Manche Lastgänge schreien nach einem Batteriespeicher

Installation
Manche Lastgänge schreien
nach einem Batteriespeicher
Foto: Fotolia/JiSign
Landwirtschaft: Dass Landwirte und Gewerbebetriebe Photovoltaikanlagen bauen, ist albekannt. Jetzt werden
auch Speicher für sie interessant. Die Konzepte sind dabei so individuell wie die Unternehmen selbst.
Melkbetriebe haben einen hohen Strombedarf morgens und abends. Außerdem darf der Strom nicht ausfallen, die Kühe können schließlich nicht
warten. Um den Eigenverbrauch zu steigern und gleichzeitig Notstrom zur Verfügung zu haben, bietet sich ein Batteriespeicher an.
Milchbauern sind Frühaufsteher. Wenn sie gegen sechs Uhr
ihre Kühe in den Melkstand treiben, ist es meist noch düster und trüb. Auch abends, wenn die Tiere satt von der Weide
kommen, neigt sich die Sonne schon zum Horizont. Die großen
Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Melkbetriebe müssen den Strom daher zu einem großen Teil einspeisen, denn die
hohen Verbräuche durch das Melken und Erhitzen der Milch
liegen größtenteils außerhalb der Sonnenzeiten. Es sei denn,
sie haben einen Speicher.
Erst kürzlich hat die Firma MBT Solar einen Milchbauern
aus ihrer Region in Schleswig-Holstein im Norden Deutschlands mit einem Speicher über 40 Kilowattstunden ausgerüstet.
Er hat seine Photovoltaikanlage aus dem Jahr 2012 auf Eigenverbrauch umgemeldet und nutzt den größten Teil seines Solarstroms nun selbst. Er rechnet mit einer Eigenverbrauchsquote
von etwa 80 Prozent.
Für Mathias Zdzieblowski, Account Manager bei dem Unternehmen Tesvolt, das den Speicher geliefert hat, zeigt diese Installation einen Trend: „Speichersysteme in Gewerbe und Landwirtschat sind im Kommen“, sagt er.
Naheliegende Kombination
Den Anstoß für die Installation des Speichers habe die Molkerei gegeben, berichtet der Geschätsführer des InstallationsbeNovember 2015 | www.pv-magazine.de
triebes Karl-Heinz Rautenberg. Damit bei einem Stromausfall
die Milch der 200 Kühe weiter gekühlt wird und nicht verdirbt,
wollte der Betrieb sich eine Notstromversorgung zulegen. Bisher bedeutete das, sich einen Zapfwellengenerator anzuschaffen, der dann im Notfall aus der Scheune geholt und mit dem
Traktor betrieben werden kann. Der Landwirt entschied sich
für eine modernere Lösung. Das neue Speichersystem ist so
programmiert, dass immer genügend Strom für den Notbetrieb
zurückbehalten wird. Im täglichen Gebrauch vermeidet es den
Bezug von Netzstrom, indem es nach der Ladung in den Mittagsstunden den Hof über das abendliche Melken, durch die
Nacht bis ans morgendliche Melken heran mit Strom versorgt.
Wirtschatlich rechnet sich das Konzept nach Ansicht des
Installateurs durch den Eigenverbrauch in Kombination mit
der Einsparung des Notstromaggregats. Darüber hinaus biete
es dem Unternehmen mehr Sicherheit. Auch für andere Landwirte sei die Sicherheit entscheidend. „Stellen Sie sich vor, was
für Kosten entstehen, wenn in einem Hühnerstall die Lütung
ausfällt und die Tiere ersticken oder über den frisch geworfenen Ferkeln die Wärmelampen versagen, weil der Strom ausgefallen ist“, sagt Rautenberg.
