1 - Bayerischer Assessorklausurenkurs 2015 A ufgabe N r. 2 3 4 / Z 2

-1Bayerischer Assessorklausurenkurs 2015
A u f g a b e N r. 2 3 4 / Z 2
(AS-Bayern: RA Munzel/NotAss. Wengenmayer)
In der Kanzlei des Rechtsanwalts Peter Höflinger, (…) Rosenheim, erscheint am 12. Juni 2015 der
Rentner Martin Bruns und schildert folgenden Sachverhalt:
„Herr Rechtsanwalt, ich komme mit einem dringenden Fall zu Ihnen. Da ist nämlich schon ein
Urteil in der Welt, gegen das Sie unbedingt vorgehen müssen.
Das Mandat erteile ich im Namen meines Vaters Heino Bruns, Altenheim Seniorenfreude, (…)
Rosenheim, zu dessen ehrenamtlichem rechtlichen Betreuer ich seit dem 9. Juni 2015 bestellt bin
(Anlage 1). Am 8. Juni 2015 bin ich selbst zum Amtsgericht Rosenheim gefahren und habe dort auf
der Geschäftsstelle vorgesprochen, nachdem ich am 6. Juni 2015 auf dem Schreibtisch meines verstorbenen Bruders Friedrich Bruns einen Aktenordner mit Prozessunterlagen sowie seine Bestellungsurkunde zum Betreuer gefunden hatte. Friedrich war bei einem Verkehrsunfall am 11. Mai
2015 tödlich verunglückt – ausweislich der Sterbeurkunde um 9.45 Uhr. Seine Ehefrau Bärbel, die
von geschäftlichen Dingen überhaupt keine Ahnung hat, hatte mich nach seiner Beerdigung gebeten, ihr bei der Sichtung und Ordnung der Unterlagen meines Bruders zu helfen. Bei der Durchsicht
der Papiere habe ich erstmals erfahren, dass Friedrich vor dem Amtsgericht Rosenheim für unseren
Vater einen Prozess gegen die Bayern-Bank geführt hat. Ich muss dazu sagen, dass ich seit dem 10.
September 2014 zu einem längerfristigen Besuch bei meiner Tochter in Australien war und erst am
13. Mai 2015 wegen des plötzlichen Tods meines Bruders nach Deutschland zurückgekehrt bin.
Wie ich mittlerweile erfahren habe, hat ein befreundeter Nachbar, der früher beim Grundbuchamt
beschäftigt war und sich mit rechtlichen Sachen auskennt, meinen Bruder bei dem Prozess unterstützt.
Dass Friedrich rechtlicher Betreuer meines Vaters war, wusste ich. Er hatte dies vor seiner Einsetzung mit mir abgestimmt. Hintergrund der Betreuerbestellung war, dass mein Vater im Frühjahr
2014 einen Schlaganfall erlitten hatte. Nach einer längeren Reha hatte er sich davon zwar gut erholt, ist aber dauerhaft halbseitig rechts gelähmt und deshalb ein Pflegefall. Geistig ist er wieder
völlig klar, benötigt aber einen Rollstuhl und damit letztlich rund um die Uhr Hilfe. Zudem ist er
extrem schwerhörig. Nach der Reha hatte er zunächst noch in seiner früheren Wohnung gelebt und
war von einem Pflegedienst mehrfach am Tag versorgt worden. Dies reichte aber langfristig nicht
aus, so dass mein Vater im Juli 2014 ins Seniorenheim kam. Dort hat er ein von ihm selbst verschließbares Einzelzimmer und ist zufrieden.
Da mein Vater mit seiner gelähmten Hand nicht mehr schreiben kann, hat sich Friedrich damals bei
der Bayern-Bank, bei der er selbst sein Konto hatte, erkundigt, auf welche Weise es möglich wäre,
dass die Kontoangelegenheiten meines Vaters ohne dessen Unterschrift geregelt werden können.
Die Bank hat dafür eine rechtliche Betreuung vorgeschlagen. Daraufhin ist mein Bruder mit meinem Vater zum Amtsgericht Rosenheim gefahren, wo mein Vater einen Eigenantrag auf Betreuungseinrichtung gestellt hat. Mit Beschluss vom 5. September 2014 ist mein Bruder dann als Betreuer eingesetzt worden. All dies hat mir Friedrich seinerzeit vor meiner Abreise berichtet.
