Stier Maxi

Sepp Taffertshofer
Stier Maxi
verliebt sich
mit Bildern von
Werner Maier
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Auf einem kleinen Bauernhof in Bayern lebten zusammen mit den acht Kühen viele Hühner‚
Ziegen, Esel, Schafe, Schweine, Pferde, Katzen, Hasen und ein Hofhund namens Bello. Im
Haus mit den grünen Fensterläden und den bunten Blumenkästen an den Fenstern wohnten
der Bauer und die Bäuerin mit ihren Kindern.
Eines Nachmittags kam der Bauer mit seinem Traktor und einem Viehanhänger vom
Viehmarkt zurück. Neugierig liefen die Bäuerin und die Kinder auf den Hof, denn der Bauer
hatte aus seiner Fahrt ein großes Geheimnis gemacht. Jetzt lachte er fröhlich und öffnete
langsam den Anhänger. Die Bäuerin schlug vor Staunen die Hände über dem Kopf
zusammen, und die Kinder johlten vor Begeisterung: „Der Papa hat einen Stier gekauft!“
Da kamen alle Hoftiere angerannt und schrieen durcheinander: „Ein Stier, ein Stier! Der
Bauer hat einen Stier für seine Kühe gekauft!“
Der Stier schritt würdevoll aus dem Anhänger und wurde sofort von den Tieren umringt.
Jeder wollte ihn zuerst anschauen. War das ein Geschubse und Gedränge! Die Tiere
flüsterten miteinander: Wie schöne Augen er doch hätte, ob er wohl nett wäre, und ob es ihm
hier auch gefallen würde?
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Stolz blickte der Bauer auf seinen neuen Stier und sagte: „Er heißt Maxi und gehört jetzt zu
uns. Morgen darf er mit den Kühen auf die Weide gehen.“
Maxi war wirklich ein ausnehmend schöner Stier mit seinen sanft geschwungenen Hörnern,
den dunklen Augen, dem glänzenden Fell und seinem stolzen Gang.
Am nächsten Morgen schritt Stier Maxi erhaben an der Spitze der Kühe auf die Weide. Alle
Kühe wollten ganz nahe beim ihm sein. Jede von ihnen hatte sich auf das Feinste
herausgeputzt, um ihm zu gefallen. Eine Kuh aber, die Zenzi, hielt nichts von diesem
Schnickschnack.
Sie
war
eine
ganz
natürliche
Kuh
mit
einem
schimmernden,
kastanienbraunen Fell und einem frechen Wirbel zwischen den Hörnern. Doch gerade das
gefiel dem Stier Maxi. Während des Grasens beobachtete er sie immer wieder verstohlen.
Wenn aber die Zenzi zu ihm schaute, wurde er ganz verlegen und drehte sich schnell um,
damit sie nichts merkte. Wie gerne hätte er die Zenzi angesprochen! Doch Maxi war
furchtbar schüchtern und traute sich nicht.
Die Tage vergingen, und dem Stier Maxi gefiel es immer besser auf seiner neuen Weide. Er
genoss das saftige Grün, die herrliche Landschaft und den Blick in die Berge. Am besten
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von allem aber gefiel ihm doch die Kuh Zenzi. Eines nachts, bei Mondschein, lag Zenzi
etwas abseits von den anderen und kaute gemütlich Gras. Mit klopfendem Herzen schlich
sich Maxi heran und legte sich neben sie. Erst druckste er ein Weilchen herum, dann wagte
er endlich, der Zenzi zu sagen, dass er sie furchtbar lieb hatte. Zenzi muhte glücklich und
schmiegte sich in dieser Nacht ganz eng an ihren Maxi. Von nun an waren die beiden ein
unzertrennliches Liebespaar, und außer beim Melken wurde keiner mehr ohne den anderen
gesehen.
