Pragmatik_HA3_Lösungen

Lösungsvorschläge für Pragmatik HA3
1. Was „meint“ (i.S.v. Grice) wohl der zweite Sprecher in den Dialogen unten? Schreiben Sie
für jeden Fall eine Paraphrase, die herausbringt, was der zweite Sprecher meint, und
skizzieren Sie kurz mittels des KP + der Maximen, wie Sie das „Gemeinte“ erschlossen
haben.
a) Virginia: Wie findest du mein neues Auto?
Mary: Es ist rosa!
mögliche Paraphrase (zu beachten: andere Paraphrasen und damit Schlussverfahren sind in
dieser und der nächsten Aufgabe immer möglich!): Ich finde es schrecklich!
KP: Mary kooperiert. Im Falle einer W-Frage bedeutet das, dass die Befragte eine Antwort
gibt, in der das W-Wort durch eine entsprechende Referenz / Qualifizierung ersetzt wird.
Maximenverletzung: Marys Beitrag ist nicht (direkt) relevant.
Virginias Schlussverfahren:
Wenn Mary kooperativ ist, kann ich aus ihrer Feststellung Es ist rosa erschließen, wie sie
mein neues Auto findet. (KP)
Mary findet die Farbe rosa schrecklich. (Weltwissen)
Implikatur: Mary findet, mein neues Auto (oder zumindest sein Äußeres) sieht schrecklich
aus.
b) Maggie: Vielleicht einen Kaffee?
James: Das würde mich die ganze Nacht wach halten.
mögliche Paraphrase: Ich möchte keinen Kaffee.
KP: James kooperiert. Im Falle eines Angebots bedeutet das, dass der Hörer durch seinen
Beitrag das Angebot entweder ablehnt oder annimmt.
Maximenverletzung: James’ Beitrag ist nicht (direkt) relevant.
Maggies Schlussverfahren:
Wenn James kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Das würde mich die ganze Nacht
wach halten erschließen, ob er Kaffee haben möchte oder nicht (KP).
James möchte ungern die ganze Nacht wach bleiben. (Weltwissen)
Implikatur: James lehnt das Angebot, Kaffee zu bekommen, ab.
c) Linda: Bist du mit den Evaluationsbögen und der Leseliste fertig?
Jean: Ich bin mit der Leseliste durch.
mögliche Paraphrase: Mit den Evaluationsbögen bin ich noch nicht fertig.
KP: Jean kooperiert. Im Falle einer Entscheidungsfrage (Ja / Nein-Frage) bedeutet das, dass
der Hörer durch seinen Beitrag den gesamten Gehalt der Frage entweder bejaht oder verneint.
Maximenverletzung: James’ Beitrag verstößt gegen die Quantitäts-Maxime (denn: Er nimmt
nur zu einem Teil der zweigliedrigen Frage Stellung)
Lindas Schlussverfahren:
Wenn Jean kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Ich bin mit der Leseliste durch
erschließen, ob er mit den Evaluationsbögen und der Leseliste fertig ist (KP).
Wenn Jean mit den Evaluationsbögen und der Leseliste fertig wäre, hätte er es so gesagt.
Jean würde es außerdem wissen, wenn er mit den Evaluationsbögen und der Leseliste fertig
wäre (es geht schließlich um von ihm selbst erbrachte Leistungen).
Aus seiner weniger informativen Antwort soll ich schließen, dass er mit den
Evaluationsbögen nicht fertig ist (= Implikatur).
d) Phil: Gehst du zu Steves Grillparty?
Terry: Ja nun, er hat ja jetzt drei Doggen.
mögliche Paraphrase: Ja, ich erwäge es.
KP: Terry kooperiert. KP wie in c).
Maximenverletzung: wie in b)
Phils Schlussverfahren:
Wenn Terry kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Ja nun, er hat ja jetzt drei
Doggen erschließen, ob er zu Steves Grillparty geht oder nicht (KP).
Terry mag Steve eigentlich nicht besonders, ist aber vernarrt in Doggen (Weltwissen).
Implikatur: Terry ist bereit oder erwägt zumindest, zu Steves Grillparty zu gehen
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e) Annie: War das Dessert gut?
Mike: Annie, Kirschtorte ist Kirschtorte!
mögliche Paraphrase: Es war sehr lecker.
KP: Mike kooperiert. KP wie in c).
Maximenverletzung: Mike verstößt gegen die Maxime der Quantität (Mike äußert eine
Tautologie, Satz ohen semantischen Informationswert, da in jedem möglichen ÄK wahr).
Annies Schlussverfahren:
Wenn Mike kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Annie, Kirschtorte ist Kirschtorte!
erschließen, ob er das Dessert gut fand oder nicht (KP).
Mike hat der Kirschtorte weder eine positive noch eine negative Eigenschaft zugeschrieben
(aufgrund der tautologischen Form seiner Äußerung).
Aber Mike glaubt, dass ich durch seine Äußerung von Kirschtorte ist Kirschtorte erschließen
kann, wie er das Dessert fand.
