Praktikumsvergütungskampagne Wir alle müssen

Praktikumsvergütungskampagne
Wir alle müssen während unseres Studiums Pflichtpraktika absolvieren. Unentgeltlich versteht sichoder etwa nicht? Zumindest besteht kein rechtsverbindlicher Anspruch auf Vergütung, denn das
Praktikum dient nur unserer Ausbildung und wird nicht als Arbeit angesehen. Dieses
Paradeargument für die Unentgeltlichkeit ist jedoch oftmals verfehlt, denn die geleisteten
Tätigkeiten dienen vielfach nicht dem Studienzweck und überhaupt wurden die Zielsetzungen von
Praktika nirgends niedergeschrieben. Nicht eine Studien-und Prüfungsordnung beschäftigt sich
dezidiert damit, welche Standards ein Praktikum erfüllen muss, um als solches zu gelten, die
lapidare Festlegung, dass Praktika abgeleistet werden müssen, kann dieses System nicht länger
tragen .Wenn es Ausbildungszwecken dienen soll, dann stellt sich auch die Frage nach dem realen
Interesse und der Befähigung der Praktikumsstellen zur Ausbildung. Aktuelle Urteile zu diesem
Thema gehen immer stärker in die Richtung, dass für eine weitere Annahme der Unentgeltlichkeit
deutlich werden muss, dass die jeweilige Hochschule das Praktikum organisiert und leitet. Davon
kann in der Praxis keine Rede sein.
Hintergrund: Die Rechtssprechung sagt: Der Ausbildungszweck und der Nutzen des Praktikums für
die Studierenden muss eindeutig im Vordergrund stehen. Die Ergebnisse des Praktikums müssen in
seinen weit überwiegenden Teilen den PraktikanInnen zugute kommen und nicht den
Arbeitsergebnissen der Praktikumsstelle. Wo es zu einem Missverhältnis an dieser Formel kommt,
ist Vergütungspflicht, sowie die Stellung als ArbeitnehmerIn anzunehmen. Dies kann aber aktuell
nur prozessual geklärt werden.
Oder aber, man muss das ganze System der Praktika, nur wegen eines Scheinserwerbs, komplett in
Frage stellen, denn Parkzeiten ohne Lerneffekte bringen niemandem etwas.
Viele von uns machen zudem zusätzlich freiwillige Praktika, um ihre Chancen auf dem
Arbeitsmarkt zu verbessern und vertiefte praktische Fähigkeiten zu erwerben und sich abseits der
Pflicht und des bloßen Scheinerwerbs zu engagieren und zu profilieren.Wer das macht, wird für sein
Engagement nicht belohnt.
Hintergrund: Es bestehen erhebliche definitionsmäßige Unklarheiten über die einzelnen
Praktikumsarten, und im Ergebnis entscheidet die Definition, über eine Zustimmung oder
Ablehnung der ArbeitnehmerInneneigenschaft, sowie der Pflicht zur selbständigen
Krankenversicherung einerseits und der generellen Steuerpflicht andererseits. Am erheblichsten,
aber nicht nur, durch diese Rechtsunsicherheit betroffen sind: Vor-und Nachpraktika, freiwillige
Praktika, sowie Praktika durch HochschulabsolventInnen.
Für Studierende bedeutet das aktuell, dass sie durch ein freiwilliges Praktikum aus der
Familienkrankenversicherung ausscheiden und sich selbst versichern müssen, als auch eine
generelle Steuerpflicht der Einnahmen angenommen wird. Als Argument für diese Praxis wird
herangezogen, dass ein freiwilliges Praktikum vom Studienverlaufsplan nicht vorgesehen ist.
Hintergrund: Die §§ 186 ff SGB V regeln die Versicherungspflicht während des freiwilligen
Praktikums. Ein freiwilliges Praktikum ist dem Versicherungsträger selbständig anzuzeigen,
unabhängig davon ob eine Bezahlung erfolgt oder nicht. Daneben scheiden alle Studierenden über
25 Jahren oder über dem 13. Fachsemester aus der Familienversicherung aus und müssen
freiwillig in die studentische Krankenversicherung eintreten. Ausnahmsweise, bspw. bei späterem
Studieneintritt, ist eine Versicherung in der studentischen Krankenversicherung bis zur Vollendung
des 30. Lebensjahres möglich, dies wiederum aber auch nur bis nach dem 13. Fachsemester.
