Hilfreiche Kommunikation mit Menschen mit Demenz Ein Bericht von Bettina Kretzschmar Was ist das? Diese Frage stellte die Referentin Andrea Josepha Brinker zu Beginn ihres Vortrages und zeigte dazu ein Bild. Es brauchte eine Weile zu erkennen, dass es sich um ein Blatt Waldmeister handelte. Auf den Blickwinkel komme es an, führte Frau Brinker damit ins Thema ein, besonders in der Kommunikation mit dementen Menschen müsse man kreativ werden. In ihrem Vortrag beleuchtete Frau Brinker zunächst die Grundlagen der Kommunikation: Wichtige Informationen sollten im ersten Satz mitgeteilt werden, mit Blickkontakt und dem Menschen zugewandt. Schwierig sei für die meisten, dass Menschen mit Demenz der Logik nicht mehr zugänglich sind, Argumente also nicht mehr helfen. Auch Entscheidungsfragen überfordern dementiell erkrankte Menschen. Viel wichtiger werde daher die Kommunikation über Emotionen (1). Denn in der verbalen Kommunikation bleiben Gefühlsaussagen am längsten erhalten und werden am längsten verstanden. Während also Argumente nicht viel helfen, ist es nützlich dem Gegenüber zu signalisieren, dass man ihn oder sie mit seinen/ihren Emotionen wahrnimmt. Beispielsweise ärgert sich eine Person über etwas oder läuft sorgenvoll immer wieder zum Fenster und schaut hinaus. Hier ist es hilfreich auf die Sorgen einzugehen. Damit fühlt sich die demente Person wahrgenommen und kann die Emotionen besser verarbeiten. So irreal uns manchmal Emotionen wie Sorgen oder Trauer bei einem dementen Menschen erscheinen mögen – für den- oder diejenige sind sie real und sollten als solche ernst genommen werden. Dieses Verständnis ist ein zentraler Aspekt der einer wertschätzenden Grundhaltung. Neben vielen anderen Beispielen aus dem Umgang mit dementen Menschen berichtete Frau Brinker von einem Mann, der in seiner eigenen Wohnung immer wütend oder ängstlich wurde, wenn er an einem Spiegel vorbei kam. Die Frau wusste sich keinen Rat. Nach einigen Gesprächen kam heraus, dass es in der Wohnung viele Spiegel gab. Der Mann, der sich selbst im Spiegel nicht mehr erkannte, wurde wütend, weil er einen fremden Mann in seiner Wohnung sah. Es half in dieser Situation, die Zahl der Spiegel sehr zu minimieren oder die Spiegel abzuhängen. Neben der emotionalen Kommunikation ist bei dementen Menschen auch die Stärkung ihrer (Alltags-) Kompetenzen (2) elementar. Denn der Verlust von Fähigkeiten verunsichert diese Menschen auch selbst. Es hilft daher, einen Blick auf die Kompetenzen zu werfen, die der/die Angehörige hat und auf was er/sie bislang viel Wert gelegt hat. Diese Aspekte aufzugreifen und durch Wiederholung zu erhalten hilft den Menschen, sich autonomer und damit sicherer zu fühlen. Als dritten wichtigen Aspekt im Umgang mit dementen Menschen nannte die Referentin noch die körperliche Kommunikation (3). Die Anregung der Sinne wird im Verlauf einer Demenz immer wichtiger: Ohren, Augen, Geschmack, Geruch und Haut erinnern sich ganz anders, als das Gehirn. Wenn sich die Sprache verloren hat, heißt es nicht, dass ein Mensch sich nicht mehr mitteilen kann oder seine Mitmenschen nicht verstehen kann. Es bleiben dann noch die anderen beiden Formen des Denkens, des Erinnerns und des Verstehens: die Bilder und die Gefühle. Beide sind lebensgeschichtlich viel früher erlernt und gehen fast nicht verloren. Durch den Einsatz von biografischen Aspekten können wir die Person begleiten, die Bewegungsfreiheit und das Selbstvertrauen unterstützen: Alte Fotos, Bilder oder das Fahren durch eine Landschaft können Erinnerungen hervorrufen, genauso wie Mimik und Gestik verstanden werden kann. Beispielsweise wird die Aufforderung „Setzen Sie sich bitte!“ vom Wortsinn nicht (mehr) verstanden und daher nicht befolgt. Wenn aber mittels Gestik auf den Stuhl gezeigt und körpersprachlich das Hinsetzen vorgemacht wird, weiß der/ die Betroffene oft was wir wollen und tut es dann. Es gilt ebenso herauszufinden, welche Berührungen gemocht werden und darüber auch stärker körperlich zu kommunizieren. Menschen mit Demenz haben die Fähigkeit, die Stimmung ihres Gegenübers zu erspüren und können darauf reagieren. Sie sind meist nicht in der Lage, ihre Umwelt situationsgerecht zu verstehen. Sie können aber am Verhalten und am Gesichtsausdruck der Menschen um sich herum ablesen, ob sie sich sicher fühlen können oder nicht. Mit anderen Worten: Menschen mit Demenz sind wie ein Spiegel der Gesamtstimmung der Menschen um sie herum. Letztlich muss man sich immer ehrlich fragen: „Wie tolerant sind wir / bin ich mit dem anders sein?“ Es geht – so Frau Brinker abschließend – darum zu erkennen, wie viel Spielraum man selber hat, wo die eigenen Grenzen liegen und diese dann gegebenenfalls zu verschieben oder anzupassen.
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