www.in-stability.de Beziehung & Business: gelungene und nicht gelungene Gestaltung von Beziehung in Organisationen und die Auswirkungen auf Effektivität und Effizienz Der Begriff „Beziehung“ wird im professionellen Kontext ambivalent diskutiert. Viele verorten diesen Begriff eher im privaten Kontext als in organisatorischen Zusammenhängen. Und obwohl uns bewusst ist, dass jede Form der Interaktion mit anderen Beziehungsgestaltung ist, finden in der täglichen Arbeit vielfache Abwertungen der Relevanz genau dieser Gestaltung statt. Die Auseinandersetzung mit Beziehungen im Arbeitsleben geht zurück bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Taylorismus und Scientific Management kamen an ihre Grenzen. Der Grenznutzen der Automatisierung schien erreicht. Eine wesentliche Weiterentwicklung stellten die Hawthorne-Experimente an der Ohio State University dar, die u.a. den Grundstein der Human RelationsBewegung legten. In zahlreichen und „Die Auseinandersetzung mit Beziehungen im Arbeitsleben geht zurück bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts.“ unterschiedlichen Experimenten wurde die Beobachtung gemacht, dass die Berücksichtigung von Bedürfnissen von Mitarbeitern weitere Leistungssteigerungen in der Produktion mit sich brachten. Damit wurden bereits in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die © In Stability GmbH & Co. KG Bedeutung von Zuwendung und Beachtung („Consideration“) vorweggenommen, die dann in den 50er Jahren von „Die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Mitarbeitern – „Consideration for People“ genannt – bildete nachfolgend die Basis für die Entwicklung von Führungstypologien in den 50er und 60er Jahren.“ Eric Berne, dem Begründer der Transaktionsanalyse, explizit formuliert wurde. Diese Berücksichtigung der Bedürfnisse von Mitarbeitern – „Consideration for People“ genannt – bildete nachfolgend die Basis für die Entwicklung von Führungstypologien in den 50er und 60er Jahren, wie etwa dem bekannten „Managerial Grid“ oder Verhaltensgitter von Blake und Mouton (1964). Im Managerial Grid haben Blake / Mouton 1964 erstmalig eine Differenzierung von Managementstilen nach den Dimensionen „Concern for People“ und „Concern for Results“ vorgenommen. Es kombiniert damit die Sach- bzw. Aufgabenorientierung in der Führung mit der Bedürfnisoder Personenorientierung. Blake und Mouton spannten damit ein Portfolio von insgesamt neun unterschiedlichen Führungsstilen auf. Diese Führungsstile reichen von einem gleichgültig-apathischen, über einen 1 www.in-stability.de „middle-of-the road“, einem eher mitarbeiterorientierten, einem eher sach- und aufgabenorientierten bis hin zu einem integrierten Führungsstil. „Bedürfnis- bzw. Personenorientierung“ einerseits und „Sach- bzw. Aufgabenorientierung“ wurden dabei als zwei voneinander unabhängige Dimensionen der Führung in faktoranalytischen Verfahren „Bedürfnis- bzw. Personenorientierung“ einerseits und „Sach- bzw. Aufgabenorientierung“ wurden dabei als zwei voneinander unabhängige Dimensionen der Führung ermittelt.“ ermittelt. Und obwohl Blake und Mouton insgesamt neun Führungsstile unterschieden, propagierten sie eine Kombination von beiden Dimensionen in jeweils hoher Ausprägung als besonders wirksam. Auf Basis dieser Überlegungen sind in den 70er und 80er Jahren zahlreiche Weiterentwicklungen und Modellvarianten zu Führungsstilen entstanden. Dazu zählen u.a. die kontingenztheoretischen Ansätze, wie z.B. die Situative Führung nach Hersey und Blanchard aus dem Jahr 1977. Dieser Ansatz berücksichtigt die unterschiedlichen Reifegrade von Mitarbeitern in der Führung und leitet daraus Handlungsempfehlungen für das Verhalten der