Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 JUNGFRAUJOCH 18. FEBRUAR 2016 Pionierforschung am Berg Wissenschaftler des Instituts für Geologie und des Labors für Hochenergiephysik der Universität Bern arbeiten beim Jungfraujoch an einem weltweit einzigartigen Projekt. Ziel ist es, die Felsoberfläche unter dem Gletschereis mithilfe von kosmischer Fotografie zu kartieren. von Stian Sartori Der Geophysiker Ryuichi Nishiyama legt den selbst angefertigten Emulsionsfilm in den Detektor ein. Fotos: Stian Sartori Forscher der Universität Bern versuchen am Jungfraujoch durch sogenannte Myonen-Tomografie festzustellen, wie das Gebirge unter dem Gletschereis verläuft. Dies ist insofern relevant, als dass http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 1 of 7 Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 durch den Rückgang des Gletschers vermehrt die Gefahr von Felsstürzen droht. Damit dieses Risiko besser kalkuliert werden kann, installierten die Spezialisten diese Woche im JungfraujochTunnel drei Detektoren. Für die Anbringung dieser Geräte mussten die Forscher bis zum Betriebsschluss der Bahn warten. Mit Stirnlampen und Bohrmaschine ausgerüstet, liefen sie 300 Meter den Tunnel hinunter und montierten die Detektoren an die Wand. «Der aufwendigste Teil davon ist die exakte Ausrichtung der Detektoren», erklärt der Österreicher David Mair, der sein Doktorat an der Universität Bern absolviert. David Mair, Ryuichi Nishiyama und Alessandro Lechmann werden noch das ganze Jahr mit diesem weltweit einmaligen Forschungsprojekt beschäftigt sein (vlnr). http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 2 of 7 Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 Auf der Fahrt von der Kleinen Scheidegg aufs Jungfraujoch ist dieser Detektor für jedermann zu sehen. Sechs Monate für die Auswertung der Aufnahmen Die Geräte absorbieren Elementarteilchen, sogenannte Myonen, die als Teil der kosmischen Strahlung durch die 700 Meter dicken Gesteinsschichten dringen. Die Strahlung wird auf speziellen Filmen in den Detektoren während bis zu vier Monaten aufgezeichnet. Die verwendeten Filmstreifen, aus einer speziellen Emulsion, sind auf dem Markt nicht verfügbar und mussten in Zusammenarbeit mit einem japanischen Forschungsinstitut eigens für dieses Projekt hergestellt werden. Der Zeitaufwand dafür ist im Verhältnis zu den bevorstehenden Arbeiten jedoch gering: «Für die Entwicklung und Auswertung der Filme benötigen wir mindestens sechs Monate», sagt der japanische Geophysiker Ryuichi Nishiyama. Er arbeitet an diesem Projekt mit und ist einer von etwa zehn Experten weltweit, die vertiefte Kenntnisse in diesem Forschungsgebiet aufweisen. Auf zwei Quadratzentimetern des Films sind etwa 350 Gigabyte Daten. Insgesamt analysieren die Spezialisten der Universität Bern ab Mitte März etwa 200 Terabyte Daten. http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 3 of 7 Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 Der Geologe füllt an diesem Abend seinen Rucksack mit Gesteinsproben. Komplexe Gesteinsschicht Zusätzlich zu den Aufnahmen der Detektoren entnimmt der Geologe David Mair auf einer Strecke von zweihundert Metern in Abständen von zehn Metern Gesteinsproben. Hierfür legt der Akademiker mit dem Hammer selbst Hand an. «Die Gesteine an der Oberfläche sind zwar gut erforscht, aber wie es im Innern des Berges aussieht, ist teilweise unklar», so Mair. Die existierenden Karten des Jungfraujochs stammen aus den 1920er- und 1960er-Jahren. Obwohl sie qualitativ sehr gut seien, ist für dieses Projekt teilweise ein höherer Detailgrad nötig. Die Felsstruktur ist in diesem Gebiet besonders komplex angeordnet. Während in anderen Regionen die Sedimentschichten schön übereinanderliegen, sind die Gesteinslagen am Jungfraujoch stark gefaltet und überschoben. «Die Situation hier am Berg ist ziemlich chaotisch, aber das macht es für mich natürlich umso interessanter», hält der Geologe fest. http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 4 of 7 Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 Die Wissenschaftler interessieren sich für die natürlichen Gegebenheiten, die fürs Auge unsichtbar sind. Teure Sicherheitsverbauungen Beim Ausgang auf den Aletschgletscher mussten aufgrund des Eisschwunds bereits etliche Sicherheitsverbauungen installiert werden. «Eine Verbauung ist ungefähr so teuer wie ein Auto von BMW», erklärt Alessandro Lechmann, der als Doktorand auch an dem Unterfangen beteiligt ist. Durch den Eisschwund verlören die Felsen ihr stützendes Gegengewicht, was schliesslich zu Steinschlägen führen könne. «Je flacher die Wand, desto tiefer ist das Risiko, dass es zu einem Felssturz kommt», erläutert Lechmann. Die Wissenschaftler hoffen deshalb auf gute Messergebnisse, damit sie auch die Frage der Neigung der Felswand unterhalb des Eises beantworten können. http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 5 of 7 Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 Die Forschungsstation auf dem Joch ist in Europa einzigartig. Einzigartige Forschungsstation Für die Wissenschaftler befindet sich auf dem Jungfraujoch, abseits der öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten, eine Forschungsstation. Ihnen steht dort neben Arbeits- und Schlafzimmern auch Internet zur Verfügung. Zu Gast sind dort meistens Angestellte der Universität Bern und des PaulScherrer-Instituts aus dem Kanton Aargau. Gelegentlich reisen auch Wissenschaftler anderer Länder auf das 3471 Meter hohe Joch, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die hochalpine Forschungsstation ist die höchste ihrer Art in Europa, die das ganze Jahr zugänglich ist. Geforscht wird unter anderem an Aerosolen, der Luftverschmutzung und der Geologie. ARTIKELINFO Artikel Nr. 141194 18.2.2016 – 16.31 Uhr Autor/in: Stian Sartori Werbung http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 6 of 7 Jungfrau Zeitung - Pionierforschung am Berg 22.02.16 09:17 Inserieren Abo Kontakt Impressum AGB © 2001 – 2014 Gossweiler Media AG, Medienhaus seit 1907 http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/print/141194/ Page 7 of 7
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