Informationen zu den Stolpersteinen Steptember 2015

Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 1
Rollwagstraße 16 (früher Innere Rosenbergstr. 22–24) | Sofie Reis;
Margarete, Max, Hans David und Walter Emil Reis; Arthur Reis; Carola Reis
Betreut von Dr. Gerhard Schneider (Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.V.)
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SOFIE REIS
MAX REIS
MARGARETE REIS
GEB. KAHN
JG. 1876
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
TREBLINKA
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JG. 1897
FLUCHT 1939
ENGLAND
GEB. ETTLINGER
JG. 1906
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
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ARTHUR REIS
CAROLA REIS
HANS DAVID REIS
WALTER EMIL REIS
JG. 1904
FLUCHT 1933
PALÄSTINA
JG. 1909
FLUCHT 1933
PALÄSTINA
JG. 1933
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
JG. 1935
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
Hier an der Rollwagstraße 16 (vor dem Zweiten Weltkrieg Innere Rosenbergstr. 22–24) wurde bereits
2009 ein Stolperstein für Sofie Reis geb. Kahn verlegt. Er wird nun ergänzt durch Steine für weitere
Familienmitglieder, die hier gelebt haben. Außerdem wissen wir inzwischen, dass Sofie Reis nicht in
Maly Trostinec ermordet wurde (wie es damals auf dem Stein hieß), sondern in Treblinka.
Sofie Reis führte bis zur „Arisierung“ zusammen mit dem Neffen ihres verstorbenen Ehemannes, Max
Reis, ein Manufaktur-Geschäft (Webwaren-Einzel- und Großhandel). Es wird 1893 im Adressbuch der
Stadt Heilbronn in der Lohtorstraße 27 genannt. 1912 firmierte es als Möbel-ManufakturAussteuergeschäft, im Adressbuch 1925 wird als Geschäftsadresse die Innere Rosenbergstraße 22
angegeben, wobei sich offenbar auch die Privatwohnungen der Inhaber dort befanden. Diese Adresse
ist bedeutungsvoll auch in anderer Hinsicht: Bis 1872 handelte dort Carl Heinrich Knorr, der Gründer
der bekannten Heilbronner Suppenfirma, en gros in Reis, Gerste, Sago und Landesprodukten.
Die Familie Reis stammte ursprünglich aus Portugal und soll um 1622 nach Baden eingewandert sein.
Seit 1672 ist sie in Wollenberg registriert, heute Teilort von Bad Rappenau. Die dortige jüdische
Gemeinde hatte zeitweilig über 400 Mitglieder, da die Adelsfamilie von Gemmingen-Guttenberg die
Ansiedlung jüdischer Menschen begünstigt und durch den Bau größerer Wohnhäuser unterstützt hatte
– eine typische Ansiedlung des sog. Landjudentums, dessen Mitglieder meistens im Landhandel tätig
waren.
Um 1890 zogen die Brüder Baruch und David B. Reis nach Heilbronn und eröffneten das beschriebene
Manufakturgeschäft. Baruch Reis war zeitweilig Vorsitzender der israelitischen Religionsgemeinschaft
Adass-Jeschurun, Mitglied einer zionistischen Ortsgruppe, in den Vereinen Eintracht und Allianz sowie
im jüdischen Wanderbund Blau-Weiß. Er war verheiratet mit Sofie geb. Kahn (geb. 02.02.1876) aus
Schwäbisch Gmünd. Das Ehepaar hatte vier Kinder, die zwischen 1933 und 1938 alle auswanderten.
Baruch Reis verstarb 1930. Seine Ehefrau Sofie führte das Geschäft zusammen mit dem Neffen ihres
Mannes, Max Reis, weiter. Sofie Reis soll einen streng orthodoxen Haushalt geführt haben. Im Rahmen
der nationalsozialistischen Zwangsmaßnahmen wurde sie dann zum Umzug gezwungen, zunächst in
die Bismarckstraße 3a, am 23. März 1942 nach Haigerloch und von dort aus nach Treblinka, wo sie
ermordet wurde.
Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 2
Max Reis, geb. am 14. August 1897 in Heilbronn, war wie erwähnt am Geschäft der Familie Reis
beteiligt; nach dem Tod seines Onkels Baruch Reis führte er es gemeinsam mit seiner Tante Sofie Reis.
In der israelitischen Gemeindeliste wird noch 1937 die Innere Rosenbergstraße 22 als sein Wohnsitz
aufgeführt. Sein Vater, David B. Reis (geb.1858) hatte mit seinem Bruder Baruch das Geschäft
aufgebaut; er war lange Zeit im Vorstand der orthodoxen israelitischen Religionsgemeinschaft sowie
im Vorstand des israelitischen Wohltätigkeitsvereins. David Reis starb wie auch seine Ehefrau Sarah
(geb. 1867) im Jahr 1925 in Heilbronn.
Max Reis war Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, er wurde ausgezeichnet mit dem EK II und dem
„eisernen Halbmond“. Seine Frau Margarete geb. Ettlinger (geb. 02.01.1906) stammte aus Bretten; sie
hatten 1928 geheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Hans-David (geb. 15.03.1933) und WalterEmil (geb. 17.09.1935). Hans-David soll zeitweilig die jüdische Privatschule besucht haben.
Max Reis wurde 1938 wohl nach dem Novemberpogrom ins KZ Dachau deportiert und nach vier
Wochen wieder freigelassen. Er wanderte 1939 über England in die USA aus; seine Ehefrau und die
beiden Kinder blieben zurück. Seinen Plan, die kleine Familie nachzuholen, konnte er leider nicht
realisieren: Margarete Reis und ihre beiden Kinder Hans-David und Walter-Emil wurden am 25.
Oktober 1939 nach Sontheim ins Haus Dr. Picard umgesiedelt, am 1. Dezember 1941 nach Riga
deportiert und dort ermordet. Die Todesdaten sind nicht bekannt.
Max Reis lebte nach seiner Auswanderung in Chicago. Er verheiratete sich dort wieder und ist
zwischenzeitlich verstorben.
Weitere Stolpersteine erinnern an zwei Mitglieder der Familie Reis, die schon im Jahr 1933 nach
Palästina ausgewandert sind: Arthur Reis (geb. 25.03.1904) war der Sohn von Sofie und Baruch Reis.
Er wurde Architekt und war als solcher schon in Heilbronn tätig, nach der Auswanderung in Tel Aviv
und Jerusalem, wobei seine Arbeiten wohl vom Jugendstil inspiriert waren. Noch heute gibt es in Israel
einige von ihm entworfene Gebäude, die zwischenzeitlich restauriert wurden. Arthur Reis war auch
beteiligt am Aufbau von landwirtschaftlichen Kooperativen wie Nahariya, Shavei Zion und Ramot
Haschawim in der Gegend von Akko.
Nach der Auswanderung heiratete er 1935 in Palästina; seine Mutter Sofie Reis sah zu diesem Anlass
ihre Kinder Arthur und Carola zum letzten Mal. Nach Angaben ihres Enkelsohnes Danny Reis konnte
sie sich in Palästina nicht einleben und kehrte nach Heilbronn zurück, auch weil sie ihren Kindern
nicht zur Last fallen wollte.
Arthur Reis hatte sich zunächst geschworen, nie mehr deutschen Boden zu betreten; dennoch kam er
nach dem Krieg mehrfach nach Heilbronn und nahm wieder Kontakt zu früheren Freunden auf. Er
verstarb 1994 in Israel.
Carola Reis (geb. 1909) ist zusammen mit ihrem Bruder Arthur im Jahr 1933 nach Palästina
ausgewandert. Sie heiratete Prof. David Shapiro und war wie er an der Universität in Jerusalem tätig.
Sie hatte eine Tochter. Carola Shapiro verstarb in den 1980er Jahren.
Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 3
Bergstr. 2 (heute Haus Rollwagstr. 6) | Clementine und Hermann Rosenthal
Betreut von Lars Ingelbach und Marie Wesener (Robert-Mayer-Gymnasium)
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CLEMENTINE
ROSENTHAL
HERMANN
ROSENTHAL
GEB. BAMBERGER
JG. 1889
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.4.1943
JG. 1873
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 8.12.1943
„Dabei müssen wir sicherstellen, dass dieses Gedenken nicht zu einem kalten Ritual verkümmert,
sondern die Herzen der Menschen und der zukünftigen Generationen erreicht.“
(Marcel Reich-Ranicki)
Clementine Rosenthal geb. Bamberger, die zusammen mit ihrem Ehemann Hermann bis 1938 im Haus
Bergstr. 2 wohnte, wurde am 20. April 1889 in Crailsheim geboren – am selben Tag wie Adolf Hitler.
Es ist wenig bekannt über das jüdische Ehepaar Hermann und Clementine Rosenthal; sie lebten seit
1931 im früheren Haus Bergstr. 2 in Heilbronn. Sie war Hausfrau, ihr 16 Jahre älterer Mann war
Kaufmann. 1938 mussten sie in ein „Judenhaus“ in der Badstraße umziehen; 1942 wurden sie nach
Theresienstadt deportiert, wo der 70-jährige Hermann Rosenthal am 8. Dezember 1943 ermordet
wurde. Seine Frau Clementine verstarb am 21. April 1943 ebenfalls in Theresienstadt.
Ebenfalls in der Bergstraße 2 lebte bis 1938 der in Bromberg geborene Harry Heimann, der letzte
Rabbiner der jüdischen Gemeinde. Er konnte 1938 nach Amerika fliehen.
Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 4
Frankfurter Str. 9 | Babette Baer, Sofie Falk, Lina und Kurt Oppenheimer
Betreut von Isolde Kübler und dem Stadtarchiv Heilbronn
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BABETTE BAER
SOFIE FALK
GEB. ADLER
JG. 1860
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.4.1943
JG. 1881
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
LINA
OPPENHEIMER
GEB. FALK
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
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KURT
OPPENHEIMER
JG. 1911
FLUCHT 1936
USA
Das Haus Frankfurter Str. 9 ist stadtgeschichtlich in mehrfacher Hinsicht interessant: Es wurde 1847
als „Gasthaus zum Ritter“ für David Gumbrecht erbaut. Das repräsentative Gebäude hatte drei
Stockwerke; es wurde zum Versammlungslokal der noch jungen SPD, das seit 1899 vom Ehepaar Hiller
betrieben wurde – Emilie Hiller wurde 1919 in die verfassunggebende Landesversammlung in
Württemberg gewählt und war bis 1933 Landtagsabgeordnete.
Das Haus gehörte um die Jahrhundertwende dem jüdischen Kaufmann Hermann Baer, der hier die
Häute-, Fell- und Lederhandlung Adler & Baer betrieb, die von seinem Schwiegervater gegründet
worden war. Auch Schwager Jakob Adler war in der Firma. Seine Ehefrau Babette Baer (oder Bär), geb.
Adler, war am 5. Mai 1860 als zweites Kind der jüdischen Eheleute Josef und Hanna (oder Hanchen)
Adler in Obergimpern geboren worden. 1868 zog die Familie nach Heilbronn; Babette heiratete am 12.
Mai 1880 den 12 Jahre älteren Hermann Baer aus Siegelsbach. Die Ehe wurde in Würzburg
geschlossen, das Ehepaar lebte aber in Heilbronn. Babette Baer war Hausfrau, die Ehe blieb kinderlos.
1918 starb Hermann Baer 70-jährig. Seine Witwe lebte weiter im Haus Frankfurter Straße 9, das sie
wohl nach 1920 an den Pferdehändler Max Mannheimer verkaufen musste. 1938 wurde Babette Baer
– inzwischen 78 Jahre alt – gezwungen, zunächst in das „Judenhaus“ in der Lachmannstraße 9
umzuziehen; anschließend lebte sie im Judenhaus Badstr. 10.
