Mit manchen Leuten lohnt nicht mal das Streiten.
Da das Wochenende vor der Tür steht, haben alle (außer mir)
beschlossen, dass wir keine Zeit verlieren und gleich mit der
Liste starten. Sandras Onkel hat sie nämlich just an diesem
Wochenende zu einem Survival-Kurs eingeladen – echt, solche
fiesen Zufälle können auch nur an einem Freitag, dem 13.,
passieren. Daher haben wir nicht mit Punkt 1 auf der Liste
angefangen, wie ich es wollte, sondern mit Punkt 12. Zuerst
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lief auch alles glatt – bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir
Beeren sammeln sollten. Da hat mein Tollpatsch-Gen volle Kanne
zugeschlagen …
!Achtung Peinlichkeitsfalle! Wenn du nicht auf Überraschungen
stehst, dann lass lieber die Finger von Listen mit Dingen, die
man mal gemacht haben sollte.
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