Weltwissen: Mike ist immer schon vernarrt in Kirschtorte (spezifisches Wissen) oder Im
Allgemeinen kommt Kirschtorte als Dessert sehr gut bei den Leuten an (allgemeines Wissen).
Implikatur: Mike fand das Dessert nicht besonders.
2. In den folgenden Dialogen ist die wörtliche Bedeutung der Beiträge der zweiten Sprecher
jeweils dieselbe wie in Übung 1. Aber meint der zweite Sprecher je auch dasselbe? –
Schreiben Sie nochmals für jeden Fall eine Praphrase, und skizzieren Sie wieder mittels des
KP + der Maximen, wie Sie das „Gemeinte“ erschlossen haben.
a) Virginia: Probier mal von dem Schweinesteak.
Mary: Es ist rosa!
mögliche Paraphrase: Nein danke.
KP: wie in 1b) (Angebot).
Maximenverletzung: Marys Beitrag ist nicht (direkt) relevant.
Virginias Schlussverfahren:
Wenn Mary kooperativ ist, kann ich aus ihrer Feststellung Es ist rosa erschließen, ob sie vom
Steak will oder nicht. (KP)
Mary möchte wohl,
(Weltwissen)
wie andere Leute auch, nur dann vom Steak, wenn es lecker ist.
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Schweinesteaks sind erst dann lecker, wenn sie sich beim Grillen bräunlich verfärbt haben.
(Weltwissen)
Implikatur: Mary möchte nicht vom Steak.
b) Maggie: Gestern Abend haben wir im Kino „Das Omen“ gesehen, aber es war nicht
besonders gruselig.
James: Das würde mich die ganze Nacht wach halten.
mögliche Paraphrase: Ich fände so was ja total gruselig.
KP: James kooperiert. Im Falle einer gegebenen Einschätzung (z.B. eines Kinofilms) kann
das bedeuten, dass der Angesprochene mit einer eigenen Einschätzung reagiert.
Maximenverletzung: James’ Beitrag ist nicht (direkt) relevant.
Maggies Schlussverfahren:
Wenn James kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Das würde mich die ganze Nacht
wach halten erschließen, wie er zu dem Film steht. (KP)
Wenn man einen gruseligen Film sieht, kann es sein, dass man davon die ganze Nacht wach
bleibt. (Weltwissen)
Implikatur: James fände so einen Film sehr gruselig.
c) Linda: Du siehst ja ziemlich zufrieden aus.
Jean: Ich bin mit der Leseliste durch.
mögliche Paraphrase: Ich bin zufrieden, weil ich mit der Leseliste durch bin.
KP: Jean kooperiert. Im Falle eines auf das Stimmungsbild des Angesprochenen bezogenen
Kommentars kann das bedeuten, dass dieser einen Grund für seine Stimmung angibt.
Maximenverletzung: keine, bzw. höchstens Informativität, in dem Sinne, dass Jean den
Kausalzusammenhang zwischen seiner Stimmung und der Abfertigung der Leseliste nicht
explizit macht.
Lindas Schlussverfahren:
Wenn Jean kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Ich bin mit der Leseliste durch
erschließen, warum er zufrieden aussieht (KP).
Jean hatte in letzter Zeit viel Arbeit mit der Leseliste. (Weltwissen)
Wenn jemand mit einer großen Arbeit fertig ist, ist er meist zufrieden. (Weltwissen)
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Implikatur: Jean sieht deshalb zufrieden aus, weil er mit der Leseliste durch ist.
d) Phil: Steves Garten sieht echt furchtbar aus.
Terry: Ja nun, er hat ja jetzt drei Doggen.
mögliche Paraphrase: Steves Garten sieht deshalb furchtbar aus, weil er jetzt drei Doggen
hat.
KP: Auf eine (verwunderte) Feststellung ist als Reaktion eine Aufklärung über den
Sachverhalt angemessen, der die Verwunderung auslöst.
Maximenverletzung: wie in c)
Phils Schlussverfahren:
Wenn Terry kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Ja nun, er hat ja jetzt drei
Doggen. erschließen, warum Steves Garten so furchtbar aussieht (KP).
Doggen können ihrem Besitzer den Garten verwüsten (Weltwissen).
Implikatur: Steves Garten sieht deshalb furchtbar aus, weil er jetzt drei Doggen hat.
e) Annie: Und ich dachte, dass Kirschtorte dich aufmuntern würde.
Mike: Annie, Kirschtorte ist Kirschtorte!
mögliche Paraphrase: Kirschtorte ist nicht das richtige Mittel, um mich aufzumuntern..
KP: Mike kooperiert. Auf eine verwunderte Feststellung über den Gefühlszustand des
Angesprochenen kann mit einer Äußerung reagiert werden, die den Gefühlszustand weiter
kommentiert.