Wie ich am 7. Juni 2015 von meinem Vater erfahren habe, hat mein Bruder am 12. September 2014
mit Einverständnis meines Vaters dessen Konten bei der Sparkasse Rosenheim zum 30. September
2014 aufgelöst und am 15. September 2014 ein Giro- sowie ein Festgeldkonto bei der Bayern-Bank
eröffnet. Auf dem Festgeldkonto hat er die Ersparnisse meines Vaters angelegt; über das Girokonto, für das ein Dispo von 1.000 Euro und ein Tageshöchstlimit für Abhebungen von 500 Euro vereinbart war, wollte er den regelmäßigen Zahlungsverkehr abwickeln. Um Barabhebungen an Geldautomaten und unbare Ausgaben per electronic-cash zu ermöglichen, hat Friedrich bei der Kontoeröffnung für meinen Vater gleich eine ec-Karte beantragt. Diese Karte hat den beiden anschließend viel Ärger eingebracht. Davon hat mir mein Vater allerdings erst berichtet, als ich ihn am
bitte wenden!
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Tag, nachdem ich von dem Prozess Kenntnis erlangt hatte, darauf angesprochen habe. Da ihn der
plötzliche Tod meines Bruders sehr mitgenommen hat, wundert es mich nicht, dass er an seinen
Prozess gar nicht mehr gedacht hat.
Aus den Notizen meines Bruders in dem genannten Aktenordner und den mir zuverlässig erscheinenden Angaben meines Vaters lässt sich rekonstruieren, dass die Bayern-Bank mit Schreiben vom
17. September 2014 die Eröffnung der beiden Konten bestätigt und die Kontonummern mitgeteilt
hat. Die des Girokontos hat mein Bruder dann am 18. September 2014 der Rentenkasse meines
Vaters übermittelt und darum gebeten, seine Rente ab Oktober 2014 auf das neue Konto zu überweisen. In dem Schreiben vom 17. September 2014 hat die Bayern-Bank zudem die rund um die
Uhr besetzte Rufnummer der Sperr-Hotline mitgeteilt und angekündigt, die ec-Karte sowie die
dazugehörige PIN würden in getrennten Briefen in etwa 14 Tagen per Einschreiben direkt an meinen Vater übersandt. Es war dessen Wunsch, dass seine gesamte Post an seine Heimadresse ging
und er sich diese von Pflegekräften öffnen ließ. Mein Vater informierte meinen Bruder dann telefonisch, wenn Post von ihm zu beantworten war.
Am 25. September 2014 sandte die Bayern-Bank die PIN-Mitteilung per Einwurfeinschreiben an
die Heimanschrift meines Vaters ab und am 26. September 2014-ebenfalls per Einwurfeinschreiben- die ec-Karte. Allerdings hat der Postzusteller die Briefe nicht in den Briefkasten mit dem Namen meines Vaters geworfen, sondern in den mit „Altenheim Seniorenfreude“ beschrifteten Sammelbriefkasten des Heims. Jeder Heimbewohner hat einen eigenen mit Vor- und Nachnamen beschrifteten Briefkasten in der ganztägig geöffneten Eingangshalle des Heims, außerdem gibt es den
besagten Sammelbriefkasten. Es bestehen keine Zweifel, dass die Einschreibebriefe nicht in den
Postkasten meines Vaters geworfen worden sind, denn dazu hat nur er einen Einzelschlüssel, der an
seinem Schlüsselbund hängt. Mit diesem holt er sich täglich mit seinem Rollstuhl die Post aus seinem Briefkasten. Daneben gibt es nur noch einen Generalschlüssel, den die Heimleitung verwahrt.