Als ein halbes Jahr vergangen war, trat der Bauer mit seinen Kindern auf den Hof und
sprach zu den Tieren: „Hört mal alle her! Der Stier Maxi wird im August Vater, und die Kuh
Zenzi Mutter. Wir bekommen ein kleines Kälbchen.“
Die Tiere freuten sich riesig. Die Hühner fingen an zu gackern und zu tanzen. Die Hasen
machten Luftsprünge, und die Kinder sangen fröhlich: „Wir bekommen ein Kälbchen, wir
bekommen ein Kälbchen!“
In den folgenden Monaten wurde Zenzi immer dicker und dicker. Sie konnte nur noch ganz
langsam auf die Weide gehen. Maxi trottete besorgt hinterher. Wenn sie sich hinlegte, stand
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er jedes Mal daneben und ließ sie nicht mehr aus den Augen. Manchmal schnaufte er fest
durch und dachte sich: „Ganz schön anstrengend, Vater zu werden!“
Für Zenzi wurde es von Tag zu Tag beschwerlicher. Sie wünschte sich, dass der Tag der
Geburt doch endlich kommen möge.
Eines Morgens, Mitte August, ging die Bäuerin wie gewohnt zur Weide, um die Kühe zu
holen. Schon von Weitem hörte sie aufgeregtes Muhen. Irgend etwas stimmte da nicht! Stier
Maxi rannte aufgeregt auf der Weide hin und her, und die Kühe muhten und hatten einen
sehr besorgten Blick. Kaum hatte Maxi die Bäuerin gesehen, kam er angerannt und muhte:
„Muuh, muuuh! Die Kuh Zenzi ist nicht mehr da!“
Die Bäuerin streichelte ihn und sagte: „Komm, Maxi, wir gehen jetzt erst einmal heim in den
Stall! Da kannst du mir dann in Ruhe erzählen, was passiert ist.“
Als alle Kühe im Stall waren, kam auch noch der Bauer dazu, und Stier Maxi erzählte: „Ich
war die ganze Nacht bei der Zenzi und hab auf sie aufgepasst, aber um vier Uhr früh bin ich
so müde geworden, dass ich mich neben die Zenzi gelegt habe. Ehrlich, ich hab die Augen
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die ganze Zeit fest aufgemacht, aber irgendwie bin ich dann doch eingenickt - bestimmt nicht
lange! Aber als ich wieder aufgewacht bin, da war die Zenzi weg!“
Stier Maxi schnaubte und schniefte vor Kummer und Aufregung. Er bekam fast keine Luft
mehr und stotterte: „Wenn der Zenzi ... wenn der Zenzi etwas passiert ist ... dann bin ich
dran schuld! Wenn das Kälbchen geboren wird ... dann ... dann ... dann ...“
Maxi brachte kein Wort mehr heraus und fing jämmerlich an zu weinen. Alle Tiere des Hofes
hörten ihn schluchzen. Sie kamen angerannt und fragten, was denn um Himmels Willen
passiert wäre. Traurig erzählte es ihnen der Bauer.
„So etwas haben wir hier noch nie erlebt!“, grunzte das Schwein.
„Wir helfen alle und suchen die Zenzi!“, meckerten die Ziegen.
„Wir galoppieren über die Weiden und durch den Wald!“, wieherten die Pferde.
„Wuff!“, bellte Hofhund Bello ganz laut. „Aber ich bin der Einzige, der ihre Fährte finden
kann!“
Die Hühner gackerten und wollten auch helfen. Sie flatterten auf die hohe Linde, um weit
über Hof und Wiesen zu spähen, doch sie konnten die Kuh Zenzi nirgends entdecken.
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Als der Stier Maxi sah, dass ihm alle helfen wollten, beruhigte er sich langsam wieder. Der
Bauer sammelte die Tiere um sich und teilte Gruppen ein, die den nahen Wald durchstreifen
sollten. Die Pferde mussten über die Weiden galoppieren und suchen. Nur Bello zog alleine
los. Er vertraute ganz auf seine gute Nase.
... und wie die Geschichte endet, erfahrt ihr in dem Buch ...
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