Danach ist der reguläre Beitrag zur Krankenversicherung fällig und dies wiederum unabhängig
davon, ob man ein Einkommen erzielt. Staatliche Unterstützung zur Beitragszahlung, bspw. wegen
Armut, ist für Studierende nicht vorgesehen. Eng gefasste Ausnahmetatbestände lassen den
„typischen Studierenden“ außen vor und versagen staatliche Unterstützung
In der Regel wird für die Dauer eines freiwilligen Praktikums auch kein Bafög gezahlt.
Jedoch ist das Praktikumsgehalt aktuell ab dem 1. Euro steuerpflichtig und das bei jeder nur
denkbaren Variante eines Praktikums, ohne entsprechende schützende Rechte durch den
ArbeitnehmerInnenstatus und das obwohl man die Steuerpflicht nicht zuletzt an das Merkmal der
„unselbständigen Arbeit“ - sprich ARBEITNEHMERIN- anknüpft.
Wiederum Andere haben ihr Studium erfolgreich beendet und bleiben weiterhin im PraktikantInnen
status verhaftet, bestenfalls arrangieren sie sich zähneknirschend mit geringfügiger Bezahlung ohne
reale Aussichten auf eine Festanstellung, obwohl sie Leistung zum Wohle eines Arbeitgebers
erbringen. Ist jedoch ein reales Arbeitsverhältnis unter dem Deckmantel „PraktikantInnenvertrag“
erst einmal geschlossen, obliegt es dem Einzelnen seinen angemessenen und üblichen Lohn
einzuklagen. Auch hier reagiert der Gesetzgeber nicht.
Das alles muss sich ändern. Unentgeltlichen Wissenstransfer und Leistung darf es nicht geben und
es soll nicht dem Einzelnen überlassen bleiben, ob er über die Mittel verfügt, einen aktuell
beweisrechtlich ungünstigen Prozess anzustreben. Vielmehr ist es ein althergebrachter Grundsatz,
dass Leistung gleich Leistung ist, egal von wem und zu welchem Zwecke sie erbracht wurde und es
muss klargemacht werden, dass die Vergütung von PraktikantInnen eine win-win-Situation für alle
Beteiligten darstellt. Praktikumsgeber bekommen aktuellstes Fachwissen und durch Bezahlung und
Anerkennung der Leistungen, motivierte PraktikantInnen. Das wiederum verschafft eine
Identifikation mit der jeweiligen Praktikumsstelle, fördert die Produktivität und stellt einen
unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen dar. So entstehen im Endeffekt
engmaschige und langfristige Verbindungen von Theorie und Praxis.
Die folgende Kampagne soll die gegenwärtige rechtliche, soziale und wirtschaftliche Situation der
Praktikanten beleuchten und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, deren Verwaltungsaufwand
einmalig, bzw. sehr gering wären, als dass untragbare finanzielle Erwägungen den Vorschlägen
entgegenstehen könnten.
Zunächst muss „Praktikum“ definiert werden. Je nach Rechtszweig variieren diese Definitionen. Da
aber die Anerkennung der Stellung als ArbeitnehmerIn angestrebt wird, soll der arbeitsrechtliche
Praktikumsbegriff zugrunde gelegt werden. Darunter wird allgemein, eine auf eine bestimmte
Dauer angelegte Vertiefung zuvor erworbener theoretischer Kenntnisse in praktischer Anwendung,
bzw. das Erlernen neuer Kenntnisse und Fähigkeiten durch praktische Mitarbeit in einer
Organisation, verstanden.
Allein anhand dieser Definition lassen sich mehrere Merkmale aufzählen, die von der aktuellen
Situation ad absurdum geführt werden, bzw. geht die Definition selbst von einem anderen Sinn des
Praktikums aus, als das die Realität schritthalten kann.