Mein Vater hielt sich vom 24. September 2014 bis zu dem darauffolgenden Samstag, dem 4. Oktober 2014, zu einer Nachuntersuchung im Krankenhaus auf und hatte den Schlüssel bei sich. Als
mein Bruder ihn am 4. Oktober 2014 aus dem Krankenhaus abholte und ins Heim zurückbrachte,
hat er bei dieser Gelegenheit auch nach der Post gesehen. Dabei fand er kein Einschreiben der Bayern-Bank vor. Die Heimleiterin Frauke Meier-Höfl hat meinem Bruder auch bestätigt, dass während des Klinikaufenthalts meines Vaters dessen Briefkasten nicht mit dem Generalschlüssel des
Heims geöffnet wurde. Dazu habe überhaupt kein Anlass bestanden, denn nur bei Sterbefällen und
bei Unauffindbarkeit des Einzelschlüssels der Bewohner werde der Generalschlüssel benutzt. Ansonsten liege er gut verwahrt in einem Tresor.
Somit gingen mein Vater und mein Bruder am 4. Oktober 2014 davon aus, dass die ec-Karte und
die PIN-Mitteilung noch nicht übersandt worden waren und erwarteten diese in der Folgewoche.
Tatsächlich aber muss sich ein unbekannt gebliebener Heimmitarbeiter die Einschreibebriefe aus
dem Sammelbriefkasten genommen und unbefugt geöffnet haben. Vor seinem Krankenhausaufenthalt hatte mein Vater gegenüber verschiedenen Pflegekräften angekündigt, dass er bald zwei wichtige Einschreiben von seiner neuen Bank erwarte.
Das nächste Mal besuchte Friedrich meinen Vater dann am 6. Oktober 2014. Bei diesem Besuch
lagen die ec-Karte und die PIN-Mitteilung in den dazugehörigen Umschlägen offen auf dem Tisch
im Zimmer meines Vaters. Da dieser beim Eintreffen meines Bruders gerade pflegerisch versorgt
wurde, hat Friedrich nicht weiter mit ihm über die Briefe gesprochen. Anlass zum Argwohn sah er
insoweit wohl nicht. Die ec-Karte hat mein Bruder dann in der Nachttischschublade meines Vaters
eingeschlossen und die PIN-Mitteilung mit nach Hause genommen, um sie getrennt zu verwahren.
Zu der Nachttischschublade gibt es nur zwei Schlüssel, einen hatte mein Vater und den anderen
mein Bruder. Der Schlüssel meines Vaters befindet sich noch heute an seinem Schlüsselbund, den
er tagsüber bei sich trägt und nachts in seinen Kleiderschrank legt.
Als mein Bruder vier Tage später am 12. Oktober 2014, einem Sonntagnachmittag, wieder kurz bei
meinem Vater zu Besuch war, berichtete ihm dieser, dass die beiden Einschreibebriefe am 5. Okto-
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ber 2014 nach seiner Rückkehr aus dem Speisesaal geöffnet auf seinem Tisch lagen. Wer die Briefe
geöffnet und auf den Tisch gelegt hatte, wusste mein Vater nicht. Am Ende des Besuchs nahm
mein Bruder die ec-Karte dann an sich, um damit erstmals Kontoauszüge und Geld abzuholen. Als
er am späten Nachmittag des 12. Oktober 2014 am Geldautomaten stand und 500 Euro abheben
wollte, funktionierte dies jedoch nicht. Abhebbar waren lediglich 200 Euro, die sich mein Bruder
auszahlen ließ. Als er dann am SB-Terminal Kontoauszüge ziehen wollte, wurde auf dem Display
eine Betriebsstörung angezeigt. Mein Bruder vermutete daraufhin, dass ein technisches Problem
eine höhere Auszahlung verhinderte. Am Abend ist er dann noch einmal zu meinem Vater ins
Heim gefahren, um ihn zu informieren und die ec-Karte zurückzubringen. Da mein Vater gerade an
einer kleinen Feierstunde im Speisesaal teilnahm, war er nicht in seinem Zimmer, welches mein
Bruder unverschlossen vorfand. Dies entsprach aber der seinerzeit üblichen Verfahrensweise meines Vaters, der nur während der Nachtstunden abschloss, um sich tagsüber beim Verlassen des
Zimmers die Mühe zu ersparen, mit links abzuschließen. Mein Bruder verschloss die ec-Karte wieder in der Nachttischschublade und hinterließ meinem Vater eine Notiz, am nächsten Vormittag
schon um 8.30 Uhr wiederzukommen, um mit ihm zur Bank zu fahren.
