Gefahr durch Kleintransporter

Gefahr durch Kleintransporter | Manuskript
Gefahr durch Kleintransporter
Bericht: Albrecht Radon
Parkplatz der Autobahn-Polizei Börde. Großkontrolle. Im Fokus der Beamten:
Kleintransporter aus Osteuropa. Polizeihauptmeister Harald Laaß geht auf Tauchstation.
Harald Laaß
Da ist alles raus hier, da ist nichts mehr da. Nur noch Spachtelmasse und Farbe.
Nur der Lack hält dieses Fahrzeug noch zusammen. Der komplette Unterboden ist verrostet
und hat Löcher wie ein Schweizer Käse. Vor drei Monaten erst wurde diese Rostlaube nach
Polen verkauft.
Harald Laaß
Die werden in Deutschland gefahren, bis es nicht mehr geht. Nach dem Motto: Bis der TÜV
uns scheidet. Und dann vergessen die den Weg zur Presse. Dann gehen die einfach mal ins
Ausland.
Reporter: Sowas schon einmal gesehen?
Nein. So noch nicht. Mit der Hand kriege ich das Auto auseinandergebaut. Hier ist
Bauschaum reingedrückt, damit das überhaupt hält hier, als Füllmaterial.
Das Fahrzeug ist eine tickende Zeitbombe.
Harald Laaß
Das geht gar nicht, das geht gar nicht sowas.
Reporter: Ist das typisch für osteuropäische Fahrzeuge?
Ja, auf jeden Fall.
Die Beamten ziehen den Wagen aus dem Verkehr. Das Bußgeld für den Fahrer: 100 Euro.
Doch der ist sich keiner Schuld bewusst.
Reporter: In Polen ist das Fahrzeug in Ordnung?
polnischer Fahrer: Papiere, Stempel und dann fahren.
Immer wieder sind Kleintransporter aus Osteuropa in schwere Unfälle verwickelt – wie hier
auf der A2 vor zwei Wochen. Der polnische Fahrer fährt ungebremst auf ein Stau-Ende – und
stirbt. Unfallursache: Vermutlich Übermüdung.
Das Problem. Viele sitzen zu lange hinterm Lenkrad. Doch das kann man ihnen kaum
nachweisen. Denn Kleintransporter bis 3,5 Tonnen brauchen keinen Fahrtenschreiber. Die
Fahrer müssen lediglich solche Kontrollblätter ausfüllen.
Raymond Compera
Die Ruhezeit, Lenkzeit und Arbeitszeit muss handschriftlich eingetragen werden.
Reporter: Woher wollen Sie denn jetzt wissen, ob das der Wahrheit entspricht?
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Ja, das ist richtig. Das ist relativ schwierig, das mit handschriftlichen Aufzeichnungen
nachzuweisen, dass er seine Fahrtzeiten einhält und seine Ruhezeiten einhält.
Einige Polizisten bezeichnen diese Zettel auch als Lügenblätter. Probleme bei fast jedem
Fahrer.
Jan-Marcel Eckhardt
Mehr nicht? Das sind sie alle? Mehr haben sie nicht?
Dieser polnische Fahrer hat die Kontrollzettel zwar dabei – doch die sind unvollständig.
Jan-Marcel Eckhardt
Er muss mir praktisch den laufenden Tag und 28 vorhergehende vorlegen.
Reporter: Und das kann er nicht?
Bis jetzt sieht es nicht danach aus. Mal schauen. Haben Sie noch andere Scheine?
Szene polnischer Fahrer: No.
Jeder nicht protokollierte Tag kostet den Fahrer 250 Euro Bußgeld. Dann entdecken Achim
König und sein Kollege diesen Gaskocher in der Fahrerkabine.
Achim König
Die machen sich ihr Essen warm. Kann ja auch jeder machen. Aber abschrauben, Kappe
drauf und vernünftig verstauen. Hatten wir schon mehrmals gehabt, dass das Führerhaus
auseinander geflogen ist.
Und so sieht‘s aus, wenn eine Gasflasche im Führerhaus explodiert.
Passiert ist es auf einem Rastplatz der A2. Der polnische Fahrer wurde dabei schwer verletzt.
Die Unglücksursache wie so oft: Leichtsinn.
Achim König
Die werden ja auch nicht mehr überprüft, die Gasflaschen. Die werden gekauft, werden
befüllt und fertig und irgendwo zu Hause wieder befüllt. Die Sicherheitseinrichtungen, so
dass kein Gas austreten kann – ganz, ganz selten.
Auch er hatte seine Gasflasche in der Fahrerkabine. Die Konsequenz: ein weiteres Bußgeld:
250 Euro. Dann wird es hektisch:
Jan-Marcel Eckhardt
Zumachen, abschließen, mitkommen.
Gerade hat sich herausgestellt: Der Mann wird per Haftbefehl gesucht. 630 Euro Bußgeld
sind offen. Entweder er zahlt jetzt oder er muss 20 Tage ins Gefängnis.
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Achim König
Das Problem ist, dass der Fahrer unter Druck ist. Der Chef sagt, dann und dann musst du da
sein. Daran hält der sich. Weil er genau weiß, mache ich das ein paar Mal verkehrt, bin ich
weg vom Fenster, habe ich keinen Job mehr.
Die osteuropäischen Fahrer leben am Existenzminimum. Wir haben einen Tipp bekommen,
wo wir einige von ihnen finden können. Wie hier in Leipzig, warten sie in der Nähe der
Autobahnen auf den nächsten Auftrag. So wie der Pole Rafal Opala.
Rafal Opala
Es ist vergleichbar mit einem Zigeunerleben. Du lebst wie auf einem Campingplatz. Du hast
einen Gaskocher und Fertigessen.
Seit einem halben Jahr war der 36-jährige nicht zu Hause. Er fährt nonstop Waren durch
ganz Europa, schläft im Auto und wäscht sich an der Tankstelle. Seine Firma ersteigert im
Internet Transporte.
Rafal Opala
Wenn ich in Polen losfahre, verdiene ich die ersten 1.000 Kilometer 20 Cent pro Kilometer.
Danach zahlen sie 39 Cent pro Kilometer.
Nur wer viel fährt, verdient auch Geld. Ruhezeiten sind da hinderlich. Kein Wunder, sagt
Rafal Opala, wenn manche die Kontrollblätter manipulieren.
Rafal Opala
Die füllen das einfach bei der Fahrt aus. Wenn sie über die erlaubte Fahrzeit kommen,
dann schmeißen sie den Zettel einfach weg und füllen einen neuen aus.
Zurück zur Kontrolle. Im Minutentakt winken die Beamten Kleintransporter aus dem
Verkehr. Und mal wieder gibt es Ärger mit den Kontrollzetteln.
Raymond Compera: So, wo kommen wir her? England? Von England nach Polen?
polnischer Fahrer: Ja.
Raymond Compera: Okay. Und das ist Post?
polnischer Fahrer: Ja. Alles Post und ein bisschen Bagage.
Raymond Compera: Ein bisschen Bagage und alles Post? Fahrtenbuch? Tachograph?
polnischer Fahrer: Nein.
Raymond Compera: Dann Problem.
Er hat nicht einen einzigen Kontrollzettel dabei. Theoretisch droht ihm nun ein Bußgeld von
7.000 Euro. Im harten Preiskampf nehmen die Fahrer solche Risiken in Kauf. Sie spekulieren
einfach darauf, nicht erwischt zu werden.
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