„Je nach den konkreten Anforderungen der Kunden legen wir
unser Batteriesystem aus und kombinieren das mit der Ladetechnik von SMA“, erklärt Zdzieblowski. Es ist ein modulares
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Installation
Warum sich die Investition in den Speicher lohnt
Das zeigt ein Fallbeispiel, das Tesvolt pv magazine mitsamt
den wesentlichen wirtschaftlichen Daten geschildert hat. Mit
dem Eigenverbrauch wird in dem Fallbeispiel eine Klimatisierung betrieben – für das Verbrauchsproil ist das wichtig, da
es damit über 24 Stunden relativ konstant ist. Für die Gesamtinvestition folgt nach den Daten von Tesvolt eine Rendite von
gut neun Prozent. Das ist berechnet nach der unter www.pvmagazine.de/rendite veröfentlichten Methode und mit einer
jährlichen moderaten Strompreissteigerung von zwei Prozent.
Auch das Argument, ohne Speicher sei die Rendite vielleicht
besser, lässt sich mit dem Fallbeispiel entgegnen. Versucht
man, die Investition aufzuspalten in „nur Photovoltaik“ und
System – in einen Schrank passen bis zu 60 Kilowattstunden
Speicherkapazität. Mehrere Schränke können kombiniert werden, bei Bedarf in einem anschlussfertigen Container. „Manche
Kunden benötigen nur eine Notstromreserve für Teilbereiche,
andere wollen ein eigenes Inselnetzwerk, in dem sie unterbrechungsfrei weiterarbeiten können.“
Ist der Stromausfall vorbei, wird die Notstromreserve auch
aus dem Netz wieder aufgefüllt, wenn gerade kein Solarstrom
zur Verfügung steht. „Damit können wir vielen die Ängste nehmen.“ Eine eigene Abteilung beschätigt sich bei Tesvolt mit den
Projektberechnungen.
Über 100 Fachpartner wurden nach Unternehmensangaben im letzten Jahr bereits geschult, um bei den Gewerbe- und
Industriekunden den Istzustand zu erfassen und die Ausgangsdaten für eine korrekte Auslegung zu ermitteln. Obwohl die
Situation in der Landwirtschat inanziell schwierig sei, seien
Tesvolt und auch MBT Solar in diesem Sommer mit Anfragen
zu Batteriespeichern überhäut worden, berichten Rautenberg
und Zdzieblowski.
Kühlhaus mit Batteriespeicher
Ein weiteres Beispiel liefert ein guter Bekannter der Tesvolt-Gründer, Lothar Kohl. Er ist Geschätsführer bei Eis &
Friends in Morxdorf im Bundesland Sachsen-Anhalt und hat
schon im Mai investiert. Er stand ebenfalls vor der Wahl, für
20.000 Euro eine neue Notstromversorgung zu kaufen oder
Das Wichtigste in Kürze
Die Fallbeispiele eines Melkbetriebs und eines Kühlhauses zeigen, wann Batteriespeicher in Kombination mit einer
Photovoltaikanlage in der Landwirtschaft und im Gewerbe
sinnvoll sind.
Bei dem Kühlhaus amortisiert sich die Anlage mit Batteriespeicher nach Angaben des Herstellers in acht Jahren.
Mit Speicher mag die Rendite vielleicht niedriger sein als
ohne Speicher. Der Gewinn in absoluten Zahlen ist mit Speicher aber deutlich größer, sodass die Investition trotzdem
sinnvoll sein kann.
Gelingt ein Peakshaving, können Kunden bis zu 100 Euro pro
Kilowatt Anschlussleistung im Jahr zusätzlich sparen.
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„nur Speicher“, ist die Rendite für die Speicherinvestition mit
etwa sechs Prozent zwar in der Tat geringer als die der reinen
Photovoltaikanlage, die über zehn Prozent liegt. Doch auch
das ist für die Speicherinvestition akzeptabel. Finanziert man
die Anschafung teilweise mit einem Kredit, steigt die Eigenkapitalrendite bei den heutigen Zinsen sowieso deutlich.