Führungskraft ab. Ein späterer Ansatz von Reddin aus dem Jahr 1984 unterscheidet die Sach- bzw. Aufgabenorientierung von der Beziehungsorientierung und differenziert zugleich mehr von weniger effektiven Füh- © In Stability GmbH & Co. KG rungsstilen. Bemerkenswert ist, dass an dieser Stelle die ursprüngliche Orientierung an den Bedürfnissen von Mitarbeitern als Beziehungsorientierung weitergedacht wird. Diese klare Unterscheidung findet sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur nicht durchgängig wieder. An etlichen Stellen wird die Personen- oder Bedürfnisorientierung („Concern for People“) mit Beziehungsorientierung wiedergegeben oder entsprechend interpretiert. Das ist insofern problematisch, als die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Mitarbeitern gerade nicht mit der Gestaltung von Beziehungen gleichgesetzt werden kann. So entspricht die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Mitarbeitern im Rahmen führungstypologischer Ansätze dem einseitigen Handeln der Führungskraft, die den Mitarbeitern zugutekommt. Die Gestaltung von Beziehungen hingegen können als wechselseitiger Prozess verstanden werden, in dem beide Seiten - Füh- „Die Gestaltung von Beziehungen hingegen können als wechselseitiger Prozess verstanden werden, in dem beide Seiten - Führungskraft und Mitarbeiter – aktiv beteiligt sind.“ rungskraft und Mitarbeiter – aktiv beteiligt sind. Aufbauend auf den führungsstiltypologischen, situativen und persönlichkeitstypologischen Ansätzen haben in den 90er und 2000er Jahren verschiedene Autoren Überlegungen zur Auswirkungen von Führungsstile auf die Unternehmenskultur angestellt. So stellt etwa Fatzer (2005) 2 www.in-stability.de in der Kombination von Personen- und Leistungsorientierung ein Portfolio von insgesamt vier Kulturtypen vor. Er unterscheidet die Apathische Kultur von der Fürsorglichkeits-Kultur, der Antreiber-Kultur und der integrativen Kultur. „So stellt etwa Fatzer (2005) in der Kombination von Personen- und Leistungsorientierung ein Portfolio von insgesamt vier Kulturtypen vor.“ Bei der Fürsorglichkeits-Kultur steht typischerweise die Beziehungsgestaltung als Kulturmerkmal im Vordergrund. Organisationen mit dieser Kultur haben üblicherweise eine hohe Attraktivität als Arbeitgeber. Sie punkten mit einer hohen Bindung ihrer Mitarbeiter zum Unternehmen. Meist gibt es eine ausgeprägte und explizite Orientierung an Werten und Leitbildern. Sie ist zugleich verbunden mit einer hohen Toleranz gegenüber unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen von Mitarbeitern. Gleichzeitig werden hingegen Konflikte als Vertrauensverlust verstanden und daher in der Regel vermieden. Das üblicherweise patriarchalische Führungsmodell führt häufig zu einem Gefälle zwischen Überverantwortung von Führung und Unterverantwortung der Belegschaft. Neue Ideen gelten zwar als willkommen, werden aber häufig nicht wirksam umgesetzt. Auch stehen explizite Zielsysteme und die Orientierung weit weniger im Fokus. Die Zielerreichung wird weniger explizit verfolgt und damit © In Stability GmbH & Co. KG häufig Opportunitäten am Markt nicht voll ausgeschöpft. In der apathischen Kultur besteht ein mangelndes Interesse an Leistungsergebnissen und an Menschen. Dies ist zu finden bei Organisationen im Niedergang und in Krisenzeiten, ebenso tritt dies auf, wenn das Geschäftsmodell als robust bzw. als „Selbstläufer“ verstanden wird. Entsprechend können Organisationen mit einer apathischen Kultur durchaus erfolgreich sein. Erfolg wird gerne auch nach außen gezeigt und führt zu einem Image des finanziell attraktiven Arbeitgebers. Gegenüber dem Wettbewerb wird dabei ein