Vier Jahre später – am 23. März 1942 – wurde die 81-jährige Babette Baer nach Haigerloch in den
Ortsteil Haag deportiert – zu diesem Zeitpunkt ein geschlossener Ort. Sie lebte dort knapp fünf
Monate in der Wohnung Haag 260, bevor sie am 19. August 1942 von Haigerloch nach Stuttgart auf
den Killesberg und von dort drei Tage später von Stuttgart-Nordbahnhof aus mit der Transportnummer
XIII/1 Zug Da 505 und Häftlingsnummer 429 nach Theresienstadt deportiert wurde – mit 1000 Juden
aus Baden und Württemberg. Babette Baer starb am 28. April 1943, eine Woche vor ihrem 83.
Geburtstag, in Theresienstadt.
Seit etwa 1929 lebte die unverheiratete Sofie Falk, geboren am 4. Dezember 1881 in Heilbronn, im
Haus Frankfurter Str. 9, zunächst im Erdgeschoss, danach wohl gemeinsam mit ihrer Schwester, der
verwitweten Lina Oppenheimer, und deren Sohn Kurt im 2. Stock, möglicherweise sogar in derselben
Wohnung wie Babette Baer. Sofie Falk musste am 2. Juli 1937 als Köchin ins jüdische Altenheim in
Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 5
Sontheim, wohl bis zu dessen Auflösung. 1940 finden wir sie im Haus Schillerstr. 6, bevor sie am 26.
November 1941 „nach dem Osten“ deportiert und bei Riga ermordet wurde.
Mit demselben Transport wurde auch ihre Schwester Lina Oppenheimer (geb. Falk), 1887 ebenfalls in
Heilbronn geboren, nach Riga transportiert und dort umgebracht; auch sie war 1939/40 im jüdischen
Altenheim in Sontheim beschäftigt – als „Volontärin / Praktikantin“, wie es auf ihrer Lohnsteuerkarte
heißt. Ihrem 1911 geborenen Sohn Kurt, der bis 1936 bei Mutter und Tante im Haus Frankfurter Str. 9
gelebt hatte, gelang die Flucht in die USA.
Frankfurter Str. 45 | Resi, Leopold, Alfred und Bertha Traub
Betreut vom Günter Spengler (Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.V.)
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BERTA TRAUB
LEOPOLD TRAUB
GEB. HAHN
JG. 1884
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
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JG. 1879
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
RESI TRAUB
ALFRED TRAUB
JG. 1908
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
JG. 1909
EINGEWIESEN 6.6.1940
HEILANSTALT ZWIEFALTEN
„VERLEGT“ 31.3.1941
HADAMAR
ERMORDET 31.3.1941
AKTION T4
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In der Frankfurter Straße 45 wohnte die Heilbronner Familie Leopold und Berta Traub mit den beiden
Kindern Resi und Alfred Traub. Die Familie gehörte zur Jüdischen Gemeinde Heilbronn.
Leopold Traub wurde am 16. März 1879 in Eichtersheim bei Sinsheim geboren. Er war Kaufmann,
„Manufakturwarenhändler“, wie es damals genannt wurde. Nach dem Adressbuch war er seit 1929 in
Heilbronn. 1938 wurde er mit der Familie in dem „Judenhaus“ Gustloffstraße 53 (Weststraße 53)
einquartiert. In einem Protokoll von 1941 heißt es dazu: „Die noch in jüdischem Besitz befindlichen
Wohnhäuser sind weitgehend zu füllen […] dass 2 – 4 Personen je Wohnraum unterkommen […] ohne
Berücksichtigung des Alters und Geschlechtes der Juden“.
Berta Traub, geborene Hahn, kam am 19. September 1884 in Berwangen (heute Ortsteil der Gemeinde
Kirchardt) zur Welt. Sie war Hausfrau und sorgte für die Familie mit den beiden Kindern.
Berta und Leopold Traub wurden auf Grund der Deportationsliste der Geheimen Staatspolizei vom 21.
November 1941 aufgefordert, sich zur „Evakuierung nach Osten“ am 26. November 1941 einzufinden.
Der Transport ging dann am 1. Dezember 1941 mit 45 weiteren Heilbronner Juden vom Stuttgarter
Killesberg nach Riga. Dort kamen beide in das Außenlager Jungfernhof. 1941/42 war ein eisiger
Winter. Die katastrophale Unterbringung, die Kälte und der Hunger führten dazu, dass in den
Wintermonaten in Jungfernhof 800 Menschen starben. Tausende wurden in den Wald von Bikernicki
getrieben und dort erschossen. Das Todesdatum von Berta und Leopold Traub ist unbekannt.
Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 6
Die Tochter Resi Traub war am 7. Februar 1908 in Wiesloch geboren worden. Ihre Lebensgeschichte
liegt ganz im Dunkeln. Bereits 1936 wird sie nicht mehr zusammen mit der Familie erwähnt. In einem
späteren Verzeichnis der ausgewanderten Heilbronner Juden vom Mai 1940 heißt es, dass sie nach
Lettland „ausgewandert“ sei; das Gedenkbuch des Bundesarchivs in Berlin führt sie ebenfalls als Opfer
der Erschießungen bei Riga (Lettland).
Der Sohn Alfred Traub wurde am 20. Juli 1909 in Wiesloch geboren und lebte bis in die 1930er Jahre
im Haushalt der Eltern. Im März 1938 wurde er aufgrund eines Verstoßes gegen das
„Heimtückegesetz“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt; im Anschluss an das Novemberpogrom wurde
er wie viele andere jüdische Männer von 11. bis 20. November 1938 im KZ Dachau interniert.
Im Juni 1940 wurde Alfred Traub in die psychiatrische Heilanstalt Zwiefalten eingewiesen; die
Diagnose ist unbekannt. Aber er wurde Opfer der sogenannten Aktion T4, als ab 1940 tausende
psychisch kranker Menschen durch Giftgas ermordet wurden. Alfred Traub war 31 Jahre alt, als er im
März 1941 über Weinsberg in die Anstalt Hadamar gebracht und dort am Tag seiner Ankunft getötet
wurde.
HN-Horkheim, Hohenloher Straße 15 | Max, Selma, Margot und Johanna Maier,
Helene Künstler
Betreut von der Evangelischen Kirchengemeinde Horkheim
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SELMA MAIER
MAX MAIER
JOHANNA MAIER
HELENE KÜNSTLER
GEB. SICHEL
JG. 1901
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
JG. 1899
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
JG. 1902
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1943 AUSCHWITZ
ERMORDET
GEB. MAIER
JG. 1908
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1943 AUSCHWITZ
ERMORDET
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MARGOT MAIER
JG. 1935
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
Im Haus der Familie Louis und Mathilde Maier in Horkheim wuchsen vier Geschwister auf: Max, Karl,
Johanna und Helene. Max wurde am 24. April 1899 geboren, Karl am 11. September 1900, Johanna
am 23. Oktober 1902 und Helene am 7. April 1908. Die Adresse lautete damals Sontheimer Str. 15 und
umfasste das Wohnhaus mit Stall, Scheune und Gemüsegarten. Der Vater Louis war Viehhändler. Beide
Eltern starben im Frühjahr 1929.
Max Maier wurde 1918 als junger Mann zum Ersten Weltkrieg eingezogen. Nach dem Tod der Eltern
gehörte ihm zusammen mit seiner ledigen Schwester Johanna der elterliche Betrieb, in dem er die
Weiterführung des Viehhandels übernahm. Am 11. Mai 1933 heiratete er Selma Sichel in Grünsfeld bei
Tauberbischofsheim. Selma wurde am 20. Oktober 1901 als Tochter von Kirstin und Leopold Sichel in
Grünsfeld geboren. Ihr Vater war ebenfalls Viehhändler. Er wurde am 1. Dezember 1937 gezwungen,
seine Viehhandlung aufzugeben.
