Irmchen und Maria - Die Toleranz

demenz-box
Irmchen
und Maria
Was machen ein Plüschhuhn und eine
Plüscheule in der Demenzbehandlung?
Erfahren Sie, wie die beiden Therapie­puppen
mit ihren Geschichten Erinnerungen wecken,
die längst vergessen schienen.
M
ein Ziel ist es, Freude in die
bereits in einem gemütlichen Sesselkreis. Die
­Demenz-Therapie zu bringen“,
Damen sind alle über 80 Jahre alt und haben
den Hals von Eule Irmchen hängt. „Was für
eine schöne Kette!“ ruft sie. Auf Nachfragen
erklärt Astrid McCornell und
eine Demenzerkrankung in verschiedenen
können die Frauen die Tiere erkennen ­sowie
zeigt auf ihre „Therapie-Box“.
Ausprägung. An zwei bis fünf Tagen in der
Eule und Huhn benennen. Daraufhin beginnt
Woche sind sie Gäste der Tagespflege.
Astrid McCornell, eine ­Geschichte von Irm-
Die gelernte Krankenschwester hat sie selbst
entwickelt. „Ich möchte damit die Werte
­Zunächst stellt sich die Pflegende den
Respekt, Achtsamkeit, Freundschaft und
­
Frauen vor: „Mein Name ist Astrid und ich bin
­Unterstützung vermitteln,“ erklärt sie. Zum
Krankenschwester. Meine zwei Söhne sind
Programm gehören auch die beiden Therapie-
nun groß und ich hatte Zeit, mir einen Traum
puppen, die McCornell frei nach dem Motto
„Lachen ist die beste ­Medizin“ auf die N
­ amen
Irmchen und Maria getauft hat.
Pflegende können die Therapie-Box bei
einem Gruppentreffen einsetzen oder, um mit
einem Demenzkranken ins Gespräch zu kommen: Die Pflegekraft liest dann Geschichten
von Irmchen und Maria vor und stellt dazu
passende Zwischenfragen an die Zuhörer.
Falls dies die ­Erkrankten kognitiv zu sehr fordert, kann sie die Texte auch mit haptischen
chen und Maria vorzulesen.
»die box hilft
dabei, mit
demenzkranken
ins gespärch zu
kommen«
Erlebnissen ergänzen. Voraussetzung ist, dass
zu erfüllen – und eine Idee in die Tat umzu-
die Pflegende die Teilnehmer gut kennt und
setzen: Mein Traum steckt in dieser Box.“
ihre Fähigkeiten einschätzen kann.
Dann hebt sie den Deckel und holt Irmchen
und Maria heraus.
Leuchtende Augen
Die Damen sind begeistert: Ihre Augen
Astrid McCornell stellt die „Demenz-Box“ im-
leuchten auf, einige beugen sich aufmerksam
mer wieder in interessierten Einrichtungen
vor, um besser sehen zu können. Eine fragt:
vor - wie in der Tagespflege Ottensen in Ham-
„Wie süß – und das haben Sie selbst ­gemacht?“
burg: Fünf ältere Damen erwarten sie hier
Eine andere kommentiert die Kette, die um
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CNE . magazin
02|2014
Zuhören, anschauen und anfassen
Die Patienten lauschen gebannt den Geschichten
über die beiden Tiere.
Geschichten aufleben lassen
Da sie die Demenzpatientinnen nicht kennt
und auch nicht um ihre Stärken und Schwächen weiß, hält sie sich anschließend zurück
und übergibt der Kollegin aus der Tagespflege
das Buch. „Mein Ziel ist es, P
­ flegenden, Therapeuten und andere Betreuungskräfte in die
Lage zu versetzen, die Therapie-Box bedenkenlos anzuwenden,“ erklärt McCornell. Um
das zu erreichen, gibt sie Seminare zum Umgang mit der Box ­sowie zum Thema D
­ emenz.
„Die Box kann meiner Meinung nach auch im
Krankenhaus auf geriatrischen Stationen eingesetzt werden,“ betont sie.
Jetzt beginnt die Pflegekraft der Tages­
pflege zu lesen. Dann stellt sie die im Buch
vorgegebenen und zur Geschichte passenden
Fragen. B
­ ereits bei der ersten Frage wird es
lebhaft: Denn auf „Wo tut es Ihnen am Morgen weh, wenn Sie aufstehen?“, kann wirklich
jede der Fünf etwas beitragen. Die eine berichtet über steife Knie, und alle stöhnen bei
dem Wort „Rückenschmerzen“ auf. Da gibt es
bereits das erste Gelächter.