hohes Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit an den Tag gelegt. Dies allerdings ist meist einer Verzerrung des Selbstbildes geschuldet. Es besteht faktisch ein geringes Reaktionsvermögen bei Angriffen durch Wettbewerber und damit eine potentielle Existenzbedrohung. In einer apathischen Kultur fehlt es häufig an einer ausgeprägte Gruppenidentität vor allem auf Peer-Ebene. Organisationen mit dieser Kultur leiden gewöhnlich unter hoher Fluktuation. Zudem kann es immer wieder zu persönlichen Grenzüberschreitungen und Integritätsverletzungen kommen. Das Klima ist eher von Misstrauen, Manipulation und Seilschaften geprägt – als Kompensation fehlender Beziehungsorientierung. Organisationen mit einer AntreiberKultur sind durch ein konsistentes Zielsystem geprägt. Sie haben klar formulierte finanzielle Anreizmechanismen und eine hohe Transparenz in der Zielerreichung. Diese erreichen sie durch konsequente Nachverfolgung in der Entwicklung des Geschäfts. Das Management- 3 www.in-stability.de handeln ist durch schnelle Entscheidungsfindung im Sinne der Zielerreichung geprägt. In diesen Organisationen wird eine langfristige und nachhaltige strategische Entwicklung zugunsten kurzfristiger Zielerreichung häufig vernachlässigt. Gleichzeitig werden Mitarbeiter in Organisationen mit einer Antreiber-Kultur schnell in ihrer persönlichen Anerkennung auf ihre Leistung reduziert im Sinne von „du bist, was du leistet“. Damit werden die Potenziale von Mitarbeitern jenseits der geforderten Leistung üblicherweise nur eingeschränkt genutzt. Es kann damit zum „Funktionieren“ von Mitarbeitern kommen als Anpassungsleis- „Aus der Schilderung der bisherigen drei Stile wird deutlich, dass sie alle neben konstruktiven auch destruktiven kulturelle Facetten haben. Sie können nur in einer integrativen Kultur überwunden werden.“ tung an das System oder die Kultur. Sie kann verbunden sein mit der Gefahr der (Selbst-)Überforderung und Burnout. Aus der Schilderung der bisherigen drei Stile wird deutlich, dass sie alle neben konstruktiven auch destruktiven kulturelle Facetten haben. Sie können nur in einer integrativen Kultur überwunden werden, die nach Fatzer durch eine hohe Ausprägung in der Personen- sowie der Leistungsorientierung erreicht werden kann. Als ganz praktisches Problem aller dieser Ansätze hat sich allerdings herausgestellt, dass es keine eindeutigen, empirischen Belege gibt für einen Zusammen- © In Stability GmbH & Co. KG hang zwischen einem bestimmten Führungsstil und unternehmerischem Erfolg. Vor diesem Hintergrund und aufgrund unser eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Organisationen halten wir einen ge- „Als ganz praktisches Problem aller dieser Ansätze hat sich allerdings herausgestellt, dass es keine eindeutigen, empirischen Belege gibt für einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Führungsstil und unternehmerischem Erfolg.“ naueren Blick auf das Phänomen der Beziehung für sehr relevant. Eine zentrale Erkenntnis der Human Relations-Bewegung liegt in der Verabschiedung vom Menschenbild des „Homo Oeconomicus“ und der Hinwendung zum Konzept des „Social Man“, d.h. dem Verständnis von Organisationen als soziale Aggregate. In diesem Verständnis sind Beziehungen ein integraler Bestandteil. Was also macht Beziehung in Organisationen aus? Wir möchten dazu zunächst auf die entwicklungspsychologisch begründeten Beziehungsformen von Sell (2009) eingehen und diese auf den organisatorischen Kontext übertragen. 