Vater-Kind-Bindung

Bad Sassendorf, 10.03.2016
Vater-Kind-Bindung:
Ist sie etwas Besonderes?
Dr. Andreas Eickhorst
Deutsches Jugendinstitut, München
Inhalt
Betrachtungsmöglichkeiten zu Vätern
Wissen über Väter
Vater-Kind-Bindung im engeren Sinne
Vater-Kind-Interkation und Weiteres
 Resümee / Ist Vater-Kind-Bindung etwas
Besonderes?
Vorneweg: Warum Beschäftigung mit Vätern?
• Lange Zeit wenig Interesse an Vätern
• Bevorzugtes Interesse an der Mutter aus
gesellschafts-historischen Wertvorstellungen und
praktischen Erwägungen
• Dennoch Vater gleichwertiger Elternteil wie Mutter
• Vater „wirkt“ immer auf Kind und Familie
• Mutter-Kind-Bindung ist in aller Munde
• Ist Vater-Kind-Bindung ebenso vorhanden und
gleichermaßen bedeutsam?
Mögliche Betrachtungsweisen zu Vätern
a) In der Wissenschaft
Frühe Phase der Vaterforschung:
„Können Väter das überhaupt?“
Zweite Phase
Auswirkungen von Vaterabwesenheit
Dritte Phase
Forschung über Unterschiede zwischen Vätern und Müttern
Vierte Phase (heute)
Vater-Kind-Bindung und Interaktion
Besonderheiten väterlicher Interaktion
(Subjektives Erleben von Vaterschaft; Rolle der Väter in verschiedenen
Familien)
Mögliche Betrachtungsweisen zu Vätern
b) Für uns Fachkräfte
 Väter als Ressource
 Väter als Risiko
 als Unterstützung für Mütter
 als (gleichwertiger) Elternteil
 als unterstützenswert
…
 Ist Vater-Kind-Bindung etwas Besonderes…?
Väter nach der Geburt
Die Mutterschaftskonstellation
• Nach Daniel Stern (1998) ein einzigartiger Zustand, der sich
von anderem Erleben unterscheidet
 Wichtige Komponenten:
- Bilder der eigenen Mutter
- Bilder von sich als kleines Mädchen
- Bilder vom Säugling
 „Gibt“ es auch eine Vaterschaftskonstellation?
 Übergang von Zweien zu Dreien auch für Väter eine
Herausforderung
 Verunsicherung durch neue Anforderungen
 Hohe Anforderungen bei häufig ausbleibender Unterstützung
 Verfügbarkeit von Rollenvorbildern?
Väterliche Präsenz
Väterliche Präsenz
• Mutter- und Vaterschaft an sich sind Produkte der
Evolution, ihre Ausprägung Produkte der Kultur
• Kinder können auch ohne Vater (oder Mutter)
großwerden
• Aber: potentiell Probleme bei väterlicher
Abwesenheit
• Große Vorteile bei Präsenz: Dies führt (im besten
Fall) zu sozial kompetenten und selbstbewussten
Kindern
• Präsenz (und konkretes Tun!) an sich wichtiger als
die Familienform
• Bindung und Feinfühligkeit wichtige Konzepte dabei
Sind Väter genauso kompetent im Umgang
mit (kleinen) Kindern wie Mütter?
Gleiche Fähigkeiten (emotional, kognitiv, praktisch) wie Mütter in