Mathias Zdzieblowski von Tesvolt führt noch einen anderen
Punkt an: „In absoluten Zahlen ist der Gewinn deutlich größer“, sagt er. Sprich: Wer mehr Geld investiert, bekommt also
zu einer akzeptablen Rendite mehr Geld zurück. Und das sei
vielen Betreibern wichtig.
Michael Fuhs
sein Energiekonzept für 200.000 Euro komplett umzukrempeln. Jetzt hat er eine neue Photovoltaikanlage mit 110 Kilowatt
Leistung und einen Speicher im Container für 120 Kilowattstunden Strom. Bei einem Stromausfall kann das Kühlhaus je
nach Wetterlage für weitere fünf bis sechs Stunden mit Strom
versorgt werden. Da der Speicher im Sommer bereits ab 13 Uhr
voll war, plant er nun, das Kühlhaus am Tag zusätzlich um weitere zwei Grad herunterzukühlen, um noch mehr Solarstrom
selbst zu verbrauchen.
Ein Batteriespeicher, der gleichzeitig als Notstromaggregat
eingesetzt wird, hat außerdem den Vorteil, dass er nur selten
tief entladen wird. Durch diese schonende Behandlung könne
seine Lebensdauer 20 Jahre betragen, versichert Zdzieblowski.
Kohl ist zufrieden mit seiner Entscheidung, denn sie hat noch
viel Potenzial. Vor seinem inneren Auge sieht er bereits die
elektrischen Firmenfahrzeuge kostenlos tanken und Lieferwagen, die direkt mit Kälte beladen werden statt mit einem Kühlaggregat. Der Stromverbrauch bei Eis & Friends liegt im Jahr
bei mindestens 90.000 Kilowattstunden und ist im Sommer
höher als im Winter, was die Anwendung von Photovoltaik
nahelegt. Kohl rechnet mit einem Mittelrückluss aus gesparten
Stromkosten und Einspeisevergütung von circa 25.000 Euro im
Jahr. Im günstigen Fall könne sich die Anlage bereits in acht
Jahren amortisieren.
Diskussion um Wirtschatlichkeit
Woran liegt es dann, dass etliche Experten immer noch vor
den hohen Kosten von Speichersystemen warnen und Unternehmern lieber zum Abwarten raten? Auch heo Remmersmann von der Landwirtschatskammer Nordrhein-Westfalen
gehört zu diesen Skeptikern. Er berät seit Jahren Landwirte bei
der Installation von Photovoltaikanlagen und hat für sie schon
viele Speicherangebote geprüt. Er sagt: „Ich habe noch keines gesehen, das nicht schöngerechnet wäre.“ So weist er darauf hin, dass der Eigenverbrauch zusätzlich durch die anteilige EEG-Umlage belastet wird. Das betrefe auch den Teil, der
gar nicht wieder verbraucht wird, sondern beim Ein- und Ausspeichern verloren geht. Auch seien die Annahmen zur Strompreissteigerung in den nächsten 20 Jahren ot überzogen. Er rät
dazu, jedes Angebot kritisch zu überprüfen.
Für Außenstehende ist dieser Meinungsstreit schwer nachzuvollziehen, denn Betreiber und Installateure legen ihre FinanzNovember 2015 | www.pv-magazine.de
Graiken: pv magazine/Harald Schütt (Quelle: Energy Brainpool)
Installation
Stromproduktion
Stromverbrauch
Quelle: Tesvolt
25 Leistung (kW)
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Leistung (kW) 25
Netzbezug
Netzeinspeisung
Batterieentladung
Batterieladung
Direktverbrauch
Direktverbrauch
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Last und Erzeugung im Melkbetrieb am 10. August. An diesem Tag wurden 10,76 Kilowattstunden aus dem Netz bezogen, 50,80 Kilowattstunden hat
die Batterie geliefert, mit 38,40 Kilowattstunden wurde die Batterie aufgeladen, mit 22,83 Kiloawattstunden versorgte die Photovoltaikanlage die
Verbraucher direkt und 34,56 Kilowattstunden speiste sie ein. An diesem Tag versorgte sich der Betrieb so zu 87 Prozent selbst.
planung nicht gerne auf den Tisch. Tesvolt hält dagegen und
erklärt, dass die Wirtschatlichkeit der Projekte sehr gut sei
(Fallbeispiel siehe Kasten).