1. Demzufolge entwickeln sich unsere Beziehungsfähigkeiten zunächst in der Fähigkeit zur nahen und vertrauensvollen Beziehung, wie sie üblicherweise für das frühe Verhältnis zwischen Mutter und Kind nach der Geburt kennzeichnend ist. In Organisationen korrespondiert diese Fähigkeit mit Vertrauen als Beziehungsbasis und der damit verbunde- 4 www.in-stability.de nen Fähigkeit, sich auf Konflikte einzulassen. Gefolgt wird sie von der Fähigkeit zum gemeinsamen Handeln und damit in Organisationen der Fähigkeit zur Kooperation und gemeinsamen Zielerreichung. Eine weitere wesentliche Beziehungsstufe besteht in der Fähigkeit zum Spiegeln und Rückkoppeln. Sie korrespondiert in Organisationen mit der Fähigkeit zur Selbstreflektion, der Annahme von verhaltensbezogenem Feedback und der Rückmeldung zu Leistung. Wesentlich für unsere Beziehungskompetenzen sind unsere Fähigkeiten, sich zu streiten und zu messen. Diese Fähigkeit ist in Organisationen von besonderer Bedeutung, ist sie doch die Grundlage zur Konfliktfähigkeit und Fähigkeit zur diskursiven Auseinandersetzung. Eng verbunden damit ist die Fähigkeit zur Abgrenzung sowie zum wirksamen Aufzeigen von Grenzen. Das kann in Organisationen sowohl leistungs- als auch verhaltensbezogen erfolgen. Schließlich gehören zu unseren Beziehungskompetenzen unsere Fähigkeiten, mit Paradoxien umgehen zu können. Auch das ist für Organisationen von hoher Bedeutung. Sie begründet die Fähigkeit zum Umgang mit Widersprüchen, Zielkonflikten, Mehrdeutigkeiten, Politik etc. Über- und Unterordnungsverhältnissen, wie sie in Arbeitsverträgen Ausdruck findet, ein. Alle diese Fähigkeiten sind Voraussetzung dafür, sich autonom und erwachsen für die Art und Struktur von Beziehungen in Organisationen zu entscheiden. Das schließt auch die bewusste Wahl gewollter Abhängigkeit, wie etwa die Arbeit in Effektivität und Effizienz und damit die Wirksamkeit organisatorischen Handelns sind in allen Fällen eingeschränkt durch disfunktionale Beziehungsmuster. Sämtliche der zuvor skizzierten Ausprägungen haben jeweils unterschiedliches Potenzi- 2. 3. 4. 5. 6. © In Stability GmbH & Co. KG Aus unserer Sicht interessant ist die Betrachtung der vorgenannten Kulturen nach Fatzer aus dem Blickwinkel des zuvor skizzierten Beziehungsverständnisses. „Alle diese Fähigkeiten sind Voraussetzung dafür, sich autonom und erwachsen für die Art und Struktur von Beziehungen in Organisationen zu entscheiden.“ So sind in einer Fürsorglichkeitskultur die Fähigkeiten zu Nähe und Vertrauen sowie zum kooperativen Handeln stärker ausgeprägt, die Fähigkeiten zu Auseinandersetzung und Konflikt sowie zu Abgrenzung und Grenzziehung eher schwächer vorhanden. In einer apathischen Kultur wiederum sind die Fähigkeiten zu Abgrenzung und Grenzziehung sowie zum Umgang mit Widersprüchen sichtbar, Nähe und Vertrauen sowie kooperatives Handeln hingegen eher nicht. In einer Antreiber-Kultur dominieren die Fähigkeiten zu Auseinandersetzung und Konflikt sowie zu Abgrenzung und Grenzziehung versus dem Umgang mit Widersprüchen oder Nähe und Vertrauen. 5 www.in-stability.de al, die Beziehungsstrukturen und damit die Effektivität und Effizienz der Zusammenarbeit in Organisationen zu verbessern. In diesem Sinne ermöglicht erst eine vollständig integrative Kultur die Ausprägung aller Beziehungsfähigkeiten und damit größtmögliche Effektivität und Effizienz. Literatur: Fatzer, G. (2005): Institutions- und Systemdynamik der Supervision. In: Fatzer, G. (Hrsg.): Supervision und Beratung. Ein Handbuch Sell, M. (2009): Beziehungsformen als Element konsequenter transaktionaler Denkweise, in: Zeitschrift für Transaktionsanalyse (ZTA), H. 2, 26. Jg. (2009), S. 108-115 Martin Thiele, Dr. Michael Korpiun, Geschäftsführende Gesellschafter In Stability GmbH & Co. KG [email protected] [email protected] © In Stability GmbH & Co. KG 6
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