FINANZEN INTERVIEW SIE FINDET IMMER DEN RICHTIGEN TON Dirigentin. Elisabeth Fuchs gründete mit 22 Jahren ihr eigenes Orchester. Die gebürtige Oberösterreicherin lebt ihr Leben „presto“ – im schnellen, eilenden Tempo, wie es in der Musikfachsprache heißt. Im CHEFINFO-Interview erzählt sie von ihrem Werdegang. Das Interview führte Petra Danhofer CHEFINFFO: Ist eine Frau am Dirigentenpult nicht eine Seltenheit? Fuchs: Ich weiß nicht, ob wir jemals die 50:50-Quote haben werden. Beim Chordirigieren kommen wir fast auf 50:50, beim Orchester sind wir davon weit weg. Auch beim Studium. Drei bis fünf Prozent der Dirigentenpositionen sind an Frauen vergeben. Das Studium dauert mit sechs Jahren extrem lang und man braucht ein Vorstudium. Dann muss man fünf bis sieben Jahre arbeiten und Erfahrung sammeln. Das heißt, ich kann frühestens mit 35 Kinder kriegen. Dann ist man mit Sicherheit 102 | CHEF INFO | 6/2015 „Ich kenne keine Fokusprobleme – bei allem, was ich tue.“ Elisabeth Fuchs Dirigentin ein Jahr weg. Zudem sind Kleinkinder oft krank, irgendwer muss bei ihnen zu Hause bleiben. CHEFINFFO: Wie vereinbaren Sie Familie und Karriere? Fuchs: Ich war im Mutterschutz, seit Mitte Februar arbeite ich wieder voll. Meine Stelle mit Gastdirigenten zu besetzen, hätten wir uns nicht leisten können. Außerdem war die Produktion so komplex, dass ich mithelfen musste. Also haben mich meine Eltern unterstützt. Ich habe aber versprechen müssen, dass ich von 1. Juni bis Ende September in Karenz gehe. Meine Babysitterin hat ab 14 Uhr, abends und am Wochenende Zeit. In diese Zeiten lege ich meine Termine. Trotzdem waren die letzten Monate ein Hammer. Außerdem habe ich einen tollen flexiblen Kindergarten. Da kann ich meinen Sohn auch erst um zehn Uhr bringen, weil ich ihn sonst nicht mehr sehen würde. CHEFINFO: Woher nehmen Sie die Energie? Fuchs: Ich lasse mich nicht stressen. Ich lebe extrem im Moment, lasse alles fließen. Ich ken- ➔ FOTO: ERIKA MAYER S ie ist gerade einmal 39 Jahre alt, Dirigentin der Philharmonie Salzburg, künstlerische Leiterin der Salzburger Kulturvereinigung sowie künstlerische Leiterin der Salzburger Kinderfestspiele: Elisabeth Fuchs, geboren und aufgewachsen in Wartberg an der Krems im elterlichen Gasthaus. Sie hat drei Studien im Eiltempo absolviert und zieht obendrein zwei Kinder als Alleinerzieherin auf. Mit CHEFINFO sprach sie über Musik, Karriere als Frau sowie Führung und Unternehmertum. ZUR PERSON FOTO: XXXXXXXX Elisabeth Fuchs, 39, ist Chefdirigentin der Philharmonie Salzburg, künstlerische Leiterin der Salzburger Kulturvereinigung und Kinderfestspiele. Fuchs ist dreifache Magistra (Lehramt Mathematik und Musik, Chordirigieren und Orchesterdirigieren) und im elterlichen Gasthaus in Wartberg an der Krems aufgewachsen. Sie hat einen 5 Jahre alten Sohn sowie eine sieben Monate alte Tochter. 6/2015 | CHEF INFO | 103 FINANZEN 1998 gründete Elisabeth Fuchs als 22-jährige die Junge Philharmonie Salzburg, heute nur mehr Philharmonie Salzburg. CHEFINFO: Wie schwer ist es heutzutage, ein Kulturbudget aufzubringen? Fuchs: Jeder künstlerische Leiter bekommt ein Budget, das er mehr oder weniger einhalten muss. Ich bin im Gasthaus groß geworden und weiß, was ein Schnitzel im Einkauf kostet und dass ich acht von elf Schnitzel verkaufen muss, damit es sich ausgeht. Genauso ist es im Kartenverkauf. Die Karte, die ich beim heutigen Konzert nicht verkauft habe, kann ich morgen nicht nachholen. Im Konzertbereich ist es heute immer wichtiger, dass künstlerische Leiter wie Marketingmanager denken und sich genau überlegen, wen sie auf die Bühne nehmen und wie sie das verkaufen, weil das Publikum sehr heikel geworden ist. CHEFINFO: In Linz blieben bei einem Gastauftritt der Wiener Philharmoniker viele Plätze leer. Wäre so etwas in Salzburg auch