Wie angekündigt, sind die beiden dann am Montagmorgen gemeinsam zur Bayern-Bank gegangen
und haben mit der für das Konto meines Vaters zuständigen Kundenberaterin gesprochen. Dabei
stellte sich heraus, dass von dem Girokonto meines Vaters außer den 200 Euro vom 12. Oktober
2014 bereits sechs Abbuchungen erfolgt waren – und zwar am 30. September 2014 um 18.32 Uhr
eine Barabhebung von 200 Euro, am 6. Oktober 2014 um 23.32 Uhr und am 7. Oktober 2014 um
0.45 Uhr Barabhebungen von jeweils 400 Euro, am 8. Oktober 2014 um 22.49 Uhr eine Barabhebung von 450 Euro sowie am 12. Oktober 2014 um 5.54 Uhr eine Barabhebung von 300 Euro.
Sämtliche dieser Abhebungen erfolgten an verschiedenen Geldautomaten der Bayern-Bank im
Rosenheimer Stadtgebiet. Hinzu kam am 13. Oktober 2014 um 0.22 Uhr eine Barabhebung an einem institutsfremden Geldautomaten in Höhe von 450 Euro zzgl. 4,50 Euro Gebühren. Nachdem
die Oktoberrente meines Vaters in Höhe von 1.425,46 Euro am 1. Oktober 2014 gutgeschrieben
worden war, ergab sich daraus am 13. Oktober 2014 ein Kontostand von 979,04 Euro im Soll, für
den seither 10,75 % Sollzinsen per anno auflaufen. Die zuständige Kundenberaterin zeigte meinem
Vater und meinem Bruder dann vor Ort anhand der gefertigten automatischen Aufzeichnungen,
dass alle Abbuchungen ordnungsgemäß verbucht waren, keine technischen Störungen vorlagen und
bei allen Verfügungen die Original-ec-Karte mit richtiger PIN eingesetzt worden war. Mein Bruder
hat sogleich darauf hingewiesen, dass die Abbuchungen mit Ausnahme der 200 Euro vom 12. Oktober 2014 unberechtigt erfolgten, da die ec-Karte unbefugt gebraucht worden war. Daraufhin veranlasste die Kundenberaterin eine umgehende Kartensperre und behielt die ec-Karte ein.
Im weiteren Verlauf hat sich trotz Einschaltung der Polizei letztlich nicht klären lassen, wer die ecKarte meines Vaters missbräuchlich verwendet hat. Es kann aber nur ein Mitarbeiter des Altenheims gewesen sein, und zwar immer derselbe. Nach dem 5. Oktober 2014 muss sich diese unbekannte Person, welche sich Zugang zu der PIN beschafft hatte, die ec-Karte aus dem Zimmer meines Vaters geholt haben, als dieser schlief oder nicht zugegen war. Die Staatsanwaltschaft hat das
Verfahren am 17. Dezember 2014 jedenfalls eingestellt und meinen Bruder davon unterrichtet (Anlage 2). Nachdem die Bayern-Bank jegliche von ihm geforderte Gutschrift der Belastungsbuchungen mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 ablehnte, hat mein Bruder dies zum Anlass genommen,
das Konto nicht länger zu nutzen und die monatlichen Renteneingänge meines Vaters auf ein anderes Konto überweisen zu lassen.
Am 16. Januar 2015 hat mein Bruder die Bayern-Bank dann im Namen meines Vaters vor dem
Amtsgericht Rosenheim zu Protokoll der Geschäftsstelle verklagt (Anlage 3). Nachdem der Anwalt
der Bank mit Schriftsatz vom 6. Februar 2015 Klageabweisung beantragt hatte (Anlage 4), war für
den 27. April 2015 um 9.00 Uhr eine Gerichtsverhandlung anberaumt. Diesen Termin hat mein
Bruder leider nicht wahrgenommen, da er sich um einen Tag im Datum vertan hatte und dies erst
am Nachmittag des 27. April 2015 bemerkte. Zwar rief er umgehend auf der Geschäftsstelle an und
entschuldigte sich, da war es aber schon zu spät. Ihm wurde geraten, die Urteilszustellung abzuwarten und dann Rechtsmittel einzulegen.
bitte wenden!
