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erntezeit – was die entscheidung des
Bundesgerichtshofs zu elektronischen Leseplätzen
für Bibliotheken bedeutet
oliver Hinte
❱ Nachdem die Urteilsgründe der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (BGH) zum Betrieb von elektronischen Leseplätzen nach § 52 b Urheberrechtsgesetz
(UrhG) zwischenzeitlich veröffentlicht worden sind,1
fragt sich die Bibliothekscommunity natürlich, welche Auswirkungen diese Entscheidung nunmehr für
sie hat. Der betroffene Verlag hat jedenfalls schon
seine Überlegungen abgeschlossen und laut einem
Bericht im „Buchreport-Express“2 Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt.
Auf dem vom Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft am 15. Oktober 2015 in Berlin veranstalteten Workshop mit dem Titel „Sind Bildung, Wissenschaft und Vergütung europäische oder
nationale Aspekte des Urheberrechts?“3 war das Urteil selbstverständlich auch eines der Themen. In
Bezug auf diese Entscheidung des BGH stellten die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem fest,
dass das Kriterium des „geboten“ nicht so weit interpretiert werden darf, dass ein bloßes Verlagsangebot die rechtlichen Regelungen der Schrankenbestimmung zu elektronischen Leseplätzen aushebeln
könnte.
Wie sollen sich Bibliotheken also in dieser Situation verhalten?
1. Für den Fall, dass die Bibliothek dem Rahmenvertrag zur Vergütung nach § 52b UrhG4 beigetreten
ist, hat sie sich für die Dauer der Laufzeit des Vertrags an dessen Bestimmungen zu halten. Diese
besagen unter anderem in § 2 Absatz 4 folgendes:
„Die jeweiligen Einrichtungen haben geeignete
Maßnahmen zu treffen, analoge oder digitale Vervielfältigungshandlungen durch Nutzer der elekt1 Aktenzeichen I ZR 69/11, abrufbar unter http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&
Art=pm&Datum=2015&Sort=3&anz=65&pos=1&nr=72304&linked
=urt&Blank=1&file=dokument.pdf
2 Ausgabe vom 22.10.2015, S. 11
3 Ein Bericht zu der Veranstaltung kann unter http://urheberrechtsbuendnis.de/workshop-zusammenfassung-2015.html.de abgerufen werden.
4 Abrufbar unter http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/
user_upload/DBV/vereinbarungen/2012-01-30_Gesamtvertrag_
Bibliothekstantieme_52b.pdf
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ronischen Leseplätze (insbesondere Ausdrucken,
Versenden per Email oder Abspeichern auf digitalen Speichermedien) zu verhindern. Dies bedeutet
also praktisch, dass für diese Gruppe von Bibliotheken ihren Nutzern an den elektronischen Leseplätzen zurzeit nur die bisherigen Nutzungshandlungen, also das Lesen von Texten, Betrachten von
Bildern, usw. gestattet ist.
2. Die Bibliotheken, die dem Rahmenvertrag nicht
beigetreten sind oder ihre Mitgliedschaft gekündigt haben, sind nun an die gesetzlichen Regelungen und die Vorgaben aus den Entscheidungsgründen des BGH Urteils gebunden. Dabei geht es
vor allen Dingen um folgende Passage des Urteils:
In Randziffer 53 führt der BGH folgendes aus: „Betreiber elektronischer Leseplätze sind verpflichtet,
die ihnen zumutbaren und möglichen Vorkehrungen zu treffen, um unbefugte Vervielfältigungshandlungen von Werken durch Nutzer der elektronischen Leseplätze zu verhindern. Eine Haftung
der Beklagten5 käme daher etwa in Frage, wenn
sie die Nutzer nicht darauf hinwiese, dass sie die
an den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachten Werke nur unter den – näher zu bezeichnenden -Voraussetzungen des § 53 UrhG vervielfältigen dürfen. Ferner käme eine Haftung der
Beklagten in Betracht, wenn sie nicht durch ihr
mögliche und zumutbare Maßnahmen dafür sorgte, dass die Nutzer – den Voraussetzungen des
§ 53 UrhG entsprechend – nur einzelne Vervielfältigungsstücke oder kleine Teile eines Werkes
und keine graphischen Aufzeichnungen von Werken der Musik oder im wesentlichen vollständigen
Bücher oder Zeitschriften vervielfältigen. Insoweit
treffen die Beklagte, die die Möglichkeit zu Vervielfältigungen an den elektronischen Leseplätzen
schafft, Kontroll- und Überwachungspflichten, um
eine unbefugte Vervielfältigung von Werken durch
Nutzer möglichst weitgehend auszuschließen.
