// Titelthema GroBe Aufgabe Tausende Unternehmer wollen in den nachsten Jahren ihre Firma übergeben. Doch es fehlen die Nachfolger. Gehen Deutschland die Unternehmer aus? Von Nadine Peter UNTERNEHMER stehen in den nachsten drei Jahren vor einer groBen, wenn nicht gar der graBten Aufgabe überhaupt. Sie müssen ihr Geschaft an die nachste Generation übergeben. Rllnd 2 Millionen Arbeitnehmer sind nach Schatzungen des Instituts für Mittelstandsforschung davon betroffen. Auf der nachfolgenden Unternehmergeneration lastet also von vornherein ein hoher Druck. Und vermutlich ist das einer der Gründe, weshalb immer weniger potentielle Nachfolger tatsachlich aIs Beruf "Geschaftsführer" auf ihrer Visitenkarte stehen haben wollen. Das Bild des mittelstandischen Unternehmers ist nach Ansicht von Rechtsanwalt Detlef Bischoff deshalb als Trallmberuf negativ belastet. "Aber wir brauchen eine neue Unternehmergeneration, sonst wird es in Deutschland eine starke Umwalzllng in Richtung Konzernstrukturen geben und der Mittelstand stirbt", erklart der Rechtsanwalt. Es gibt zwar generell die Bereitschaft, unternehmerisch tiitig zu werden oder sogar ein ganz eigenes Unternehmen zu gründen. 44 Prozent aller Deutschen kannen sich das durchaus vorstellen. 135.000 24 Doch die meisten setzen diese Plane dann entweder erst gar nicht um oder orientieren sich eher in Richtung Startup denn in Richtllng mittelstandischer Strukturen. Beliebte Start-ups Il "Start-ups haben einen unheimlichen Reiz - gerade für junge Leute, die es sich prinzipiell vorstellen kannen, ein eigenes Unternehmen zu führen", weiB Marie-Sophie Wember. Sie ist Tochter und hachstwahrscheinlich Nachfolgerin ihres Vaters, Dirk Wember, Geschaftsführer des mittelstandischen Unternehmens Haas Schleifmaschinen. Dabei hat das mittelstiindische Unternehmertum doch seine Reize. Dies zeigt die Studie "Delltschlands nachste Unternehmergeneration" der Zeppelin Universitat Friedrichshafen in Zllsammenarbeit mit der Stiftung Familienunternehmen. Hier geben 39 Prozent der Befragten an, dass die Gründung eines eigenen Unternehmens eine realistische Karriereoption für sie ist. "Die Bereitschaft, in die Firma der Familie einzusteigen, steht im Wettstreit mit dem Wunsch, ein eigenes Unternehmen allfzllballen", erklart Stefan Heidbreder, Geschaftsführer der» 12-011/ Dez 2015-Jan 2016 MARKT und MITTEL5TAND (fl Alle Rechte vorbehallen. Frankfurt Business Media GmbH Frankfurt »Stiftung Familienunternehmen, die Ergebnisse der Studie. Für welchen Weg Berufseinsteiger sich letztlich entscheiden, hangt seiner Ansicht nach stark davon ab, wie konkret der Übergang von der einen auf die andere Generation festgelegt wird. Nachfolgerin Marie-Sophie Wember kennt diese Überlegungen. "Als Gründer eines Start-ups ist die Flexibilitat gr6Eer und die Strukturen sind nicht so festgelegt, wie das im Mittelstand der Fail ist", nennt sie Gründe dafür, warum die nachfolgende Generation lieber selbst gründet, als in ein etabliertes Unternehmen zu gehen. Ihr Vater versucht dagegenzuhalten. "AIs Nachfolger im Mittelstand sollte man aber genauso an die Sache rangehen wie bei einem Start-up. Ziel sollte immer sein, dem Unternehmen mit eigenen Impulsen seinen Stempel aufzudrücken", sagt Dirk Wember. GroBe Konkurrenz /1 Marie-Sophie Wember ist selbst noch Studentin, hat aber bereits die Nachfolge des mittelstandischen Geschaftes ihres Vaters im Blick und ist damit unter ihren Studienkollegen eher die Ausnahme. ,;Ner kein Startup gründen m6chte, wird schon früh im Studium von groEen Konzernen umworben. Ein mittelstandisches Unterneh- 26 