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An seinem Todestag ist ihm das Verhandlungsprotokoll (Anlage 5) mit einem Versäumnisurteil
(Anlage 6) schließlich zugestellt worden. Entgegengenommen hat den Brief die Haushaltshilfe
Edith Schöneberg, (…) Rosenheim, da meine Schwägerin in der Mittagszeit, als die Postzustellung
kam, gerade beim Friseur war. Kurze Zeit später traf dann die Nachricht vom Tod meines Bruders
ein, die zwei Polizeibeamte meiner Schwägerin überbrachten. In dieser tragischen Situation ist die
Gerichtspost völlig aus dem Blick geraten. Daher hat sich auch niemand um das ergangene Urteil
gekümmert. Auch mein Vater wusste davon nichts bis zu unserem Gespräch vom 7. Juni 2015. So
habe ich es erst am 6. Juni 2015 in dem Poststapel meines Bruders wiedergefunden.
Ich möchte Sie nun um eine umfassende rechtliche Prüfung des geschilderten Vorgangs bitten. Den
Prozess meines Vaters gegen die Bayern-Bank würde ich gerne weiterführen und die Klageforderung durchsetzen. Es muss doch möglich sein, das ergangene Urteil noch anzufechten. Oder sind zu
beachtende Fristen bereits abgelaufen? In den aufgefunden Unterlagen befand sich nämlich die
gerichtliche Belehrung, dass nur binnen zwei Wochen ein Rechtsmittel eingelegt werden könne.
Aber in der tragischen Situation des Unfalltods meines Bruders konnte doch niemand etwas dazu,
dass bislang kein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Ich habe mal gehört, dass man unverschuldete
Fristversäumnisse mit einer „Wiedereinsetzung in die Frist“ heilen kann. In der Sache empfinde ich
es als höchst ungerecht, dass die Bayern-Bank sich so anstellt, meinem Vater das abgebuchte Geld
zu erstatten. Er konnte doch nicht verhindern, dass ein Unbekannter während seines Klinikaufenthalts seine Post ausspäht und sich dann an seinem Konto bedient. Auch hat mein Bruder nach Aufdeckung des Missbrauchs doch sofort gehandelt und für die Kontosperrung gesorgt.
Ich bevollmächtige Sie umfassend, ohne weitere Rücksprache alle erforderlichen Schritte einzuleiten. Sollten außer der Klageforderung noch etwaige weitergehende Ansprüche bestehen, verzichte
ich auf deren Verfolgung. Für die Kosten der Prozessführung kommt mein Vater auf. Er hat mehr
als 100.000 Euro gespartes Festgeld. Sämtliche Korrespondenz führen Sie aber bitte mit mir.“
Herr Bruns übergibt Rechtsanwalt Peter Höflinger die genannten Schriftstücke (Anlagen 1 bis 6)
und erteilt ihm schriftlich das Mandat zur gerichtlichen Vertretung in der geschilderten Angelegenheit.
Anlage 1:
Amtsgericht Rosenheim
– Vormundschaftsgericht –
Az.: 2 XVII 245/15
9. Juni 2015
B e s c h l u s s:
In dem Betreuungsverfahren
für Heino Bruns, geboren am 2. Oktober 1931, Altenheim Seniorenfreude, (…) Rosenheim,
– Betroffener –
wird nach dem Tod des bisherigen Betreuers
der Sohn des Betroffenen, Martin Bruns, geboren am 29. März 1955, (…) Rosenheim,
zum neuen ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer des Betroffenen bestellt für die Bereiche
Behörden- und Kontoangelegenheiten.
Die Entscheidung ist sofort wirksam.
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(…)
Heufler
Richterin am Amtsgericht
Anlage 2:
Staatsanwaltschaft Traunstein
Az.: 56 UJs 1444/14
17. Dezember 2014
Herrn
Friedrich Bruns
(…) Rosenheim
Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen missbräuchlicher Verwendung einer ec-Karte
Sehr geehrter Herr Bruns,
in Ihrer Eigenschaft als Betreuer Ihres Vaters haben Sie am 14. Oktober 2014 Strafanzeige gegen
Unbekannt erstattet. Nach Abschluss meiner Ermittlungen muss ich Ihnen mitteilen, dass der unberechtigte Benutzer der ec-Karte leider nicht ausfindig gemacht werden konnte. Ich stelle das Verfahren daher ein.