Projekt Stolpersteine in Heilbronn
17. September 2015; S. 7
Mit der Eheschließung wurde Selma als Inhaberin des Betriebes geführt. Max Maier war als
Geschäftsführer eingetragen. In den Akten ist vermerkt, dass er den Offenbarungseid leisten musste
und vielfach vorbestraft sei. Des Weiteren ist ersichtlich, dass Max Maier in Schutzhaft genommen
wurde. Der genaue Zeitpunkt und die Gründe ließen sich nicht recherchieren. Nach der Schutzhaft, ab
Juni 1933, ordnete das Württembergische Oberamt in Heilbronn die Überwachung mit monatlicher
Berichterstattung an. Es sollte festgestellt werden, „ob sich der Betreffende nunmehr jeder politischen
Tätigkeit gegen den nationalen Staat und die bestehende Regierung enthält, diesen weder
verunglimpft, noch sonst in irgendeiner Weise öffentlich angreift“. Wegen „einwandfreiem Verhalten“
wurden die Meldepflicht und die Berichterstattung ab Dezember 1933 eingestellt.
Am 5. März 1935 wurde dem Ehepaar Selma und Max Maier die gemeinsame Tochter Margot geboren.
Im Jahr 1938 verschlechterten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie Maier, da Max seinen
Beruf nicht mehr ausüben durfte. Er arbeitete als Tagelöhner in der Landwirtschaft und als
Hilfsarbeiter in der Zuckerfabrik Münster. Jüdische Kinder durften den Kindergarten und die Schule
nicht mehr besuchen.
Am 28. November 1941 mussten sich Max, Selma und Margot am Heilbronner Hauptbahnhof
einfinden. Die Deportationen von Heilbronn gingen in insgesamt vier Transporten vor sich. Dem ersten
Transport war die Familie Max Maier zugeordnet. Es war lediglich bekannt, dass „nach dem Osten
abtransportiert“ werden sollte. Der Glaube war noch groß, dass es sich um eine Umsiedlung handeln
würde. Am 1. Dezember wurden sie von Stuttgart in das Außenlager Riga verschickt und dort
ermordet. Das Mädchen Margot Maier wurde nur sechs Jahre alt.
Der zweitgeborene der vier Geschwister, Karl Maier, arbeitete in Nürnberg als Metzgergehilfe bei der
Metzgerei Weil. Er verstarb am 9. März 1922 als 21-Jähriger – Karl hatte sich erschossen. Er wurde
auf dem „Neuen Israelitischen Friedhof“ in Sontheim bestattet.
Die Schwester Helene zog 1936 von Horkheim nach Heilbronn und arbeitete dort als Haustochter. Am
3. Februar 1938 heiratete sie ihren Verlobten Isaak Künstler und zog zu ihm nach Prichsenstadt bei
Gerolzhofen. Isaak Künstler wanderte am 1. Juli 1939 aus. Er lebte nach dem Krieg in
Sydney/Australien und stellte Nachforschungen über Helenes Schicksal an. Warum Helene nicht
ebenfalls auswanderte, ließ sich nicht klären. Im Dezember 1939 zog sie von Gerolzhofen nach
Sontheim in das jüdische Altersheim „Landesasyl Wilhelmsruhe“ und arbeitete dort.
Auch ihre jüngere Schwester Johanna lebte und arbeitete dort seit 1938. Johanna war zuvor
Hausangestellte bei Familie Victor in der Bismarckstr. 27 in Heilbronn. In der „Reichskristallnacht“ im
November 1938 wurden das Inventar und sämtliche Lebensmittelvorräte des Altersheims in einer
Aktion der NSDAP systematisch zerstört. Im November 1940 musste die jüdische Gemeinde das
Gebäude räumen, da umgesiedelte Deutsche aus den Ostgebieten dort untergebracht werden sollten.
Die Bewohner wurden zum Teil in ihre Heimatgemeinden und zum Teil in andere Altersheime oder
Judengemeinden abgeschoben.
Johanna zog nach Horkheim zurück. Helene begleitete einige Bewohner in die neue Unterkunft in der
Lauffener Straße 12 in Sontheim. Bereits vier Wochen später, am 27. Dezember, zog Helene ebenfalls
nach Horkheim. Die beiden Schwestern lebten noch ein gutes halbes Jahr im elterlichen Haus. Von
dort aus wurden sie am 22. August 1942 mit dem vierten und letzten Transport von Heilbronn nach
Theresienstadt deportiert. Am 29. Januar 1943 erfolgte die Weiterverschickung ins Vernichtungslager
Auschwitz. Dort wurden Helene Künstler und Johanna Maier ermordet.