Zunächst muss der Ausbildungszweck zwingend im Vordergrund stehen, sonst kann nicht von einer
Unentgeltlichkeit ausgegangen werden. Die Rechtsprechung zieht eine Grenze, indem sie abwägt,
wieviel Arbeitsleistung dem eigenen Ausbildungszweck dient, was der Studierende also für sich
mitnimmt, ohne das es dem Arbeitgeber dient und wieviele ausschließlich für den Betrieb erbrachte
Arbeitsergebnisse vorliegen. Das vielzitierte Kaffeekochen und Kopieren fällt mithin nie und
nimmer unter den Ausbildungszweck.
Die Praktikumsstelle muss daher auch zur Ausbildung willens und fähig sein.
Ein Praktikum sollte daher folgende Mindeststandards erfüllen:
1. die lehrende Funktion:
-durch Wissens-und Informationsvermittlung und praktischer Umsetzungshilfe muss sich
die Praktikumsstelle an der Ausbildung beteiligen, die PraktikantInnen müssen auch
tatsächlich beschäftigt werden, es ist zwingend erforderlich, dass diePraktikantInnen,
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mehrere Ausbildungsstationen ( Abteilungen) durchlaufen können, es soll auch klar und
verbindlich werden, ab welchem Ausbildungsstand welche Art von Praktikum für den
Lerneffekt sinnvoll ist, aktuell ist das zu generell gehalten
die beratende Funktion:
-es soll zur systematischen Aufarbeitung und Reflexion der gemachten Lernerfahrungen
angehalten werden
die administrative Funktion:
-die PraktikantInnen sollen befähigt werden, ihr berufliches Handeln in rechtliche, soziale
und organisatorische Zusammenhänge zu bringen
die beurteilende Funktion:
- die Praktikumsstelle muss eine, sich am qualifizierten Arbeitszeugnis orientierte
ausführliche schriftliche Beurteilung, sowohl über die PraktikantInnen, als auch über die
geleisteten Tätigkeiten ausstellen und das ohne ausdrückliches Verlangen; Die
Praktikumsstelle und nicht wie bisher die PraktikantInnen, müssen beweisen, dass er den
Praktikanten beschäftigt und angemessen vergütet hat
Die bisherige Situation: Um ein unentgeltliches Pflichtpraktikum als solches auch weiterhin
kritiklos aufrechtzuerhalten, müssten die Hochschulen eigentlich mindestens Begleittage
während der Praktikumszeit anbieten, denn angeblich leiten sie ja das Praktikum und nur
daher bestünde kein Anspruch auf Vergütung.
6. Um diese ( Selbst-) Verpflichtung der Hochschulen oder ihre vom Gesetzgeber übertragene
Aufgabe an der Ausbildung der Studierenden umzusetzen, sollte ein vitales Interesse daran
bestehen, dass sich die Praktikumsstellen zukünftig bei den jeweiligen Dekanaten
„anmelden“ und einen Vertrag schließen, um mit den Studierenden und den Hochschulen
zum Wohle der Ausbildung zu kooperieren. Dabei geht es nicht darum, dass Praktika nur
noch bei diesen Stellen absolviert werden können oder dürfen. Jeder Studierende bleibt
natürlich frei in seiner Wahl und jeder soll selbst entscheiden, in welche-auch ungünstige
Situation- er sich hinein begibt, aber es müssen auch unterstützende Schutzmechanismen für
diejenigen Studierenden geschaffen werden, die sich nicht in der Lage sehen, ihre
berechtigten Interessen vollkommen allein zu regeln und im ungünstigsten Fall den
Rechtsweg zu beschreiten oder Zeitverluste innerhalb ihrer Ausbildung zu riskieren.