Auf den automatischen Videoaufzeichnungen der benutzten Geldautomaten war zwar immer dieselbe vermummte Einzelperson abgebildet. Es hat sich jedoch nicht einmal klären lassen, ob es sich
dabei um eine männliche oder eine weibliche Person handelt. Auch haben die Vernehmungen des
zuständigen Postzustellers sowie sämtlicher Heimangestellten keinen hinreichenden Täterverdacht
ergeben. So kommt eine Vielzahl von Einzelpersonen in Betracht.
Eine Eingrenzung über die Dienstpläne war nicht möglich. Auch haben alle Mitarbeiter des Heims
Zugang zu der in den Sammelbriefkasten eingeworfenen Post. Der Hausmeister verteilt diese nämlich nach der täglichen Leerung des Briefkastens in dem nicht verschlossenen Zentralbüro auf die
allen Mitarbeitern zugänglichen Postkörbe, die dort für die Verwaltung und die einzelnen Stationen
bereitstehen. Auch zum Zimmer Ihres Vaters hat jeder Mitarbeiter mit seinem eigenen Schlüssel
Zugang und kann dort nach Belieben ein- und ausgehen. Auf diese Weise wird die entsprechende
Person sich wiederholt in den Besitz der ec-Karte gebracht haben, ohne dass es Ihr Vater bemerkt
hat. Während seiner Ruhezeiten war dies durch seine Schwerhörigkeit begünstigt.
Auch die Untersuchung der einbehaltenen ec-Karte hat keine weiterführenden Erkenntnisse gebracht. Eindeutig wurde bei allen Abhebungen die Original-Karte mit der richtigen PIN verwendet.
Sonstige Ermittlungsansätze sind leider nicht vorhanden.
Rechtsmittelbelehrung:
(…)
Hofbauer
Staatsanwalt
Anlage 3:
Amtsgericht Rosenheim
– Rechtsantragsstelle –
16. Januar 2015
bitte wenden!
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Gegenwärtig: Rechtspfleger Schmidt
Nach telefonischer Terminabsprache erscheint Herr Friedrich Bruns, (…) Rosenheim, ausgewiesen
durch gültigen Bundespersonalausweis, und bittet unter Vorlage seiner Bestellungsurkunde 2 XVII
245/15 AG Rosenheim um Aufnahme folgender Klageschrift:
Klage
des Herrn Heino Bruns, Altenheim Seniorenfreude, (…) Rosenheim, gesetzlich vertreten durch
seinen Betreuer Friedrich Bruns, (…) Rosenheim,
– Kläger –
gegen
die Bayern-Bank e.G., gesetzlich vertreten durch ihren Vorstand, dieser vertreten durch ihre Vorstandsvorsitzende Michaela Hofmann, geschäftsansässig (…) Rosenheim,
– Beklagte –
wegen Ansprüchen aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag
Streitwert: 2.204,50 Euro.
Namens des Klägers erhebe ich Klage gegen die Beklagte. Ich bitte um Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, in der ich b e a n t r a g e n werde,
die Beklagte zu verurteilen, die auf dem bei ihr geführten Girokonto Nr. 18798798 vorgenommenen Belastungsbuchungen vom 30. September 2014 in Höhe von 200,00 Euro, vom 6. und
7. Oktober 2014 in Höhe von jeweils 400,00 Euro, vom 8. Oktober 2014 in Höhe von 450,00
Euro, vom 12. Oktober 2014 in Höhe von 300 Euro sowie vom 13. Oktober 2014 in Höhe von
454,50 Euro zu den jeweiligen Wertstellungsdaten zu stornieren.
Für den Fall der Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens beantrage ich bei Vorliegen der Voraussetzungen den Erlass eines Versäumnisurteils.
B e g r ü n d u n g:
In den Aufgabenbereichen Behörden- und Kontoangelegenheiten steht der Kläger unter rechtlicher
Betreuung seines Sohns Friedrich Bruns aus Rosenheim.