Maximenverletzung: wie in 1e)
Annies Schlussverfahren:
Wenn Mike kooperativ ist, kann ich aus seiner Feststellung Annie, Kirschtorte ist Kirschtorte!
erschließen, warum ihn die Torte nicht aufgemuntert hat (KP).
Die Äußerung Kirschtorte ist Kirschtorte! ist eine Tautologie. Dem Nahrungsmittel
„Kirschtorte“ wird keine informative Eigenschaft zugeschrieben. Dass Mike sich so
ausdrückt, kann so gedeutet werden, dass er an Kirschtorte nichts Besonderes findet.
(sprachliches Wissen)
Wenn jemand an etwas nichts Besonderes findet, ist sie auch nicht geeignet, seine Stimmung
positiv zu beeinflussen (Weltwissen).
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Implikatur: Die Kirschtorte war kein geeignetes Mittel, um Mike aufzumuntern.
Meibauer, S.40, Aufgabe 1a)
Die pragmatische Reichweite der Implikaturentheorie kann man sich gut an der folgenden
kleinen Geschichte klarmachen (vgl. Posner 1979):
„[...] Heute, 14. Oktober, der Kapitän ist nicht betrunken.“
a) Erläutern Sie, worin der Witz an dieser Geschichte besteht, und beziehen Sie sich dabei auf
die Gricesche Implikaturentehorie.
Der Witz: Im Logbuch werden nur außergewöhnliche Vorkommnisse verzeichnet. Wenn also
Der Kapitän ist nicht betrunken im Logbuch steht, implikiert das, dass die Nüchternheit des
Kapitän außergewöhnlich ist, d.h. im Umkehrschluss: dass der Kapitän in der Regel
betrunken ist. Der Maat rückt also den Kapitän in ein schlechtes Licht, obwohl er „wörtlich“
gar nichts Schlechtes über ihn geschrieben hat.
Einschlägig ist hier die Relevanz-Maxime, die besonders hohe Standards setzt, wenn es um
Texte wie Logbücher steht. Bei Logbuch-Einträgen ist alles eine RelevanzMaximenverletzung, was nichts Außergewöhnliches berichtet.
Meibauer, S.42, Aufgabe 4)
Die Äußerungen (a) – (c) sind Zeitungsbelege. Erläutern Sie jeweils kurz die mit diesen
Äußerungen verbundenen Implikaturen (Beachtung / Verletzung welcher Maximen).
a) „Von den zehntausend Antifaschisten, die es in Nazideutschland gegeben haben mag,
waren allein acht Millionen in der DDR.“
„acht Millionen von zehntausend“: Verletzung der Modalitäts-Maxime. Der Satz klingt sofort
obskur. Die Nominalphrase beschreibt eine unmögliche Proportion: Bei Ausdrücken der Form
x von y (x und y sind Zahlen) muss die erste Zahl kleiner sein als die zweite. Im Beispiel ist es
aber genau andersherum. Die Unmöglichkeit dieser Mengenangabe soll implikieren, dass die
Staats-Doktrin der DDR als dem Hort des Antifaschismus nicht stimmt.
b) „Ich glaube, die haben den Platz gesucht und gesucht und nicht gefunden. Die haben das
Ganze wohl unterschätzt.“
„gesucht und gesucht“: Verletzung der Quantitäts-Maxime. Durch die Dopplung des
Prädikats wird Information gebracht, die bereits im Ko-Text vorhanden ist. Damit ist der
Sprecher zugleich zu informativ - er sagt mehr als nötig wäre -, als auch nicht informativ
genug - er stattet seine Teiläußerung und gesucht (zweites Vorkommen) nicht mit neuem
Informationswert aus. Die Implikatur ist, dass die Suche langwierig war. Dies ist möglich
durch ein Ikonizitäts-Prinzip: Die sprachliche Form bildet den Inhalt ab. Die Äußerung von
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gesucht und gesucht nimmt mehr Zeit und Aufwand in Anspruch als die bloße Äußerung von
gesucht.
c) „Und weil ihr Werk so klingt wie der beste Song, den Bob Dylan und Van Morrison nie
zusammen geschrieben haben, gelten die kalifornischen ‚Counting Crows’ als die
aufregenden Newcomer dieser Popsaison.“
„der beste Song, den Bob Dylan und Van Morrison nie zusammen geschrieben haben“:
Verletzung der Modalitäts-Maxime: Obskure Ausdrucksweise. Dies kommt dadurch zustande,
dass die definite Nominalphrase der beste Song präsupponiert (voraussetzt), dass es einen
Referenten (einen solchen besten Song) gibt, wohingegen der in die Nominalphrase
eingebettete Relativsatz den Bob Dylan und Van Morrison nie zusammen geschrieben haben
impliziert, dass es keinen solchen Song gibt (wegen des nie). Es ergibt sich eine verwirrende
Widersprüchlichkeit. Im Rahmen des Zeitungsberichts, aus dem das Zitat stammt, soll das
wohl zu einem Effekt der Erheiterung des Lesers führen.
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