Viele Fakultäten besitzen kein PraktikantInnen-Amt oder einen Berater, sodass allein schon
ein Informationsdefizit besteht. Für Auslandspraktika könnte das Akademische Auslandsamt
der Ansprechpartner sein. Das würde auch der qualitativen Sicherung von Praktikumsstellen
und der besseren Kontrolle für die Studierenden dienen. Der Vorteil wäre auch, dass es zu
einer Supervision der Praktika durch die Hochschulen käme und durch die Kooperation und
dem Austausch zwischen den Studierenden und der Hochschule auch „schwarze Schafe“
unter den Praktikumsstellen schneller ersichtlich werden könnten.
7. Wünschenswert und machbar wäre außerdem ein Mustervertrag , der Angaben über die
Praktikumsstelle, den Ansprechpartner, dessen Befähigung zur Ausbildung, die jeweiligen
Tätigkeiten des Praktikanten, sowie Angaben über die Dauer der Beschäftigung und Höhe
der Vergütung oder eine belegbare Begründung, warum keine Vergütung gewährt werden
kann, enthalten muss.
Hintergrund: Studierende genießen keinen Schutz durch das Arbeitszeitgesetz oder das
allgemeine Arbeitsrecht, da sie nicht als ArbeitnehmerInnen anerkannt sind, daher ist der
Ausbau von Schutzmechanismen unerlässlich.
Oder die Hochschulen gewähren dem Praktikanten das Recht, einen zwingend zwischen ihm
und dem Praktikumsstelle geschlossenen Vertrag auch als im Sinne der jeweiligen Studienund Prüfungsordnung anzuerkennen. Jedwede Ausbeutung und Verschwendung der Zeit und
Arbeitskraft der Praktikanten könnte so verhindert werden.
8. Wenn ein hochschulweiter Mustervertrag nicht umgesetzt werden kann, der in die
Selbstverwaltungskompetenz fallen würde, dann ist zu fragen, warum bereits jetzt
erhebliche Unterschiede in den jeweiligen Studienordnungen bestehen. So stellt die
Ordnung für die Ingenieurswissenschaften fest, dass zwar kein Anspruch auf Vergütung
besteht ( folgerichtige Argumentation, wegen der Inaktivität des Gesetzgebers) aber
„üblicherweise“ ( juristischer Fachbegriff für „eine Vergütung wird auf jeden Fall gewährt“)
erhält der Praktikant (wenigstens) eine Ausbildungsbeihilfe, deren Höhe allerdings im
Ermessen der Praktikumsstelle liegt. Diese Regelung ist auf alle Fachgruppen auszudehnen,
denn es besteht kein zwingend sachlicher Grund, um diese Ungleichhandlung zu
rechtfertigen.
9. Der Zeitumfang von Praktika muss zwingend vom Gesetzgeber begrenzt werden, vor allem
müssen Kettenverträge verhindert werden. Die minimale Zeit für ein Praktikum sollte einen
Monat und die maximale Zeit sechs Monate zu betragen. Hierbei ist zu beachten, dass ab
einer Dauer von 6 Monaten ein Urlaubsanspruch zwingend besteht und für alle Praktika ab
einem Monat zumindest Urlaubsanwartschaften begründet werden, die bei
Nichtinanspruchnahme trotzdem abgegolten werden müssen. Hierfür wäre dann die
Geldform zu wählen.
10. DenPraktikantInnen muss es ohne Konsequenzen gestattet sein, die Praktikumsstelle zu
wechseln, wenn der Ausbildungszweck missbraucht oder missachtet wird.
-folgende Konstellationen wären dabei möglich: Nichteinhaltung der Anforderungen durch
die Praktikumsstelle
-Nichtgewährleistung einer Anleitung oder entsprechender Supervision
-wiederholte und nicht nur geringfügige Verstöße gegen den Praktikumsvertrag
-unüberwindbare Störung der persönlichen Beziehungen und des Vertrauensverhältnisses
Die bereits abgeleistete Zeit ist anzurechnen und zu vergüten.
Es muss auch möglich sein, keine PraktikantInnen mehr an Stellen zu verweisen, die
wiederholt gegen faire Praktikumsbedingungen verstoßen haben, es ist über geeignete
„Sanktionsmöglichkeiten“ zumindest mal nachzudenken. So könnten bspw.
