"Viele Gesundheits-Apps bleiben notwendige Angaben bislang schuldig" Über 400.000 Apps aus den Bereichen Lifestyle, Medizin und Gesundheit stehen weltweit zum Download bereit und bedienen den boomenden Trend des "Selftrackings". Ein Markt, der für viele User unübersichtlich und unüberschaubar ist und Raum für viele Fragen bietet. Antworten darauf gibt eine Studie des Universitätsklinikums Freiburg im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK). Daran federführend mitgewirkt hat Dr. Ursula Kramer, Geschäftsführerin der sanawork Gesundheitskommunikation in Freiburg. Im Interview mit TKspezial Baden-Württemberg erläutert sie Chancen und Risiken der Gesundheits-Apps. TK: Die Welt der Gesundheits-Apps wird immer größer und damit auch unüberschaubarer. Wie finden Interessierte tatsächlich die App, die zu ihnen passt ? Dr. Kramer: Wir wissen aus Studien, dass Nutzer derzeit auf eigene Faust in den Stores nach nützlichen Unterstützungshilfen suchen. Sie lassen sich leiten von Kommentaren und Bewertungen anderer Nutzer, auch die Anzahl der erreichten Downloads wird als Indiz gewertet, ob die App „gut“ ist. Nutzer probieren die größtenteils kostenlosen GesundheitsApps einfach aus: „Gefällt mir die App, kann ich sie bedienen, verstehe ich die App, bietet sie mir Funktionen, die ich gesucht habe?“ Will der Nutzer bei einer Gesundheits-App darüber hinaus wissen, ob die Informationen und Gesundheits-Tipps vertrauenswürdig und frei von Interessen des Anbieters sind, oder ob zum Beispiel die dargestellten Grenzwerte, Dosierung aktuell und richtig sind, wird es schwierig. Denn die meisten der von uns untersuchten, deutschsprachigen GesundheitsApps bleiben die dafür notwendigen Angaben schuldig. Nicht einmal jede dritte App informiert, wie sie mit den Nutzerdaten oder gar mit persönlichen Gesundheitsdaten umgeht. TK: Wie könnte man das ändern? Dr. Kramer: Wir arbeiten seit vielen Jahren in Zusammenarbeit mit der afgis e. V. (Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem), mit Universitäten und verstärkt auch mit Krankenkas- sen daran, orientierenden Qualitätsstandards für Health-Apps zu etablieren. Nutzer sollen selbst einschätzen lernen, ob die Gesundheitsinformationen in Apps unabhängig oder interessengeleitet sind, ob die Tipps fundiert und aktuell sind, ob und wie der Anbieter ihre Nutzerdaten schützt. Eine App-Checkliste, die wir im Auftrag der TK entwickelt haben, hilft Nutzern dabei (www.tk.de, Webcode 723598). TK: Wie kann ich mich vor Missbrauch meiner Daten oder unerwünschter Werbung schützen? Dr. Kramer: Eine absolute Sicherheit gibt es nicht für die Nutzer von Gesundheits-Apps. Deshalb sollten sich Verbraucher und Patienten immer zuerst überlegen, was im schlimmsten Fall passieren könnte, wenn Daten durch unerlaubtes Ausspähen in die Hände Dritter gelangen könnten. Im Zweifel sollte sie auf die Eingabe dieser Daten dann ganz verzichten. Entscheidet man sich für eine App, sollte man immer nach einer Datenschutzerklärung suchen. Ist diese nicht auffindbar, sollten Nutzer diese Gesundheits-Apps besser meiden. TK: Welche Möglichkeiten bieten Gesundheits-Apps aus Ihrer Sicht für Krankenkassen? Dr. Kramer: Mit gut gemachten Gesundheits-Apps können Krankenkassen langfristige Motivationsanreize schaffen, um das gesundheitsförderliche Verhalten ihrer Versicherten zu unterstützen. Ob das gelingen kann, werden zukünftige Untersuchungen zeigen müssen, denn bisher ist die Evidenz-basis zur Wirksamkeit von Gesundheits-Apps noch sehr dünn. Erste Erfahrungen aus Pilotprojekten sind positiv. So wächst bei Versicherten ganz offensichtlich die Bereitschaft, sich an Vorsorgeprogrammen oder Aktionen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu beteiligen, wenn die Kasse dafür zum Beispiel kostenlose Fitness-Tracker zur Verfügung stellt. Für Versicherte steht dabei ihr individueller Nutzen im Vordergrund, daneben auch die Hoffnung auf insgesamt positive Effekte auf die Versichertengemeinschaft als Ganzes. Wenn viele Versicherte dank App-Unterstützung bessere Impulse für einen gesünderen Alltag erhalten, könnte dies die lebensstilbeeinflusste Krankheitslast senken und die Versorgungsqualität verbessern. Dreh- und Angelpunkt, ob sich diese erhofften Potentiale realisieren lassen, ist die breite Nutzung, die wiederum eine hohe Akzeptanz dieser neuen Vorsorgekonzepte bei Versicherten voraussetzt. TK: Welche Nutzung ist im Ausland schon Realität, die Sie sich auch für Deutschland wünschen? Dr. Kramer: Weltweit prüfen Versicherungsunternehmen in Pilotprojekten nicht nur den Nutzen telemedizinischer Anwendungen, zum Beispiel von Videokonsultationen mit dem Arzt, sondern auch die Wirkung von App-gestützten Vorsorgeprogrammen. Pionier ist der südafrikanische Versicherungskonzern "Discovery", der seinen Kunden bereits seit 2011 Präventionsprogramme unter Nutzung von Fitness-Trackern anbietet. Die große Mehrheit der Versicherten (85 Prozent) nutzt diese Angebote. Die Krankheitslast - gemessen als Mortalität und Morbidität der Versicherten - sowie die Behandlungs- und Krankheitskosten konnten nach Angaben des Versicherers im beobachteten Zeitraum deutlich verbessert werden. Die Selbstbefähigung von Versicherten stärken, die Eigenverantwortung in der Gesundheitsvorsorge und der Krankheitsbewältigung fördern, das kann mit Hilfe von digitalen Unterstützungshilfen zukünftig besser gelingen. Voraussetzung sind sowohl auf Seiten der Anbieter als auch der Nutzer eine gestärkte Medienkompetenz und eine hohe Sensibilität für die verantwortliche und selbstbestimmte Nutzung gesundheitsbezogener Daten. Zur Person bereits seit 2011 engagiert sich die Freiburger Pharmazeutin und Expertin für Kommunikation und Medical Education für die Etablierung von Qualitätsstandards in Health-Apps. Auf ihrer unabhängigen Informations- und Bewertungsplattform für Health-Apps www.healthon.de bietet Dr. Kramer sowohl gesundheitsinteressierten Verbrauchern, Patienten als auch Anbietern von GesundheitsApps Zugang zu Testberichten von derzeit über 350 Gesundheits-Apps. Sie vermittelt Einblicke in nationale und internationale Entwicklungen auf dem Gebiet M-Health und berichtet über Marktforschung und wissenschaftlichen Studien zu Gesundheits-Apps, die sie in Kooperation mit Hochschulen und Unternehmen der Gesundheitswirtschaft regelmäßig durchführt, z. B. die App-Studie in Kooperation mit der Universität Freiburg und im Auftrag der TK. Anschrift Healthon Initiative Präventionspartner sanawork Gesundheitskommunikation Emmy-Noether-Str. 2 79110 Freiburg Tel. 049 – 761/151548-0 Fax 049 – 761/151548-9 E-Mail: [email protected] www.healthon.de
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