Der Fall Anja Aichele: über diesen Mord haben Christine Bilger und WolfDieter Obst schon oft geschrieben. Er ist bis heute nicht aufgeklärt. „Mörder werden fast immer gefasst“ Christine Bilger (von links), Kinderze itungsredakteur Markus Brinkmann und WolfDieter Obst beim Gespräch mit den Kindern der 5k des FSG Marbach. Während der Kinderkrimiwochen hat eine Schulklasse im Stuttgarter Pressehaus die Polizeireporter Christine Bilger und WolfDieter Obst interviewt. Jule: Wie lange dauerte euer längster Fall? Christine Bilger: Es gibt Fälle, die bis heute nicht aufge klärt wurden. Zum Beispiel ein Mordfall aus dem Jahr 1987. Eine 17Jährige wurde damals umgebracht. Sie war auf dem Heimweg von einem Konfirmationstreffen. Wolf-Dieter Obst: Ich habe kurz nach diesem Mordfall als Polizeireporter angefangen und mittlerweile schon oft über diesen Fall geschrieben. Christine Bilger: Ich arbeite noch nicht so lange als Poli zeireporterin, aber ich habe auch schon drei Mal über die sen Fall geschrieben. Das liegt daran, dass Mord nicht ver jährt. Wenn jemand etwas klaut und dabei nicht erwischt wird, dann hört die Polizei irgendwann auf, nach ihm zu su chen. Bei Mord ist das nicht so. Vielleicht habt ihr schon mal von DNASpuren gehört. Das ist der Bauplan des Menschen – und er ist einzigartig. Früher konnte man diese Spuren noch nicht auswerten. Heute dagegen schon. Deshalb hat man vor ein paar Jahren alle Männer, die damals in der Nähe des Mordfalls gewohnt haben, zum DNATest gebeten. Aber auch dabei ist nichts herausgekommen. Wolf-Dieter Obst: Der Mann von der Kriminalpolizei, der die Ermittlungen damals geleitet hat, ist mittlerweile längst im Ruhestand. Er hat mir mal erzählt, dass es noch immer Männer gibt, die noch nicht beim DNATest waren. Aber solche Fälle haben wir nicht so oft. Jule: Konntet ihr der Polizei schon mal helfen? Christine Bilger: Vielleicht nicht der Polizei, aber anderen Menschen auf jeden Fall. Bei mir hat mal eine Frau angerufen. Ihr Mann war in Stuttgart und konnte sein Auto nicht mehr finden. Da hat er sich kurzerhand ein Taxi genommen und hat sich nach Hannover fahren lassen, wo er wohnte. Die Frau bat mich bei der Suche nach dem Auto um Hilfe. Ich habe dann einen Artikel darüber geschrieben – und am nächsten Tag meldete sich ein Mann, der das Auto gefunden hatte. Abdullah: Welches war euer leichtester Fall? Christine Bilger: So etwas wie heute Morgen zum Bei spiel. Wir haben nämlich schon einen Anruf von der Polizei bekommen. Heute Nacht wurde eine ältere Frau ermordet. Aber die Polizei hat den Täter direkt geschnappt. Abdullah: Warum hat er die Frau denn ermordet? Wolf-Dieter Obst: Das Warum steht ganz am Ende der Fragekette. Manchmal entpuppt sich ein einfacher Fall als sehr knifflig. Ich habe mal über einen Brand berichtet. Es hieß, die Kabel seien alt gewesen. Doch die Brandexperten stellten fest, dass dort, wo der Brand ausgebrochen war, gar keine Kabel lagen. Am Ende kam heraus, dass die Bewohne rin mit einer Zigarette in der Hand eingeschlafen war. Leonie: Was war euer schwierigster Fall? Christine Bilger: Am schwierigsten ist es, wenn die Poli zei selbst noch nichts weiß und wir niemanden fragen kön nen. Es gab mal einen Fall, da hat ein Mann eine Hand in die Tür einer SBahn bekommen. Die Bahn ist losgefahren und hat den Mann mitgeschleift. Niemand kannte ihn und nie mand hatte gesehen, was genau passiert ist. Wolf-Dieter Obst: Es stellte sich die Frage, wie das pas sieren konnte. War die Tür defekt? Eigentlich sollte die Tür direkt wieder aufgehen, wenn eine Hand dazwischen ist. Bei Tests machte sie das auch. Was also war genau passiert? 14 Markus Brinkmann (Text), Lichtgut/Leif Piechkowski (Fotos) Jane: Wie viele Fälle habt ihr schon aufgeklärt? Wolf-Dieter Obst: Wir lassen ja aufklären, denn die Er mittlungen führt die Polizei. Und der wollen wir nicht ins Handwerk pfuschen. Die Polizei weiß viel mehr über die Fäl le. Oft mehr, als sie uns Journalisten erzählt, weil sie den Tä ter nicht warnen will. Ungeklärte Fälle gibt es gar nicht so viele. Mordfälle werden eigentlich fast immer aufgeklärt. Wohnungseinbrüche oder Diebstähle werden dagegen eher selten aufgeklärt. Fabian: Was war denn euer brutalster Fall? Christine Bilger: Im vergangenen Jahr wurde auf einem Friedhof in Stuttgart ein Mädchen erschlagen. Das war schon sehr brutal. Wolf-Dieter Obst: Mein brutalster Fall war der Beton mord. Dabei hat eine junge Frau ihren 19jährigen Freund vor die Haustür gelockt. Dort wurde er von zwei Tätern erschla gen. Um die Leiche loszuwerden, haben die Täter sie in Blu mentöpfe einbetoniert. Christine: Über wie viele Fälle schreibt ihr denn so? Christine Bilger: Zur Vorbereitung auf das Gespräch mit euch, habe ich mal in meinem Archiv nachgeschaut. Da komme ich auf 250 Geschichten im Jahr. Das hat nicht alles mit der Polizei zu tun, aber irgendwas passiert immer. Fabian: Warum haben sie das gemacht? Wolf-Dieter Obst: Das weiß niemand so genau. Vor Ge richt haben die Täter darauf keine Antwort gegeben. Tim: Habt ihr auch Waffen? Wolf-Dieter Obst: Nein, und ich würde sie auch nicht nutzen. Christine Bilger: Ich habe auch keine Waffe. Und selbst die Polizei schießt sehr selten. Ich habe mich mal mit einem Polizisten unterhalten. Er meinte, es sei sein Ziel, kein einzi ges Mal schießen zu müssen, bis er in den Ruhestand geht. Das lernen die Beamten so auch in der Ausbil dung. Schießen ist für Polizisten die allerletzte Mög lichkeit, denn das Leben eines Menschen ist kostbar – auch wenn es sich um einen Verbrecher handelt. Christine Bilger... Während des Gesprächs mit den Polizeireportern hat unser Grafiker Alexander Schulz den Kindern eine Tasche geklaut. Die „Täterbeschreibung“ der Schüler kommt dem Original sehr nah. ...ist 43 Jahre alt und arbeitet seit zehn Jahren für die „Stuttgarter Zeitung“, seit fünf Jahren als Polizeireporterin. Mit den Kinder zeitungslesern, die zu Gast im Pressehaus waren, teilt sie bis heute die Begeisterung für die DreiFragezeichenHörspiele. Wolf-Dieter Obst... ...ist 52 Jahre alt und schreibt seit 28 Jahren für die „Stuttgarter Nachrichten“ als Polizeire porter. Er hat zwei Kinder, die mit der Schule fertig sind, beide haben das Abitur geschafft. Außerdem hat er einen Patenjungen, der gera de in der fünften Klasse ist. 15
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