Praktikumsberichte hochschulintern zugänglich gemacht werden ( unter Beachtung der
datenschutzrelevanten Grundlagen, versteht sich ).
Weitere rechtliche Inkonsistenzen und Schlechtstellung der heutigen Praktikantengeneration:
So wird von staatlicher Seite der verbindliche Vergütungsanspruch zwar verweigert, aber
steuerrechtlich sieht er es ohne Belang, ob es sich um ein Pflicht- oder freiwilliges Praktikum
handelt. Ein Pflichtpraktikum soll zwar generell sozialversicherungsfrei sein, ist aber
steuerpflichtig, wenn das gesamte Jahreseinkommen aus unselbständiger Arbeit einen Betrag von
7680 Euro zzgl. 920 Euro Werbungskosten übersteigt. Das ist nicht schwer zu erreichen, sofern
BAföG bezogen wird. Dann wird nicht nur der Anspruch auf Ausbildungsförderung gekürzt,
meistens rückwirkend und auf das ganze Jahr berechnet, sodass eine Rückzahlung fällig wird, als
auch ein Jahressteuerausgleich vorgenommen werden muss. Die Anrechnung von Werbungskosten
gestaltet sich in der Praxis äußerst schwierig, oftmals fehlt die Kenntnis bei den Sachbearbeitern,
dass Studierende überhaupt Werbungskosten haben können und verweigern die Anrechnung.
Werbungskosten wären bspw. eine Zweitwohnung am Praktikumsort, Fahrtkosten zwischen
Studien- und Praktikumsort etc. Hier wird eine Anerkennung aktuell oft nur auf dem Rechtsweg
erreicht.
Hintergrund: Die Steuerpflicht knüpft an den ArbeitnehmerInnenstatus an. Diese wird Studierenden
verweigert. Als selbständig gilt man im Praktikum auch nicht, als das daraus die Steuerpflicht
abgeleitet werden könnte. Obwohl kein Schutzrecht aus dem Arbeitsrecht entsteht, besteht die
Steuerpflicht ab dem 1. Euro des Praktikumsentgelt. Es geht hier also nicht nur um besonders hohe
Vergütungen, sondern auch symbolische Beträge sind steuerpflichtig. Hier gilt aktuell: keinerlei
Rechte, aber Pflichten.
Das gleiche gilt für die Praxis, das Entgelt auf den Bafög-Satz anzurechnen, anstatt zuzugestehen,
dass der Lohn zur Deckung des Lebensunterhaltes benötigt wird und das Bafög und die erbrachte
Leistung nicht das geringste miteinander zu tun haben. Das eine ist eine teilweise zurückzuzahlende
Sozialleistung, für die definitionsgemäß keinerlei Leistung erbracht werden muss, sondern an
bestimmte Kriterien anknüpft und das Praktikumsentgelt basiert auf individueller Leistung.Da gibt
es also keinerlei Berührungspunkte.
Man sollte zumindest darüber nachdenken, ob nicht alle erzielten Einnahmen innerhalb der
Pfändungsfreigrenzen (aktuell bei rund 1200 Euro/ Monat ) steuerfrei bleiben können. Dieser
Schutz besteht ja regulär für Jedermann, warum also nicht auf Studierende.
Noch unverständlicher, bzw. ungeheuerlicher ist die Praxis, dass für Vorpraktika ( bspw. ein
Pflegepraktikum in Vorbereitung eines Medizinstudiums) und Nachpraktika ( durch
HochschulabsolventInnen) selbst wenn sie unentgeltlich erfolgen, selbstständig Beiträge in die
Kranken-und Pflegeversicherung abgeführt werden müssen, ohne dass ein Anspruch auf
flankierende und unterstützende Maßnahmen des Staates, bspw. durch die Hartz-Gesetzgebung
besteht. Das gilt auch für alle anderen Formen freiwilliger Praktika. Als Argument wird die
Nichtverfügbarkeit für den ersten Arbeitsmarkt herangezogen, wirtschaftliche Bedrängnis allein
wird für einen Härtefallantrag allein nicht akzeptiert. In der Praxis liegt ein Härtefall nur vor, wenn
bspw. eine schwangere Praktikantin über keine Krankenversicherung verfügt.