MARK! und MITTELSTAND men kann man sich als junger Mensch nicht so richtig vorstellen", erzahlt sie. Eine Tatsache, die Dirk Wember zu denken gibt. Auch er ist der Meinung, dass es für den Mittelstand immer schwerer wird, Leute zu finden, die einerseits willens und andererseits auch fâhig sind, ein Unternehmen zu übernehmen. "Die Option, Unternehmer zu werden, liegt so ein bisschen im Nebel. Junge Leute müssen sehr eigeninitiativ sein, um etwas über die M6glichkeiten zu erfahren und eine Motivation für diese Aufgabe zu entwickeln", ist er sich sicher. Die jungen Leute Mtten aktuell aber kaum eine Chance, sich aktiv fürs Unternehmertum zu entscheiden, da sie über diese Option nicht hinreichend informiert werden. "Der Mittelstand spricht viel zu wenig über seine GroEartigkeit. Es ist falsche Bescheidenheit, nicht mehr über seine Vorteile zu kommunizieren", sagt Bernd Jacke, Unternehmensberater und ehemaliger Vorsitzender der Geschaftsführung bei Wisag. Dirk Wember selbst hat sein jetziges Unternehmen vor 17 Jahren gekauft. Er hatte diesen unbedingten Wunsch, mittelstandischer Unternehmer zu werden, der in der jetzigen Generation zu fehlen scheint. Wember schlug zunachst eigentlich eine vielversprechende Karriere in einem Konzern ein. Doch er wollte lieber selbst etwas gestalten und mehr Verantwortung tragen. Nach zwei Jahren der intensiven Suche hatte er Haas Schleifmaschinen schlieElich über eine Unternehmensb6rse gefunden. Und auch seine Tochter hat die Entscheidung, die Nachfolge des vaterlichen Geschaftes ins Auge zu fassen, aus freien Stücken - wenn auch nicht von heute auf morgen - getroffen. ,,!ch bin ab und an mal zu Verkaufsgesprachen meines Vaters mitgegangen und habe so Schritt für Schritt seine Arbeit in der Firma kennengelernt. !ch empfand diese Arbeit als sehr interessant und vielschichtig", erinnert sie sich an die ersten Schritte. Marie-Sophie Wember hat in der Phase des "Reinschnupperns" gemerkt, welch groEe Bedeutung das Familiare in dem Unternehmen hat. Und genau dieser Aspekt war es letztendlich, der den Ausschlag für ihre Entscheidung gab. Klar, dass dies Vater Dirk Wember sehr freut. "Aber es ist natürlich dennoch wichtig, dass meine Tochter vorher noch etwas anderes sieht. Wir haben zwar eine feste Verabredung. Aber ich kann einem jungen Menschen ja kein Versprechen abverlangen, ohne dass er die Chance hatte, etwas anderes kennenzulernen", ist Dirk Wember ehrlich. Gestiegene Anforderungen /1 Dem kann sich Anja Steinhaus-Nafe, Geschaftsführerin des Lebensmittelproduzenten Steinhaus, nur anschlieEen. Denn auch sie ist nach ihrer Ausbildung nicht direkt in das Familienunternehmen eingestiegen, sondern hat in einem anderen Betrieb erste berufliche Erfahrung gesammelt, obwohl für sie schon» 12-01// 2015-Jan 2016 » immer klar war, dass sie spater einmal das Unternehmen von ihrem Vater und ihrem Onkel übernehmen wird. Sie ist seit zehn Jahren Geschiiftsführerin und hat bis zur eigenen Geschiiftsübergabe noch Zeit. Dennoch beschiiftigt sie sich schon jetzt mit dem Thema - im Wissen, dass es keine leichte Aufgabe sein wird, einen geeigneten Nachfolger zu finden. "Die Anforderungen an mittelstandische Geschiiftsführer sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Für Entscheidungen müssen wesentlich mehr Risiken abgeschatzt werden, als das früher noch war. Auch die Welt eines Unternehmers ist komplexer und schnelllebiger geworden", analysiert sie. Zudem sei der Mittelstand oft nicht sexy genug. Daher hat sie von der Übergabe ihres Vaters beziehungsweise Onkels an sie gelernt. Diese Übergabe war sehr