Beweis:
Vorlage der Bestellungsurkunde 2 XVII 245/15 AG Rosenheim
Die Betreuung ist auf eigenen Antrag des Klägers eingerichtet worden, da dieser infolge eines
Schlaganfalls halbseitig rechts gelähmt ist. Bei dem im Rollstuhl sitzenden Kläger bestehen ausschließlich körperliche Defizite, er ist voll geschäftsfähig.
Beweis:
Beiziehung der Betreuungsakte 2 XVII 245/15 AG Rosenheim
Nachdem der Kläger in das Altenheim Seniorenfreude aufgenommen worden war, eröffnete sein
Betreuer mit Einverständnis des Klägers am 15. September 2014 das streitgegenständliche Girokonto bei der Beklagten. Dabei wurden ein Dispositionskredit in Höhe von 1.000 Euro und ein
Tageshöchstlimit von 500 Euro vereinbart.
Beweis:
Vorlage der Originalkontounterlagen durch die Beklagte
Antragsgemäß sandte die Beklagte dem Kläger für Barabhebungen an Geldautomaten sowie für
unbare Ausgaben eine ec-Karte nebst PIN für das streitgegenständliche Konto per Post zu.
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An den im Klageantrag genannten Tagen benutzte ein Unbekannter ohne Wissen und gegen den
Willen des Klägers bzw. seines Betreuers bei insgesamt sechs Verfügungen die ec-Karte für Barabhebungen an verschiedenen Geldautomaten. Die Beklagte belastete das Konto des Klägers mit
diesen Umsätzen.
Beweis:
Vorlage der Kontoauszüge
Dazu war die Beklagte nicht berechtigt. Es handelte sich nämlich um nicht autorisierte Zahlungsvorgänge. Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich zur Rückbuchung auf, dies blieb jedoch
ohne Erfolg. Daher ist Klage geboten.
Selbst gelesen und unterschrieben:
Friedrich Bruns
als Betreuer
Geschlossen:
Schmitz
Rechtspfleger
Anlage 4:
Axel Jäger
Rechtsanwalt
(…) Rosenheim
6. Februar 2015
An das
Amtsgericht Rosenheim
(…) Rosenheim
Amtsgericht Rosenheim
Eingang: 7. Februar 2015
In Sachen Bruns ./. Bayern-Bank e.G.
Az.: 12 C 101/15
zeige ich unter Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung die Vertretung der Beklagten an
und beantrage kostenpflichtige Klageabweisung.
B e g r ü n d u n g:
Die Beklagte hat das Girokonto des Klägers zu Recht mit den in der Klageschrift genannten Umsätzen belastet.
Sie will zwar nicht in Abrede stellen, dass weder der Kläger noch sein Betreuer die sechs im Streit
stehenden Zahlungsvorgänge selbst vorgenommen hat und diese ohne deren Zustimmung erfolgt
sind.
Der Kläger ist der Beklagten jedoch in Höhe der Belastungsbuchungen schadensersatzpflichtig.
Denn nach Zugang der getrennt versandten ec-Karte und PIN trägt er das Verlust- und Missbrauchsrisiko. Die PIN ist dem Kläger mit Einwurfeinschreiben vom 25. September 2014 übersandt
worden, die ec-Karte am 26. September 2014. Eingeworfen wurden die beiden Briefe durch den
Postzusteller am 29. September 2014.
Beweis:
Vorlage der Postquittungen
bitte wenden!
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Da die erste Abbuchung vom 30. September 2014 datierte, erfolgte sie somit nach Zugang der Einschreiben. Aus einem Gespräch vom 13. Oktober 2014 mit dem Betreuer des Klägers weiß die
Beklagte, dass der Kläger seine ec-Karte und die dazugehörige PIN bis zum 6. Oktober 2014 zusammen in seinem Zimmer verwahrt hat. Die Einschreibebriefe hatte er nicht einmal selbst geöffnet, sondern in geöffnetem Zustand in seinem Zimmer vorgefunden. Erst am 6. Oktober 2014 hat
der Betreuer die PIN mit nach Hause genommen.