Desweiteren geht das aktuelle Krankenversicherungssystem davon aus, dass jeder über monatliche
Einkünfte von mindestens 800 Euro aus unselbständiger Arbeit verfügt. Von diesem Satz
ausgehend, wird die minimalste Einzahlung aus berechnet. Ausnahmen oder Anpassungsregeln gibt
es hier wiederum nicht. Diese Höhe ist für die meisten PraktikantInnen illusorisch und damit
untragbar.
Zudem ist generell geregelt, dass ab einem Bruttogehalt von 350,-( nicht zu verwechseln mit den
Regeln über sogenannte Minijobs!!!) die Familienversicherung entfällt und die PraktikantInnen sich
freiwillig in der studentischen Krankenversicherung versichern müssem. Gibt er gegenüber der
Krankenkasse sein Gehalt nicht an, ist das ein strafbewehrter Betrug.
Des weiteren wird nicht klar, warum auf die Nichtanwendung des BBiG ( Berufsbildungsgesetzes)
verwiesen wird, wo der Vergütungsanspruch für Azubis geregelt wird, zumal dieses Gesetz durch
den Wegfall der Rahmengesetzgebung des Bundes für den Bereich des Bildungs-und
Hochschulwesens eine Regelung auf Landesebene durchaus möglich machen würde. Dieses Gesetz
schützt Auszubildende durch flankierende Bußgeldvorschriften vor Ausbeutung und Lohnwucher.
Sind Studierende per se weniger schützenswert, haben sie bedingt durch ihren Reifegrad oder
vorgeschobene Argumente, des späteren besseren Verdienst, den Schutz durch das Gesetz nicht
nötig? Wohl kaum. Es sind keine Unterschiede von solchem Gewicht ersichtlich, der eine
Ungleichbehandlung rechtfertigt. Ausbildung ist Ausbildung.
Für Azubis regelt die AEVO ( Ausbildereignungsverordnung) ebenso die Kriterien, wer unter
welchen Voraussetzungen für die Ausbildung geeignet ist. Befähigungen müssen nachgewiesen und
anerkannt werden. Ein entsprechender Katalog für Studierende wäre leicht auszuarbeiten.
Was ist zu tun?
Bedingt durch die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im föderalen Staat, sind sowohl der
Bund, als auch das Land anzurufen, um eine Verbesserung der rechtlichen, sozialen und
wirtschaftlichen Situation der PraktikantInnen herbeizuführen.
1. Der Bundesgesetzgeber muss ein Gesetz erlassen, welches regelt, dass PraktikantInnen
generell mindestens eine arbeitnehmerähnliche Rechtsstellung zukommt, bzw. die
allgemeinen Grundsätze des Arbeitsrechtes Anwendung auf Studierende findet, dies schließt
eine Vergütung selbstverständlich ein.
1.1.die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsrechtes sind:
-Anspruch auf eine angemessene und übliche Vergütung
- Vertragsschluss zwischen den Parteien, dieser ist auch auf mündlicher Basis
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rechtsverbindlich
- der Praktikumsgeber muss im Streitfall beweisen, wie und zu welchen Konditionen er die
PraktikantInnen eingesetzt hat
Wie kann dies erreicht werden?
Die Verfasserin dieser Kampagne möchte sich mit einer Petition, welche als Einzel-oder
Massenpetition möglich ist, an den zuständigen Ausschuss des Bundestages und ebenso des
Landtages, wenden. Für eine Massenpetition an den Bundestag wären 50000
Einzelpersonen, ob nun selbst Betroffene oder einfach nur Unterstützer nötig, um eine
öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses herbeizuführen.Ansonsten kann dies auch als
Einzelperson auf dem Schriftweg durchgeführt werden.
Der Sächsische Landtag soll im Rahmen des Hochschulgesetzes ergänzen, dass die
Hochschulen im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechtes eine Ordnung für PraktikantInnen
erlassen sollen und sie hierzu verpflichten und ermächtigen.