Eine der nachfolgenden Fragen dreht sich
sie zaubern ein lächeln ins gesicht
Die beiden Therapiepuppen Irmchen und Maria finden große Bewunderung unter den Patienten.
­Besonders die Kette der Eule hat es den Damen angetan.
um die Biografie, einem zentralen ­Bestandteil
der Therapie-Box-Geschichten. In diesem Fall
Eine Box mit vielen Möglichkeiten
schaftliche ­Arbeit für das kommende Som-
geht es um „Familie und das schnelle Verge-
Die nächste Aufgabe besteht darin, eine Eule
merfest ausgesucht hat. Dann soll eine große
hen der Zeit“. Hier überrascht eine der D
­ amen
nachzuahmen. Da keiner genau weiß, wie
Blume entstehen, an der die fünf Damen ge-
mit ihrer ganz persönlichen Liebesgeschichte:
e ine Eule tatsächlich ruft, versuchen es
­
meinsam arbeiten ­werden.
Sie stammt aus Finnland und ging als junge
­einfach alle gemeinsam – ein toller Chor mit
Frau am Wochenende mit ihrem Verehrer
einer Menge Gelächter.
Daraufhin ließen es sich die Damen nicht
nehmen, Astrid McCornell zum Sommerfest
zum Tanzen. ­Einer der Musiker dort war ein
Nach circa 30 Minuten legt die Gruppe eine
einzuladen. „Irmchen, Maria und ich kom-
Hamburger Jung und hatte mit seiner Kapelle
Trinkpause ein. In dieser Zeit können die
men natürlich gerne!“ bestätigt McCornell
einen Auftritt in Finnland. Er verliebte sich
­Damen die Tiere bewundern, die Kette der
lachend.
cla
sofort in die Finnin – stach den Verehrer aus
und nahm sie mit nach Hamburg. Und so kam
es, dass diese Dame Jahrzehnte später Gast in
der Tagespflege Ottensen ist.
zur person
astrid mccornell
absolvierte vor
über 25 Jahren eine
Ausbildung zur
Krankenschwester,
war anschließend in
der häuslichen ­­Altenund Krankenpflege
tätig, bildete sich zur
Gemeindefachschwester weiter und wurde
schließlich Einrichtungsleiterin. Mit dem
Thema Demenz beschäftigte sie sich intensiv und b
­ egann, Geschichten für erkrankte
Menschen zu schreiben. Daraus entwickelten
sich die Figuren Irmchen und Maria, und sie
beschloss, ihnen „Leben“ einzuhauchen.
Kontakt: [email protected],
www.irmchen-und-maria.de
»die fragen, die
sich aus den
­geschichten ergeben, helfen
beim erinnern.«
Eule und die Schürze des Huhns anfassen und
Fragen zur Herstellung stellen. Astrid McCornell erklärt, dass Irmchen und Maria in den
Elbe-Werkstätten, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Hamburg, hergestellt werden. Jedes Tier ist also handgefertigt
und ein Unikat.
Nach der Pause liest die Kollegin von der
Tagespflege den Rest der Geschichte vor. Und
damit geht nach etwa anderthalb Stunden ein
fröh­licher Vormittag zu Ende. Irmchen, Maria
und Astrid McCornell verlassen eine Runde
mit entspannten und munteren Gesichtern.
Beim Gehen erzählt die Kollegin der Tagespflege McCornell, dass sie aus den Bastel­
CNE INFO
Die Therapiebox besteht aus:
• Irmchen und Maria als
Therapiepuppen,
• einem Buch mit Geschichten von Irmchen und Maria,
• drei Bastelanleitungen als
Fotostrecke,
• Blumen und Sternen aus
Krepp-Papier, einer Eule aus
Tannenzapfen und Sternen
aus Strohhalmen und
Pappkarton.
Themen und Anwendungs­
gebiete sind:
• Biografiearbeit
• Gedächtnistraining
• Erinnerungsarbeit
• jahreszeitliche Orientierung
• Sinnesaktivierung
• Konzentrations- und
Feinmotorik-Training
anleitungen der Therapie-Box eine gemein02|2014
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