frühzeitig geplant. "Durch eine lange Vorbereitungszeit ist es leichter, jemanden aufzubauen", weiB sie. Sie hat zwei Kinder und somit sogar zwei potentielle Nachfolger für ihr Unternehmen. ,,!ch machte meine Kinder nicht in irgendetwas reinreden. Sie sollen es wenn, dann aus freien Stücken machen wollen", sagt Steinhaus-Nafe, die formell an ihren Nachwuchs die gleichen Anforderun28 MARK! und MITTELSTAND gen stellen würde wie an einen externen Nachfolger. Schweres Loslassen // AIs Bernd Jacke Mitte der neunziger Jahre Geschiiftsführer von Wisag wurde, war der Sohn des Inhabers noch nicht so weit, das Unternehmen des Vaters zu übernehmen. Jacke wurde quasi als Brückenbauer eingestellt und war 15 Jahre als Fremdmanager Vorsitzender Geschiiftsführer des Unternehmens. Sein Vorganger, Claus Wisser, hatte rechtzeitig die Problematik der Nachfolge erkannt und früh vorgesorgt. Das ist im Mittelstand nicht immer so. "Es gibt 70-jahrige Unternehmer, die davon ausgehen, ihr Geschaft auch mit 90 Jahren noch führen zu kannen und sich dementsprechend um keine Nachfolgeregelung kümmern", erzahlt Jacke. Viele Geschiiftsführer, vor allem die der Gründergeneration, hangen sehr an ihrem Unternehmen. Das Loslassen fâllt ihnen meist schwer. Es ist eine Gratwanderung zwischen einem Lebenswerk und der Erkenntnis, dass alles endlich ist. "Zu einem erfolgreichen Unternehmerleben gehôrt auch die VerantwOltung dazu, die Firma so zu übergeben, dass - wenn ein Ausscheiden der eigenen Person unumganglich ist - das Unternehmen weiter funktioniert", erklart Jacke. Diese Unfàhigkeit loszulassen, ist auch immer wieder ein Grund, weshalb eigentlich schon beschlossene Firmenübergaben am Ende doch noch scheitern. Gerade bei der Konstellation aus Inhaber und Fremdmanager kommt es deshalb bei der Nachfolgeregelung immer wieder zu Spannungen. "Es ist haufig so, dass der abgebende Unternehmer dem Manager anfangs geringere Befugnisse einraumt, als dies im Vorfeld vereinbart war. Der Eigentümer sollte seinem neuen Geschiiftsführer vertrauen und nicht dem Reflex verfallen, sich nach wie vor in alles einzumischen", weiB Raoul Nacke, geschiiftsführender Gesellschafter bei Eric Salmon & Partners. Diesen Generationenkonflikt erleben auch viele Kinder, die eigentlich die Eltern in der Nachfolge beerben wollen. Das fehlende Vertrauen in die nachste Generation führt haufig zu Stillstand und Unzufriedenheit. Die von Unternehmern angesprochenen "Impulse" kannen die Kinder nicht einbringen. Sie merken dies schon früh und ziehen deshalb eine Konzernkarriere der aktiven Unternehmerrolle vor. Um so etwas zu verhindern und die Nachfolge nicht daran scheitern zu lassen, ist es sinnvoll, eine klare Aufgabenverteilung in der Geschiiftsordnung festzulegen. "In einem Vertrag sollte geregelt sein, bei welchen Themen der abgebende Gesellschafter künftig noch Mitspracherecht hat", weiB auch Rechtsanwalt Andreas Rohde. Zudem sei haufig wichtig, dass der Senior nach der Übergabe operativ nichts mehr mache und auch zum Beispiel kein eigenes Büro mehr habe. "Dem Nachfolger hingegen muss vermittelt werden, dass es durchaus Sinn » 12-011/ Dez 2015-Jan 2016 // Titelthema » macht, wenn der Senior hier und da als Berater seine Expertise miteinbringen kann", sagt Rohde. Menschliche Differenzen /1 Das Spannungsfeld zwischen abgebendem Unternehmer und externem Nachfolger hat auch eine ganz persônlich Dimension. VOl' allem dann, wenn ein Manager aus einem Konzern in ein mittelstandisches Unternehmen kommt, ist es für beide Seiten eine groBe Umstellung. "Gute Manager sind nicht automatisch auch gute