5 Gemeint ist in diesem Fall die Bibliothek.
www.b-i-t-online.de
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Darüber hinaus könnte ein Hinweis der Beklagten an die Nutzer geboten sein, dass die aufgrund
der Schrankenregelung des § 53 UrhG erstellten
Vervielfältigungsstücke gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1
nicht verbreitet werden dürfen.“
Folgende Vorgaben für Bibliotheken lassen sich daher herausfiltern:
a) Es besteht eine Hinweispflicht für Bibliotheken,
dass die Nutzer der elektronischen Leseplätze die ihnen dort zugänglich gemachten Werke nur unter den Voraussetzungen des § 53
Abs. 1, 2 und 3 UrhG vervielfältigen und nach
§ 53 Abs. 6 UrhG nicht verbreiten dürfen.
Sinnvollerweise könnte dieser Hinweis mit
dem angezeigten Wortlaut des § 53 UrhG als
zu akzeptierender Disclaimer an den Leseplätzen angezeigt werden.
b) Darüber hinaus besteht für Bibliotheken die
Verpflichtung, durch ihr mögliche und zumutbare Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die
Nutzer gemäß § 53 Abs. 3 UrhG nur kleine Teile eines Werks, Werke von geringem Umfang
oder einzelne Beiträge aus Zeitschriften oder
Zeitungen vervielfältigen können. Als mögliche
und zumutbare Maßnahmen in diesem Sinne
sind Softwarelösungen zu verstehen, die die
Vervielfältigung entsprechend dieser Vorgaben begrenzen.
Der Gesamtvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG vom September 20076
sieht als Orientierungsgröße bei einzelnen
Werken folgenden zulässigen Umfang vor. Danach gelten unter anderem als
6 Abrufbar unter http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/vereinbarungen/Gesamtvertrag_
Ansprueche_52a.pdf
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aa) kleine Teile eines Werkes maximal 12 % eines Werkes, bei Filmen jedoch nicht mehr
als 5 Minuten Länge,
bb) Werk geringen Umfangs:
-- ein Druckwerk mit maximal 25 Seiten, bei
Musikeditionen maximal 6 Seiten,
-- ein Film von maximal 5 Minuten Länge,
-- maximal 5 Minuten eines Musikstückes,
-- alle vollständigen Bilder, Fotos und sonstigen Abbildungen.
Bei der Programmierung der Softwarelösungen haben die Bibliotheken daher darauf zu achten, dass
die an den elektronischen Leseplätzen angebotenen
Werke nur entsprechend der in aa) und bb) genannten Vorgaben in einem Schritt vervielfältigt werden
können. Diese Konsequenz folgt daraus, dass die
Bibliotheken nicht erkennen können, zu welchem
Zweck die Nutzer die Werke vervielfältigen. Daher
haben sie sich an der durch den BGH vorgegebenen
Untergrenze zu orientieren.
Wer in welchem Umfang die Vervielfältigungen zukünftig zu vergüten hat, ist eine Frage, die in den
Vertragsverhandlungen zum zukünftigen Rahmenvertrag zur Vergütung nach § 52b UrhG von den beteiligten Parteien noch zu klären ist. ❙
Oliver Hinte
Geschäftsführer
Fachbibliothek Rechtswissenschaft
Rechtswissenschaftliches Seminar
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln
[email protected]
www.b-i-t-online.de
www.b-i-t-online.de
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