Beweis:
Zeugnis der Kundenberaterin Maren Köhler, zu laden über die Beklagte
Die geschilderte Art der Aufbewahrung der Geheimzahl zusammen mit der ec-Karte war grob fahrlässig und hat den Kartenmissbrauch erst ermöglicht. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Der Kläger hätte die ec-Karte und die PIN unbedingt durch eine getrennte Verwahrung an
einem sicheren Ort vor unbefugtem Gebrauch schützen müssen. Außerdem hätte er der Beklagten
schon anzeigen müssen, dass ihm die Einschreibebriefe nicht verschlossen ausgehändigt worden
waren. Da er in schwerwiegender Weise gegen diese Sorgfaltspflichten verstoßen hat, haftet er der
Beklagten unbegrenzt auf Schadensersatz.
Zudem hat der Betreuer des Klägers am 12. Oktober 2014 nach eigenen Angaben konkreten Missbrauchsverdacht geschöpft, ohne darauf umgehend mit einer Sperrung über die Telefon-Hotline zu
reagieren. Die Nummer dieser Hotline steht an jedem Geldautomaten,
Beweis:
Ortstermin,
auch hatte die Beklagte sie dem Kläger in ihrer Kontoeröffnungsbestätigung vom 17. September
2014 genannt.
Beweis:
Vorlage des Schreibens vom 17. September 2014
Zu dem Verdacht des Betreuers auf Kartenmissbrauch kam es am 12. Oktober 2014, als er 500
Euro am Geldautomaten abheben wollte, aber nur eine Abhebung von 200 Euro möglich war.
Beweis:
Zeugnis der Kundenberaterin Maren Köhler, bereits benannt
Dennoch ließ der Betreuer des Klägers die ec-Karte erst am Vormittag des 13. Oktober 2014 von
der Zeugin Köhler sperren.
Beweis:
wie vor
Nach alledem hat sich der Kläger sämtliche der sechs unberechtigten Kontoverfügungen, bei denen
jeweils die Original-Karte zum Einsatz kam, selbst zuzuschreiben und kann seinen Schaden nicht
auf die Beklagte abwälzen.
Jäger
Rechtsanwalt
Anlage 5:
Auszug aus dem Protokoll, aufgenommen in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Rosenheim
vom 27. April 2015, Az.: 12 C 101/15:
(…)
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Nach Aufruf der Sache um 9.01 Uhr sind erschienen:
für den Kläger:
für die Beklagte:
niemand
Rechtsanwalt Jäger
Der Kläger ist auch bei erneutem Aufruf um 9.18 Uhr nicht erschienen. Ordnungsgemäße Ladung
des Klägers wird anhand der Zustellungsurkunde (Bl. 16 d.A.) festgestellt. Telefonische Nachfrage
bei der Geschäftsstelle ergibt, dass dort keine Verspätungs- oder Verhinderungsnachricht vorliegt.
Der Beklagtenvertreter beantragt, die Klage per Versäumnisurteil abzuweisen.
Daraufhin wird in Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Abwesenheit des
Klägers das anliegende Urteil verkündet.
Anlage: Urteil
Für die Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger:
Müller-Borghardt
Richterin am Amtsgericht
Schmalen
Justizhauptsekretärin
Anlage 6:
Amtsgericht Rosenheim
Az.: 12 C 101/15
27. April 2015
(…)
V e r s ä u m n i s u r t e i l:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(…)
Müller-Borghardt
Richterin am Amtsgericht
Vermerk für die Bearbeiter:
Der Schriftsatz von Rechtsanwalt Peter Höflinger an das Gericht ist zu fertigen. Dieser hat auch
diejenigen Rechtsausführungen zu enthalten, die das Begehren des Mandanten stützen.
In einem Schreiben an den Mandanten ist das anwaltliche Vorgehen zu erläutern, soweit es sich
nicht aus dem Schriftsatz selbst ergibt. Hinsichtlich des Mandantenschreibens ist die Darstellung
des Sachverhalts erlassen.
Soweit nach Ansicht des Bearbeiters in dem zu fertigenden Schriftsatz und dem Schreiben an den
Mandanten ein Eingehen auf alle berührten Rechtsfragen nicht erforderlich erscheint, sind diese in
einem Hilfsgutachten zu erörtern.
Es ist davon auszugehen, dass etwaige zwischen dem Mandanten und der Bayern-Bank vereinbarte
AGBs keine die Lösung beeinflussenden Vereinbarungen enthalten.