Praktikabel und denkbar wären folgende Wege:
Der Gesetzgeber erlässt eine Rahmenvorschrift mit verbindlichen PraktikantInnenrechten,
also was soll ein Praktikum leisten, wo liegen die Ziele, wozu soll wie befähigt werden, wie
soll die Organisation und Supervision aussehen etc. ( diese Aufzählung ist nur exemplarisch
zur Verdeutlichung).
Diese erlassene Rahmenvorschrift kann und soll durch die Hochschulen ausgefüllt
werden, sollte aber rechtlich so verbindlich sein, dass auch ohne erfolgte Konkretisierung
klare Regeln und Schutzmechanismen für die PraktikantInnen abgeleitet werden können.
Oder aber, der Gesetzgeber ermächtigt und verpflichtet die Hochschulen lediglich und
erteilt den Auftrag, dass sich die Studienkommissionen der Rahmenbedingungen und der
inhaltlichen Konkretisierung anzunehmen haben. Auf beiden Wegen lässt sich eine
Verbesserung der Situation erreichen. Nur, der Gesetzgeber muss in jedem Fall zum
tätigwerden angehalten werden.
Es soll außerdem beschlossen werden, dass eine verbindliche Vergütung wenigstens zur
Deckung der ortsüblichen Lebenshaltungskosten ausreicht. Da dies variiert, soll der
jeweilige Landesgesetzgeber ermächtigt werden, eine Höhe zu diskutieren. Auch ein nur
symbolischer Betrag wäre in der aktuellen Lage akzeptabel, sofern nur der
rechtsverbindliche Anspruch zweifelsfrei endlich anerkannt werden würde. Die
Tarifgemeinschaft der deutschen Länder hält eine Praktikantenvergütung in Höhe von
monatlich 290-460 Euro für finanzierbar.
Die Vergütung soll nicht auf einen aktuellen BaföG-Anspruch angerechnet werden, sondern
sollen als Einkünfte zwar angegeben werden, aber erst nachgelagert bei der Rückzahlung
des Darlehens zum tragen kommen.
Jeder studentische Praktikant, ungeachtet der Höhe seiner erzielten Einkünfte, seines
elterlichen Rückhaltes muss in der Familienversicherung oder in der freiwilligen
studentischen Krankenversicherung bleiben, denn das Praktikum erfolgt im Rahmen der
Ausbildung und dient dieser. Für Nachpraktika müssen verbindliche Standards der Prüfung
von Härtefällen durch die Arbeitsagenturen her, das kann durch einfache
Verwaltungsvorschrift erfolgen und kostet keinen Cent.
Die Dauer von Praktika muss begrenzt werden, Kettenverträge sind unzulässig. Eine
Prüfung bei längerdauernden Praktika, ob der Praktikant sich für eine Weiterbeschäftigung
im Betrieb eignet, muss spätestens nach 3 Monaten erfolgen.Dabei ist zu prüfen, ob der
Lern-und Ausbildungszweck überhaupt noch im Vordergrund steht, oder ob es sich hierbei
nur um einen Verdrängungseffekt zulasten sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse
handelt. Die Beweislast trägt der Arbeitgeber.
Der Gesetzgeber muss verbindlich regeln, welche Ziele ein Praktikum im Rahmen der
Ausbildung überhaupt haben soll. Was sind die Standards eines fairen und effektiven
Praktikums und an welche Spielregeln müssen sich sowohl der Praktikant als auch die
Praktikumsstelle halten. Für jedwede Streitigkeit aus diesem Rechtsverhältnis kann auch die
verbindliche vorgelagerte Beteiligung von Schiedsstellen vorgesehen werden. Für den
Freistaat Sachsen gilt jedenfalls, dass in den Schiedsstellen „gähnende Leere“ herrscht und
dort schnelles streitschlichtendes Potential zu sehen ist. Vorteil dieser Methode wäre auch
die äußerst kostengünstige Ausgestaltung des Verfahrens, in begründeten Einzelfällen ist das
Verfahren gänzlich kostenfrei.