Pflege und Versorgung

Interaktion und

Erziehung ab dem Säuglingsalter
Keine Unterschiede
 im intuitiven Elternverhalten
 in generellen Kompetenzen
Gleiche prinzipielle
Fähigkeiten bezüglich
Elternschaft wie Mütter
Aber zum Teil andere
Motivation und tatsächliches
Verhalten als Mütter
Wie ist es mit der Bindung…?
Was ist Bindung?
• Psychologische Bindungstheorie von Bowlby (1958)
• Angeborene und überlebensnotwendige Motivation
enger Zuwendung zur Bezugsperson
• Sichert Trost und Beruhigung für das Kind
• Universell vorhanden in ungeklärten kulturellen
Formen
• Entwickelt sich (spätestens) ab Geburt in einem
längerfristigen Prozess
• Sichere Bindung, unsichere Bindung und
Bindungsstörungen werden definiert
Bindung bei Vätern
Mary Ainsworth, Pionierin der
Bindungsforschung:
„Die Interaktion eines Vaters mit seinem Baby
hat eine ganz besondere Qualität, welche eine
Intensität der Bindung entstehen lässt, die in
keinem Verhältnis zu der Häufigkeit ihrer
Interaktion steht.“
(Ainsworth, 1967, S.352)
Bindung bei Vätern
 Bindung zum Vater genauso vorhanden wie zur
Mutter
 Vergleichbare Verteilung von Bindungsmustern
 Am bedeutsamsten ist die Bindung zur Hauptbezugsperson, aber mehrere Bindungsbeziehungen gleichzeitig
sind möglich und sinnvoll
 Zusammenhänge zu späterer Entwicklung geringer als
bei mütterlicher Bindung
 Aber: Einfluss unklar  Hauptbezugsperson
beachten!
Feinfühligkeit
 Wichtigster Bestandteil ist promptes, angemessenes und
zuverlässiges Reagieren, z.B. durch Mimik, Gestik, Lächeln
etc.
 Ermöglichst durch angeborene intuitives Elternverhalten
Feinfühligkeit bei Vätern
 gleiche Grundannahmen zu Vätern wie Müttern, aber auch hier
andere Verhaltensschwerpunkte anzunehmen
 Insbesondere durch feinfühlige Unterstützung von Exploration
beeinflussen Väter die sozio-emotionale Entwicklung (bis 22. LJ
bestätigt)
 Im direkten Vergleich ist die väterliche Feinfühligkeit oft geringer
ausgeprägt
 Aber: Haben wir auch die richtigen Mess-Methoden für Väter…?
Videobeispiel zur
väterlichen Feinfühligkeit
Triadische Interaktionen
Das erste Dreiersystem – die “primäre Triade”
 Familiensystem aus Säugling, Mutter und Vater
 Erweiterung der früher üblichen dyadischen
Perspektive
 Säuglinge zeigen ab 3 Monaten ein sensitives
Reagieren auf das Miteinander der Eltern
Systemische Perspektive:
 Das Familiensystem besteht nicht nur aus der Addition von
Zweier- Beziehungen, sondern hat eine eigene Dynamik und
Qualität
 Die Zusammenarbeit von Mutter und Vater im Umgang mit
dem Kind kann nur in triadischen Situationen direkt beobachtet
werden
 In der primären Triade wird die Entwicklung sozialer und
kommunikativer Kompetenzen des Kindes angeregt
Co – Parenting
 Gemeinsame elterliche Interaktion (z.B. Spiel) mit
dem Kind
 beide Eltern sind gleichermaßen beteiligt
 Für das Kind wichtig, damit es Interaktion mit
Mehreren lernen kann
 Erleben von Kooperation und Konkurrenz der Eltern
 Co-Parenting hängt mit Partnerschafts-Zufriedenheit
zusammen
 Die Beteiligung des Vaters ist primär abhängig von
den Fähigkeiten, die seine Partnerin bei ihm sieht.
Väter in der primären Triade
• Mütter und Väter sind vergleichbar in ihrem triadischen
Verhalten und der Beteiligung
• Sind ebenfalls genauso aufmerksam und feinfühlig in
triadischen Interaktionen, auch bei weniger Zeit mit
den Kindern
• Väter aus unglücklichen Beziehungen sind weniger
involviert in gemeinsame Spiele zu dritt in der Familie
• Allerdings gibt es Hinweise auf Lerneffekte in dem
Sinne, dass der Vater vom Verhalten der Mutter lernt
 Einbezug dieser Perspektive ermöglicht gut die
gleichberechtigte Beteiligung der Väter
Mütterliches „Gate Keeping“
„Überzeugungen und Verhaltensweisen der Mutter, die eine
Beteiligung des Vaters an der fam. Arbeit hemmen“
Mögliche Ursachen
• Vermutete oder tatsächlich fehlende Kompetenz beim Vater
• Traditionelles Rollenverständnis
• Paarbeziehung mit vielen Konflikten
Mögliche Folgen
• Vater fühlt sich ausgeschlossen
• Tatsächlich geringeres Engagement des Vaters oder
mangelnde Fähigkeiten können resultieren
 Natürlich gehören immer Zwei dazu!
Fachlicher Umgang
mit Vätern
Herausforderungen
Identifikation des Vaters mit seiner Vaterrolle?
 Insbes. bei ungeplanten/ungewollten Schwangerschaften
fraglich
Häufig Skepsis der Väter gegenüber…
 Psychosozialen Fachkräften und ihrer Wertschätzung für Väter
 der Frage, ob Männer überhaupt eine wichtige Rolle als Väter
spielen
Männliches Geschlechtsrollenstereotyp
 Keine Probleme haben/Probleme alleine lösen können
 Annahme von Unterstützung potentiell Eingeständnis eigener
Unzulänglichkeit
 Problem defizitorientierter Ansätze: Transport eines
defizitären Vaterbildes
Chancen
Möglicherweise vielversprechender:
Unterstützung, die Wünsche und Empfinden d. Väter aufgreift
Das bedeutet
 Direktes und explizites Einbeziehen der väterlichen
Sicht
 Wertschätzende Grundhaltung
 Akzeptanz der Situation und Bemühungen des Vaters
 Abstrahieren von eigenen Idealen und Einstellungen
Im Focus stehen dann
 Wohlbefinden der Väter
 Väterliche Ressourcen
 Bedeutung des Vaters im Kontext des
Familiensystems
Resümee
• Väter von Natur aus gleichwertiger Elternteil
• Haben eigenständige Eigenschaften und
Verhaltensweisen
• Der große Bereich väterlicher Präsenz und der VaterKind-Interaktion birgt viele Chancen für die kindliche
Entwicklung
• Bindung und Feinfühligkeit als wichtige und
fördernswerte psychologische Mechanismen auch bei
Vätern
• All dies ist wichtig für unsere professionelle Arbeit mit
Vätern
 Ist Vater-Kind-Bindung etwas Besonderes?
Vielen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Andreas Eickhorst
Deutsches Jugendinstitut, München
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