denkbar? Fuchs: Nein, weil das in Salzburg nicht leistbar ist. Die Philharmonie Salzburg muss bei jedem Konzert eine Mindestauslastung von 90 Prozent haben, damit es sich ausgeht. Ich kann nur Konzerte veranstalten, wo ich im Vorhinein weiß, dass sie voll werden. Wenn etwas im Aufbau ist, darf man es sich leisten, nur zu 50 % verkauft zu sein. Ansonsten muss man sich schon Gedanken darüber machen, warum das passiert ist. 104 | CHEF INFO | 6/2015 CHEFINFO: Könnte es an den hohen Kartenpreisen gelegen haben? Fuchs: Der Preis ist nicht das Ausschlaggebende. Ich muss von meinen 150.000 Stadtbewohnern wissen, wer konzertaffin ist. Unser Newsletter geht an 25.000 Empfänger. Dadurch könnte so etwas wie in Linz gar nicht passieren. Das Marketing muss stimmen, damit ich auch im Einzelverkauf bei Sonderkonzerten erfolgreich bin. Ich muss dem Publikum geben, was es will, Ich muss dem Publikum geben, was es will, aber die Leute auch fordern. Und ich muss zum Publikum eine Bindung haben. Elisabeth Fuchs Dirigentin aber die Leute auch fordern. Und ich muss zum Publikum eine Bindung haben. Ich stelle mich auf die Bühne und sage danke für die Treue, appelliere, dass jeder ein Jahresprogramm für Freunde mitnimmt. Denn Abonnenten werben Abonnenten. Die Empfehlung ist die beste Werbung. CHEFINFO: Wie sind Sie Dirigentin geworden? Fuchs: Ich habe mit 19 in Salzburg Lehramt für Musik und Mathematik zu studieren begonnen. Schon im ersten Jahr habe ich gemerkt, dass in mir viel mehr Musik steckt, als ich wusste. Nach drei Jahren war ich fertig und wollte noch drei Jahre Dirigieren anhängen. Das Mozarteum nimmt in diesem Fach nur zwei Studenten pro Jahr auf. Trotzdem habe ich die Aufnahmeprüfung probiert und bestanden. Mein Musiklehrer Balduin Sulzer hat mich darauf hingewiesen, dass man mit dem Studium allein nicht dirigieren lernt, sondern einen Chor oder ein Orchester braucht. Das Instrument des Dirigenten ist das Orchester. Also habe ich 1998 mit 22 Jahren die Junge Philharmonie Salzburg gegründet. CHEFINFO: Wie gründet man ein Orchester? Fuchs: Das Einfachste ist noch, die Musiker zu finden. Ich habe ein Programm zusammengestellt, einen Probenplan erstellt und einen Konzertsaal gesucht. Dann habe ich Statuten geschrieben und den Verein angemeldet. Ich suchte um Subventionen an und trieb 35.000 Schilling Sponsorengelder auf. Dann kümmerte ich mich um die Drucksorten, engagierte die Solistin und lernte die Partituren, bestellte einen Bus und organisierte noch ein Nachfolgekonzert. Das Desaster war leider das große Minus von 70.000 Schilling. Also habe ich am Oktoberfest gearbeitet und meine Schulden abbezahlt. All meine Ersparnisse gingen in mein Orchester. CHEFINFO: Welche Führungskompetenzen braucht man als Dirigentin? Fuchs: Das Wichtigste sind fachliche Kompetenz und sehr gute Vorbereitung. Und man muss sozial kompetent sein. Autorität ist auch wichtig, aber ich könnte nicht sagen, was von den drei Dingen – fachliche Kompetenz, soziale Kompetenz und Autorität – wichtiger ist. Wenn man da vorne steht, kann man nicht weich sein und fragen, was meint denn ihr? Man muss ein Typ sein, der sagen möchte, wo es lang geht. Das ist wie selbstständig sein – wenn man das nicht will, sollte man es auch nicht machen. ■ FOTO: SANDRA CVITKOVAC ne keine Fokusprobleme. Ob ich jetzt die Wäsche mache, dirigiere oder meine E-Mails bearbeite, ich bin dabei unglaublich effizient. Oft gehe ich auch nicht ans Telefon, wenn ich bei meinen Kindern bin. Wer will, erreicht mich. Es gibt zwei Büros, in denen man anrufen und eine Nachricht für mich hinterlegen kann. Ich rufe zurück, wann es mir ausgeht. Ich lebe nicht im Konjunktiv, ich mache einfach. Ich habe auch keine Teams mit ewig langen Diskussionen und Sitzungen.
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