Der Eigenverbrauch ist in der Kostenrechnung außerdem
nur ein Posten von mehreren, die Unternehmer im Blick haben.
Die vielfältigen weiteren Optionen eines Speichers, wie der Einsatz als Notstromaggregat, zur Glättung des Lastgangs oder zur
Regulierung der Einspeiseleistung, machen ihn in den Augen
des Investors attraktiver. Sie erschweren jedoch eine exakte
Kalkulation in Cent pro Kilowattstunde Speicherstrom.
Foto: Tesvolt
Anschlussleistung verringern
Eine weitere Möglichkeit, mit dem Speicher Kosten zu sparen, sei, Lastspitzen zuverlässig zu kappen, erläutert Winfried
Wahl von RRC Power Solutions. Sein Unternehmen entwickelt
Stromversorgungslösungen für Kunden und setzt dabei auch
Batteriespeicher ein. So proitierten Kunden besonders, die eine
niedrige Grundlast und kurzzeitig hohe Lastspitzen hätten, so
Wahl, da sie mithilfe des Speichers auch ihre Netzanschlussleistung reduzieren können. „Pro Jahr können das je nach
Netzbetreiber 100 Euro pro Kilowatt Anschlussleistung sein.“
Je nach Situation rechnen sich Speicher daher unterschiedlich
schnell. „Acht Jahre sind im Einzelfall aber realistisch“, sagt
er. Zu den RRC-Kunden gehört beispielsweise die Stadt Homburg. In deren Fall sei es sogar möglich, Regelleistung anzubieten, berichtet Wahl. Auch das wirke sich positiv auf die Wirtschatlichkeit aus.
Wie stark der Trend zu Speichern in der Landwirtschat
und im Gewerbe bereits ist, lässt sich noch schwer abschätzen,
denn die Unternehmen halten sich mit Umsatzzahlen vorsichtig zurück. Bei Schweine- und Hühnerzucht, die eine Klimatisierung erfordern, passt beispielsweise die saisonale Lastverteilung besser als beim Melkbetrieb. Das gleicht sich wiederum
aus, wenn mehrere Quellen einspeisen, wie BHKWs oder
Windanlagen, was starken Einluss auf die Speicheranwendung
hat.
Cornelia Lichner
TLC500-Speicher für die Ein-Megawatt-Anlage vor der Viehmelkanlage. In den Container passen mehrere Einheiten mit 60 Kilowattstunden.
November 2015 | www.pv-magazine.de
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November 2015
Ein Altbau, (nahezu) stromautark der zellulare Ansatz > disruptiv > S.
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Die Firma Laudeley hat
Lösungen für den
Bestand entwickelt.
Holger Laudeley ist
seit den 1980er-Jahren
im Solargeschäft.
Das hier kann ihn sicherlich auch
nicht mehr überraschen.
Schöne neue Energiewelt
https://lnkd.in/bXn6pfu
RWE‘s Innovation Chief: „We want to be the
Uber for energy“
energypost.eu฀ Inken Braunschmidt, Head Innovation at
RWE, on RWE‘s search for a new business model: „We‘re goi...
Radikaler Ideenansatz
von RWE!
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Die Speicherstars
von heute im
Gespräch > S. 42
Der Speicherstar
von morgen?
Mathias Hammer
Deutsche
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Was soll denn
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Sonnenbatterie GmbH
Volker Wachenfeld
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Sie sind bereit, gegen
Tesla anzutreten
Die schwarzen Schafe werden uns auch
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Quality Roundtable auf dem Forum Solarpraxis
> S.52