Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg

Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg
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JUNGFRAUJOCH 18. FEBRUAR 2016
Pionierforschung am Berg
Wissenschaftler des Instituts für Geologie und des Labors für
Hochenergiephysik der Universität Bern arbeiten beim Jungfraujoch an
einem weltweit einzigartigen Projekt. Ziel ist es, die Felsoberfläche unter
dem Gletschereis mithilfe von kosmischer Fotografie zu kartieren.
von Stian Sartori
Der Geophysiker Ryuichi Nishiyama legt den selbst angefertigten Emulsionsfilm in den Detektor ein.
Fotos: Stian Sartori
Forscher der Universität Bern versuchen am Jungfraujoch durch sogenannte Myonen-Tomografie
festzustellen, wie das Gebirge unter dem Gletschereis verläuft. Dies ist insofern relevant, als dass
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durch den Rückgang des Gletschers vermehrt die Gefahr von Felsstürzen droht. Damit dieses
Risiko besser kalkuliert werden kann, installierten die Spezialisten diese Woche im JungfraujochTunnel drei Detektoren. Für die Anbringung dieser Geräte mussten die Forscher bis zum
Betriebsschluss der Bahn warten. Mit Stirnlampen und Bohrmaschine ausgerüstet, liefen sie 300
Meter den Tunnel hinunter und montierten die Detektoren an die Wand. «Der aufwendigste Teil
davon ist die exakte Ausrichtung der Detektoren», erklärt der Österreicher David Mair, der sein
Doktorat an der Universität Bern absolviert.
David Mair, Ryuichi Nishiyama und Alessandro Lechmann werden noch das ganze Jahr mit diesem weltweit einmaligen
Forschungsprojekt beschäftigt sein (vlnr).
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Auf der Fahrt von der Kleinen Scheidegg aufs Jungfraujoch ist dieser Detektor für jedermann zu sehen.
Sechs Monate für die Auswertung der Aufnahmen
Die Geräte absorbieren Elementarteilchen, sogenannte Myonen, die als Teil der kosmischen
Strahlung durch die 700 Meter dicken Gesteinsschichten dringen. Die Strahlung wird auf speziellen
Filmen in den Detektoren während bis zu vier Monaten aufgezeichnet. Die verwendeten
Filmstreifen, aus einer speziellen Emulsion, sind auf dem Markt nicht verfügbar und mussten in
Zusammenarbeit mit einem japanischen Forschungsinstitut eigens für dieses Projekt hergestellt
werden.
Der Zeitaufwand dafür ist im Verhältnis zu den bevorstehenden Arbeiten jedoch gering: «Für die
Entwicklung und Auswertung der Filme benötigen wir mindestens sechs Monate», sagt der
japanische Geophysiker Ryuichi Nishiyama. Er arbeitet an diesem Projekt mit und ist einer von
etwa zehn Experten weltweit, die vertiefte Kenntnisse in diesem Forschungsgebiet aufweisen. Auf
zwei Quadratzentimetern des Films sind etwa 350 Gigabyte Daten. Insgesamt analysieren die
Spezialisten der Universität Bern ab Mitte März etwa 200 Terabyte Daten.
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Der Geologe füllt an diesem Abend seinen Rucksack mit Gesteinsproben.
Komplexe Gesteinsschicht
Zusätzlich zu den Aufnahmen der Detektoren entnimmt der Geologe David Mair auf einer Strecke
von zweihundert Metern in Abständen von zehn Metern Gesteinsproben. Hierfür legt der
Akademiker mit dem Hammer selbst Hand an. «Die Gesteine an der Oberfläche sind zwar gut
erforscht, aber wie es im Innern des Berges aussieht, ist teilweise unklar», so Mair. Die
existierenden Karten des Jungfraujochs stammen aus den 1920er- und 1960er-Jahren. Obwohl sie
qualitativ sehr gut seien, ist für dieses Projekt teilweise ein höherer Detailgrad nötig. Die
Felsstruktur ist in diesem Gebiet besonders komplex angeordnet. Während in anderen Regionen
die Sedimentschichten schön übereinanderliegen, sind die Gesteinslagen am Jungfraujoch stark
gefaltet und überschoben. «Die Situation hier am Berg ist ziemlich chaotisch, aber das macht es für
mich natürlich umso interessanter», hält der Geologe fest.
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Die Wissenschaftler interessieren sich für die natürlichen Gegebenheiten, die fürs Auge unsichtbar sind.
Teure Sicherheitsverbauungen
Beim Ausgang auf den Aletschgletscher mussten aufgrund des Eisschwunds bereits etliche
Sicherheitsverbauungen installiert werden. «Eine Verbauung ist ungefähr so teuer wie ein Auto von
BMW», erklärt Alessandro Lechmann, der als Doktorand auch an dem Unterfangen beteiligt ist.
Durch den Eisschwund verlören die Felsen ihr stützendes Gegengewicht, was schliesslich zu
Steinschlägen führen könne. «Je flacher die Wand, desto tiefer ist das Risiko, dass es zu einem
Felssturz kommt», erläutert Lechmann. Die Wissenschaftler hoffen deshalb auf gute
Messergebnisse, damit sie auch die Frage der Neigung der Felswand unterhalb des Eises
beantworten können.
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Die Forschungsstation auf dem Joch ist in Europa einzigartig.
Einzigartige Forschungsstation
Für die Wissenschaftler befindet sich auf dem Jungfraujoch, abseits der öffentlich zugänglichen
Räumlichkeiten, eine Forschungsstation. Ihnen steht dort neben Arbeits- und Schlafzimmern auch
Internet zur Verfügung. Zu Gast sind dort meistens Angestellte der Universität Bern und des PaulScherrer-Instituts aus dem Kanton Aargau. Gelegentlich reisen auch Wissenschaftler anderer
Länder auf das 3471 Meter hohe Joch, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die hochalpine
Forschungsstation ist die höchste ihrer Art in Europa, die das ganze Jahr zugänglich ist. Geforscht
wird unter anderem an Aerosolen, der Luftverschmutzung und der Geologie.
ARTIKELINFO
Artikel Nr. 141194
18.2.2016 – 16.31 Uhr
Autor/in: Stian Sartori
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