Unternehmer. Sie sind anders ausgebildet und sozialisiert und haben einen wird. Es ist jedoch wichtig, dies zu tun, um den Manager zum Unternehmer zu machen und damit eine Gleichschaltung der Interessen zu erreichen", ist Nacke sich sicher. Selbstverantwortung Il Genau das hat Erich Schuster, ehemaliger Geschaftsführer bei Defacto X bei seinem Schwiegersohn, Jan Môllendorf gemacht und ihn mit fünf Prozent am Unternehmen beteiligt. Dieses führt Môllendorf heute zusammen mit Erich Schusters Sohn, Claus Schuster. Eine ungewôhnliche Konstellation, die aber "Ein mittelstandisches Unternehmen kônnen sich junge Menschen nicht richtig vorstellen. Il Marie-Sophie Wember, potentielle Nachfolgerin, Haas Schleifmaschinen anderen Wertekodex", erkHirt der Personalberater Nacke. Wahrend der Unternehmer die Firma besitzt lmd in voller Haftung steht, ist der Manager bei Fehlentscheidungen nicht unmittelbar haftbar. "Die Unterschiedlichkeit diesel' beiden Rollen ist mitunter sehr groB und hat das Potential, Nachfolgen scheitern zu lassen", weiB Nacke. Deshalb, sollte der Inhaber seinem Nachfolger vermitteln, dass beide in einem Boat sitzen. Den Nachfolgel' am Unternehmen zu beteiligen ist eine Môglichkeit, dies zu tun. "Diese Hül'de ist fül' viele Familienunternehmer eine sehr groBe, da dies bedeutet, dass einem Externen ein Stück des eigenen Unternehmens übel'tragen 30 gut harmoniert. "Manchmal haben wir ab und an versaumt, meinen Vatel' ausreichend mitzunehmen. Wovon el' insbesondere am Anfang sicherlich nicht sehr begeistert war", erinnert sich Schuster. Die Wogen konnten aber immer schnell wieder geglattet werden. "Es muss manchmal auch scheppern. Das gehôrt einfach dazu. Bei wichtigen Strategiefragen binden wil' meinen Schwiegel'vater auch heute noch mit ein, obwohl el' opel'ativ nicht mehr tatig ist", sagt Môllendorf. Die jungen Geschaftsfühl'er denken auch schon an ihre eigene Nachfolge, die idealerweise genauso gut lauft wie die vorige. "Am Ende muss man sich bei den Bemü- hungen um die Nachfolge dem Wettbewerb um Talente stellen. Aber diesen Wettbewerb gab es immel' schon. Früher waren es McKinsey und Co. Heute sind es Start-ups", lasst Môllendorf keine Panik aufkommen. Und Schuster erganzt: "Nachfolge ist ein Plan, an dem immer gearbeitet werden muss. Wir arbeiten heute bereits an unterschiedlichen Szenarien. Sicher ist, dass es für uns keine generationsübergreifende Lôsung geben wird." Demographisches Problem Il Doch gegen den demogl'aphischen Wandel sind Unternehmer auch bei noch so guter Vol'bereitung nicht gewappnet. "Es gibt künftig schlichtweg einfach einen immer kleiner werdenden potentiellen Kl'eis an Nachfolgern", weiB Rechtsanwalt Rohde. "Und den Unternehmen, die dann doch einen Nachfolger gefunden haben, werden durch den Gesetzgeber Steine in den Weg gelegt", erganzt el' und spielt auf die geplante Refol'm des Erbschaftssteuergesetzes an. Das alte Gesetz ist laut Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig, weil unternehmerisches Vermôgen zu stark begünstigt wird. Am 30. Juni 2016 muss ein neues Gesetz in Kraft treten. Bis dahin gilt noch die alte Version. Das neue Gesetz wird zu einem hôheren bürokratischen Aufwand für Unternehmen führen. Die Erbschaftssteuerreform ist somit eine weitere Hül'de: Sie erhôht die Komplexitat des Themas Nachfolge, und der eigentliche Aspekt "Unternehmertum" rückt immel' weiter aus dem Zentrum. « [email protected] 12-01 Il Dez 2015-Jan 2016 MARK! und MITTEL5TAND 1 Aile Re'hte '1ofl)(éhdlten Fr:mkturt BL:siness Medi2 .3mbH. Frankfurt
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